Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. November 2008
Aktenzeichen: 24 W (pat) 81/07
(BPatG: Beschluss v. 25.11.2008, Az.: 24 W (pat) 81/07)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 17 des Deutschen Patentund Markenamts vom 23. Mai 2006 und 26. Juli 2007 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Wortmarke MultiStarist ursprünglich für die Waren
"Glasfilamente und Glasfasern, insbesondere Glasfaserrovings, auch für Isolierund Textilzwecke, insbesondere zur Verwendung im Fahrzeugbau"
zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 17 des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) die Anmeldung wegen des absoluten Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Begriffskombination "MultiStar" setze sich aus den dem inländischen Verkehr geläufigen englischen Begriffen "Multi" für "viel, vielfach, mehrfach" und "Star", dem Wort für Stern sowie einer Qualitätsbezeichnung, zusammen. Unabhängig davon, ob die Begriffsbildung in der englischen Sprache sprachüblich oder gebräuchlich sei oder ob sie im Verkehr bereits verwendet werde, ergebe sie im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren einen schnell und klar fassbaren Aussagegehalt dahingehend, dass es sich um Erzeugnisse handle, die viel bzw. in vielfacher Hinsicht besser seien als die Konkurrenzprodukte. Auch wenn sich die angesprochenen speziellen Verkehrskreise (Architekten, Bauunternehmer) gewöhnlich nicht von werblich oberflächlichen Aussagen leiten ließen, würden sie dem Zeichen keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern einen im Vordergrund stehenden Hinweis auf in vielfacher Hinsicht bessere Produkte entnehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung ergebe der zusammengesetzte, als solcher nicht gebräuchliche Markenbegriff "MultiStar" nur Übersetzungen bzw. Sinndeutungen, die für die angemeldeten Waren in keiner Weise deskriptiv seien. Soweit die auch im Deutschen vorkommenden Begriffe überhaupt übersetzt würden, werde "Multi" i. S. v. "viel, mehrfach, vielfach, Multi" und das Wort "Star" i. S. v. "Stern" verstanden. Nicht zutreffend sei insbesondere die von der Markenstelle vorgenommene Übersetzung des Wortes "Star" mit "besser, etwas sehr Gutes" oder "einer der Besten". Im übertragenen Sinn einer "Berühmtheit" kenne der Verkehr von dem Wort "Star" vielmehr nur Steigerungen wie "Superstar" oder "Megastar". Der Begriff "MultiStar" klinge dagegen befremdlich. Die Markenstelle lege eine analysierende Betrachtungsweise zugrunde und konstruiere willkürlich einen beschreibenden bzw. werblichen Sinn des Markenwortes, der sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erschließe. Im Hinblick auf etliche erfolgte Eintragungen der Marke "Multistar" für verschiedene Waren und Dienstleistungen stelle die Zurückweisung der vorliegenden Anmeldung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung durch das DPMA dar.
Im Beschwerdeverfahren schränkt die Anmelderin das Verzeichnis der Waren auf folgende Fassung ein:
"Glasfilamente und Glasfasern, insbesondere Glasfaserrovings, sämtliche vorgenannten Waren ausschließlich zur Verwendung im Fahrzeug-, Schiffsund Flugzeugbau für industrielle Zwecke."
Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.
Insbesondere kann der Marke nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft ist die -konkrete -Eignung, die beanspruchten Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2002, 804, 806 (Nr. 35) "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 40) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 48) "Henkel"; GRUR 2008, 608, 610 (Nr. 59) "EUROHYPO"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Die Unterscheidungskraft ist zum Einen im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und zum Anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 41) "Linde, Winward u. Rado";
a.
a. O. (Nr. 50) "Henkel"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) "SAT.2"; BGH a. a. O. (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R. so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 53) "Henkel"; BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Nach der Rechtsprechung besitzen Wortmarken dann keine die Ursprungsidentität gewährleistende Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden, ohne weiteres und ohne Unklarheiten fassbaren beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen oder geläufigen Wörtern einer fremden Sprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"; BGH GRUR 2001, 1153 "antiKALK"; GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard";
a.
a. O. (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"). Die danach für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft zu fordernden Voraussetzungen vermag der Senat bei der angemeldeten Marke -jedenfalls nach der vorgenommenen Beschränkung des Warenverzeichnisses -nicht festzustellen.
Eine merkmalsbeschreibende Aussage kann der angemeldeten Begriffsbildung "MultiStar" für die fraglichen Waren nicht entnommen werden. Zwar ist die Bedeutung der einzelnen Wortelemente in der markenrechtlichen Rechtsprechung zahlreich behandelt worden und von daher nicht zweifelhaft. "Multi-" ist ein in der deutschen wie in der englischen Sprache gebräuchliches Präfix mit der Bedeutung "viel, vielfach, mehrfach" (vgl. z. B. Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Duden-Oxford Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]; jeweils zu "multi-, Multi-"). Das englische Wort "Star" (= Stern, prominente Person; vgl. Duden-Oxford, a. a. O. zu "star") ist in der Bedeutung "gefeierter Künstler, jemand, der auf einem bestimmten Gebiet Berühmtheit erlangt hat" in den deutschen Wortschatz eingegangen und wird insbesondere auch in der Produktwerbung im übertragenen Sinn zur Bezeichnung von Produkten oder Leistungen gebraucht, die eine Spitzenstellung einnehmen (vgl. u. a. BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 177/04 "Efficacy star"; PAVIS PROMA 32 W (pat) 196/03 "CURLSTAR"). Die sich demzufolge ergebende Bedeutung "Mehrfach-, VielfachStarbzw. -Spitzenprodukt" der für die Beurteilung der Unterscheidungskraft maßgeblichen Gesamtkombination "MultiStar" (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 28) "SAT.2"; GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 29) "BioID") beinhaltet ersichtlich keine -sachliche -Beschreibung der Art, der Beschaffenheit, des Verwendungszwecks oder sonstiger Produktmerkmale der konkret beanspruchten Glasfilamente und Glasfasern. Einen sachlich beschreibenden Aussagegehalt der angemeldeten Wortmarke hat auch die Markenstelle nicht dargetan.
Entgegen dem angefochtenen Beschluss ist ferner nicht davon auszugehen, dass die Wortzusammensetzung "MultiStar" in Bezug auf die zuletzt noch angemeldeten speziellen Glasfilamenten und Glasfasern zur Verwendung für industrielle Zwecke im Fahrzeug-, Schiffsund Flugzeugbau von den insoweit angesprochenen Fachverkehrskreisen lediglich als allgemein werblich anpreisende Angabe und nicht zugleich auch als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden wird. So erschließt sich schon nicht ohne weiteres die Sinnhaftigkeit einer Aussage "Mehrfach-/Vielfach-Spitzenprodukt" in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren, insbesondere vermittelt das Präfix "Multi" in Kombination mit dem Wort "Star" insoweit keine klare und verständliche Werbeaussage. Im Allgemeinen wird Multials Wortbildungselement mit einem Sachbegriff als Basiswort kombiniert, welcher dasjenige bezeichnet, was mehrfach, vielfach vorhanden ist (z. B. Multitalent, Multimillionär, Multimedia). Das mehrfache, vielfache Vorhandensein eines Starbzw.
Spitzenprodukts ergibt aber keinen ohne weiteres eingängigen Sinn. Anders als etwa bei multifunktionalen Geräten lässt sich bei den hier in Rede stehenden Glasfilamenten und Glasfasern der Wortbestandteil "Multi" des Weiteren nicht unmittelbar mit etwaigen mehrfach vorhandenen Funktionen oder sonstigen Produkteigenschaften in Verbindung bringen. Daher liegt auch eine Deutung des Markenwortes i. S. eines Spitzenprodukts, welches mehrere Funktionen oder Verwendungsmöglichkeiten vereint, nicht nahe. Soweit die Markenstelle in der Wortkombination "MultiStar" die Bezeichnung eines Produktes gesehen hat, das in vielfacher Hinsicht besser als Konkurrenzprodukte ist, kann dem für die noch beanspruchten Waren nicht mehr gefolgt werden. So kann im Bereich der hier betroffenen Glasfilamente und Glasfasern für industrielle Zwecke von den beteiligten Verkehrskreisen ein dahingehendes Verständnis des Markenwortes "MultiStar" als einer im Vordergrund stehenden allgemeinen Werbeanpreisung nicht erwartet werden. Bei diesen Waren handelt es sich um technische Spezialprodukte die sich im Hinblick auf ihren bestimmungsgemäßen rein industriellen Verwendungszweck im Fahrzeug-, Schiffsund Flugzeugbau ausschließlich an Fachpublikum richten. Anders als im Bereich der für Endverbraucher bestimmten Gebrauchsund Verbrauchsgüter ist es auf dem Sektor derartiger technischer Spezialerzeugnisse nicht üblich, die Produkte mit plakativen Anpreisungen allgemeiner Art zu bewerben. Vielmehr herrschen im Vertrieb und in der Werbung sachliche, auf konkrete Eigenschaften der Produkte bezogenen Informationen vor. Das mit diesen Verkehrsgepflogenheiten vertraute Fachpublikum wird daher die Bezeichnung "MultiStar" im Zusammenhang mit einschlägigen Waren nicht als übliche bloße Werbeanpreisung auffassen, sondern ihr -trotz erkennbar vorhandener werblicher Anklänge -auch eine Hinweisfunktion auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen zuordnen.
Nachdem, wie oben dargelegt, der Begriffskombination "MultiStar" für die konkret noch beanspruchten Waren kein unmittelbar merkmalsbeschreibender Bedeutungsgehalt innewohnt, steht der Eintragung der Marke ferner nicht das Schutzhindernis einer beschreibenden freihaltebedürftigen Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen Dr. Ströbele Eisenrauch Kirschneck Bb
BPatG:
Beschluss v. 25.11.2008
Az: 24 W (pat) 81/07
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