Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 10. Januar 2006
Aktenzeichen: I-24 W 64/05
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 10.01.2006, Az.: I-24 W 64/05)
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung im Teilversäumnis- und Schlussurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf -Einzelrichterin- vom 11. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit der am 23. April 2004 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 24.770,34 EUR (nebst Zinsen) in Anspruch genommen, und zwar durch Leistung der einen Hälfte (12.385,17 EUR nebst eines Teils der Zinsen) an sich selbst und der anderen Hälfte (12.385,17 EUR nebst eines Teils der Zinsen) an den ihn unterstützenden Streithelfer, an den der Kläger seine Forderung in diesem Umfange abgetreten hatte. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2004, die einseitig geblieben ist, hat sich der Streithelfer dem Antrag des Klägers angeschlossen. In der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2005 haben die Parteien den Rechtsstreit wegen der Hauptsumme übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen der Zinsen sind die Beklagten antragsgemäß verurteilt worden. In dem Urteil hat das Landgericht den Streitwert bis zum 30. März 2005 einheitlich auf 24.770,34 EUR, für die Zeit danach einheitlich in Höhe des Kosteninteresses festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, soweit das Landgericht den Gegenstandswert für die Zeit bis zum 30. März 2005 auch für die Streithilfe auf 24.770,34 EUR festgesetzt hat. Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Wert der Streithilfe entsprechend dem geringeren wirtschaftlichen Interesse des Streithelfers nur 12.385,17 EUR beträgt.
II. Die gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat den Streitwert zu Recht einheitlich auf 24.770,34 EUR festgesetzt.
1. Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbs. GKG ist mit Blick darauf, dass das Verfahren vor dem 01. Juli 2004 anhängig geworden ist, noch das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390) anzuwenden (nachfolgend GKG a.F. genannt).
2. Mangels besonderer kostenrechtlicher Regelungen ist der Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. (jetzt § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) nach §§ 3ff ZPO zu bestimmen. Einschlägig ist hier § 3 ZPO. Danach wird der Wert entsprechend dem mit der Klage verfolgten Interesse nach freiem Ermessen festgesetzt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 2 m.w.N.). Streitig ist indes seit langem und bis in die jüngste Zeit sowohl in der obergerichtlichen Rechtsprechung als auch im Schrifttum, wie das Interesse im Falle der Streithilfe zu bewerten ist.
a) Es werden im Wesentlichen zwei Meinungen vertreten.
aa) Nach der einen (inzwischen wohl überwiegend vertretenen) Ansicht kommt es stets auf das Interesse des Streithelfers an. Weicht dessen Interesse ab, ist es maßgeblich bis zur Höhe des Interesses der von ihm unterstützten Hauptpartei (OLG Köln MDR 2004, 1025; OLGR Köln 1992, 306 = JMBlNW 1992, 283 = VersR 1993, 80; OLG Köln - 13. ZS - MDR 1974, 53; OLG Köln - 7. ZS - MDR 1990, 251; OLG Koblenz OLGR Koblenz (3. ZS) 2004, 200; KG Berlin (24. ZS) IBR 2002, 650 (LS); OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 2002, 55; OLG Bamberg (3. ZS) OLGR Bamberg 1999, 100; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdn. 3358; Zöller/Herget, aaO, § 3 Rn. 16 Stichw. "Nebenintervention"; ders./Vollkommer, aaO, § 71 Rn. 7a; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rn. 30 Stichw. "Nebenintervention"; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. § 3 Rdn. 108 Stichwort "Nebenintervention"; MünchKomm/Schwerdtfeger, ZPO, 2. Aufl., § 3 Rdn. 98; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rdn. 47, Stichwort "Nebenintervention"; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 8. Aufl., S. 299; Madert, Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 4. Aufl., Rdn. 354; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rn. 72 aE).
bb) Nach anderer Ansicht ist das Interesse der unterstützten Hauptpartei jedenfalls dann maßgeblich, wenn sich der Streithelfer deren Anträgen angeschlossen hat (BGHZ 31, 144, 146ff. = NJW 1960, 42; KG Berlin (2. ZS) MDR 2004, 1445; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 1007 = MDR 2003, 357 [auch ohne Antragstellung]; OLG München AnwBl. 1973, 359; MDR 1997, 1166 (15. ZS); NJW-RR 1998, 420 = MDR 1997, 788 (28. ZS); OLG Hamburg AnwBl 1985, 263 = MDR 1985, 588; OLG Koblenz (14. ZS) JurBüro 1999, 196;OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 282; OLG Bamberg JurBüro 1980, 1574; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., Anh. § 3 Rdn. 10 Stichwort "Streithilfe"; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rn. 61; Hartmann, Kostengesetze, 33 Aufl., Anh I § 12 GKG Rn. 106 Stichw. "Streithilfe"; Zimmermann, ZPO, 6.Aufl., § 3 Rn. 21; Hülsmann JurBüro 2003, 83)
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Für sie sprechen systematische und rechtspraktische Erwägungen, die jüngst erneut vom Kammergericht Berlin (MDR 2004, 1445) zutreffend hervorgehoben und auch schon vom Bundesgerichtshof (BGHZ 31, 144, 146ff) als maßgebliche Gesichtspunkte herangezogen worden sind. Die erste Ansicht beachtet nicht, dass der Streithelfer in einem fremden Prozess agiert, in welchem er nicht eigene Parteirechte hat, sondern das Interesse der Prozesspartei unterstützt, auf deren Seite er dem Rechtsstreit beigetreten ist (§ 67 ZPO). Ist er wie im vorliegenden Rechtsstreit Streithelfer der klagenden Partei, liegt es auf der Hand, dass sein Interesse an der beantragten Verurteilung der beklagten Partei besteht. Deutlich wird das im Falle der Klageabweisung. Der Streithelfer kann (und muss zur Vermeidung der Interventionswirkung des § 68 ZPO) ein Rechtsmittel einlegen. Der Wert der Beschwer richtet sich gemäß § 3 ZPO deshalb nach der von der klagenden Partei erlittenen Beschwer und nicht nach dem eigenen (möglicherweise geringeren) Interesse des Streithelfers (vgl. BGH NJW 1990, 190, 191; NJW-RR 1993, 765, 766; NJW 1997, 2385 sub Nr. II.2).
Für den Gebührenstreitwert eines solchen Rechtsmittelverfahrens, gilt nichts Anderes. Das übersieht das OLG Köln (MDR 2004, 1025), wenn es meint, der Gebührenstreitwert könne vom Rechtsmittelstreitwert abweichen. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG (jetzt § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) folgt der Gebührenstreitwert grundsätzlich dem nach §§ 3ff ZPO zu bestimmenden Rechtsmittelstreitwert, es sei denn, dass besondere Gebührenprivilegierungen (§§ 16ff GKG a.F., jetzt §§ 41ff GKG) eingreifen. Die Streithilfe selbst löst indes keine Gebührenprivilegierungen aus; deren Anwendbarkeit hängt vielmehr davon ab, ob die klagende Hauptpartei Ansprüche verfolgt, die unter §§ 16ff GKG (jetzt §§ 41ff GKG) zu subsumieren sind. Sind diese Vorschriften maßgeblich, dann gilt dies zugunsten der Hauptparteien und des Streithelfers, so dass es zu keiner Wertdifferenz kommen kann.
c) Für die Streitwertbestimmung im vorliegenden Fall bedeutet das, dass es nicht auf den Wert ankommt, der das rechtliche Interesse des Streithelfers zum Beitritt begründet hat, nämlich des Werts der an ihn abgetretenen Forderung (12.385,17 EUR), sondern auf den Wert, der dem vom Kläger im Prozess verfolgten Interesse entspricht (24.770.34 EUR).
III. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass. Das Verfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG. Es besteht auch kein Anlass, über die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) zu entscheiden. Gemäß §§ 66 Abs. 3, 68 Abs. 2 Satz 5 GKG findet in Streitwertsachen eine Beschwerde zum Bundesgerichtshof nicht statt (vgl. BGH MDR 2004, 355 und BRAGOReport 2003, 163 jeweils zu §§ 5 Abs. 2 Satz 3, 25 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs. GKG a.F.).
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OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 10.01.2006
Az: I-24 W 64/05
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