Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. Dezember 1993
Aktenzeichen: 17 U 20/93
(OLG Köln: Urteil v. 22.12.1993, Az.: 17 U 20/93)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. Oktober 1992 - 32 O 727/91 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Unter Abweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.703,16 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Dezember 1991 zu zahlen. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 5/18, dem Beklagten zu 13/18 auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat
überwiegend Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts haftet der
Beklagte dem Kläger aus dem
Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung (§§ 280, 286, 325,
326 BGB in entsprechender Anwendung, §§ 242, 276, 278 BGB) auf
Schadensersatz. Nach Ansicht des Senats hat der Zeuge St., dessen
sich der Beklagte zur Bearbeitung des ihm vom Kläger erteilten
Mandats bedient hat und dessen Verschulden er sich gemäß § 278 BGB
zurechnen lassen muß, fahrlässig die sich aus dem Anwaltsvertrag
ergebende Beratungspflicht verletzt.
Unstreitig hat der Kläger den Beklagten
mit einer gutachtlichen Stellungnahme zu der Frage beauftragt, ob
er gegenüber seinem Steuerberater, dem Steuerbevollmächtigten G.,
wegen fehlerhafter Beratung über die steuerrechtlichen Aspekte
einer Beteiligung an einem Bauherrenmodell mit Erfolg
Schadensersatz verlangen könne. Wie sich aus dem vom Zeugen St.
erstellten schriftlichen Gutachten ergibt, wollte der Kläger den
Steuerbevollmächtigten G. auf Ersatz der ihm entgangenen
Steuervorteile in Anspruch nehmen. Nach Abgabe der gutachtlichen
Stellungnahme durch den Zeugen St. und einer ergänzenden Beratung
über das Für und Wider einer gerichtlichen Geltendmachung des
Schadensersatzanspruchs entschloß sich der Kläger zur
Klageerhebung. Zu Recht wirft er dem Zeugen St. vor, ihn nicht von
einer aussichtslosen Klage abgehalten zu haben.
Allerdings begegnet es keinen durchgreifenden Be-
denken, daß der Zeuge St. dem Kläger
von einer Klage nicht aus dem Gesichtspunkt der Verjährung des
Schadensersatzanspruchs abgeraten hat. Dieser Anspruch war im
Zeitpunkt der Einreichung der Klage beim Landgericht Hagen (16 O
481/91) am 09.11.1989 noch nicht verjährt.
Gemäß § 68 des Steuerberatungsgesetzes
(StBerG) verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf
Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater oder
Steuerbevollmächtigten bestehenden Vertragsverhältnis in drei
Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
Grundsätzlich ist von der Entstehung eines Schadens auszugehen,
wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag
seine Höhe noch nicht beziffert werden können, ferner, wenn durch
die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende
Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne daß
feststehen muß, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig
wird, oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder
auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht
fernliegenden Möglichkeit weiterer noch nicht erkennbarer adäquat
verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist
(BGH NJW 87, 1887). Trifft der Auftraggeber infolge fehlerhafter
Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Maßnahmen, die seine
Vermögenslage verschlechtern, zumindest ernsthaft nachteilig
gefährden, kann der Schaden dem Grunde nach bereits mit dem
Zeitpunkt der Vornahme dieser Maßnahmen entstanden sein. So ist im
Falle fehlgeschlagener, gescheiterter Kapitalanlagen, auf deren
Risiken der Steuerberater pflichtwidrig nicht hingewiesen hatte,
ein Schaden dem Grunde nach bereits mit der Zeichnung der
Kapitalanlage, spätestens mit der Zahlung des
Beteiligungsentgelts bzw. der Unterzeichnung entsprechender
Verträge als entstanden angesehen worden (Grä-fe/Lenzen/Rainer,
Steuerberaterhaftung, 2. Aufl., 1988, Rn. 887 m.w.N.; BGH WM 1988,
1685 - Aufklä-rungspflicht des Anlagevermittlers). Bleibt dagegen
noch offen, ob pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten
zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht
entstanden und die Verjährungsfrist folglich noch nicht in Lauf
gesetzt (BGH NJW 1987, 1887). Dies wird dann angenommen, wenn sich
ein steuerrechtlicher Beratungsfehler erst infolge einer
Betriebsprüfung bzw. eines Steuerbescheids vermögensmäßig
nachteilig für den Auftraggeber auswirkt (BGH NJW 1979, 2211). Bis
dahin hängt die Entstehung des Schadens von vielen ungewissen
Umständen, etwa davon ab, ob die Finanzbehörde einen steuerlich
bedeutsamen Sachverhalt aufgedeckt bzw. wie sie ihn beurteilt.
Dies gilt vor allem für Sachverhalte, in denen von der
Finanzbehörde die Frage eines Mißbrauchs eines
bürgerlichrechtlichen Rechtsgeschäfts zur Umgehung des
Steuergesetzes nach § 42 AO zu prüfen ist; in diesem Fall kann der
Schaden des Steuerpflichtigen grundsätzlich frühestens mit dem
Zugang des nachteiligen Steuerbescheids eintreten.
So liegt der Fall hier. Der Kläger
verlangte von seinem damaligen Steuerbevollmächtigten G.
Schadensersatz wegen entgangener Vorsteuererstattung (vgl. hierzu
BGH WM 1988, 1685) mit der Begründung, dieser habe ihm gegenüber
seine Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt, indem er ihm
vorbehaltlos die mit einer angeblich umsatzsteuerrechtlich
vorteilhaften Einschaltung eines gewerblichen Zwischenvermieters
verbundene Beteiligung an einem Bauherrenmodell empfohlen habe,
ohne ihn auf das erhebliche Risiko der steuerrechtlichen
Anerkennung des Zwischenmietverhältnisses hinzuweisen. Der Schaden
des Klägers entstand erst durch die Versagung der angestrebten
Vorsteuererstattung durch das Finanzamt. Zu diesem Zeitpunkt
verfestigte sich die durch die Pflichtwidrigkeit verursachte
risikobehaftete Lage des Klägers rechtlich zu einer
Vermögenseinbuße. Demgemäß kann die Schadensentstehung hier erst
mit dem Erlaß der am 8. Dezember 1983 zur Post gegebenen Bescheide
des Finanzamts C., in denen das Finanzamt die Umsatzsteuer unter
Hinweis auf die steuerrechtliche Nichtanerkennung des
Zwischenmietverhältnisses gegen den Kläger neu festsetze und von
ihm die bis dahin enstandenen Vorsteuerbescheide zurückverlangte,
frühestens mit dem Erlaß des Nichtanerkennungs-Bescheids vom 22.
November 1983 angenommen werden.
Begann somit die Verjährung des
Schadensersatzanspruchs des Klägers gegen den
Steuerbevollmächtigten G. frühestens am 22. November 1983, endete
sie frühestens mit Ablauf des 22. November 1986. Der
Steuerbevollmächtigte G. mußte sich allerdings so behandeln lassen,
als sei der gegen ihn gerichtete Schadensersatzanspruch erst nach
Ablauf von drei weiteren Jahren verjährt. Er hat sich
schadensersatzpflichtig gemacht, indem er es unterlassen hat, den
Kläger nach Bekanntwerden der Nichtanerkennung der
Vorsteuererstattung auf etwaige Regressansprü-che sowie die dafür
geltende Verjährungsfrist hinzuweisen. Dadurch entstand ein
sogenannter sekundärer Schadensersatzanspruch des Klägers gegen
den Steuerbevollmächtigten, der, solange er seinerseits nicht
verjährt war, den Steuerbevollmächtigten daran hinderte, sich auf
die Verjährung des sogenannten primären Schadensersatzanspruchs zu
berufen.
Die Sekundärhaftung des Steuerberaters
ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung derjenigen des
Rechtsanwalts nachgebildet worden (BGH NJW 1982, 1285). Danach ist
der Steuerberater (bzw. der Steuerbevollmächtigte) verpflichtet,
seinen Mandanten auf die Möglichkeit seiner eigenen Haftung
("primärer" Schadensersatzanspruch) hinzuweisen und über die
hierfür geltenden Verjährungsvorschriften zu belehren. Verstößt er
schuldhaft gegen diese Belehrungspflicht, so führt dies zu dem
"sekundä-ren" Schadensersatzanspruch des Mandanten, der den
Steuerberater verpflichtet, seinen Mandanten so zu stellen, wie er
stehen würde, wenn er richtig belehrt worden wäre. Für diesen Fall
ist davon auszugehen, daß der Mandant den "primären"
Schadensersatzanspruch verfolgt und verjährungsunterbrechende
Maßnahmen ergriffen hätte (BGH a.a.O.; VersR 1984, 663). Eine die
"Sekundär"-Haftung begründende Pflichtverletzung kann nur
angenommen werden, wenn während des Laufs der Verjährungsfrist und
vor Beendigung des Auftrags zur Steuerberatung für den
Steuerberater ein begründeter Anlaß zur Belehrung über seine
etwaige Haftung wegen des früheren Beratungsfehlers sowie der
Verjährung des ("Primär"-) Anspruchs gegeben war und diese
Belehrung dennoch unterblieben ist (Gräfe/Lenzen/Rainer, Rn. 907 ff
m.w.N.; BGH NJW 1985, 2250 für den Fall der Anwaltshaftung). Da
die Belehrungspflicht des Steuerberaters ihren Grund in der
vertraglichen Bindung zwischen ihm und seinem Mandanten hat,
entfällt sie mit der Beendigung des Steuerberatungsauftrags.
Im hier zu entscheidenden Fall hatte
der Steuerbevollmächtigte G. begründeten Anlaß, die Möglichkeit
eines eigenen schuldhaft begangenen Beratungsfehler gegenüber dem
Kläger in Betracht zu ziehen, als ihm im November bzw. Dezember
1983 die Bescheide des Finanzamts C. zugingen, in denen dem
Zwischenmietverhältnis aus dem Gesichtspunkt des
Gestaltungsmißbrauches (§ 42 AO) die steuerliche Anerkennung
versagt und der betreffende Vorsteuerabzug rückwirkend abgelehnt
wurde. Bei einer erneuten Óberprü-fung des steuerrechtlichen
Sachverhalts, hätte der Steuerbevollmächtigte G. feststellen
können, daß - wie in dem Rechtsgutachten des Zeugen Dr. St.
unwidersprochen ausgeführt wird - bestimmte Vertragsgestaltungen
des Zwischenmietverhältnisses, die ähnlich gelagert waren, von
einzelnen Finanzgerichten bzw. Finanzverwaltungen bereits seit
längerer Zeit vor der Beratung des Klägers über das
Bauherrenmodell steuerlich nicht anerkannt worden waren und das
Projekt deshalb von vorneherein mit erheblichen steuerrechtlichen
Risiken, auf die er den Kläger hätte hinweisen müssen, belastet
war. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide, die dem
Steuerbevollmächtigten Anlaß zur Belehrung gaben, bestand das ihm
vom Kläger erteilte Beratungsmandat noch; es endete unstreitig
Anfang 1984. Zu diesem Zeitpunkt war der primäre
Schadensersatzanspruch noch nicht verjährt.
Auch der sekundäre
Schadensersatzanspruch unterliegt der Verjährungsfrist des § 68
StBerG. Sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Der sekundäre
Schadensersatzanspruch entsteht im Augenblick der Verjährung des
primären Schadensersatzanspruchs (Gräfe/Lenzen/Rainer Rn. 930).
Von da ab läuft eine weitere dreijährige Verjährungsfrist. Entgegen
der vom Landgericht Hagen in seinem Urteil vom 26. April 1990
vertretenen Auffassung beginnt die Verjährung des Sekundäranspruchs
nicht bereits mit dem Ende des Mandatsverhältnisses, wenn dieses
vor dem Ablauf der den Primäranspruch betreffenden Verjährungsfrist
liegt. Anders als das Landgericht Köln im angefochtenen Urteil
meint, hatten der Beklagte bzw. der Zeuge Dr. St. keine
Veranlassung, ernstlich in Betracht zu ziehen, das Landgericht
Hagen werden diese Auffassung vertreten. Sie hätten den Kläger
nicht auf ein entsprechendes Prozeß-risiko hinweisen müssen. Die
Hilfsregelung des § 51 BRAO wonach dann, wenn das Mandat des
Anwalts vor der Verjährung des Primäranspruchs beendet ist, die
Frist für den auf der Verjährung des Schadensersatzanspruchs mit
dem Mandatsende beginnt (BGH NJW 85, 2250), ist vom Gesetzgeber
absichtlich nicht für den Steuerberater und den
Steuerbevollmächtigten übernommen worden (BGH NJW 82, 1285). Der
Wille des Gesetzgebers ging zwar dahin, die steuerberatenden Berufe
hinsichtlich der Verjährungsfrage den Rechtsanwälten
gleichzustellen, doch sollte eine Schadensersatzklage wegen den
Besonderheiten des Steuerverfahrens auch noch nach Ablauf von drei
Jahren seit Beendigung des Auftrags möglich sein, eine der
Hilfsregelung des § 51 BRAO entsprechende Vorverlegung des
Verjährungsbeginns für den Steuerberater und den
Steuerbevollmächtigten also nicht gelten (BGH a.a.O.). Demgemäß
hat der Bundesgerichtshof in seiner in NJW 1979, 2211
veröffentlichten Entscheidung die Auffassung vertreten, die
Verjährung aus Fehlern der Steuerberatung, die erst bei der
Außenprüfung aufgedeckt werden und zur Nacherhebung von Steuern
führen, begänne gemäß § 68 StBerG nicht schon mit dem Ende des
Mandatsverhältnisses zwischen dem Steuerberater und dem
Auftraggeber, sondern erst mit der Schlußbesprechung über das
Ergebnis der Außenprüfung.
Es ist nicht ersichtlich, daß der
Bundesgerichtshof den Beginn der Verjährung des "primären" oder des
"sekundären" Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater in
anderen Entscheidungen auf das Mandatsende vorverlegt hat. Die vom
Landgericht Hagen zur Stützung seiner Auffassung herangezogenen
Entscheidungen des BGH (BGHZ 94, 387 und BGH NJW 1988, 266)
betreffend sämtliche Rechtsanwaltshaftungssachen. Auch aus der im
angefochtenen Urteil zitierten, in NJW 1991, 2828 veröffentlichten
Entscheidung ergibt sich kein Hinweis darauf, daß der
Bundesgerichtshof die Auffassung vertritt, die Verjährung eines
Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerberater beginne spätestens
mit der Beendigung des Auftrags. Er wiederholt nur seine für die
Haftung des Rechtsanwalts wie diejenige des Steuerberaters auch
früher vertretene Auffassung, daß eine Pflicht zur Belehrung des
Mandanten über einen Regressanspruch und dessen Verjährung nur
während der Dauer des Mandatsverhältnisses bestehe und ein
begründeter Anlaß zur Belehrung vor dessen Ende gegeben sein müsse.
Eine andere Frage ist, wann die Verjährung eines durch die
Verletzung der Belehrungsfrist begründeten Schadensersatzanspruchs
beginnt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in der angezogenen
Entscheidung keine Ausführungen gemacht, die darauf hinweisen, daß
die Beendigung des Auftrags für den Beginn der Verjährungsfrist
maßgeblich sein kann. Er ist vielmehr ebenso wie in weiteren
Entscheidungen (vgl. beispielsweise BGH WM 1990, 1915) ohne
Einschränkung davon ausgegangen, daß der sekundäre
Schadensersatzanspruch drei Jahre nach seiner Entstehung, die mit
dem Ende der Verjährungsfrist des "primären"
Schadensersatzanspruchs angenommen wird, verjährt.
Auch die in Gräfe/Lenzen/Rainer
vertretene Auffassung zum Verjährungsbeginn gab dem Beklagten bzw.
dem Zeugen Dr. St. entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen
Meinung keine Veranlassung, die Erfolgsaussicht einer
Schadensersatzklage des Klägers gegen den Steuerbevollmächtigten G.
aus dem Gesichtspunkt der Verjährung als risikobehaftet anzusehen
und den Kläger entsprechend zu belehren. Die im angefochtenen
Urteil angegebene Literaturstelle (Rn. 917) und die darin zitierte
Rechtsprechung betrifft lediglich die Frage der Abhängigkeit der
Belehrungspflicht vom bestehenden Mandat und vom Ablauf der
Primärverjährung. Unter Rn. 930 vertreten Gräfe/Lenzen/Rainer
uneingeschränkt die Auffassung, daß die 3-jährige Verjährungsfrist
bezüglich des "sekundären" Schadensersatzanspruchs mit dem
Verjährungseintritt des Primäranspruchs zu laufen beginnt. Daß in
der Literatur und Rechtsprechung eine andere Auffassung vertreten
wird, vermag auch die Berufungsbegründung nicht anhand von
konkreten Zitaten aufzuzeigen.
Konnte sich somit der
Steuerbevollmächtigte G. nicht vor dem 22. November 1989 auf die
Verjährung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs des
Klägers wegen fehlerhafter Beratung berufen, hätte seiner
Verjährungseinrede bei einer die Verjährung unterbrechenden
Klageeinreichung bis zu diesem Tage und einer demnächst erfolgenden
Klagezustellung (§ 209 Abs. 1 BGB, §§ 207, 270 Abs. 3 ZPO) bei
richtiger gerichtlicher Entscheidung nicht stattgegeben werden
dürfen.
Dem Zeugen St. ist allerdings vorzuwerfen, daß er
die sich aus dem zwischen den Parteien
geschlossenen Anwaltsvertrag ergebende Pflicht, den Kläger über
die Risiken der Rechtsverfolgung erschöpfend zu belehren, in
vorwerfbarer Weise verletzt hat, indem er ihn nicht darauf
hingewiesen hat, daß er den Steuerbevollmächtigten G. wegen
fehlerhafter Beratung über die steuerrechtlichen Aspekte einer
Beteiligung an dem betreffenden Bauherrenmodell nicht auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung der in Aussicht gestellten
steuerrechtlichen Vorteile sondern nur auf Ersatz desjenigen
Schadens in Anspruch nehmen könne, der in der Differenz zwischen
seiner Vermögenslage ohne Beteiligung am Bauherrenmodell und
derjenigen Mitbeteiligung am Bauherrenmodell besteht.
Der Senat ist nicht deshalb gehindert,
das Schadensersatzbegehren des Klägers auch unter diesem
Blickwinkel zu prüfen, weil der Kläger vor dem Hinweisbeschluß des
Senats vom 11. August 1993 seinen Schadensersatzanspruch nicht auf
diesen Beratungsfehler gestützt hat. Das Gericht hat auf der
Grundlage des gesamten Vorbringens des Klägers zu prüfen, ob es die
Voraussetzungen der Normen ausfüllt, aus denen der mit der Klage
geltend gemachte Anspruch begründet sein könnte. Demgemäß wird der
Streitgegenstand bestimmt von dem Grund des zur Entscheidung
gestellten Anspruchs und dem zugehö-rigen Lebenssachverhalt, aus
dem dieser Anspruch hergeleitet wird (BGH NJW 1981, 2306). Im hier
zu entscheidenden Fall hat der Kläger sein Schadensersatzbegehren
von Anfang an darauf gestützt, daß der Zeuge St. ihm nicht von
einem aussichtslosen Prozeß abgeraten habe, mit dem er die
Verurteilung der Steuerbevollmächtigten zum Ersatz der entgangenen
Steuervorteile habe erreichen wollen. Zur Begründung seines
Schadensersatzanspruchs hat er auf den Inhalt der gutachtlichen
Stellungnahme des Zeugen verwiesen. Damit war das gesamte Gutachten
einer rechtlichen Óberprüfung unter dem Blickwinkel der
Erfolgsaussicht des gegen den Steuerbevollmächtigten G. ins Auge
gefaßten Schadensersatzprozesses unterworfen. Somit liegt keine
Klageänderung oder Klageerweiterung darin, daß der Kläger seine
Schadensersatzklage nunmehr hilfsweise auch darauf stützt, über die
Schadensberechnung falsch belehrt worden zu sein.
In seinem im Jahre 1989 erstatteten
Gutachten hat der Zeuge St. die Auffassung vertreten, der vom
Steuerbevollmächtigten G. zu leistende Schadensersatz bestehe in
einem Ausgleich dafür, daß der Kläger das Hausgrundstück wegen
entgangener Vorsteuer Erstattung "zu teuer" erworben habe. Diese
Auffassung hat der Zeuge auf die in WM 1988, 1688 veröffentlichte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs gestützt. In der Tat hat der
Bundesgerichtshof dort in einem Fall, in dem ein Anlagevermittler
für ein entsprechend ausgestaltetes Bauherrenmodell mit der
Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters geworben und
dadurch einen Kapitalanleger zu einer Beteiligung an dem
Bauvorhaben veranlaßt hatte, Anlagevermittler, der schuldhaft seine
Aufklärungspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen und Risiken
der Gewährung der angestrebten Vorsteuererstattung verletzt hat,
für verpflichtet gehalten, dem Kapitalanleger Schadensersatz wegen
entgangener Vorsteuererstattung zu leisten. Dabei handelte es sich
nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht um Schadensersatz
für entgangenen Gewinn, sondern um einen Ausgleich dafür, daß der
Kapitalanleger nach seiner Behauptung das Hausgrundstück wegen der
entgangenen Vorsteuererstattung "zu teuer" erworben habe. Diese
Entscheidung entspricht der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung in denjenigen Fällen, in denen der Geschädigte bei
Vertragsverhandlungen durch falsche Angaben zum Vertragsabschluß
veranlaßt worden ist. In diesen Fällen haftet der Vertragspartner
des Geschädigten ebenso wie derjenige, der als dessen Vertreter
oder Verhandlungsgehilfe dem Vertragsgegenstand besonders nahe
steht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener
Sache handelt oder gegenüber dem Verhandlungspartner in besonderem
Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und die
Vertragsverhandlungen beeinflußt hat, auf den Vertrauensschaden,
der beim Festhalten am Vertrag auch den durch die Täuschung
veranlaßten Mehraufwand im Sinne von "Zuviel"-Aufwand umfaßt (BGH
NJW 1980, 2408; NJW-RR 1986, 1102; WM 1988, 1685 = NJW-RR 1989,
150).
Im hier zu entscheidenden Fall ist der
Steuerbevollmächtigte G. indessen gegenüber dem Kläger weder als
Vertragspartner bezüglich der Durchführung des Bauherrenmodells
noch als dessen Vertreter oder sonst als dessen Sachwalter, etwa
als Anlagenvermittler, bei Vertragsverhandlungen aufgetreten. Es
sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß er die für eine
Haftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens
erforderliche Stellung eines Sachwalters des Anlagevertreibers (BGH
NJW 1990, 1907) hatte, als er dem Kläger die Beteiligung an dem
Bauherrenmodell empfahl. Die Anlageempfehlung erfolgte vielmehr -
wie es in dem insoweit nicht angegriffenen Gutachten des Zeugen St.
heißt - "im Rahmen des laufenden Steuerberatungsmandates".
Demgemäß hat der Kläger in dem Rechtsstreit 16 O 481/89 LG Hagen
die Auffassung vertreten, der Steuerbevollmächtigte G. sei ihm "aus
positiver Forderungsverletzung des Steuerberatungsvertrages" zum
Schadensersatz verpflichtet. Hat der Steuerbevollmächtigte aber
seine Beratungspflicht im Rahmen eines zwischen ihm und dem Kläger
geschlossenen allgemeinen Steuerberatungsvertrages schuldhaft
verletzt, ohne Sachwalter des Anlagevertreibers zu sein, besteht
kein Bedürfnis ihn in dem Umfang wie den Anlagevertreiber haften zu
lassen; seine Schadensersatzpflicht ist vielmehr auf die normale
Haftung bei beratender Tätigkeit beschränkt, die dahin geht, daß er
den Mandanten so zu stellen hat, wie dieser bei pflichtgemäßer
Beratung gestanden hätte. Grundsätzlich kann der Steuerberater
wegen fehlerhafter Beratung nicht auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung der steuerlichen Vorteile des Anlagemodells im
Sinne einer Garantie für einen bestimmten steuerlichen Erfolg in
Anspruch genommen werden. Der Schaden ist grundsätzlich in
derselben Weise wie in anderen Fällen der Haftung wegen
fehlerhafter Rechtsberatung, so bei der Anwalts- und Notarhaftung,
in der Weise zu berechnen, daß dem Mandanten nur der Nachteil zu
ersetzen ist, der ihm durch das Vertrauen auf die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Beratung entstanden ist (NJW 1988, 2880). Der
Kläger konnte vom Steuerberater G. demgemäß nur den Schaden ersetzt
verlangen, der in der Differenz zwischen der Vermö-genlage ohne
Anlagebeteiligung und derjenigen als Folge der Anlagebeteiligung
bestand. Hierzu gehören Aufwendungen, die dem Kläger nicht
erwachsen wären, hätte er den Vertrag über die Vermögensanlagen
nicht geschlossen. Sein Schadensersatzanspruch umfaßte nicht das
Erfüllungsinteresse.
Bei Anwendung des üblichen, von einem Rechtsanwalt
zu fordernden Sorgfalt hätten der
Beklagte bzw. dessen Mitarbeiter Dr. St. auf Grund der bis zum
Jahre 1989 veröffentlichten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum
Haftungsumfang bei Beratungsfehlern rechtsberatender Berufe
einerseits und zur Haftung bei Vermögensanlageberatung andererseits
zu dem oben gefundenen Ergebnis kommen und dem Kläger davon abraten
müssen, im Klagewege einen Ausgleich für die entgangene
Vorsteuererstattung zu verlangen, da eine hierauf gerichtete Klage
bei richtiger Entscheidung keinen Erfolg haben konnte. Daß er oder
der Zeuge St. dem Kläger einen entsprechenden Rat gegeben hat,
behauptet der Beklagte selbst nicht. Nach dem Vorbringen des
Klägers hätte er im Falle einer derartigen Beratung von der
Klageerhebung abgesehen, da ihm lediglich an einem Ersatz des ihm
entgangenen Vorteils der Vorsteuererstattung gelegen gewesen sei.
Dem Kläger kommt die Vermutung zugute, daß ein Mandant einen
pflichtwidrig unterlassenen Rat des Anwalts vernünftigerweise
befolgt hätte; der Anwalt hat darzulegen und zu beweisen, daß sich
der Mandant über jeden Rat und Hinweis hinweggesetzt hätte und der
Schaden deshalb auch bei richtigem Verhalten eingetreten wäre (BGH
NJW 1981, 2741 und 1983, 1665). Daß der Beklagte entgegen einem
Hinweis des Beklagten bzw. des Zeugen St. auf die Erfolglosigkeit
einer auf Ersatz entgangener Kostenerstattung gerichteten Klage
dennoch mit diesem Ziel einen Prozeß gegen den
Steuerbevollmächtigten G. geführt hätte, hat der Beklagte nicht
dargetan, geschweige denn bewiesen.
Der dem Kläger durch die fehlerhafte anwaltliche
Beratung entstandene Schaden beläuft
sich auf insgesamt 6.622,-- DM.
Da der Kläger den Rechtsstreit 16 O
481/89 LG Hagen bei richtiger Beratung nicht geführt hätte, kann er
vom Beklagten Ersatz der ihm durch diesen Rechtsstreit entstandenen
Kosten verlangen. Aus der Aussage des Zeugen St. vor dem
Landgericht ergibt sich, daß das vom Kläger in dem
Schadensersatzprozeß verfolgte Klagebegehren seinem im Rahmen
einer mündlichen Erörterung der Prozeßaussichten erteilten Rat
entsprochen hat. Der Senat hat bei dieser Sachlage keine Bedenken,
davon auszugehen, daß die nach einem Streitwert von 30.200,91 DM
erwachsenen Kosten des vorgenannten Rechtsstreits durch die
fehlerhafte Beratung verursacht worden sind. Dazu gehören die
Kosten des eigenen Prozeß-anwalts des Klägers in Höhe von 2.425,92
DM (Rechnung des Rechtsanwalts und Notars Linnenkugel vom 28. Juni
1990) sowie die im Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts
Hagen vom 25. Mai 1990 gegen ihn festgesetzten Prozeßkosten des
Steuerbevollmächtigten G. zum Betrage von 2.472,88 DM, außerdem
die von ihm - dem Kläger - gezahlten Gerichtskosten jenes
Verfahrens in Höhe des geltend gemachten Betrages von 904,-- DM,
schließlich auch die Abratekosten der Berufungsanwälte des Klägers
in Höhe von 819,20 DM (Rechnung der Rechtsanwälte Dr. R., Dr. Sp.
und Partner vom 23. Juli 1990). Daß der Kläger auf den
Kostenfestsetzungsbeschluß vom 25. Mai 1990 insgesamt 25.000,-- DM
gezahlt hat, hat er nicht bewiesen. Einen entsprechenden
Zahlungsbeleg hat er nicht vorgelegt. Die von ihm geltend gemachten
Kosten der Rechnung der Rechtsanwälte Dr. K., W. und Partner vom
7. November 1990 über 521,66 DM kann der Kläger nicht ersetzt
verlangen. Zu Recht rügt der Beklagte, daß der Kläger nicht
dargetan hat, wodurch diese Kosten enstanden, insbesondere, daß sie
eine Folge des anwaltlichen Beratungsfehlers sind. Ebenso wenig
umfaßt der Schadensersatzanspruch des Klägers die Kosten des
Rechtsgutachtens in Höhe von 1.413,26 DM, da sie nicht durch den
anwaltlichen Beratungsfehler verursacht worden sind, vielmehr auch
bei richtiger Beratung entstanden wären.
Der zum Betrage von 6.622,-- DM begründete Scha-
densersatzanspruch des Klägers ist in
Höhe von 918,84 DM durch Aufrechnung mit Honoraransprüchen, die dem
Beklagten unstreitig gegen den Kläger zustehen, gemäß § 389 BGB
erloschen.
Der gegen den Beklagten gerichtete Schadensersatz-
anspruch des Klägers ist nicht
verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs, die mit
der Schadensentstehung im Jahre 1989, in dem die gutachtliche
Stellungnahme dem Kläger zur Kenntnis gegeben und von ihm die
Klage gegen den Steuerbevollmächtigten G. erhoben wurde, begann,
endete im Jahre 1992. Sie wurde gemäß § 209 Abs. 1 BGB durch die
dem Beklagten am 4. Dezember 1991 zugestellte Klage unterbrochen.
Soweit der Schadensersatzanspruch in der Berufungsinstanz auch auf
eine fehlerhafte Schadensberechnung gestützt wird, ist damit kein
neuer Anspruch geltend gemacht worden; der Streitgegenstand ist -
wie oben bereits ausgeführt wurde - seit Klageerhebung unverändert
geblieben.
In Höhe des restlichen Schadensersatzanspruchs des
Klägers von 5.703,16 DM nebst 4 %
Zinsen seit Zustellung der Klage (§§ 288, 291 ZPO) ist der Klage
somit unter Abänderung des angefochtenen Urteils stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92
Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Der Streitwert für das
Berufungsverfahren beträgt 7.943,36 DM. Die sich aus diesem Urteil
ergebende Beschwer liegt für beide Parteien unter 60.000,-- DM.
Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die
Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht erfüllt sind.
OLG Köln:
Urteil v. 22.12.1993
Az: 17 U 20/93
Link zum Urteil:
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