Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 28. Februar 2012
Aktenzeichen: 6 U 79/09
(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 28.02.2012, Az.: 6 U 79/09)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 05.06.2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 438/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das am 11.07.2008 verkündete Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam in Ziff. 2. der Entscheidungsformel klarstellend wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass das Vertragsverhältnis der Parteien, wie es aufgrund der Vereinbarung vom 30.07.2007 bis zum 31.01.2009 bestanden hat, weder durch die fristlose noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Klägerin vom 25.09.2007, zugegangen am 30.09.2007, beendet worden ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus dem beendeten Anstellungsverhältnis des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin.
Die im Jahr 1993 gegründete Klägerin betreibt mehrere Seniorenheime. Gesellschafter der Klägerin sind der A€ Regionalverband B€, der A€ Kreisverband D€ und die Gemeinde W€. Der ursprünglich weitere Gründungsgesellschafter Landkreis D€ übertrug seinen Geschäftsanteil im Jahr 2004 auf den A€ Regionalverband B€.
Der Beklagte, der seit 1985 als Leiter des damals in Trägerschaft des Rates des Kreises K€ stehenden €Feierabendheimes€ W€ beschäftigt war, wurde mit Beschluss der ersten Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 07.07.1993 zu deren Geschäftsführer bestellt. Ferner wurde er als Heimleiter der Einrichtung W€ eingesetzt.
Am 26.04.1994 schlossen die Gesellschafter der Klägerin und der Beklagte den Geschäftsführeranstellungsvertrag. Die als €Arbeitsvertrag€ bezeichnete Vereinbarung sieht die Vergütung des Geschäftsführers nach BMT-A€ (Bundes-Manteltarifvertrag A€) Gruppe Ib zuzüglich einer außertariflichen Zulage vor. In der Gesellschafterversammlung vom 10.10.2001 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, dass der Beklagte ab 01.11.2001 nach Gehaltsgruppe I BAT/Ost (Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost) mit sämtlichen Anhängen vergütet wird. Seit Überleitung des BAT in den TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) wurde der Beklagte nach diesem Tarifwerk vergütet.
Neben der Grundvergütung erhielt der Beklagte Entgelt für €Leitungsbereitschaft€ nach den jeweiligen Tarifwerken ausgezahlt. Der Beklagte reichte insoweit Formularbelege über abgeleistete Bereitschaftsdienste bei der Lohnbuchhaltung ein.
Am 15.03.2007 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, dass der damals 63-jährige Beklagte auf seinen Wunsch hin die Geschäftsführertätigkeit nur noch bis zum 30.04.2008 ausüben und danach mit einer Wochenarbeitszeit von ca. 20 - 25 Stunden für Sonderaufgaben weiterbeschäftigt werden solle. Über die Einzelheiten sollte eine Vereinbarung noch getroffen werden.
Durch Gesellschafterbeschluss vom 30.07.2007 wurde der Beklagte zum 31.07.2007 als Geschäftsführer abberufen. Mit schriftlicher Vereinbarung vom gleichen Tag kamen die Gesellschafter der Klägerin und der Beklagte überein, das €Arbeitsverhältnis€ des Beklagten mit Erreichen des 65. Lebensjahres zum 31.01.2009 zu beenden und den Beklagten ab dem 01.08.2007 gegen Fortzahlung des Entgelts nach Entgeltgruppe 15 Stufe 6 des TVöD von der Arbeitsleistung freizustellen. Neben weiteren Regelungen zu Dienstfahrzeug und Mobiltelefon enthält der Vertrag unter Ziffer 8. folgende €Abschlussklausel€: €Es wird erklärt, dass gegenseitig keine Forderungen mehr bestehen€.
Mit Schreiben vom 25.09.2007, dem Beklagten zugegangen am 30.09.2007, erklärten die Gesellschafter der Klägerin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses. Durch Anwaltsschreiben vom 19.10.2007 ließen sie mitteilen, der neu eingesetzte Geschäftsführer habe überraschend festgestellt, dass der Beklagte während seiner Tätigkeit Entgelt für €Leitungsbereitschaft€ in Höhe von jedenfalls 95.507,99 € (Arbeitgeber-Brutto) bezogen habe. Ein Rechtsgrund dafür sei nicht gegeben. Die Rechtsanwälte forderten den Beklagten auf, den genannten Betrag zurückzuzahlen und Auskunft über sämtliche Zahlungen von Bereitschaftsentgelt während seiner Geschäftsführertätigkeit zu erteilen.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bei dem Arbeitsgericht Cottbus erhoben (Az.: 5 Ca 1780/07). Die Klägerin hat bei dem Landgericht Potsdam Klage erhoben, mit der sie von dem Beklagten Zahlung von 95.507,99 € sowie im Wege der Stufenklage Verurteilung zur Auskunft und Zahlung noch zu beziffernder weiterer Bereitschaftsentgelte beansprucht hat. Nachdem das Arbeitsgericht den vom Beklagten beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und die Sache an das Landgericht Potsdam verwiesen hat, hat das Landgericht die Feststellungsklage des Klägers als Widerklage mit dem auf die Klage der Klägerin anhängigen Rechtsstreit verbunden.
Die Klägerin hat ihre Stufenklage später neu gefasst und klageerweiternd wiederum durch Stufenklage Auskunft über einbehaltene Geschäftsunterlagen und Herausgabe derselben verlangt. Der Beklagte hat seine Widerklage schrittweise auf Entgeltzahlung nach Maßgabe der Vereinbarung vom 30.07.2007 für die Monate Oktober 2007 bis zunächst einschließlich Mai 2008 erweitert. Dabei hat er jeweils den monatlichen Bruttobetrag beansprucht und, soweit er Arbeitslosengeld bezogen hat, dies in Höhe des Nettobetrages angerechnet.
Mit Schreiben vom 04.07.2008, dem Beklagten am 07.07.2008 überbracht, hat die Klägerin die Anfechtung der Vereinbarung vom 30.07.2007 wegen arglistiger Täuschung erklärt.
Aufgrund der Säumnis der Klägerin hat das Landgericht mit dem am 11.07.2008 verkündeten Versäumnisurteil die Klage abgewiesen und auf die Widerklage des Beklagten festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis des Beklagten weder durch die fristlose noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Klägerin vom 25.09.2007, zugegangen am 30.09.2007, aufgelöst worden ist/werden wird, sondern bis zum 31.01.2009 fortbesteht. Ferner hat das Landgericht auf die Widerklage die Klägerin verurteilt, an den Beklagten
5.485,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2007,
5.485,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007,
5.485,78 € brutto abzüglich 629,33 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008
zu zahlen.
Die Klägerin hat gegen das am 21.07.2008 zugestellte Versäumnisurteil am 04.08.2008 Einspruch eingelegt. Dabei hat sie ihren Zahlungsantrag auf den Betrag von 79.275,76 € beschränkt und die übrigen Sachanträge unverändert weiterverfolgt.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im wesentlichen vorgebracht, der Beklagte habe die Vergütung für Leitungsbereitschaftsdienste zu Unrecht bezogen. Ein Dokument, aus dem sich ein Anspruch ergebe, sei nicht vorhanden. Der Beklagte habe die Gesellschafter über den Bezug der Bereitschaftsentgelte auch niemals in Kenntnis gesetzt. Heimleitertätigkeiten, die über die Leistungen als Geschäftsführer hinausgingen, habe der Beklagte tatsächlich gar nicht ausgeführt. Seine Benennung als Heimleiter sei allein aus formalen Gründen erfolgt, um den Anforderungen des Heimgesetztes und der Heimpersonalverordnung zu genügen. In mehreren Gesellschafterversammlungen sei über die Gehaltseinstufung des Beklagten gesprochen worden. Die Bereitschaftsentgelte habe der Beklagte dabei nicht zur Sprache gebracht, vielmehr habe er wiederholt erklärt, er sei im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern schlechter gestellt, da diese für ihre Bereitschaftsdienste eine zusätzliche Vergütung erhielten, während er ausschließlich auf das tarifliche Gehalt beschränkt sei. Da der Beklagte diese Darstellung bis zum Abschluss der Vereinbarung vom 30.07.2007 aufrechterhalten habe, sei sie - die Klägerin - zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt gewesen. Der Beklagte sei zur Rückzahlung erlangter Bereitschaftsentgelte wegen ungerechtfertiger Bereicherung und aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Betruges bzw. Untreue verpflichtet. Er habe Auskunft über sämtliche insoweit erlangte Beträge zu erteilen. Schließlich habe der Beklagte etwa einbehaltene Geschäftsunterlagen herauszugeben.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils vom 11.07.2008
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 79.275,76 € nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
a) ihr Auskunft darüber zu erteilen,
aa) in welcher Höhe er vom 07.03.1993 bis zum 31.12.1998 Zahlungen für Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaften oder Leitungsbereitschaften von ihr erhalten und in welcher Höhe für ihn Sozialabgaben und Lohnsteuer von ihr für diesen Zeitraum abgeführt wurden,
bb) in welcher Höhe er vom 01.01.1999 bis zum 31.12.1999 über einen Betrag von 3.698,07 € hinaus Zahlungen für Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaften oder Leitungsbereitschaften von ihr erhalten und Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer für ihn abgeführt wurden,
cc) bis kk) jeweils gleichlautende Anträge mit unterschiedlichen Betragsangaben für die Zeit vom 01.01.2000 bis einschließlich 30.09.2007, wie sie in dem am 05.06.2009 verkündeten Urteil des Landgerichts wiedergeben sind,
b) die im Zeitraum vom 07.03.1993 bis zum 25.09.2007 getätigten Zahlungen an sich und die für ihn von der Klägerin abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer anhand geeigneter Unterlagen zu belegen,
c) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides Statt zu versichern,
d) an sie Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. den Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
a) ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche nicht allgemein zugänglichen Unterlagen, insbesondere Protokolle von Gesellschafterversammlungen, Daten, Datenträger oder sonstigen Gegenstände aus dem Eigentum der Klägerin, die ihm im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin zur Verfügung gestellt wurden bzw. ihr in diesem Zusammenhang in Besitz genommen hat, sich noch im Original oder in Kopie in seinem Besitz befinden,
b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben an Eides Statt zu versichern,
c) der Klägerin diese Unterlagen herauszugeben,
4. die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und im Wege der Erweiterung der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an ihn weitere
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009,
5.485,78 € brutto abzüglich 1.452,30 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009
zu zahlen.
Auf die erweiterte Widerklage hat die Klägerin beantragt,
diese abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen. Das Entgelt für geleistete Bereitschaftsdienste stehe ihm als tarifliche Vergütung zu. Er sei von der Klägerin als Heimleiter eingesetzt worden. Die Leitung des Heims W€ habe er mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung auch fortlaufend ausgeübt. Die Gesellschafter der Klägerin habe er hierüber auch nicht getäuscht. Diesen sei bekannt gewesen, dass er die Bereitschaftsdienste gesondert vergütet erhalte. An der Vereinbarung vom 30.07.2007 müsse die Klägerin sich festhalten lassen. Ein Recht zur Anfechtung stehe ihr nicht zu.
Das Landgericht hat mit dem am 05.06.2009 verkündeten Urteil das Versäumnisurteil vom 11.07.2008 aufrechterhalten und der erweiterten Widerklage stattgegeben.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Den Forderungen der Klägerin stehe die Ausgleichsklausel der Vereinbarung vom 30.07.2007 entgegen. Damit seien sämtliche Auskunfts-, Herausgabe- und Rückforderungsansprüche der Klägerin ausgeschlossen. Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin auf die Anfechtung der Vereinbarung. Sie habe eine arglistige Täuschung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Zeitnah nach Anstellung des jetzigen Geschäftsführers sei die Klägerin in der Lage gewesen, die in Rede stehenden Bereitschaftsentgelte den Buchungsvorgängen zu entnehmen. Bei dieser Sachlage sei die Annahme fernliegend, der Beklagte habe über den Erhalt dieser Beträge täuschen wollen. Eine etwaige Anfechtung wegen Irrtums sei jedenfalls verspätet erklärt. Die Widerklage sei demgegenüber insgesamt zulässig und begründet. Die fristlose Kündigung sei unbegründet. Die Vergütungsansprüche des Beklagten seien aufgrund der Vereinbarung vom 30.07.2007 gegeben.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie Verfahrensverstöße und Fehler der rechtlichen Beurteilung beanstandet. Das landgerichtliche Urteil sei hinsichtlich der Abweisung der auf Auskunft gerichteten Klageanträge und hinsichtlich der Widerklage nicht ausreichend mit Gründen versehen. Namentlich habe das Landgericht das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgesprochen, ohne die rechtliche Qualität des Beschäftigungsverhältnisses auch nur anzusprechen. Die Frage der ordentlichen Kündigung habe das Landgericht gänzlich unerwähnt gelassen. Unzureichend erfasst habe das Landgericht den unter Beweis gestellten Vortrag, dass der Beklagte sich immer wieder darauf berufen habe, hinsichtlich der zusätzlichen Vergütung der Bereitschaftsdienste im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern schlechter gestellt zu sein. Ergänzend nimmt die Klägerin Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren zuletzt gestellten erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und den Feststellungsausspruch klarstellend dahin zu fassen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien, wie es aufgrund der Vereinbarung vom 30.07.2007 bis zum 31.01.2009 bestanden hat, weder durch die fristlose noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Klägerin vom 25.09.2007, zugegangen am 30.09.2007, beendet worden ist.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und fasst seinen Feststellungsantrag zur Klarstellung insoweit neu, als die Laufzeit des Vertrages vom 30.07.2007 im Verlauf des Rechtsstreits geendet hat und er die rechtliche Einordnung als Arbeitsverhältnis nicht weiter verfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Potsdam 4153 Js 651/08 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin rechtfertigt eine Abänderung des angefochtenen Urteils nicht.
Zwar zeigt die Berufung zutreffend Mängel der erstinstanzlichen Entscheidung dahin auf, dass die getroffene Sachentscheidung entgegen § 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO nicht hinreichend mit Gründen versehen ist. Im Ergebnis stellt sich die landgerichtliche Entscheidung aber als richtig dar, denn die Klage ist insgesamt unbegründet, während die Widerklage begründet ist.
1) Bedenken gegen die Zulässigkeit vom Klage und Widerklage bestehen nicht.
1.1) Die Klägerin ist sowohl in ihrer aktiven als auch der passiven Parteirolle durch ihren Geschäftsführer ordnungsgemäß vertreten, § 35 Abs. 1 GmbHG.
Eines Gesellschafterbeschlusses über die Prozessvertretung der Klägerin nach § 46 Nr. 8 zweite Alternative GmbHG bedurfte es nicht, da sich der Prozess nicht gegen den amtierenden Geschäftsführer richtet (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 23.10. 1997, 12 U 216/96, NJW-RR 1998, 1196; Senat, Urteil v. 30.06.2009, 6 U 56/08, zitiert nach juris.de; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. § 46 Rn. 67 m.w.N.). Der Beklagte ist durch Gesellschafterbeschluss vom 30.07.2007 zum 31.07.2007 und damit vor Erhebung von Klage und Widerklage abberufen worden. Die Abberufung ist zwischen den Parteien auch nicht streitig, ebensowenig streiten die Parteien darüber, dass die Geschäftsführeranstellung beendet ist.
Über einen (fakultativen) Aufsichtsrat, der gemäß § 52 Abs. 1 i.V.m. § 112 AktG die Gesellschaft im Prozess gegen den Geschäftsführer unabhängig davon zu vertreten hätte, ob der Geschäftsführer ausgeschieden ist, verfügt die Klägerin nicht.
1.2) Soweit die Klägerin mit der Stufenklage Zahlung von Schadensersatz in nach Auskunft noch zu beziffernder Höhe und Herausgabe noch zu bezeichnender Geschäftsunterlagen verlangt, ist die stufenweise Geltendmachung gemäß § 254 ZPO zulässig.
1.3) Die Widerklage des Beklagten ist ebenfalls zulässig. Sie weist den nach § 33 Abs. 1 ZPO erforderlichen Zusammenhang zur Klage auf, denn Klage und Widerklage betreffen denselben Lebenssachverhalt.
1.4) Dem mit der Widerklage verfolgten Antrag auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis aufgrund der Vereinbarung vom 30.07.2007 weder durch fristlose noch durch ordentliche Kündigung der Klägerin beendet worden ist, steht das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse zur Seite. Die begehrte Feststellung betrifft den zeitlichen Bestand eines Rechtsverhältnisses, welches zwischen den Parteien streitig ist. Das rechtliche Interesse des Beklagten an einer alsbaldigen Feststellung ist auch nach Ablauf der Vertragszeit gegeben, denn die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses ist für die Rechtslage des Beklagten unter anderem hinsichtlich des von ihm bezogenen Arbeitslosengeldes von Bedeutung.
2) Die Klage ist insgesamt unbegründet.
2.1) Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung von Bereitschaftsentgelt nicht zu, und zwar weder aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, noch nach § 43 Abs. 2 GmbHG oder wegen ungerechtfertiger Bereicherung nach §§ 812, 818 BGB.
Offen bleiben kann, ob die Gesellschafter der Klägerin den als materielle Voraussetzung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 46 Nr. 8 erste Alternative GmbHG erforderlichen Beschluss gefasst haben. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Rückerstattung der von ihm während seiner Geschäftsführeranstellung erlangten Bereitschaftsentgelte besteht nicht, weil die Klägerin mit der Ausgleichsklausel des Vertrages vom 30.07.2007 im Sinne einer Generalbereinigung dem Beklagten gegenüber anerkannt hat, dass gegenseitig keine Forderungen mehr bestehen, § 397 Abs. 2 BGB. Die wirksam zustande gekommene Vereinbarung ist nicht infolge Anfechtung seitens der Klägerin nichtig. Aufgrund der Ausgleichsklausel sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung ausgeschlossen. Eine deliktische Haftung des Beklagten ist indes nicht gegeben, denn dem Beklagen hat Entgelt für geleistete Bereitschaftsdienste als vertraglich vereinbarte Vergütung zugestanden.
a) Die Vereinbarung vom 30.07.2007, welche die Beendigung der Geschäftsführeranstellung des Beklagten bei Fortzahlung von Vergütung regelt sowie Abwicklungsbestimmungen zum Dienstwagen und Diensttelefon und eine Abschlussklausel enthält, ist wirksam zustande gekommen. Die Gesellschafter haben die ihnen nach § 46 Nr. 5 und 8 erste Alternative GmbHG zukommende Entscheidungskompetenz dadurch ausgeübt, dass sie, vertreten durch ihre Organe, die Vereinbarung für die Klägerin unterzeichnet haben.
b) Die Regelung in Ziffer 8 der Vereinbarung stellt eine Generalbereinigung dahin dar, dass die Gesellschaft einerseits und der Beklagte anderseits wechselseitig alle denkbaren, bekannten oder unbekannten, vertraglichen oder außervertraglichen Ansprüche bis zur Grenze deliktischer Ansprüche im Sinne eines negativen Schuldanerkenntnisses nach § 397 Abs. 2 BGB als nicht bestehend anerkannt haben. Das ergibt die Auslegung des Vertrages anhand seines Wortlauts und des diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillens unter Berücksichtigung des von den Beteiligten verfolgten Zwecks (§ 133, 157 BGB).
Die Umstände des Streitfalls sprechen dafür, dass die Parteien der Ausgleichsklausel ein umfassendes Verständnis zugrunde gelegt haben. Der Vertrag in seiner Gesamtheit regelt die vollständige Beendigung der vertraglichen Beziehung bei auslaufender Fortzahlung der Vergütung. Er enthält sämtliche Regelungen, die zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses noch erforderlich waren. Die Beteiligten wollten ihre Rechtsbeziehung ersichtlich insgesamt beenden und zu diesem Zweck eine erschöpfende Regelung treffen. Dieser dem objektiven Erklärungsinhalt zu entnehmenden Interessenlage entsprechend ist die Ausgleichsklausel dahin zu verstehen, dass die Parteien im Sinne einer Generalbereinigung überein gekommen sind, dass über die noch geregelten Ansprüche hinaus wechselseitige Forderungen nicht mehr erhoben werden sollen. Eine solche Abschlusserklärung, bei der es den Beteiligten darum geht, die Rechtsbeziehungen zur Schaffung klarer Verhältnisse insgesamt zum Erlöschen zu bringen, erfasst - wenn nichts anderes vereinbart ist - auch unbekannte Ansprüche (vgl. BGH WM 1998, 387; WM 1975, 438; OLG Köln, Urteil v. 07.08.2008, 18 U 55/06, zitiert nach juris.de; BAG NJW 2009, 618). Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafter der Klägerin bei Vertragsabschluss einen abweichenden Willen zum Ausdruck gebracht haben, trägt die Klägerin nicht vor.
Inhaltlich reicht die Verzichtswirkung bis zur Grenze des gesellschafts-rechtlich Möglichen, ohne allerdings Ansprüche aus unerlaubter Handlung zu erfassen. Deliktische Ansprüche werden von Abschlussklauseln zur Bereinigung einer Rechtsbeziehung regelmäßig nicht erfasst, es sei denn, sie waren den Beteiligten bekannt und sollten mitgeklärt werden (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. § 397 Rn. 6 m.w.N.). Im Streitfall ist weder dem Wortlaut der Ausgleichsklausel noch dem Sachvorbringen der Parteien zu den Umständen des Vertragsschlusses ein Anhalt dafür zu entnehmen, dass Ansprüche auch dann ausgeglichen werden sollten, wenn sie aus einer gegen den anderen Beteiligten gerichteten und bisher unentdeckt gebliebenen unerlaubten Handlung resultieren.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, die Abschlussklausel habe im Hinblick auf die noch abzuwickelnden Vertragsbestimmungen künftige Forderungen nicht erfassen sollen, ist dies unbeachtlich. Ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht erlangter Bereitschaftsvergütung wäre, sofern er bestünde, bereits mit der jeweiligen Zahlung entstanden. Es handelt sich folglich nicht um eine künftige Forderung.
d) Die Ausgleichsklausel ist auch nicht im Sinne einer Bedingung gemäß § 158 BGB vom Vollzug der übrigen Regelungen abhängig gemacht worden. Der im Zusammenhang mit verschiedenen Abwicklungsbestimmungen abgegebenen Erklärung, dass gegenseitig keine Forderungen mehr bestehen, kommt die Bedeutung zu, dass weitergehende, als die im Vertrag selbst geregelten Ansprüche, nicht bestehen.
e) Die von der Klägerin erklärte Anfechtung der Vereinbarung vom 30.07.2007 wegen arglistiger Täuschung nach §§ 123, 124, 142 BGB greift nicht durch. Der Klägerin stand ein Anfechtungsgrund nicht zu, denn sie ist nicht aufgrund eines durch arglistige Täuschung des Beklagten erzeugten Irrtums zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden.
Dass der Beklagte bei den Vertragverhandlungen eine unrichtige Tatsachenerklärung hinsichtlich der Bereitschaftsentgelte abgegeben habe, behauptet die Klägerin nicht. Nach ihrer Darstellung soll die Täuschung dadurch verwirklicht worden sein, dass der Beklagte es unterlassen habe, die Gesellschafter über bestehende Rückforderungsansprüche aufzuklären. Der Beklagte habe durch Verschweigen einen zuvor erregten Irrtum der Gesellschafter über die Höhe seiner tatsächlichen Gesamtbezüge aufrechterhalten. Die Klägerin meint, der Beklagte habe von sich aus die ihm in der Vergangenheit zugeflossene Gesamtvergütung bzw. das Bereitschaftsentgelt offenbaren müssen. Eine Täuschung durch Verschweigen der Tatsache des Bezugs von Bereitschaftsentgelt ist dem Beklagten aber nicht vorzuwerfen.
Das Verschweigen einer Tatsache stellt eine Täuschung dann dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Dabei ist es grundsätzlich Sache jeder Vertragspartei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Im Falle einer umfassenden vertraglichen Regelung über die Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses wird der Geschäftsführer regelmäßig davon ausgehen können, dass die Gesellschafter ihren Vertragsentschluss auf hinreichend informierter Grundlage treffen. Eine Pflicht zu Aufklärung besteht allerdings bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, hinsichtlich derjenigen Umstände, die für den Entschluss des Vertragspartners erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und über die er nach der Verkehrsauffassung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (vgl. BGH NJW 1983, 2493; NJW-RR 1996, 690; WM 1998, 387; Palandt/Ellenberger a.a.O. § 123 Rn. 5 ff m.w.N.).
Aufklärungspflichtig wäre die Tatsache des bisherigen Bezugs von Bereitschaftsentgelt, wenn der Beklagte sich dies unter Verstoß gegen seine Pflichten als Geschäftsführer hätte zukommen lassen und die Gesellschafter infolge vorangegangener wahrheitswidriger Erklärungen des Beklagten im Glauben gewesen wären, der Beklagte habe solche Bezüge nicht erlangt. So verhält es sich aber nicht, denn dem Beklagten hat Anspruch auf Bereitschaftsentgelt nach der Vergütungsregelung seines Anstellungsvertrages zugestanden.
Die Geschäftsführeranstellung des Beklagten ist mit der als €Arbeitsvertrag€ bezeichneten Vereinbarung vom 26.04.1994 erfolgt, nachdem er bereits in der Gesellschafterversammlung vom 07.07.1993 zum Geschäftsführer bestellt worden ist. Der Anstellungsvertrag selbst enthält keine Bestimmung darüber, ob und welche Aufgaben dem Geschäftsführer neben seiner Grundaufgabe, der Führung der Geschäfte der Gesellschaft, übertragen worden sind. Im Vertrag heißt es unter § 1 zweiter Absatz, dass die Aufgaben des Geschäftsführers in einer Dienstanweisung geregelt sind, die Bestandteil des Vertrages ist (Vertrag v. 26.04.1994, Bl. 10 ff d.A.). Der Beklagte hat dazu vorgetragen, dass ihm eine solche Dienstanweisung nicht bekannt ist. Die Klägerin hat ein mit €Zuständigkeitsregelung für Geschäftsführer€ überschriebenes mehrseitiges Schriftstück ohne Datum und Unterschrift eingereicht (Bl. 494 d.A.). Der unter Verwendung mehrerer Schrifttypen erstellte Text enthält keine Bestimmung über die Leitung der von der Gesellschaft betriebenen Heime, auch sonst ist dem Text weder für die Übertragung einer Heimleitertätigkeit auf den Geschäftsführer noch für Gegenteiliges ein Anhalt zu entnehmen. Abgesehen davon lässt sich nicht feststellen, dass das Schriftstück Bestandteil des Anstellungsvertrages des Beklagten geworden ist. Im Rahmen des mit Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO abgeschlossenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten hat die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft ein weiteres Exemplar des Schriftstücks eingereicht, welches im Kopf den Zusatz €Entwurf€ trägt (Bl. 11 d. Sonderbandes I der Akten der StA, Bl. 11).
Dass dem Beklagten neben der eigentlichen Geschäftsführung, also der Entscheidung über die zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Unternehmensleitung, auch die Leitung des Heims W€ oblegen hat, ist anhand folgender Umstände festzustellen.
Der Beklagte war bereits vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer als Heimleiter der Einrichtung W€ tätig. Aufgrund der Organbestellung vom 07.07.1993 ist der Beklagte bereits vor Abschluss des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer tatsächlich eingesetzt worden. Gleichzeitig mit der Berufung des Gesellschaftsorgans haben die Gesellschafter am 07.07.1993 beschlossen, dass dem Beklagten €als Geschäftsführer der Seniorenheim W€ GmbH im Innenverhältnis die Leitung des Seniorenheims W€ übertragen wird€ (Protokoll der Gesellschafterversammlung v. 07.07.1993, Bl. 45 d.A.). Der Beklagte hat die bisherige Tätigkeit des Heimleiters neben der neuen Aufgabe der Geschäftsführung weitergeführt.
Nicht durchdringen kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen, der Beklagte sei lediglich aus formalen Gründen der Heimaufsicht gegenüber als Heimleiter benannt worden, weil allein er über die nach dem Gesetz erforderliche Qualifikation verfügt habe. Der Beklagte ist durch den Gesellschafterbeschluss gerade im Innenverhältnis mit der Übernahme der Heimleitung betraut worden. Wie diese interne Aufgabenübertragung mit einer Einsetzung lediglich nach Außen in Einklang zu bringen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt. Zudem hätte der Beklagte als Geschäftsführer seine Pflichten verletzt, wenn er die Leitung des zum Unternehmen gehörenden Heims W€ einer nicht hinreichend qualifizierten Person überlassen hätte. Die Behauptung der Klägerin, die Tätigkeit der Heimleitung habe nach einiger Zeit tatsächlich Frau F€ ausgeübt, findet keine Stütze. So ist im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 10.10.2001 unter TOP 6 €Personalentwicklungskonzept€ festgehalten, dass der Geschäftsführer zurzeit noch drei Funktionen zusätzlich ausübt, darunter €Heimleiter W€€ (Protokoll der Gesellschafterversammlung v. 10.10.2001, Bl. 50 ff d.A.). An der Ausübung der Funktion der Heimleitung durch den Beklagten hat sich, abgesehen von einer kurzfristigen Unterbrechung, auch später nichts geändert. Zum 01.07.2003 hat die Klägerin als Heimleiter der Einrichtung W€ Herrn G€ eingesetzt und dies der Heimaufsicht angezeigt (Schreiben des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg - Heimaufsicht v. 18.07.2003, Bl. 161 d.A.). Der Heimleiter G€ hat die Stelle indes zum 30.11.2003 bereits wieder verlassen. Aus diesem Grund hat die Gesellschafterversammlung vom 20.11.2003 beschlossen, dass der Geschäftsführer €wieder amtierend als Heimleiter im Haus W€ tätig ist€ (Protokoll der Gesellschafterversammlung v. 20.11.2003, Bl. 100 ff d.A.). Die Übernahme der Heimleitung durch den Beklagten zum 01.12.2003 ist der Heimaufsicht angezeigt worden (Bl. 162 f d.A.). Später sollte Frau F€ die Heimleitung übernehmen. Dazu ist aber nicht gekommen, weil die Heimaufsicht die Besetzung durch Frau F€ mangels Qualifikation abgelehnt hat. Dieser Sachverhalt ist in der Gesellschafterversammlung vom 21.04.2004 erörtert worden. Es wurde festgelegt, dass Frau F€ ab dem 01.07.2004 als €Assistentin der Heimleitung€ eingesetzt wird und ab September 2004 einen zweijährigen Lehrgang für Leitungskräfte in der Altenpflege absolvieren soll. Nach dem Vortrag des Beklagten hat Frau F€ die Ausbildung bis zu seinem Ausscheiden nicht abgeschlossen. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht dargelegt, insbesondere nicht, dass zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 01.12.2003 der Beklagte bis zur Beendigung seiner Tätigkeit durch eine andere Person als Heimleiter ersetzt worden ist.
Der Beklagte ist demnach trotz seiner Bestellung zum Geschäftsführer weiterhin als Heimleiter der Einrichtung W€ eingesetzt worden. Dabei ist seine Vergütung insgesamt nach den für Arbeitnehmer geltenden tariflichen Regelungen festgesetzt worden. Der Anstellungsvertrag vom 26.04.1994 hat die Vergütung nach BMT-AW-O Gruppe Ib zuzüglich einer Zulage in Höhe der Differenz zum BAT-O festgelegt. In der Gesellschafterversammlung vom 10.10.2001 haben die Gesellschafter der Klägerin beschlossen, dass der Beklagte ab dem 01.11.2001 nach der Gehaltgruppe I BAT-O vergütet wird. Dem Beschluss vorausgegangen war die Erörterung, dass der Beklagte nach wie vor die Funktion des Heimleiters W€ ausübt (Protokoll der Gesellschafterversammlung v. 10.10.2001, Bl. 50 ff d.A.). Seit Überleitung des BAT-O in den TVöD ist der Beklagte nach diesem Tarifwerk vergütet worden. Sämtliche der genannten Tarifverträge sehen für Arbeitnehmer die Vergütung von Bereitschaftsdiensten in Heimen vor (§ 18 BMT-A€, § 15 BAT-O, §§ 8, 9 TVöD). Dass für den Heimleiter einer Einrichtung der Altenpflege Bereitschaftsdienste unter anderem in den Nachtstunden und an den Wochenenden anfallen, stellt die Klägerin nicht in Abrede. Der Beklagte hat seine Dienste unter Verwendung entsprechender Formulare der Klägerin dokumentiert.
Unter diesen Gegebenheiten beinhaltet die Vereinbarung der tariflichen Vergütung für die Tätigkeit als Geschäftsführer und diejenige des Heimleiters auch das Entgelt für Bereitschaftsdienste, wie es in dem jeweiligen Tarifwerk vorgesehen ist. Die vertraglichen Abreden unter Einschluss der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vergütungsvereinbarung mit einer Einschränkung dahin versehen wäre, dass die tarifvertragliche Vergütung für Tätigkeiten der Heimleitung nicht gezahlt wird, obwohl dem Beklagte die Heimleitung gerade neben seiner Geschäftsführertätigkeit übertragen worden ist. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass ein GmbH-Geschäftsführer nach dem für sein Vertragsverhältnis maßgeblichen Gesellschaftsrecht üblicherweise nicht bestimmte Tätigkeiten vergütet erhält. Die rechtliche Einstufung des Geschäftsführeranstellungsvertrages als freier Dienstvertrag schließt es nicht aus, dass die Parteien in Ausübung ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit arbeitsrechtliche Elemente zum Vertragsinhalt machen, soweit dabei nicht in die gesetzliche oder statuarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingegriffen wird (vgl. BGH NJW 2010, 2343). Diese Grenze wird weder durch die Vereinbarung einer Tarif-Vergütung noch durch die Übertragung einer an sich nicht zur Geschäftsführung gehörenden Aufgabe auf den Geschäftsführer überschritten.
Da dem Beklagten demnach Entgelt für Bereitschaftsdienste zugestanden hat, war kein Grund gegeben, den Gesellschaftern bei Abschluss des Vertrages vom 30.07.2007 unaufgefordert Auskunft über derartige Bezüge zu erteilen. Etwas Anderes gilt auch nicht deshalb, weil nach dem Vorbringen der Klägerin deren Gesellschafter aufgrund vorangegangener Erklärungen des Beklagten davon ausgegangen seien, dass er Bereitschaftsentgelt nicht bezogen habe. Der Behauptung der Klägerin fehlt buchstäblich jeder Anhalt. Keines der von ihr eingereichten Protokolle der Gesellschafterversammlungen, in denen der Beklagte eine solche Erklärung abgegeben haben soll, enthält auch nur ein Indiz für die Behauptung der Klägerin. Zudem hat der Beklagte seine Bereitschaftsdienste dokumentiert und die entsprechenden Belege bei der Lohnbuchhaltung eingereicht. Die Lohnbuchhaltung hat die Auszahlung der Vergütung des Beklagten veranlasst. Die Bereitschaftsentgelte sind in den dem Beklagten erteilten Lohn- und Gehaltsabrechnungen gesondert ausgewiesen. Im Hinblick auf die in den Geschäftsunterlagen dokumentierten Vorgänge fehlt einem arglistigen Verschwiegen die Grundlage. Die Anfechtung geht folglich ins Leere.
f) Aufgrund des Bestehens der Vergütungspflicht für die Bereitschaftsdienste ergibt sich zugleich, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung im Wege des Schadensersatzes wegen unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 bzw. 266 StGB) gegen den Beklagten zusteht.
2.2) Dasselbe gilt für die mit der Stufenklage verfolgten Forderungen der Klägerin auf Auskunft über den Gesamtbezug von Bereitschaftsentgelten und Zahlung von Schadensersatz nach Auskunftserteilung.
Auch insoweit scheitert der Ersatzanspruch der Klägerin - der sich aufgrund der Ausgleichsklausel des Vertrages vom 30.07.2007 allein auf unerlaubte Handlung stützen ließe - daran, dass dem Beklagten Entgelt für Bereitschaftsdienste nach dem Anstellungsvertrag zustand. Da dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, ist die Stufenklage insgesamt abzuweisen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 390).
2.3) Ebenfalls insgesamt unbegründet ist die auf Herausgabe von Unterlagen gerichtete Stufenklage der Klägerin.
Auch der Forderung auf Unterlagenherausgabe, namentlich bezogen auf Protokolle der Gesellschafterversammlungen oder ähnliche Schriftstücke einschließlich Abschriften, steht die Ausgleichsklausel der Vereinbarung vom 30.07.2007 entgegen. Die Klausel erfasst sämtliche wechselseitigen Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem durch die Vereinbarung beendeten Geschäftsführeranstellungsverhältnis stehen. Wie ausgeführt, geht die Ausgleichsklausel auf eine Gesamtbereinigung des Vertragsverhältnisses. Erfasst sind deshalb auch Forderungen auf Herausgabe von Unterlagen, welche der Beklagte während seiner Geschäftsführeranstellung an sich genommen hat. Dass der Beklagte nach dem 30.07.2007 noch Geschäftsunterlagen in Besitz genommen habe, behauptet die Klägerin nicht.
Abgesehen davon hat der Beklagte die begehrte Auskunft erteilt, indem er mitgeteilt hat, nur Kopien solcher Unterlagen an sich genommen zu haben, die ihn persönlich betreffen. Ein Herausgabeinteresse an Duplikaten oder Fotokopien derartiger Dokumente hat die Klägerin nicht dargelegt. Eine Verurteilung zur Herausgabe nach §§ 675, 667 BGB wäre nicht gerechtfertigt.
3) Die Widerklage des Beklagten ist begründet, und zwar sowohl mit dem Feststellungsverlangen als auch mit dem Zahlungsantrag.
3.1) Der Beklagte hat Anspruch auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis, wie es aufgrund der Vereinbarung vom 30.07.2007 bis zum 31.01.2009 bestanden hat, weder durch die fristlose noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Klägerin beendet worden ist.
Die Kündigung der Klägerin hat nicht zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt, weil ihr weder ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zustand noch der Vertrag die ordentliche Kündigung zulässt. Die Möglichkeit einer Kündigung des Vertrages scheitert allerdings nicht schon daran, dass der Beklagte nach dem 30.07.2007 nicht mehr als Geschäftsführer der Klägerin angestellt war. Im Hinblick auf die ohne Gegenleistung des Beklagten vereinbarte Fortzahlung der Vergütung hat das Vertragsverhältnis Elemente eines Dauerschuldverhältnisses aufgewiesen, welches nach § 314 BGB grundsätzlich durch Kündigung für die Zukunft beendet werden kann.
Voraussetzung für die außerordentliche Kündigung ist gemäß § 314 Abs. 1 BGB ein zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führender wichtiger Grund. Daran fehlt es hier, denn dem Beklagten ist hinsichtlich des von der Klägerin als Kündigungsgrund herangezogenen Bezugs von Bereitschaftsentgelt ein Fehlverhalten, welches die Fortsetzung des Vertrages für sie als unzumutbar erscheinen ließe, nicht vorzuwerfen. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Anfechtung des Vertrages verwiesen werden.
Ein Recht zur ordentlichen Kündigung gibt der Vertrag vom 30.07.2007 nicht her. Es entspricht auch dem Wesen einer Vereinbarung über die Fortzahlung von Vergütung unter Freistellung von der Gegenleistung, dass diese nicht einseitig beendet werden kann, es sei denn, der andere Vertragsteil gibt durch sein Verhalten einen wichtigen Grund.
3.2) Begründet ist schließlich der Zahlungsantrag der Widerklage. Nach dem wirksam zustande gekommenen und auch nicht nachträglich in seinem Bestand beeinträchtigten Vertrag vom 30.07.2007 hat der Beklagte Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung.
Die Höhe der vom Kläger beanspruchten Monatsbeträge steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Forderung auf Zahlung der Brutto-Vergütung abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes netto begegnet keinen Bedenken (vgl. BAG DB 2010, 2620; DB 2003, 2494).
Zinsen stehen dem Beklagten in der geltend gemachten gesetzlichen Höhe aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB). Da die Leistung nach dem Kalender bestimmt ist, befindet sich die Klägerin jeweils zum 01. des Folgemonats im Verzug, ohne dass es einer Mahnung bedurft hat (§ 286 Abs. 2 BGB).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 28.02.2012
Az: 6 U 79/09
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