Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. April 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 13/04
(BGH: Beschluss v. 04.04.2005, Az.: AnwZ (B) 13/04)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. August 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1987 zur Rechtsanwaltschaft und seit 1997 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht B. , dem Landgericht D. und dem Oberlandesgericht N. zugelassen. Eine bereits am 10. Juli 2000 erlassene Widerrufsverfügung wegen Vermögensverfalls, für die zugleich die sofortige Vollziehung angeordnet worden war, hatte im Beschwerdeverfahren vor dem Senat keinen Bestand, nachdem der Antragsteller die der Widerrufsverfügung zugrundeliegende offenstehende Verbindlichkeit erfüllt hatte. Der Antragsteller, der seine Kanzlei aufgegeben hatte, war dann zunächst bis zum 30. Juni 2002 von der Kanzleipflicht befreit worden. Eine Verlängerung hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. März 2003 abgelehnt. Nach mehrfachen Aufforderungen nannte der Antragsteller sodann eine Kanzleiadresse in S. . Mit Verfügung vom 6. Juni 2003 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls und wegen Aufgabe der Kanzlei, widerrufen. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Widerruf nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO:
Gerät der Rechtsanwalt in Vermögensverfall, ist seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht (§ 26 Abs. 2 InsO) oder vom Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Im übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; Senatsbeschluß vom 25. März 1991 -AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083 unter II 1 m. Nachw.).
Diese Voraussetzungen lagen bei Erlaß der Widerrufsverfügung vor. Der Antragsteller hatte bereits am 31. Januar 2002 die eidesstattliche Versicherung in zwei Fällen (12 M /02 und 12 M /02) bei dem Amtsgericht P. abgegeben und war zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung im Schuldnerverzeichnis eingetragen, so daß die Vermutung des Vermögensverfalls eingreift. Daß die Antragsgegnerin die Widerrufsverfügung nicht darauf gestützt hat, sondern diesen schon bei Erlaß der Widerrufsverfügung gegebenen Sachverhalt erst nachträglich vorgetragen und belegt hat, steht seiner Berücksichtigung in diesem Verfahren nicht entgegen. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ist das sogenannte Nachschieben von Gründen zulässig, wenn -wie hier -die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen nicht zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führt (BVerwGE 64, 356 f. m.w.N., siehe auch Stelkens/Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. § 45 VwVfG Rdn. 45 f., 65).
Die Vermutung des Vermögensverfalls ist auch nicht widerlegt. Zwar hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof vorgetragen -ohne dies zu belegen -, daß den betreffenden Mahnverfahren nur ganz geringfügige Forderungen zugrunde lägen. Abgesehen davon, daß es verwundert, daß der Antragsteller sie in diesem Fall nicht längst beglichen und die Löschung im Schuldnerverzeichnis betrieben hat, wird die Annahme des Vermögensverfalls weiter durch die in der Widerrufsverfügung aufgeführten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 120.000 Euro bestätigt, die der Antragsteller zusammen mit einer Bekannten der Kreissparkasse B. schuldete. Die Darlehensverbindlichkeiten dienten dem Erwerb von drei Eigentumswohnungen und sind durch die Eintragungen von jeweils einer Grundschuld von 220.000 DM gesichert. Die Kreisparkasse hat die Geschäftsverbindung im April 2000 gekündigt. Der Antragsteller hält die Kündigung der Darlehen für unwirksam. Die Kreissparkasse hat insoweit -nach ihren Angaben und nach den beigezogenen Prozeßkostenhilfeakten -die Zwangsvollstreckung betrieben. Der Stand des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist ebensowenig wie der Wert der Eigentumswohnungen oder die Deckung der Verbindlichkeiten durch weitere Sicherheiten bekannt. Es wäre aber angesichts der durch die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis begründeten Vermutung des Vermögensverfalls Sache des Antragstellers gewesen, eine etwaige Deckung der Darlehen darzulegen.
Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes ist nicht ersichtlich, zumal während des Beschwerdeverfahrens das Amtsgericht H. am 2. März 2004 in der Sache 23 c M /03 gegen den Antragsteller einen Haftbefehl erlassen hat. Der Antragsteller ist in der Verfügung vom 29. Dezember 2004 vom Senat darauf hingewiesen worden, daß ein zweifelsfreier Wegfall des Widerrufsgrundes nur durch eine vollständige Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten und laufenden Einkünfte dargetan werden könnte, und daß behauptete Tilgungen zu belegen wären. Es bestand kein Anlaß, ihm eine weitere Frist zur Ordnung seiner Vermögensverhältnisse einzuräumen.
Anhaltspunkte dafür, daß die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall hier ausnahmsweise nicht gefährdet sind, liegen nicht vor.
2. Auch der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BRAO ist gegeben.
Nach der ihm obliegenden Kanzleiführungspflicht muß der Rechtsanwalt an dem Ort des Gerichts, bei dem er zugelassen ist, eine Kanzlei einrichten und aufrechterhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehören zu den Mindestanforderungen an eine Kanzleiführung, daß der Rechtsanwalt ausreichende organisatorische Vorsorge trifft, um der Öffentlichkeit seinen Willen, einen Raum als Kanzlei zu verwenden, zu offenbaren (z.B. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 -AnwZ (B) 69/03 -und vom 2. Dezember 2004 -AnwZ
(B) 72/02 -jeweils m.w.N.). Solche Vorkehrungen, wie z. B. Anbringung eines Praxisschilds und Unterhaltung eines Telefonanschlusses, hatte der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und ersichtlich auch zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung nicht getroffen. Im einzelnen wird auf die -teilweise bei einer Ortsbesichtigung durch den damaligen Berichterstatter getroffenen -Feststellungen des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Hinzukommt, daß der Antragsteller nunmehr die von ihm behauptete Kanzleiadresse in S. nicht mehr benutzt.
Da keine Anhaltspunkte bestanden, daß der mehrfach gemahnte Antragsteller seiner Kanzleipflicht in absehbarer Zeit genügen würde, hat die Antragsgegnerin mit Recht die lokale Zulassung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO und damit zugleich die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 6 BRAO widerrufen.
Der Senat hat den Geschäftswert für das Verfahren auf 50.000 € und damit auf den inzwischen im gesamten Geltungsbereich der BRAO für Zulassungs-Widerrufsverfahren üblichen Wert festgesetzt.
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BGH:
Beschluss v. 04.04.2005
Az: AnwZ (B) 13/04
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