Verwaltungsgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 20. April 2005
Aktenzeichen: 10 E 4884/02
(VG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.04.2005, Az.: 10 E 4884/02)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung inHöhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses in der Gemarkung der beklagten Gemeinde. Mit Bescheid vom 10.09.2002 veranlagte sie die Beklagte zu einer Zweitwohnungssteuer von 866,38 Euro unter Berufung auf ihre Zweitwohnungssteuer-Satzung. Dagegen richtete sich ihr Widerspruch, wofür sie einen Rechtsanwalt beauftragt hatten.
Auf den Widerspruch traf die Beklagte folgende Entscheidung:
"Widerspruchsbescheid:
1. Der Widerspruch wurde form- und fristgerecht.
2. Dem Widerspruch wird abgeholfen.
3. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung findet damit seine Erledigung.
4. Aufwendungen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dem Widerspruchsführer entstanden sind, werden von der Gemeinde W. nicht erstattet.
5. Kosten für das Widerspruchsverfahren werden nicht veranschlagt."
Zur Kostenentscheidung enthielt die Begründung des Widerspruchsbescheids folgendes:
"Kostenentscheidung: Soweit in dieser Steuerangelegenheit Verfahrenskosten entstanden sind, werden diese von der Gemeinde W. nicht erstattet."
Der bevollmächtigte Rechtsanwalt legte (mit Schriftsatz vom 21.10. 2002) "vorsorglich" gegen die unter Nr. 4 des Bescheides getroffene "Kostenentscheidung" Widerspruch ein. Zugleich beantragten die Kläger die Erstattung der ihnen entstandenen Anwaltskosten von Euro 121,22.
Mit Schreiben vom 8.11.2002 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie trotz nochmaliger Überprüfung an ihrer Rechtsauffassung festhalte.
Daraufhin haben die Kläger am 12.11.2002 Klage erhoben und verfolgen ihr Anliegen weiter. Sie wenden sich gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Entscheidung, wonach ihnen Aufwendungen zur Rechtsverfolgung in dem Widerspruchsverfahren gegen den dem diesen Verfahren zugrunde liegenden Zweitwohnungssteuerbescheid vom 10.9.2002 nicht erstattet werden. Zur Begründung tragen sie weiter vor: Der Kläger zu 1) sei Rentner, die Klägerin zu 2) Sozialhilfeempfängerin. Beide seien rechtsunkundig und hätten sich zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Aufhebung des an sie gerichteten Steuerbescheides eines Rechtsanwalts bedienen müssen. Dieser habe mit Schriftsatz vom 19.9.2002 Widerspruch erhoben und am 9.10.2002 begründet. In der Begründung zu dem Widerspruch sei u.a. vorgetragen worden:
Der Zweitwohnungssteuerbescheid sei gegenüber der Klägerin zu 2) nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden und damit nicht wirksam. Weiter stelle das im Steuerbescheid genannte Haus keine Zweitwohnung im Sinne der Steuersatzung dar, insbesondere werde das Haus nicht für den persönlichen Lebensbedarf der Kläger vorgehalten. Die Immobilie sei ausschließlich Kapitalanlage. Eine derartige Wohnung dürfe nicht als Zweitwohnung qualifiziert werden. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe weiter ein Erlass-Antrag hinsichtlich der Steuer gestellt.
Den Klägern seien durch die anwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren die folgenden Rechtsanwaltskosten entstanden:
Gegenstandswert:Euro 866,3810/10 Geschäftsgebühr (§ 118 BRAGO)Euro 65,003/10 Erhöhungsgebühr für mehrere Parteien (§ 6 BRAGO)Euro 19,50Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO)Euro 20,00Zwischensumme (netto)Euro 104,50Umsatzsteuer 16% (§ 25 Abs. 2 BRAGO)Euro 16,72Gesamtbetrag (brutto)Euro 121,22Die Kläger beantragen:
"1. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16.10.2002 wird teilweise aufgehoben, soweit dort unter Nr. 4 bestimmt wird, dass den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht erstattet werden.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären und den Klägern die im Widerspruchsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten von brutto 121,22 Euro zu erstatten.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger hätten keine Anspruch auf Erstattung der Kosten, weil hierfür keine Rechtsgrundlage bestehe. § 80 HVwVfG greife hier nicht, weil der einschlägige § 4 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) auf die Abgabenordnung verweise. Die Abgabenordnung (AO) kenne keine Kostenerstattung im abgaberechtlichen Verfahren. Das sei auch überwiegende Rechtsmeinung (HessVGH HSGZ 1978, 404).
Die Behördenakten haben vorgelegen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Gründe
Über die Klage darf ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten nicht nur damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), sondern es auch beantragt haben.
Die unter Nr. 1 des Klageantrages erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig, weil den Klägern das Rechtsschutzinteresse für eine "isolierte Anfechtungsklage" fehlt. Die Aufhebung der unter Nr. 4 getroffenen Regelung in dem "Widerspruchsbescheid" nutzte den Klägern nichts, weil sie damit ihr eigentliches Ziel, die Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht erreichten.
Die Klage wäre auch nicht als (isolierte) Zahlungsklage zulässig, nicht nur weil einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der geltend gemachten Kosten die unter Nr. 4 getroffene Regelung in dem "Widerspruchsbescheid" vom 16.10.2002 entgegensteht, nach der die Beklagte keine Kostenerstattungspflicht hat, sondern auch weil das Gesetz in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG immer zunächst den Erlass eines Kostenfestsetzungsbescheids vorsieht, durch den der Erstattungsanspruch der Höhe nach bestimmt wird. Im öffentlichen Recht entstehen Ansprüche auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags regelmäßig erst aufgrund eines den Zahlungsanspruch rechtfertigenden Bewilligungs- oder Festsetzungsbescheids; dieser muß im Streitfall vor dem Verwaltungsgericht zunächst eingeklagt werden. Der Widerspruchsführer, der nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Erstattung seiner Aufwendungen im Widerspruchsverfahren verlangt, kann daher nicht unmittelbar die Zahlung eines bestimmten Erstattungsbetrags beanspruchen.
Die Besonderheit des Erstattungsrechts nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und damit auch der vorliegenden Klage liegt darin, dass die Entstehung dieses Rechts nicht nur eine, sondern mehrere in Form eines Verwaltungsakts ergehende Entscheidungen voraussetzt, nämlich neben dem Kostenfestsetzungsbescheid nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG auch eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten der Widerspruchsführer nach §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO und für den Fall, dass die Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattet werden sollen, außerdem noch gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG eine Entscheidung darüber, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war (BVerwG 20.05.1987 - 7 C 83.84 -, BVerwGE 77, 268, 270). Alle diese Verwaltungsakte bauen im Sinne einer zunehmenden Konkretisierung des Erstattungsrechts aufeinander auf: Während die Kostengrundentscheidung nach §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO die Entscheidung darüber enthält, ob die Widerspruchsführer überhaupt die Erstattung ihrer Aufwendungen verlangen können, werden mit einer positiven Entscheidung nach § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten für erstattungsfähig erklärt; auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen wird der Kostenerstattungsanspruch sodann im Wege der Kostenfestsetzung abschließend auch der Höhe nach bestimmt. Erst dann ist ein Kostenerstattungsanspruch entstanden, der mit der Zahlungsklage verfolgt werden könnte.
Zwar begehren die Kläger mit dem Klageantrag zu 2 (erste Hälfte) zutreffend eine Entscheidung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren und mit dem ebenfalls im Klageantrag zu 2 weiter enthaltenen (zweite Hälfte) bezifferten Erstattungsantrag den Erlaß eines Kostenfestsetzungsbescheids nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. In Anbetracht dieser Rechtslage hätten die Kläger in ihrer Klageschrift aber drei relevante prozessuale Ansprüche erheben müssen, den (logisch vorrangigen) ersten Antrag gerichtet auf eine Kostengrundentscheidung zu ihren Gunsten nach § 72 VwGO haben sie aber nicht erhoben (vgl. zu den Erfordernissen im Einzelnen BVerwG 16.12.1988 - 7 C 93/86 -, Buchholz 312 EntlG Nr. 53; JurBüro 1989, 1009; NVwZ-RR 1989, 58).
Ob die Klage bereits dadurch unzulässig ist, dass die Kläger einen Antrag auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nicht gestellt haben und als Konsequenz dessen die beiden anderen (logisch nachrangigen) relevanten Klageanträge ins Leere gehen oder ob die Klageanträge der Nr. 1 (Anfechtung) und Nr. 2 (Verpflichtung) ausreichend sind - in der Gesamtschau mit der Begründung der Klage - für eine Auslegung des Inhalts, dass das Klagebegehren sich auch auf eine Kostengrundentscheidung richtet und die Klage damit zulässig ist, kann letztlich dahinstehen, weil diese sich in der Sache als unbegründet erweist, da in abgaberechtlichen Angelegenheiten sowohl § 72 VwGO wie § 80 HVwVfG unanwendbar sind. Stellt man dagegen nicht auf die von den Klägern in Bezug genommen Rechtsvorschriften der VwGO und des HVwVfG sondern auf das (natürliche) Begehren in den in der Klageschrift formulierten Anträgen ab, wäre die Klage sogar zulässig. Dies ist aber wegen der Formstrenge (Eindeutigkeit) von Prozesshandlungen nicht zulässig.
Das Gesetz über kommunale Abgaben (KAG) schreibt für die Erhebung kommunaler Abgaben die Anwendung der Abgabenordnung (AO) vor. Zwar sind durch § 4 KAG nicht alle Vorschriften der AO in das Gesetz inkorporiert worden, insbesondere nicht die §§ 347 bis 368 des Siebenten Teils der AO (Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren). Aber auch wenn diese gelten, führte dies nicht zum Erfolg der Klage, weil auch darin keine Vorschrift enthalten ist, die eine Kostenerstattungspflicht bei einem isolierten Vorverfahren für die "Behörde" statuiert. Auch der übrige Teil der AO - ob in das KAG übernommen oder nicht - kennt keine derartige Vorschrift.
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass es an einer gesetzlichen Regelung fehlt, nach der Steuerpflichtigen, die im "isolierten Vorverfahren" (d. h. ohne anschließendes Gerichtsverfahren) obsiegen, ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Gemeinde, als der Körperschaft, der die Abgabe zusteht, eingeräumt wird.
Das Finanzgericht des Landes Brandenburg hat in seinem Urteil vom 25.06.2001 - 4 K 3172/00 - (AGS - Anwaltsgebühren Spezial, Deutscher Anwaltsverlag 2002, 206-208; juris) hinsichtlich der Frage des Anspruchs auf Kostenerstattung bei "isolierten Vorverfahren" zutreffend folgendes ausgeführt:
"Das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung (AO 1977) ist seit dem 1. Januar 1977 für beide Verfahrensbeteiligte (Einspruchsführer und Finanzamt) kostenfrei; Einspruchsführer und FA haben jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen. Die Gründe, die den Gesetzgeber zu dieser von § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) - der für das Widerspruchsverfahren die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen bestimmt - abweichenden Regelung bewogen haben, ergeben sich aus dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 7/4292: Das Einspruchsverfahren ist ein verlängertes Veranlagungsverfahren; ca. 60 v. H. der Einsprüche führen zur Änderung des Bescheids, Erleichterung der Rücknahme des Rechtsbehelfs wegen Kostenfreiheit, Verwaltungsvereinfachung etc.). § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG stellt ausdrücklich klar, dass dieses Gesetz und folglich die Vorschrift des § 80 Abs. 2 VwVfG, wonach Kosten für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren grundsätzlich erstattungsfähig sind, nicht für Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der AO 1977 gilt."
Diese Ansicht wird auch durch eine historische Betrachtung der Gesetzesentwicklung im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen bestätigt. § 80a AO, der durch Art. 2 Nr. 1a des Gesetzes v. 18.8.1980, BGBl. I S. 1537 mit Wirkung vom 1.1.1982 eingeführt worden war, bestimmte über Kosten im Verwaltungsverfahren, dass die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, soweit der Rechtsbehelf erfolgreich ist, ersetzt werden, wenn dies in Steuergesetzen ausdrücklich bestimmt ist. Die Vorschrift ist jedoch durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes v. 19.12.1985, BGBl. I S. 2436 mit Wirkung vom 1.1.1982 aufgehoben worden.
Etwas Anders gilt auch nicht im kommunalabgabenrechtlichen Widerspruchsverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat hierzu mit Urteil vom 27.09.1989 - 8 C 88.88 - (BVerwGE 82, 336; Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 30; DÖV 1990, 207; NVwZ 1990, 651) entschieden, dass die Regelung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes -BayVwVfG- (Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG), die denen des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG) auch die Anwendung der in Art. 80 BayVwVfG (= § 80 HVwVfG) geregelten Kostenerstattung auf das kommunalabgabenrechtliche Widerspruchsverfahren ausschließt. Das Gericht hat dies u.a. mit der Unselbständigkeit des Widerspruchsverfahrens gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahren (Einheit des Verfahrens) begründet.
Dass ein Recht auf Erstattung der Kosten eines erfolgreichen kommunalabgabenrechtlichen Vorverfahrens nicht besteht, begegnet nach Auffassung des BVerwG deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Bürger in den verschiedenen Vorverfahren kostenrechtlich gleichzustellen; es gebe keinen allgemeinen verbindlichen Rechtsgedanken des Inhalts, dem in einem Widerspruchsverfahren obsiegenden Bürger sei stets ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten zuzubilligen. Überdies gebe es sachliche Gründe für die unter dem Blickwinkel der Kostenerstattung unterschiedliche Behandlung von Vorverfahren, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze anwendbar seien, und solchen, die nach Maßgabe der AO durchzuführen sind (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf der AO 1977, BT-Drucks. 7/4292, S. 8 f.). Diese Gründe schlössen die Annahme aus, der Verzicht auf die Begründung eines Kostenerstattungsanspruchs im Vorverfahren abgabenrechtlicher Art entziehe sich einer Rechtfertigung und sei deshalb willkürlich (BVerwGE 82, 336, 342).
Auch der Bundesfinanzhof hat sich in der Entscheidung (Beschluss v. 23.07.1996 - VII B 42/96 - BFHE 180, 529; BStBl. II 1996, 501; BB 1996, 2029; KKZ 1998, 130; NJW 1997, 1256 nur Leitsatz) dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Sie entspricht auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) v. 20.06.1973 - 1 BvL 9/71 und 1 BvL 10/71 - (BVerfGE 35, 283; BStBl. II 1973, 720; BB 1973, 1056; WM 1973, 971), nach dem die Kostenregelung für das isolierte Vorverfahren nach der Reichsabgabenordnung (Kostenpflicht bei erfolglosem Einspruch, aber keine Kostenerstattung bei Erfolg des Rechtsbehelfs) mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist, auch wenn andere bundesrechtlich geregelte, nichtabgabenrechtliche Verwaltungsvorschriften einem betroffenen Bürger anders als im abgabenrechtlichen Vorverfahren in verschiedenem Umfang einen Kostenerstattungsanspruch einräumen.
Das BVerwG tritt auch der Auffassung entgegen, dass § 80 VwVfG - 14 Jahre nach seinem In-Kraft-Treten - als "flächendeckende Regelung" durch Gewohnheitsrecht zum allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarkt ist, der - entgegen der ausdrücklichen Vorschrift in § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG - nunmehr auch für das isolierte Vorverfahren nach der AO 1977 anzuwenden sei.
Die vorstehend zitierte Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Fehlens einer Regelung in der AO über die Kostenerstattung für das Einspruchsverfahren erscheint um so mehr gerechtfertigt, als die AO 1977 - im Gegensatz zu § 251 Abs. 1 AO - auch auf die Einführung einer den Rechtsbehelfsführer treffenden Kostenpflicht bei erfolglosem Einspruchsverfahren verzichtet hat. Darin liegt zugleich ein wesentlicher Unterschied des in der AO 1977 geregelten Rechtsbehelfsverfahrens zu dem Vorverfahren i. S. des § 68 VwGO, auf die sich die Regelung des § 80 VwVfG bezieht. Denn der erfolglose Widerspruchsführer muss in der Regel eine Widerspruchsgebühr zahlen und der Behörde die notwendigen Auslagen ersetzen (§ 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG, vgl. auch § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Darin mag deshalb keine "Waffengleichheit" der Verfahrensbeteiligten zu sehen sein, weil bei der Behörde Auslagen in vergleichbarer Höhe wie beim Rechtsbehelfsführer in der Regel nicht anfallen und etwaige Gebühren für das Widerspruchsverfahren deutlich geringer als die Rechtsanwaltskosten sind. Daraus kann aber kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf die Erstattung notwendiger Auslagen auch in isolierten Rechtsbehelfsverfahren nach der AO 1977 hergeleitet werden.
Dies gilt auch insoweit wie das bereits zitierte Finanzgericht Brandenburg zutreffend ausführt, als nach der Regelung des § 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO), in etwa wie § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Vorverfahrenskosten dann erstattungsfähig sind, wenn das Finanzgericht in einem sich an ein erfolgloses Vorverfahren anschließenden Klageverfahren die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat. In diesem Fall ist die Rechtsauffassung des Rechtsbehelfsführers und Klägers nicht lediglich von der Behörde gebilligt worden, sondern sie hat im Widerstreit zu der in der Einspruchsentscheidung aufrechterhaltenen Ansicht der Behörde ihre rechtliche Bestätigung durch das Gericht gefunden.
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an.
Schließlich scheitert auch der Antrag zu Nr. 4 der Klage. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren (für die vorliegende "Erstattungs"-Klage) darf nicht für notwendig erklärt werden, weil kein Vorverfahren stattgefunden hat. Mit der Klage wollen die Kläger offenbar einen gerichtlichen Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erreichen. Dazu ist Voraussetzung, dass ein Vorverfahren "geschwebt" hat. Nur dann sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig. Der Antrag kann sich nur auf ein dieser Klage vorausgegangenes Vorverfahren beziehen. Ein solches hat aber gerade nicht stattgefunden. Der "vorsorglich" (mit Schriftsatz vom 21.10. 2002) gegen die unter Nr. 4 des Bescheides getroffene "Kostenentscheidung" erhobene Widerspruch hat zu keinen Vorverfahren geführt, denn bei der unter Nr. 4 des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2002 getroffenen Regelung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i. S. des § 68 Abs. 1 VwGO. Die im Widerspruchsbescheid enthaltene zusätzliche Beschwer ist ohne Vorverfahren mit der Klage angreifbar.
Eine Kostenerstattung auf Grund § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO findet nur beim "förmlichen" Vorverfahren statt. Aus der Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, der die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen auf die Fälle eines erfolgreichen Widerspruchs beschränkt, folgt, dass Kosten des Ausgangsverfahrens nicht erstattet werden. Nach dieser Vorschrift ist außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens für eine Kostenerstattung kein Raum. Wurde kein - erfolgreicher - Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt, kann eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht beansprucht werden, es sei denn, das einschlägige Fachrecht enthält vom allgemeinen Verfahrensrecht abweichende Regelungen, wie es z.B. im Enteignungsverfahren der Fall ist (vgl. § 121 Abs. 1 und 2 BauGB). Da das KAG und die AO eine Erstattung der außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht vorsehen, hat es bei der Regelung des allgemeinen Verfahrensrechts sein Bewenden.
Da die Kläger unterlegen sind, haben sie die Verfahrenskosten zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und die Vollstreckungsabwehrbefugnis sind nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO geboten.
VG Frankfurt am Main:
Urteil v. 20.04.2005
Az: 10 E 4884/02
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