Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 21. Oktober 1998
Aktenzeichen: 25 U 95/97
(OLG Hamm: Urteil v. 21.10.1998, Az.: 25 U 95/97)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02. April 1997 ver-kündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 DM, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet, die er auch durch eine unbe-dingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffent-lich-rechtlichen Sparkasse erbringen kann.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin entstand im Frühjahr 1995 durch Umwandlung der 1991 gegründeten U-GmbH in eine Aktiengesellschaft.
Der Beklagte ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer und war in dieser Eigenschaft für die Klägerin seit ihrer Gründung als GmbH tätig. Er erstellte die Jahresabschlüsse für die U-GmbH für die Jahre 1991 bis 1994. Durch Beschluß des Amtsgerichts Paderborn vom 15.03.1995 wurde der Beklagte zum Gründungsprüfer der später durch Umwandlung entstandenen Klägerin bestellt. Er führte die Prüfung in der Zeit vom 10. bis 26.04.1995 durch und schloß diese mit dem Gründungsprüfungsbericht vom 03.05.1995 ab. Der Gründungsprüfungsbericht endete mit einem Bestätigungsvermerk, in dem der Beklagte unter anderem bestätigte, daß die Angaben der Gründer im beigefügten Gründungsbericht richtig und vollständig seien, was sich insbesondere auf die Angaben über die Übernahme der Aktien, die Einlagen auf das Grundkapital und über die Festsetzungen nach § 26 und 27 Aktiengesetz erstrecke. Zudem bestätigte er, daß der Wert der Sachübernahmen den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreiche.
Dem Gründungsprüfungsbericht waren als Anlagen unter anderem die Bilanz zum 31.12.1994 nebst Gewinn- und Verlustrechnung der U-GmbH beigefügt, deren Zahlen der Beklagte auf den Seiten 19 und 20 des Gründungsprüfungsberichtes zugrundegelegt hat.
Alleinaktionär wurde nach Umwandlung der U-GmbH in eine Aktiengesellschaft zunächst der ehemalige Geschäftsführer und Alleingesellschafter der U-GmbH und spätere Vorstand der Klägerin H. Dieser erstellte den Geschäftsbericht 1994 der U-GmbH, der eine Abschrift der Bilanz vom 31.12.1994 enthielt. Der Geschäftsbericht war dem Verkaufsangebot der Klägerin für ihre Aktien beigefügt, in dem es unter anderem heißt:
"Um das zukünftige Wachstum zu sichern, hat sich Alleinvorstand und Großaktionär H bereit erklärt, Aktien aus dem Familienbesitz freibleibend zum Verkauf anzubieten.
Insgesamt werden bis zu 70.000 Inhaberstammaktien zu jeweils nominal 5,00 DM mit voller Gewinnanteilberechtigung für das Geschäftsjahr 1995 einer breiten Öffentlichkeit zum Verkauf angeboten (dies entspricht 30 % der insgesamt 240.000 Aktien bzw. des Grundkapitals in Höhe von 1,2 Mio.). ... Der Abgabepreis der TG-Aktien liegt bei 31,00 DM und ist befristet bis zum 31.08.1995."
Außerdem enthielt das Verkaufsangebot auf Seite 4 verschiedene Risikohinweise.
Die Aktien wurden im I Telefonhandel bei der Firma L2 notiert mit der Folge der Veröffentlichung der Kurse im Handelsblatt.
Im Bundesanzeiger vom 30.08.1995 veröffentlichte die L GmbH (im folgenden L GmbH genannt) ein Aktienumtauschangebot für Aktionäre der B-Aktiengesellschaft für Anlagen und Beteiligungen mit folgendem Wortlaut:
"Hiermit unterbreiten wir den Aktionären der obengenannten Gesellschaft im Kundenauftrag folgendes Angebot:
Gegen Einreichung von je Stück-1-Aktie im Nennwert von je 50,00 DM der B nebst laufendem Dividendenschein bietet die L GmbH-4-Aktien (Nennwert 5,00 DM) der U-AG."
Die Klägerin hat behauptet, ihr ehemaliger Vorstand H habe die U-GmbH 1991 mit dem Ziel gegründet, später nach einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wertlose Aktien zu einem hohen Preis an gutgläubige Investoren zu veräußern. Daher habe er über Jahre hinweg Gewinne der U-GmbH vorgespiegelt, um sie als ertragreich darstellen zu können, wobei er sich der Mithilfe des Beklagten bedient habe. So habe der Beklagte seit 1991 in den Jahresabschlüssen der U-GmbH fiktive Gewinne ausgewiesen, obwohl bei Beachtung der allgemein anerkannten Grundsätze der Buchführung und Bilanzierung für die Jahre 1991 bis 1994 stets Verluste hätten ausgewiesen werden müssen. Ein Verlust sei aber nur für das Jahr 1991 ausgewiesen worden, während für die Jahre 1992 bis 1994 Jahresüberschüsse von ca. 100.000,00 DM, ca. 221.000,00 DM und ca. 632.000,00 DM ausgewiesen worden seien. Diese Bilanzfälschungen hätten sich auf sämtliche Konzerngesellschaften/Tochtergesellschaften der GmbH bezogen, wie der Jahresabschluß für 1994 der Q GmbH, einer 50 %igen Tochtergesellschaft der GmbH belege. Deren Bilanz weise einen Jahresüberschuß von 1.186.205,38 DM aus, obwohl dem Finanzamt Paderborn ein Jahresfehlbetrag von 1.122.072,86 DM gemeldet worden sei.
Dem Beklagten habe auffallen müssen, daß die von ihm erstellten Jahresabschlüsse der Jahre 1991 bis 1994 nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung entsprochen hätten.
Zudem sei der Bestätigungsvermerk unter dem Gründungsprüfungsbericht des Beklagten vom 03.05.1995 falsch. Es sei unzutreffend, daß die Angaben der Gründer in diesem Bericht richtig und vollständig seien. Entgegen der Bestätigung auf Seite 19 und 20 des Gründungsprüfungsberichts sei der Jahresabschluß, der gemäß Anlage IV 6 Bestandteil des Berichts sei, nicht nach den gesetzlichen Regeln erstellt worden. Unzutreffend habe der Beklagte zudem auf Seite 25 des Gründungsprüfungsberichts testiert, daß in dem aktivierten Anlagevermögen sowie auch im Umlaufvermögen stille Reserven enthalten seien, die nicht in Ansatz gebracht worden seien. Mit diesen Angaben des Gründungsprüfungsberichts sei eine Werthaltigkeit der Aktien fingiert worden. H und seine Helfer hätten bei dem I Freimakler, der die Aktien der Klägerin betreut habe, nachdem ihm der Jahresabschluß 1994 mit Testat des Beklagten vorgelegt worden sei, angerufen und Kurse fingiert. Diese Kurse seien im Finanzteil des Handelsblatts in der Rubrik "Telefonhandel" als Schätzkurse veröffentlicht worden und hätten durchschnittlich 38,00 DM betragen. Bei 240.000 Aktien im Nennwert von 5,00 DM sei auf diese Weise ein Unternehmenswert von etwa 9 Mio. DM vorgespiegelt worden. Die Aktien der Klägerin seien jedoch nicht oder nur in ganz geringem Maße gehandelt worden. Um die Aktien beim interessierten Publikum unterzubringen, habe H sich der Herren C und N bedient, die über die Firma L GmbH im Bundesanzeiger vom 30.08.1995 ein Umtauschangebot lanciert hätten. Als Eigentümerin der B AG-Aktien habe der Growth Stock Fund von seiner Depotbank D Mitteilung von diesem Umtauschangebot erhalten. Der Mitarbeiter I von der D-Bank habe Unterlagen von der L GmbH angefordert, die daraufhin das Verkaufsangebot, den Geschäftsbericht 1994, den Gründungsprüfungsbericht und den Aktionärsbrief Nr. 1 übersandt habe. Der H2 Fund bzw. ein für diesen tätiger sog. Advisor habe sich aufgrund der günstigen Bilanzzahlen der Klägerin entschlossen, 55.466 B-Aktien gegen 221.864 Aktien der Klägerin zu tauschen. Dieser Aktientausch sei entweder als Kommissionsgeschäft oder als Geschäft zwischen H und dem H2 Fund, jeweils vertreten durch die L GmbH und die D-Bank, abgewickelt worden. Die B-Aktien seien sofort über die amtliche Börse für 8.319.000,00 DM versilbert worden. Von diesem Betrag habe H 5.900.000,00 DM erhalten und die L-GmbH (die Herren C und N) 2.500.000,00 DM. Der Beklagte habe seinen Teil erst später bekommen sollen, er sei für seine Bilanzfälschungen bezahlt worden.
Vergeblich habe der Advisor des H2 Fund eine Rückgängigmachung der Umtauschaktion zu erzielen versucht. Die F-Versicherung habe nach Abzug eines Selbstbehalts von 1 Mio. US-Dollar und gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen die Klägerin 4.952.282,00 US-Dollar an den Advisor bezahlt. Die F habe von der Klägerin Ersatz dieser Zahlung verlangt. Deshalb habe die Klägerin am 10.12.1996 zugunsten der Versicherung ein notarielles Schuldanerkenntnis unterzeichnet. Die Klägerin hafte den geschädigten Investoren nämlich nach den Grundsätzen der Prospekthaftung. Ihr stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zu. Der Beklagte hafte ihr zudem aus § 323 HGB, aufgrund der Verletzung des Geschäftsbesorgungsvertrags infolge fehlerhafter Buchführung und Bilanzerstellung sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264 a, 263, 266 StGB, § 400, 403 Aktiengesetz, sowie § 826 BGB.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden mit 8 Mio. DM, von denen sie mit der Klage 2,5 Mio. DM geltend macht.
Der Beklagte tritt dem entgegen unter Hinweis, daß der Klägerin kein Schaden entstanden sei. Sie sei der F-Versicherung nicht schadensersatzpflichtig und deshalb zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses vom 10.12.1996 nicht verpflichtet gewesen. Der Verkaufsprospekt Bl. 42 ff. sei kein Prospekt im Sinne des Gesetzes, weil er nicht gemäß § 8 Verkaufsprospektgesetz hinterlegt worden sei, so daß eine Haftung nach § 13 Verkaufsprospektgesetz ausscheide. Eine börsenrechtliche Prospekthaftung gemäß § 45, 46 Abs. 1 Börsengesetz gelte nur für Schriftstücke, die als Börsenzulassungsprospekte anzusehen seien. Eine Börsenzulassung der Aktien der Klägerin sei unstreitig nicht erfolgt. Der H2 Fund habe zudem die Aktien nicht unmittelbar von H gekauft. Die Aktien seien vielmehr von H an die Firma T verkauft worden (Bl. 46). Die Firma T habe die Aktien an die Firma L GmbH, ihre Muttergesellschaft, verkauft und die Firma L GmbH dann an den H2 Fund. Eine Haftung aus culpa in contrahendo sei zu verneinen, weil der Erwerb der Aktien nicht aufgrund des Verkaufsangebots der Klägerin von dem Growth Stock Fund erfolgt sei. Im übrigen beruft der Beklagte sich analog § 20 Abs. 5 Kapitalanlagengesellschaftsgesetz bzw. § 12 Abs. 5 Auslandsinvestitionsgesetz auf Verjährung, da die Verjährungsfrist sechs Monate betrage. Kenntnis von der Unrichtigkeit des Prospekts habe die Klägerin spätestens im Januar 1996 gehabt, weil der H2 Fund die Wertlosigkeit der Aktien bereits bei einer Gesellschafterversammlung zu dieser Zeit beanstandet habe. Der Beklagte hafte der Klägerin auch nicht wegen Inanspruchnahme persönlichen Verhandlungsvertrauens. Kontakte zwischen der Klägerin und dem H2 Fund hätten vor Kauf der Aktien nicht bestanden. Der Gründungsprüfungsbericht sei kein Verkaufsprospekt. Aus § 323 HGB hafte der Beklagte nicht, weil aus dieser Vorschrift nur eine Haftung aus der erstellten Gründungsprüfung gegenüber der Klägerin hergeleitet werden könne, nicht aber gegenüber Dritten. Die Behauptung der Klägerin, die Buchführung und die Bilanzen der vom Beklagten für die U-GmbH erstellten Jahresabschlüsse sei falsch, sei unsubstantiiert und werde bestritten.
Zudem macht der Beklagte sich den Vortrag der Klägerin hilfsweise zu eigen, daß H von vornherein es darauf angelegt habe, spätere Anleger zu täuschen. Dieses Verhalten des H müsse der Beklagte sich nicht zurechnen lassen. Eine deliktische Haftung des Beklagten komme nicht in Betracht. Der Vortrag der Klägerin sei unsubstantiiert. Zudem hat der Beklagte bestritten, daß H ihn als Komplizen für die geplante Übervorteilung späterer Anleger gewonnen, eingeweiht oder und als Werkzeug benutzt habe. Er hat weiter behauptet, daß er an der Erstellung des Geschäftsberichts nicht beteiligt gewesen sei, ihn nicht gekannt und auch nicht gewußt habe, daß er interessierten Investoren sowie Banken habe zugeleitet werden sollen. Zudem hat der Beklagte bestritten, daß der Gründungsprüfungsbericht an Investoren und Dritte übersandt worden sei. Falls die Klägerin sich geschädigt fühle, so meint der Beklagte, solle sie sich an die Herren H, C und N wenden.
Nachdem die Klägerin sich im Termin vor dem Landgericht vom 11.12.1996 hat versäumen lassen, hat das Landgericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und dieses Urteil später aufrechterhalten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung ihres bisherigen Sach- und Rechtsvortrags ihren Anspruch weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt,
abändernd das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 11.12.1996 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 2,5 Mio. DM nebst 5 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.
Unter Wiederholung seines bisherigen Sach- und Rechtsvortrags weist der Beklagte darauf hin, die Klägerin sei wirtschaftlich nicht mehr existent. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens sei vom Amtsgericht Paderborn mangels Masse abgelehnt worden, die Klägerin sei damit aufgelöst.
Wegen des Sachvortrags der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst vorgelegter Urkunden Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
I.
Auf § 426 BGB läßt sich das Klagebegehren entgegen der Meinung der Klägerin schon deswegen nicht stützen, weil diese unstreitig bisher an Dritte keinen Schadensersatz geleistet hat. Darüberhinaus lassen sich auch die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung im Außenverhältnis nicht feststellen, weil es für eine Haftung des Beklagten gegenüber den geschädigten Anlegern an hinreichenden Anhaltspunkten fehlt.
a)
Eine derartige Haftung des Beklagten ist nicht aus § 49 Aktiengesetz herzuleiten. Zwar findet diese Vorschrift gemäß § 378 Abs. 1 Aktiengesetz sinngemäß auch auf Aktiengesellschaften Anwendung, die im Wege der Umwandlung gemäß § 376 Aktiengesetz entstanden sind. Auch wird der Gründungsprüfer hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit der des Abschlußprüfers gleichgestellt, die aus § 323 Abs. 1 bis 4 HGB herzuleiten ist. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Gründungsprüfers bei der Gründungsprüfung begründet aber nur einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch der Aktiengesellschaft gegen den Gründungsprüfer, nicht dagegen Ansprüche auch der Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger (BGH BB 61, 652).
b)
Der Beklagte haftet auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung.
Eine börsenrechtliche Prospekthaftung aus §§ 45, 46 Abs. 1 Börsengesetz ist zu verneinen. Diese gilt nur für Schriftstücke, die als Börsenprospekte im Sinne von § 36 Abs. 3 S. 2, § 38 Abs. 1 S. 2 Börsengesetz in Verbindung mit § 13 ff. Börsenzulassungsverordnung anzusehen sind und auf deren Grundlage Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen werden. Unstreitig ist eine Börsenzulassung der Aktien der Klägerin nicht erfolgt. Daher unterliegen die im Telefonhandel von der L GmbH zum Tausch angebotenen Aktien der Klägerin, deren Anteilseigner H war, nicht dem Börsenrecht. Es handelt sich vielmehr um Geschäfte des privaten Rechts, die dem Recht der Effektengeschäfte und dem allgemeinen Vertragsrecht unterliegen.
Deshalb könnte nur eine Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz zu Lasten des Beklagten gegeben sein. Der vom Beklagten erstellte Gründungsprüfungsbericht ist jedoch kein Verkaufsprospekt und unterfällt daher nicht der Haftung.
Soweit von der L GmbH der Verkaufsprospekt (Bl. 42 bis 45) nebst Geschäftsbericht 1994 an die Depotbank der B-Aktien, der D-Bank, übersandt worden ist, hat der Beklagte an der Erstellung dieser Schriftstücke unstreitig nicht mitgewirkt. Er haftet daher nicht für die darin enthaltenen Angaben.
c)
Der Beklagte könnte den Anlegern daher allenfalls aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 403 Aktiengesetz bzw. strafrechtlichen Vorschriften bzw. aus § 826 BGB haften, falls er in kollusivem Zusammenwirken mit H die Sachübernahmen im Gründungsprüfungsbericht überbewertet hätte, um Anleger zu täuschen und H hierdurch die Möglichkeit zu verschaffen, wertlose Aktien der Klägerin an gutgläubige Investoren veräußern zu können.
Der Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe im Zusammenwirken mit H bereits die Buchführung und die Bilanzen der U GmbH zu diesem Zwecke seit 1991 geschönt und anstelle von Verlusten erkennbar fehlerhaft Gewinne in den Jahren 1992 bis 1994 ausgewiesen, ist nicht geeignet, die subjektiven Anspruchsvoraussetzungen der unerlaubten Handlung darzutun.
Die Klägerin legt keine Umstände dar, noch sind diese erkennbar, aus denen das behauptete kollusive Zusammenwirken des Beklagten mit H nachvollziehbar hergeleitet werden kann. Auch fehlt es an jedem Beweisantritt der Klägerin hierzu ebenso wie zu der Behauptung der Klägerin, der Beklagte sei für sein Tun bezahlt worden.
Es fehlt auch jede nachvollziehbare Darlegung zur Schadenshaftung des Beklagten aus § 826 BGB oder aus betrügerischem Verhalten gegenüber den Anlegern. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten könnte nur dann bejaht werden, wenn feststehen würde, daß der Beklagte bei seiner Prüfung es wenigstens als möglich angesehen hätte und für diesen Fall gebilligt hätte, daß die Anleger infolge seiner - des Beklagten - Handlungsweise geschädigt werden würden. Hierzu fehlen substantiierte Darlegungen der Klägerin und entsprechende Beweisantritte. Auch liefert der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten des Beklagten.
II.
Ebensowenig kann die Klägerin ihr Klagebegehren auf das notarielle Schuldanerkenntnis stützen, das sie am 10.12.1996 gegenüber der amerikanischen Versicherungsgesellschaft F-Company abgegeben haben will.
Da die Klägerin mit diesem Schuldanerkenntnis nur eine Verpflichtung eingegangen ist und Zahlungen aufgrund dieses Anerkenntnisses unstreitig nicht geleistet hat, ist für einen Zahlungsanspuch gegen den Beklagten von vornherein kein Raum. Der Klägerin könnte insoweit - wie im Senatstermin erörtert - allenfalls ein Freistellungsanspruch zustehen. Auch die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind indes nicht feststellbar.
a)
Zunächst ist schon nicht hinreichend dargetan, daß und aus welchem Rechtsgrund die Klägerin zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses verpflichtet gewesen sein sollte.
Wie sich aus der eidesstattlichen Erklärung des Vizepräsidenten D2 vom 30.12.1996 (Bl. 176 - 178 d.A.) ergibt, hat F eine Entschädigungsleistung in Höhe von 4.925.282,00 US-Dollar an einen namentlich nicht genannten "Kunden" erbracht, der 221.864 Aktien der Klägerin als sog. Advisor für den amerikanischen Investmentfonds H2 Fund erworben, sich wegen der Wertlosigkeit dieser Aktien dem H2 Fund schadensersatzpflichtig gemacht haben will und ersichtlich meint, deswegen seinerseits Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu haben, die er der F-Company abgetreten haben soll. Eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses gegenüber F würde danach eine Schadensersatzpflicht der Klägerin gegenüber dem Advisor voraussetzen, der die Aktien indes nicht von der Klägerin erworben hat, sondern aufgrund des von der Firma L GmbH im Bundesanzeiger vom 30.08.1995 veröffentlichten Tauschangebots. Dieses "im Kundenauftrag" unterbreitete Tauschangebot war indes kein Angebot der Klägerin, sondern ein solches des H, der als Alleingesellschafter der U-GmbH mit deren Umwandlung auch Ersterwerber der Aktien der Klägerin war. Ein Tauschvertrag ist deshalb nicht mit der Klägerin, sondern mit H zustandegekommen, so daß auch Schadensersatzansprüche wegen Wertlosigkeit der Aktien zunächst gegen diesen bestehen. Inwieweit daneben auch Ansprüche gegen die Klägerin in Betracht kommen könnten, ist - wie im Senatstermin im einzelnen erörtert - mangels hinreichenden Sachvortrags der Klägerin zu den tatsächlichen Ablaufen im einzelnen, die sich halbwegs nachvollziehbar allenfalls über die eidesstattliche Erklärung, nicht aber über die teils lückenhaften, teils widersprüchlichen Darstellungen der Klägerin erschließen, die mangels Entsendung eines Parteivertreters zum Senatstermin auch nicht weiter aufklärbar waren, nicht feststellbar und deshalb vom Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint worden.
b)
Darüberhinaus würde ein auf Freistellung gerichteter Anspruch der Klägerin voraussetzen, daß dieser ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehen würde, der gerade auf Befreiung von der durch das notarielle Schuldanerkenntnis eingegangenen Verbindlichkeit gerichtet wäre, was sich ebenfalls nicht feststellen läßt.
Selbst wenn der Beklagte bei der Gründungsprüfung gegen die ihm obliegenden Pflichten aus § 49 AktG in Verbindung mit § 323 Abs. 1 bis 4 HGB verstoßen haben sollte, was keiner Entscheidung bedarf, würde er der Klägerin insoweit nur dafür haften, daß diese infolge fehlerhafter Bewertung von Sacheinlagen oder Sachübernahmen mit unzureichendem Kapital ins Leben getreten ist und deswegen eingegangene Verbindlichkeiten wegen Unterkapitalisierung nicht begleichen kann. Nur in dieser Beziehung soll der Rechtsverkehr vor schuldhaftem Fehlverhalten des Gründungsprüfers und dessen Folgen geschützt werden (BGH NJW 75, 954). Ein derartiger Haftungsfall ist vorliegend nicht gegeben. Ob und inwieweit darüberhinaus ein erstattungsfähiger Schaden der Klägerin angenommen werden könnte, weil sie als Emittentin für die Erstausgabe der Aktien und ihre Wertbeständigkeit (jedenfalls peri) haftet, kann dahinstehen, weil Ersterwerber der Aktien H war und dieser nicht geschädigt worden ist.
Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus unerlaubter Handlung scheitern aus den gleichen Gründen wie unter I. c) dargelegt.
Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Ziff. 10, § 711, 546 Abs. 2 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 21.10.1998
Az: 25 U 95/97
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