Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 25/05
(BPatG: Beschluss v. 14.08.2007, Az.: 23 W (pat) 25/05)
Tenor
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. November 2004 wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 17, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2007, ursprüngliche Beschreibungsseiten 1 und 3 bis 7, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 5 bis 7, Beschreibungsseiten 2 und 2a und Zeichnung, Figuren 1 bis 4, diese Unterlagen eingereicht mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2002.
Bezeichnung: Elektrischer Steckerstift mit elektrisch leitendem Kern in Fließpresstechnik und Verfahren zu seiner Herstellung Anmeldetag: 28. Januar 2002
Gründe
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 28. Januar 2002 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Elektrischer Steckerstift mit elektrisch leitendem Kern in Fließpresstechnik und Verfahren zu seiner Herstellung" durch Beschluss vom 23. November 2004 zurückgewiesen.
Im vorausgegangenen Prüfungsbescheid vom 5. August 2002 sind zum Stand der Technik die Entgegenhaltungen:
- DE 32 02 747 C3 (Entgegenhaltung 1) - DE 43 22 087 C2 (Entgegenhaltung 2) - DE 692 04 315 T2 (Entgegenhaltung 3) und - DE 100 41 516 A1 (Entgegenhaltung 4)
in Betracht gezogen worden, von denen die Entgegenhaltungen 1 und 2 auch schon in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zum Stand der Technik genannt worden sind. Die Entgegenhaltung 4 entspricht einer gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 PatG als Stand der Technik geltenden nachveröffentlichten nationalen Patentanmeldung mit älterem Zeitrang.
In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist zum Stand der Technik zudem die Druckschrift - DE 41 41 726 C1 (Entgegenhaltung 5)
genannt worden.
Mit dem Prüfungsbescheid ist der Anmelderin mitgeteilt worden, dass fraglich sei, ob das Herstellungsmerkmal nach dem kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Patentanspruchs 1, wonach der elektrisch leitende Kern in einem Fließpressverfahren hergestellt ist, einem Anordnungsanspruch gerecht werde.
Auch stelle sich die Frage nach dem Rechtsschutzinteresse für einen solchen Anordnungsanspruch, werde doch mit dem Anspruch 16 das Herstellungsverfahren für den Steckerstift selbst beansprucht und sei doch die mit der Patentanmeldung offenbarte technische Lehre auf ein Herstellungsverfahren gerichtet.
Aus den Entgegenhaltungen 1 und 2 seien dem Fachmann bereits elektrische Steckerstifte mit einem elektrisch leitenden Kern bekannt, der einen Kontaktbereich, einen isolierenden Bereich mit Rändel und einen Anschlussbereich mit Rastvorsprung aufweise. Wie die Entgegenhaltung 3 (S. 5, 3. Abschnitt) zeige, sei dem Fachmann auch bereits bekannt, elektrische Anschlusselemente, wie Verbinder, in einem einstufigen Fließpressverfahren herzustellen. Zudem enthalte die Entgegenhaltung 4 (Abschnitt 0012) die prinzipielle Aussage, dass Steckkontakte bevorzugt durch Fließpressen, also in einem sehr kostengünstigen Verfahren, herstellbar sind. Damit müsse der Fachmann aber zumindest bei Kenntnis der Entgegenhaltungen 2 und 3 nicht erfinderisch tätig sein, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Dem Anspruch 1 bzw. 16 fehle zumindest die Voraussetzung der erfinderischen Tätigkeit.
Dagegen habe von der Prüfungsstelle das dem Fließpressverfahren folgende weitere Herstellungsmerkmal nach den Patentansprüchen 7 bzw. 20, wonach abschließend der umlaufende Rastvorsprung durch Querwalzen hergestellt wird, aus keiner der Entgegenhaltungen nachgewiesen werden können. Daher erschiene ein Anspruch, der die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 16 und 20 vereint, voraussichtlich gewährbar.
Auf den Bescheid hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2002 das Schutzbegehren mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 20 weiterverfolgt.
Die Anmeldung ist daraufhin durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. November 2004 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass der Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der Entgegenhaltung 2 (insbesondere deren Fig. 10) nicht neu sei. Aus dieser sei nämlich ein elektrischer Steckerstift mit sämtlichen Merkmalen nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bekannt. Der Patentanspruch 1 sei aufgrund seines einzigen Merkmals im kennzeichnenden Teil, wonach der elektrisch leitende Kern in einem Fließpressverfahren hergestellt ist, ein "Productbyprocess-Anspruch". Dieses Merkmal diene nur der Definition des Erzeugnisses, sei aber nicht Gegenstand der Lehre (vgl. Schulte, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 125 -127). Vielmehr besage die Tatsache, dass das Herstellungsverfahren neu und erfinderisch ist, nicht automatisch, dass auch das Erzeugnis neu und erfinderisch ist. Denn die bloße Definition eines Erzeugnisses durch ein anderes Herstellungsverfahren mache das Erzeugnis nicht neu. Da das Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 sonach keinen Einfluss auf die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes habe, sei der Patentanspruch 1 wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar.
Im Übrigen zeige die Entgegenhaltung 3, dass das Herstellen eines Anschlusselements in einem einstufigen Fließverfahren dem Fachmann bekannt sei, und die Entgegenhaltung 4 enthalte den Hinweis, dass das Fließpressen als kostengünstiges Verfahren anzusehen ist. Ein Herstellungsverfahren, gerichtet auf den Gegenstand des Anspruchs 1, wäre also zumindest nicht erfinderisch.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17. Dezember 2004 eingelegte Beschwerde der Anmelderin, mit der geänderte Patentansprüche 1 bis 17 vorgelegt worden sind.
In der mündlichen Verhandlung am 14. August 2007 hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 17 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik einschließlich der in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingeführten britischen Patentschrift 937 579 (Entgegenhaltung 6) aus dem europäischen Parallelverfahren patentfähig sei.
Die Anmelderin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 17, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2007, ursprüngliche Beschreibungsseiten 1 und 3 bis 7, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 5 bis 7, Beschreibungsseiten 2 und 2a und Zeichnung, Figuren 1 bis 4, diese Unterlagen eingereicht mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2002.
Die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1, 6, 8 und 14 haben folgenden Wortlaut:
"1. Elektrischer Steckerstift, der in eine Netzsteckdose einführbar ist, und der einen elektrisch leitenden Kern (109) mit einem Kontaktbereich (112) zum elektrischen Kontaktieren der Netzsteckdose und mit einem Anschlussbereich (114) zum Kontaktieren einer elektrischen Komponente (104, 202) aufweist, wobei der Anschlussbereich (114) einen umlaufenden Rastvorsprung (128), über den der Steckerstift (110) mit einer Kontaktfeder (111) der elektrischen Komponente (104, 202) verrastbar ist, aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der elektrisch leitende Kern (109) in einem Fließpressverfahren hergestellt ist und der umlaufende Rastvorsprung (128) durch Querwalzen hergestellt ist.
6. Elektrischer Netzstecker mit einem Steckerstift nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die elektrische Komponente ein Anschlusskabel (202) ist.
8. Steckernetzteil mit einem Steckerstift nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die elektrische Komponente eine Leiterplatte (104) mit einer elektrischen Baugruppe (106) ist.
14. Verfahren zur Herstellung eines Steckerstiftes, der in eine Netzsteckdose einführbar ist und der einen elektrisch leitenden Kern mit einem Kontaktbereich zum elektrischen Kontaktieren der Netzsteckdose und mit einem Anschlussbereich zum Kontaktieren einer elektrischen Komponente aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass es die folgenden Schritte umfasst: Fertigen des Kontaktbereichs und eines damit verbundenen zylindrischen Schafts des elektrisch leitenden Kerns mittels eines Fließpressverfahrens, Querwalzen des elektrisch leitenden Kerns zum Anbringen eines umlaufen den Rastvorsprungs, über den der Steckerstift mit einer Kontaktfeder verrastbar ist, in dem Anschlussbereich."
Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 5, 7, 9 bis 13 und 15 bis 17 sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet; denn die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1, 6, 8 und 14 sind durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen.
1. Soweit von der Prüfungsstelle das Rechtsschutzinteresse für den auf einen Steckerstift gerichteten Patentanspruch 1 in Frage gestellt wird, weil auch das dazugehörige Herstellungsverfahren selbst beansprucht werde, kann dem insofern nicht gefolgt werden, als ein Sachanspruch einen größeren Schutzbereich als ein entsprechender Verfahrensanspruch aufweist, weil der Schutz durch einen Sachanspruch nämlich absolut - d. h. bei einem Productby-Process-Merkmal von dem angegebenen Herstellungsverfahren unabhängig - ist, wohingegen nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG durch einen Verfahrensanspruch nur das mit dem betreffenden Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis geschützt ist (vgl. hierzu Schulte PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 250 bis 253, insbesondere 253).
2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 17 sind zulässig.
Der auf einen elektrischen Steckerstift gerichtete geltende Patentanspruch 1 vereinigt in sich die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 1, 6 und 7.
Die darauf zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 5 stimmen mit den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 5 überein.
Der auf einen elektrischen Netzstecker mit einem Steckerstift nach einem der Ansprüche 1 bis 5 gerichtete geltende nebengeordnete Patentanspruch 6 ist inhaltlich durch den ursprünglichen Patentanspruch 8 gedeckt.
Der darauf zurückbezogene geltende Unteranspruch 7 entspricht inhaltlich dem ursprünglichen Patentanspruch 9.
Der ein Steckernetzteil mit einem Steckerstift nach einem der Ansprüche 1 bis 5 betreffende geltende nebengeordnete Patentanspruch 8 geht inhaltlich auf den ursprünglichen Patentanspruch 10 zurück.
Die darauf zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 9 bis 13 entsprechen inhaltlich den ursprünglichen Patentansprüchen 11 bis 15.
Der auf ein Verfahren zur Herstellung eines Steckerstiftes gerichtete geltende nebengeordnete Patentanspruch 14 vereinigt in sich die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 16 und 20.
Die darauf zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 15 bis 17 entsprechen inhaltlich den ursprünglichen Patentansprüchen 17 bis 19.
3. Nach den Angaben der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung wird im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 von einem elektrischen Steckerstift ausgegangen, wie er aus der Entgegenhaltung 2 bekannt ist (vgl. dort die Figuren 8 bis 12 mit zugehöriger Beschreibung).
Solche als Drehteil hergestellten herkömmlichen Steckerstifte hätten jedoch den Nachteil, dass ihre Fertigung durch einen vergleichsweise zeitaufwändigen Prozess geschehe, bei dem aufgrund der spanabhebenden Herstellung ein Verlust von teurem Rohmaterial auftrete und für das in Normen geforderte Rändeln ein eigener Prozessschritt erforderlich sei (vgl. geltende Beschreibungsseite 2, Absatz 2).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen verbesserten Steckerstift und ein zugehöriges Herstellungsverfahren anzugeben, wodurch die Produktion solcher Steckerstifte und damit auch der sie enthaltenden Netzstecker sowie Steckernetzteile vereinfacht und verbilligt wird (vgl. geltende Beschreibungsseite 2, Zeilen 19 bis 22).
Diese Aufgabe wird hinsichtlich des Steckerstiftes mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1, hinsichtlich des Netzsteckers mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 6, hinsichtlich des Steckernetzteils mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 8 bzw. hinsichtlich des Herstellungsverfahrens mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 14 gelöst (vgl. geltende Beschreibungsseite 2, vorletzter Absatz bis Seite 3, Absatz 1).
Dadurch, dass gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 der elektrisch leitende Kern des Steckerstiftes in einem das Rohmaterial zu 100 % nutzenden Fließpressverfahren hergestellt wird - wobei in dem Fließpressverfahren auch das von der Norm geforderte Rändel herstellbar ist (vgl. geltender Unteranspruch 4) -, entsteht insoweit kein Abfall (vgl. geltende Beschreibungsseite 2, letzter Absatz bis Seite 3, Absatz 1). Ferner weisen die im Fließpressverfahren hergestellten Steckerstifte eine verbesserte Zugfestigkeit auf. Auch ist das Fließpressen schneller als das Drehen und werden die Werkzeuge beim Fließpressverfahren wesentlich weniger stark abgenutzt als beim Drehen.
Da durch die Herstellung des umlaufenden Rastvorsprungs durch Querwalzen ebenfalls jeglicher Abfall vermieden wird, ergänzen sich die beiden Merkmale nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 insoweit und bilden daher eine Merkmalskombination.
4. Der - zweifellos gewerblich anwendbare - elektrische Steckerstift nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von elektrischen Steckerstiften befasster, berufserfahrener Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.
Der im angefochtenen Beschluss unter Berufung auf Schulte, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 125-137 vertretenen Auffassung, das Productbyprocess-Merkmal des Patentanspruchs 1, wonach der elektrisch leitende Kern (109) in einem Fließpressverfahren hergestellt ist, diene nur der Definition des Erzeugnisses, sei aber nicht Gegenstand der Lehre, kann insofern nicht gefolgt werden, als dem betreffenden Kommentar unter dem Stichwort Productbyprocess-Anspruch lediglich entnehmbar ist: "Da das Verfahren nur der Definition des Erzeugnisses dient, ist es selbst nicht Gegenstand der geschützten Lehre. Soll auch das Verfahren geschützt sein, muss darauf ein eigener Verfahrensanspruch gerichtet werden" (vgl. Schulte, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 125 und 159). Das Productbyprocess-Merkmal ist insofern Gegenstand der Lehre des Patentanspruchs 1, als es den elektrisch leitenden Kern des beanspruchten elektrischen Steckerstiftes so kennzeichnet, dass seine innere Beschaffenheit für einen Fachmann eindeutig identifizierbar ist und vom Stand der Technik unterschieden werden kann (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 210). Im Unterschied etwa zum Drehen verändert das Fließpressen nämlich das Materialgefüge, indem es die Korngröße verringert und die Versetzungsdichte erhöht, was beispielsweise im geätzten Schliffbild nachweisbar und anhand der resultierenden Erhöhung der Zugfestigkeit feststellbar ist (vgl. zu Letzterem die geltende Beschreibung, Seite 3, Zeilen 1 bis 3). Da das Fließpressverfahren also eine spezifische Materialveränderung zur Folge hat, ist das diesbezügliche Productbyprocess-Merkmal des Patentanspruchs 1 insoweit bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 161).
a) Die Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt sich daraus, dass keine der eingangs genannten Entgegenhaltungen 1 bis 6 einen elektrischen Steckerstift offenbart, dessen elektrisch leitender Kern in einem Fließpressverfahren und dessen umlaufender Rastvorsprung durch Querwalzen hergestellt ist, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht.
Die vermeintlich neuheitsschädliche Entgegenhaltung 2 - von der im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 ausgegangen wird - lässt nämlich völlig offen, auf welche Weise die dortigen elektrischen Steckerstifte (19, 21) hergestellt sind (vgl. insbesondere die Ansprüche 1 und 4 i. V. m. den Figuren 8 bis 12 mit zugehöriger Beschreibung).
Entsprechendes gilt auch für die Entgegenhaltung 1.
Die Entgegenhaltung 3 betrifft keinen elektrischen Steckerstift, sondern einen H-förmigen Quetschverbinder (10) für zwei Leiter (36, 38), der in einem einstufigen Fließpressverfahren hergestellt werden kann (vgl. Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung, insbesondere Seite 5, Absatz 3).
Die gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Satz 2 PatG nur bei der Neuheitsprüfung in Betracht zu ziehende nachveröffentlichte Entgegenhaltung 4 ist insofern nicht neuheitsschädlich, als sie ebenfalls keinen Steckerstift, sondern eine elektrische Anschlussvorrichtung für hohe Ströme offenbart, die aus einer Aufnahme (7) für einen Leiter (9) und einem damit durch eine Nietverbindung unlösbar verbundenen federnden Steckkontakt (3) mit einer Vielzahl federnder Lamellen (21) besteht (vgl. die Zusammenfassung nebst zugehöriger Zeichnung auf der Titelseite), wobei der Steckkontakt und/oder die Aufnahme, bevorzugt durch Tiefziehen oder Fließpressen - als einem sehr kostengünstigen Verfahren - hergestellt sind, wenn sie topfförmig ausgebildet sind (vgl. Anspruch 9 i. V. m. Spalte 2, Zeilen 33 bis 36 bzw. Spalte 3, Zeilen 16 bis 41).
In der Entgegenhaltung 5 ist angegeben, dass die dortigen elektrischen Steckerstifte metallische Drehteile sind (vgl. Spalte 1, Zeilen 20 bis 21).
Die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der Entgegenhaltung 6 ergibt sich implizit aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.
b) Die Entgegenhaltung 2 vermag dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den übrigen vorveröffentlichten Entgegenhaltungen nahezulegen.
Denn zwar könnte die Herstellung eines elektrischen Steckerstiftes in einem Fließpressverfahren dem Fachmann durch die Entgegenhaltung 6 nahegelegt sein, weil der dortige elektrische Kontaktstift (pin 10) durch Extrudieren - d. h. ein Fließpressverfahren - und nachfolgendes Schneiden hergestellt wird (vgl. die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 2, Zeilen 17 bis 22 und 82 bis 111).
Jedoch ist keiner der Entgegenhaltungen 1 bis 6 ein Hinweis in Richtung des weiteren Merkmals nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 entnehmbar, wonach der umlaufende Rastvorsprung durch Querwalzen hergestellt ist (vgl. vgl. hierzu auch den Prüfungsbescheid vom 5. August 2002, Seite 3, Absatz 4).
Der elektrische Steckerstift nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist demnach patentfähig.
6. Von der Patentfähigkeit des elektrischen Steckerstiftes nach dem geltenden Patentanspruch 1 wird auch die Patentfähigkeit des elektrischen Netzsteckers nach dem geltenden nebengeordneten Patentanspruchs 6 und diejenige des Steckernetzteils nach dem geltenden nebengeordneten Patentanspruch 8 mitgetragen, da diese jeweils mit einem Steckerstift nach einem der Ansprüche 1 bis 5 versehen sind.
7. Das Verfahren nach dem geltenden nebengeordneten Patentanspruch 14 ist patentfähig, weil dieser Anspruch die Merkmale des patentfähigen Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 in Form von Verfahrensmerkmalen wiederholt.
8. An die geltenden unabhängigen Patentansprüche 1, 6, 8 und 14 können sich die darauf zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 5, 7, 9 bis 13 und 15 bis 17 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des elektrischen Steckerstiftes nach dem Patentanspruch 1 (Unteransprüche 2 bis 5), des elektrischen Netzsteckers nach dem Patentanspruch 6 (Unteranspruch 7), des Steckernetzteils nach dem Patentanspruch 8 (Unteransprüche 9 bis 13) bzw. des Herstellungsverfahrens nach dem Patentanspruch 14 (Unteransprüche 15 bis 17) betreffen.
9. In der geltenden Beschreibung ist der Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und die Erfindung anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
10. Bei der dargelegten Sachlage war der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben und das Patent wie beantragt zu erteilen.
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BPatG:
Beschluss v. 14.08.2007
Az: 23 W (pat) 25/05
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