Bundesgerichtshof:
Urteil vom 21. März 2007
Aktenzeichen: I ZR 246/02
(BGH: Urteil v. 21.03.2007, Az.: I ZR 246/02)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. Juli 2002 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig - 2. Kammer für Handelssachen - vom 7. Dezember 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 608 499 "DIESEL", die mit Priorität vom 4. Oktober 1993 Schutz in Deutschland und Polen u.a. für die Waren der Klasse 25 "Vtements, chaussures, chapellerie" genießt. Weiter ist sie Inhaberin der mit Priorität vom 16. Februar 1982 ebenfalls in der Warenklasse 25 u.a. für "Pantalons, chemises" und mit Schutzwirkung für Deutschland eingetragenen IR-Marke Nr. 467 393 "DIESEL". Die Klägerin ist außerdem Inhaberin der polnischen Marke Nr. 73457 "DIESEL" mit Priorität vom 20. Juni 1991, ebenfalls eingetragen für Waren der Klasse 25, u.a. für "Kleidung, Schuhe, Kopfbedeckung".
Die Beklagte vertreibt in Irland unter der Bezeichnung "Diesel" Jeanshosen. Sie stellt diese Kleidungsstücke her, indem sie die einzelnen Teile einschließlich der Kennzeichnungsmittel im Wege des Zollverschlussverfahrens nach Polen bringt, dort zusammennähen lässt und die fertigen Hosen anschließend nach Irland zurückführt. In Irland hat die Klägerin für das Zeichen keinen Schutz.
Am 31. Dezember 2000 hielt das Hauptzollamt Löbau - Zollamt Zittau - eine für die Beklagte bestimmte Warenlieferung von 5.076 Damenhosen, versehen mit der Bezeichnung "Diesel", zurück, die eine ungarische Spedition per Lkw von dem polnischen Fertigungsbetrieb über deutsches Gebiet zur Beklagten nach Irland bringen sollte. Die Hosen sollten in einem durchgehenden Versandverfahren vom polnischen Zollamt Legnica bis zur Bestimmungszollstelle in Dublin befördert werden, wobei sie mit einem vom polnischen Zollamt angelegten Raumverschluss (Zollplombe) am Beförderungsmittel gegen etwaige Entnahme während des Versandverfahrens gesichert waren. Die Beklagte erhob gegen die Anordnung der Beschlagnahme ihrer Waren Widerspruch.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Durchfuhr stelle eine Verletzungshandlung i.S. von § 14 MarkenG dar, weil die Gefahr bestehe, dass die Waren im Durchfuhrland rechtswidrig in Verkehr gelangen könnten.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten die Durchfuhr von Bekleidungsstücken, die mit der Bezeichnung "Diesel" versehen sind, durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verbieten. Ferner hat sie die Beklagte auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Vernichtung der beschlagnahmten Hosen in Anspruch genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die bloße Durchfuhr von Waren sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine markenrechtlich relevante Verletzungshandlung. An solchen Umständen fehle es hier jedoch.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Durch Beschluss vom 2. Juni 2005 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2005, 768 = WRP 2005, 1011 - DIESEL I):
a) Gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber das Recht, die Durchfuhr von Waren mit dem Zeichen zu verbieten€
b) Bejahendenfalls: Kann sich eine besondere Beurteilung daraus ergeben, dass das Zeichen im Bestimmungsland keinen Schutz genießt€
c) Ist - im Falle der Bejahung von Frage a) und unabhängig von der Beantwortung der Frage zu b) - danach zu unterscheiden, ob die für einen Mitgliedstaat bestimmte Ware aus einem Mitgliedstaat, aus einem assoziierten Staat oder aus einem Drittstaat stammt€ Kommt es dabei darauf an, ob die Ware im Ursprungsland rechtmäßig oder unter Verletzung eines dort bestehenden Kennzeichenrechts des Markeninhabers hergestellt worden ist€
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat hierüber durch Urteil vom 9. November 2006 - C-281/05, GRUR 2007, 146 - Montex Holdings/ Diesel wie folgt entschieden:
1. Artikel 5 Absätze 1 und 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke die Durchfuhr von mit der Marke versehenen Waren, die auf dem Weg in einen Mitgliedstaat, in dem die Marke nicht geschützt ist, hier Irland, in das externe Versandverfahren überführt werden, durch einen anderen Mitgliedstaat, in dem diese Marke Schutz genießt, hier die Bundesrepublik Deutschland, nur verbieten kann, wenn diese Waren Gegenstand der Handlung eines Dritten sind, die vorgenommen wird, während für die Waren das externe Versandverfahren gilt, und die notwendig das Inverkehrbringen in diesem Durchfuhrmitgliedstaat bedeutet.
2. Dabei kommt es grundsätzlich weder darauf an, ob die für einen Mitgliedstaat bestimmte Ware aus einem assoziierten Staat oder einem Drittstaat stammt, noch darauf, ob die Ware im Ursprungsland rechtmäßig oder unter Verletzung eines dort bestehenden Kennzeichenrechts des Markeninhabers hergestellt worden ist.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin gemäß § 14 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 6, §§ 18, 19 Abs. 5 MarkenG i.V. mit § 242 BGB sowie gemäß § 683 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Auch die "bloße Durchfuhr" werde regelmäßig von § 14 MarkenG erfasst. Wie bereits der Wortlaut von § 14 Abs. 3 MarkenG ("insbesondere") zeige, sollten die Verletzungshandlungen in dieser Vorschrift nicht abschließend aufgeführt werden. Das Schutzinteresse des Rechtsinhabers erfordere es, auch die reine Durchfuhr als Regelfall einer Verletzung anzuerkennen. Es bestehe die Gefahr, dass die der Durchfuhr unterliegende Ware "rechtswidrig" im Inland verbleibe und dort "rechtswidrig" vertrieben werde. Nicht erforderlich sei, dass dies auf rechtswidrigem Verhalten desjenigen beruhe, der die Durchfuhr vornehme. Auch durch "weisungswidrige" Handlungen des Spediteurs oder eines anderen Auftragnehmers könne es zum Verbleib sowie zum Vertrieb im Inland und damit zur Verletzung der Rechte des Markeninhabers kommen.
§ 14 Abs. 2 und 3 MarkenG greife nur dann nicht ein, wenn die Durchfuhr das Recht des Markeninhabers nicht gefährde. Es seien also nicht besondere Umstände zu fordern, die eine Durchfuhr zur Rechtsverletzung machten, sondern solche (Sicherungs-)Maßnahmen, die eine Gefährdung des Rechts beseitigten. Solche Umstände lägen hier nicht vor. Nicht ausreichend sei jedenfalls die Verplombung der Ware beim Zoll. Das Risiko, dass Güter abgezweigt und im Inland vertrieben würden, werde durch diese Sicherungsmaßnahme nicht ausgeschlossen.
Die von der Klägerin begehrte Durchsetzung ihres Markenrechts führe auch nicht zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Beschränkung des freien Warenverkehrs, weil sie den Schutz des spezifischen Inhalts des Markenrechts bezwecke.
Der geltend gemachte Auskunftsanspruch zur Berechnung der Schadenshöhe ergebe sich aus § 19 Abs. 5 MarkenG i.V. mit § 242 BGB. Der Vernichtungsanspruch folge aus § 18 Abs. 1 MarkenG. Die Verhältnismäßigkeit werde dadurch gewahrt, dass der Beklagten freigestellt sei, nicht die beschlagnahmten Hosen insgesamt zu vernichten, sondern lediglich die Etiketten, Aufdrucke, Knöpfe und Ähnliches mit der Bezeichnung "Diesel". Die Kosten für die Vernichtung habe die Beklagte gemäß § 683 BGB zu tragen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung der Klagemarke gemäß § 14 Abs. 2, Abs. 5 und 6, §§ 18, 19 MarkenG i.V. mit § 242 BGB gegen die Beklagte nicht zu.
1. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Frage, ob in der Warendurchfuhr eine Markenverletzung i.S. von § 14 Abs. 2 und 3 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL zu sehen ist (zum Streitstand vgl. die Nachweise in BGH GRUR 2005, 768 - DIESEL I sowie bei Artmann, WRP 2005, 1377; Leitzen, GRUR 2006, 89; Lober, EWiR 2006, 441; Paul/Leopold, EuZW 2005, 685; Ulmar, WRP 2005, 1371), dahin entschieden, dass die Durchfuhr als solche kein Inverkehrbringen der betreffenden Waren bedeutet und folglich den spezifischen Gegenstand des Markenrechts nicht verletzen kann (EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 19 - Montex Holdings/Diesel). Der Markeninhaber kann danach die Durchfuhr von mit der Marke versehenen Waren nur verbieten, wenn diese Gegenstand der Handlung eines Dritten sind, die vorgenommen wird, während für die Waren das externe Versandverfahren gilt, und die notwendig das Inverkehrbringen der Waren in diesem Durchfuhrmitgliedstaat bedeutet (EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 23 - Montex Holdings/Diesel).
2. Im Streitfall bestehen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Waren in Deutschland in Verkehr gebracht werden sollen. Die Klägerin, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 26 - Montex Holdings/Diesel), hat lediglich vorgetragen, es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Waren unter Entfernung des Zollverschlusses in Deutschland in den Verkehr gebracht werden könnten, beispielsweise durch den Fahrer des beauftragten Speditionsunternehmens. Die bloße Gefahr, dass die Waren eventuell in Deutschland unbefugt in den Verkehr gebracht werden, reicht für die Annahme, dass die Durchfuhr die wesentlichen Funktionen der Marke in Deutschland beeinträchtigt, nicht aus (EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 24 - Montex Holdings/Diesel). Der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte für Handlungen Dritter, die ein Inverkehrbringen im Durchfuhrstaat zur Folge hätten, verantwortlich wäre, braucht daher im Streitfall nicht nachgegangen zu werden.
3. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hängt die Beurteilung, ob die Durchfuhr durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Markenverletzung darstellt, nicht davon ab, ob die Herstellung der Waren in Polen rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 34 - Montex Holdings/Diesel). Für die Beurteilung ist es ferner ohne Bedeutung, dass Polen erst nach Erlass des Berufungsurteils den Europäischen Gemeinschaften beigetreten ist (EuGH GRUR 2007, 146 Tz. 32 - Montex Holdings/ Diesel).
III. Auf die Revision der Beklagten ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und auf ihre Berufung die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Bornkamm RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist Büscherin Urlaub und daher gehindertzu unterschreiben.
Bornkamm Schaffert Bergmann Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 07.12.2001 - 2 HKO 4942/01 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 09.07.2002 - 14 U 411/02 -
BGH:
Urteil v. 21.03.2007
Az: I ZR 246/02
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