ArbG Dortmund:
Urteil vom 23. Januar 2014
Aktenzeichen: 6 Ca 4716/13
(ArbG Dortmund: Urteil v. 23.01.2014, Az.: 6 Ca 4716/13)
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch dann eröffnet, wenn sich eine Partei darauf beruft, der Arbeitsvertrag sei u.a. deshalb unwirksam, weil ein Scheingeschäft vorliegt (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 24.07.2013 2 Ta 81/13). Das gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter gezahlte Arbeitsvergütung nach einer Insolvenzanfechtung als unentgeltliche Leistung zurückfordert.
2. Die Darlegungslast dafür, dass ein Arbeitsvertrag ein Scheingeschäft darstellt, trägt im Falle der Rückforderung gezahlter Arbeitsvergütung der Arbeitgeber. Ebenso hat der Arbeitgeber Tatsachen darzulegen, die darauf schließen lassen, dass in der Person des Arbeitnehmers die subjektiven Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages oder einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vorliegen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 3.629,60 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Arbeitsentgelt, das die beklagte Arbeitnehmerin von der Insolvenzschuldnerin erhalten hat. Der klagende Insolvenzverwalter hat die Insolvenzanfechtung erklärt, da er von einer unentgeltlichen Leistung ausgeht.
Zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin wurde ein Arbeitsvertrag vom 01.03.2010 (Anlage K3, Bl. 17 ff. d. A.) im Bereich Marketing zu einem Bruttomonatsverdienst von 917,- € vereinbart, dessen Wirksamkeit zwischen den Parteien streitig ist. Die Schuldnerin zahlte am 29.03.2010 ein Betrag von 1.451,84 € sowie am 28.04.2010, 26.05.2010 und 01.07.2010 jeweils 725,92 €, mithin insgesamt 3.629,60 € an die Beklagte aus. Die Zahlungen wurden als Vergütung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses deklariert.
Durch Beschluss vom 01.10.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 07.01.2013 (Anlage K4, Bl. 27 f. d. A.) erklärte er die Insolvenzanfechtung der Zahlungen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge auf.
Der Kläger ist der Ansicht, die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte seien unentgeltliche Leistungen gewesen. Er behauptet, tatsächlich habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Es sei sowohl der Schuldnerin als auch der Beklagte bewusst und von beiden von vornherein beabsichtigt gewesen, dass die Beklagte keinerlei Arbeiten für die Schuldnerin erbringt.
Der Kläger trägt vor, Gegenstand des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin sei die Durchführung von Schulungen und Seminaren im Bereich des Devisenhandels sowie die Verwaltung eigenen Vermögens gewesen. Das für den Devisenhandel benötigte Kapital sei von Privatleuten eingeworben worden mit der Folge, dass die Schuldnerin der Aufsicht der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen entging. Den Darlehensgebern seien neben einem vertraglich festen Zins von 10 % pro Jahr ein (oftmals geringfügiges) Beschäftigungsverhältnis zugesagt worden, ohne dass hierfür seitens des Darlehensgebers tatsächlich gearbeitet wurde. Das monatliche Gehalt habe sich dabei an der gewährten Darlehenssumme orientiert. Es habe so genannte "normale" Marketing-Mitarbeiter gegeben, die 4 % der Darlehenssumme ausgezahlt bekamen. In einer Vielzahl von Fällen seien Darlehen i.H.v. 10.000,- € gewährt worden, so dass der monatliche Lohn bei 400,- € gelegen habe. Wenn jedoch die Darlehenssumme mehr als 10.000,- € betragen habe und der Darlehensgeber folglich über der 400,- €-Grenze lag, sei es ihm möglich gewesen, einen Dritten anzugeben, der sodann ein Arbeitsvertrag mit monatlichem Lohn in der entsprechenden Höhe von der Schuldnerin erhielt. Alternativ habe der Darlehensgeber selbst ein entsprechend höheres monatliches Gehalt bekommen. Zudem habe es Marketing-Mitarbeiter (Pastoren, Mitarbeiter in Missionswerken etc.) gegeben, die 9,17 % der gewährten Darlehenssumme ausgezahlt bekommen hätten. Weiterhin sei den Darlehensgebern eine monatliche Provision in Höhe von einem Prozent der Darlehenssumme für die Werbung neuer Darlehensgeber gezahlt worden. Der Kläger nimmt auf die als Anlage K2 (Bl. 10 ff. d. A.) vorgelegte polizeiliche Vernehmung eines Personalsachbearbeiters der Schuldnerin vom 26.10.2010 Bezug. Nach dieser Aussage sei es auch möglich, dass ein Dritter ein Darlehen gegeben habe, welches sodann Grundlage für die streitgegenständlichen Zahlungen an die Beklagte gewesen sei, wenn es an der Hingabe eines Darlehens durch die Beklagte fehlen sollte, wie diese behauptet.
Der Kläger ist der Ansicht, es werde deutlich, dass dieses Geschäftsmodell durch Gewinne aus Devisenhandel nicht zu finanzieren sei. Ausreichende Liquidität habe nur für eine gewisse Zeit durch die Einführung immer weiterer Teilnehmer erzielt werden können. Es habe ein rechtswidriges Schneeballsystem vorgelegen.
Der Kläger behauptet, hinter dem angeblichen Arbeitsverhältnis der Beklagten mit der Schuldnerin habe sich das oben genannte Geschäftsmodell verborgen. Er bestreitet, dass seitens der Beklagten eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wurde. Sollte sie tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht haben, sei sie als Multiplikatorin für die schneeballartige Werbung neuer Geschäftspartner für das Vertriebssystem der Insolvenzschuldnerin tätig gewesen.
Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten behauptete Werbung neuer Darlehensgeber für die Schuldnerin stelle eine strafbare Handlung gemäß § 16 Abs. 2 UWG dar, die zur Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses nach § 134 BGB führe. Jedenfalls stelle das Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin ein nach § 138 BGB sittenwidriges Vertriebssystem dar, was ebenfalls die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses zur Folge habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der U GmbH 3.629,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Zahlungen seien nicht unentgeltlich, sondern als angemessene Gegenleistung für ihre Arbeitsleistung erbracht worden. Sie behauptet, der Arbeitsvertrag sei von den Vertragsparteien so gewollt gewesen. Er sei rechtstatsächlich umgesetzt worden. Insbesondere habe die Beklagte ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen weisungsgemäß erfüllt und die vereinbarte Arbeitsleistung erbracht. Sie habe in der Zeit von März bis Juni 2010 je 20 Stunden in der Woche für die Schuldnerin systematisch in ihrem sozialen und beruflichen Umfeld (Familie, Gemeinde, Freundeskreis, Nachbarn und sonstige) Werbung gemacht und insbesondere versucht, neue Darlehensgeber für Nachrangdarlehen zu werben. Genau diese Tätigkeit sei mit der Schuldnerin im zeitlichen Rahmen des Arbeitsvertrages vereinbart worden. Ihre Einarbeitung habe darin bestanden, dass sie im März 2010 die wöchentlichen Seminarveranstaltungen der Insolvenzschuldnerin in der Hauptgeschäftsstelle wahrgenommen habe. Später habe sie nur noch vereinzelt an diesen Veranstaltungen teilgenommen, wenn Interessenten, mit denen sie im Gespräch stand, dies wünschten. In Gruppen- und Einzelgesprächen habe sie über das Geschäftsmodell der Schuldnerin, insbesondere die Verknüpfung von Devisenhandel und christlich sozialem Engagement informiert. Mit der eigentlichen vertraglichen Gestaltung eventuell gegebener Nachrangdarlehen habe sie nichts zu tun gehabt. Sie habe nur die Kontakte hergestellt. Sie sei von dem Geschäftsmodell der Schuldnerin überzeugt gewesen und habe in ihrer Beschäftigung eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit für alle Beteiligten gesehen. Sie behauptet, es habe objektiv kein Schneeballsystem vorgelegen. Sie sei nicht von einem Schneeballsystem ausgegangen. Jedenfalls würde eine Rückforderung an § 817 S. 2 BGB scheitern.
Die Zahlung der Insolvenzschuldnerin könne schon deshalb nicht aufgrund einer Darlehensgewährung geflossen sein, da die Beklagte der Schuldnerin kein Darlehen gewährt habe. Hierzu hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Ein prozentualer Zusammenhang zwischen Arbeitsvergütung und Darlehenssumme sei schon aufgrund der fehlenden Darlehensgewährung zu bestreiten.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe nicht dargelegt, mit wem bei der Schuldnerin sie ein darlehensabhängiges Scheinarbeitsverhältnis verabredet haben soll. Ein Kontakt zwischen der Beklagten und dem Personalsachbearbeiter der Schuldnerin, dessen polizeiliche Vernehmung der Kläger vorgelegt hat, habe nie bestanden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der geäußerten Rechtsansichten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die abgegebenen Protokollerklärungen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet und war abzuweisen.
I.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.
Die Rechtswegzuständigkeit besteht auch dann nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag stützt, den der Arbeitgeber wegen eines Scheingeschäfts für nichtig nach § 117 BGB hält (LAG Hamm, Beschluss vom 24.07.2013 - 2 Ta 81/13 in EzA-SD 2013, Nr. 20, 16, zitiert nach juris). Das Vorliegen einer Streitigkeit "aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG setzt jedenfalls grds. einen Vertragsschluss, jedoch keine Wirksamkeit des Arbeitsvertrages voraus, sodass eine Streitigkeit "aus dem Arbeitsverhältnis" auch bei Nichtigkeit des abgeschlossenen Arbeitsvertrages vorliegen kann (LAG Hamm, aaO. m. w. N., u. a. unter Bezug auf BAG, Beschluss vom 10.05.2000 - 5 AZB 3/00, juris; Schlewing in Germelmann, § 2 ArbGG Rn. 53).
Auch vorliegend streiten die Parteien um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, wobei sich die Rechtswegzuständigkeit nicht dadurch ändern kann, dass es hier nicht um den Zahlungsanspruch der Arbeitnehmerin, sondern um einen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers geht. Es ist eine weite Auslegung geboten, denn § 3 ArbGG will verhindern, dass über Inhalt und Umfang arbeitsrechtlicher Pflichten verschiedene Gerichtsbarkeiten entscheiden müssen (vgl. LAG Hamm, aaO. m. w. N.).
Einer Vorabentscheidung durch Beschluss über die Rechtswegzuständigkeit bedurfte es nicht, da keine Partei die Rechtswegzuständigkeit in Abrede gestellt hat.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der ihr durch die Insolvenzschuldnerin als Arbeitsentgelt gezahlten 3.629,60 €.
Die Kammer vermag auf Basis des Vorbringens der Parteien nicht zu erkennen, dass es an einem Arbeitsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten als Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen fehlt.
1.
Der Kläger kann nicht aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO die Rückgewähr des Geldes zur Insolvenzmasse verlangen, denn die Leistung des Arbeitsentgelts stellt keine anfechtbare Handlung dar. Sie ist nicht nach §§ 129, 134 Abs. 1 S. 1 InsO anfechtbar, denn sie ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht unentgeltlich erfolgt.
Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn vereinbarungsgemäß der Vermögenswert zu Gunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass diese Person eine ausgleichende Gegenleistung an den Schuldner erbringt (Hamburger Kommentar, § 134 InsO Rn. 13). Die Darlegungslast dafür, dass eine Vereinbarung dahingehend vorliegt, dass die Beklagte das Arbeitsentgelt erhält, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen, trägt der Insolvenzverwalter.
Zum Beleg von Vergütungsansprüchen reicht es regelmäßig aus, wenn ein Arbeitnehmer darlegt, sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten zu haben, um die Arbeitsanweisungen seines Arbeitgebers zu befolgen - die konkret zu leistende Arbeit durch Weisung zu bestimmen ist dann dessen Sache (§ 106 GewO). Im insolvenzrechtlichen Anfechtungszusammenhang können an die sekundäre Darlegungslast von Arbeitnehmern keine höheren Anforderungen gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz, 15.02.2013 - 6 Sa 451/11 - ZInsO 2013, 1263, zitiert nach juris Rn. 56).
Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welche Arbeitsleistung nach dem Arbeitsvertrag vereinbart gewesen sein soll und welche Tätigkeiten sie ausgeübt haben will. Dem ist der Kläger in keiner Weise substantiiert entgegengetreten. Der Kläger hat keinen Vortrag gehalten, der sich mit dem konkreten, von der Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin begründeten Rechtsverhältnis auseinandersetzt.
2.
Aus den gleichen Gründen ist das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin nicht als Scheingeschäft i. S. v. § 117 BGB nichtig.
Die Darlegungs- und Beweislast, dass ein nur dem äußeren Schein nach bestehendes Rechtsverhältnis hervorgerufen werden sollte, liegt bei demjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft (LAG Rheinland-Pfalz, 15.02.2013, aaO., juris Rn. 49 unter Hinweis auf BAG, 09.02.1995 - 2 AZR 389/94 - zu II 4 der Gründe, NZA 1996, 249).
Der Kläger behauptet, das gezahlte Arbeitsentgelt sei aufgrund einer Darlehensgabe gezahlt worden, ohne einen konkreten Darlehensvertrag der Beklagten vorzutragen. Auf den Vortrag der Beklagten, sie habe der Insolvenzschuldnerin kein Darlehen gegeben, hat er sich auf eine mögliche Darlehensgabe durch einen Dritten berufen, ohne einen Bezug zu einem konkreten Darlehensvertrag eines konkreten Dritten herzustellen.
Da der Kläger schon kein Scheingeschäft hinreichend vorgetragen hat, bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Auseinandersetzung mit § 117 Abs. 2 BGB.
3.
Der von der Beklagten behauptete Arbeitsvertrag ist auf Grundlage des Vortrags der Parteien auch nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, § 134 BGB, § 16 Abs. 2 UWG, denn der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass das Verhalten der Beklagten objektiv und subjektiv unter § 16 Abs. 2 UWG fiel.
a.
Schon die Erfüllung des objektiven Tatbestandes ist nicht feststellbar.
Der objektive Tatbestand des § 16 Abs. 2 UWG (vgl. insoweit Ernst in: Ullmann jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 16 UWG, Rn. 20) umfasst die "Absatzförderung" gegenüber Verbrauchern durch das Versprechen, sie würden vom Veranstalter oder von Dritten aufgrund ihrer eigenen weiteren Kundenakquise besondere Vorteile erlangen, sobald ihre Vertragspartner wiederum neue Kunden werben. Die Werbung ist also progressiv, weil dem ersten Abnehmer Vorteile für die Werbung weiterer Kunden versprochen werden. Typische Beispiele strafbarer progressiver Kundenwerbung sind sog. Schneeball- und Pyramidensysteme. In allen Fällen ist ein "Kettenelement" prägend und strafbarkeitsbegründend. Nimmt der beteiligte Verbraucher selbst keine Ware ab, sondern ist lediglich als Vermittler von Geschäften tätig (Laienwerbung, Multi-Level-Marketing), kommt eine Strafbarkeit nach § 16 Abs. 2 UWG nicht in Betracht, weil die dem Tatbestand immanente Vorleistung, die sich durch die Werbung Dritter erst amortisieren soll, fehlt. (Ernst, aaO. unter Hinweis auf LG Offenburg v. 07.08.1997 - 2 O 60/96 - WRP 1998, 85 und Kramer in: HK-UWG, § 16 Rn. 42). Muss er jedoch selbst erst eine Leistung erwerben (z.B. eine kostenpflichtige Schulung), um Werber werden zu dürfen, ist dies anders.
Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes scheitert bereits daran, dass der Kläger schon nicht konkret dargelegt hat, dass die Beklagte eine dem Tatbestand immanente Vorleistung erbracht hat, die sich durch die Werbung Dritter erst amortisieren sollte. Er ist dem Vorbringen der Beklagten, sie habe der Insolvenzschuldnerin selbst kein Darlehen gegeben, nur mit dem pauschalen Hinweis, das Darlehen könne auch von einem Dritten gegeben worden sein, entgegengetreten, ohne einen Dritten und ein Darlehen dem Grund und der Höhe nach in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Die Kammer musste deshalb vom Vortrag der Beklagten, sie sei nur als Vermittlerin tätig gewesen, ausgehen. Die Vermittlertätigkeit erfüllt den objektiven Tatbestand nicht.
b.
Auch zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes hat der Kläger nicht hinreichend vorgetragen.
Die Tat muss vorsätzlich (vgl. insoweit Ernst in: Ullmann jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 16 UWG, Rn. 27), also zumindest mit dolus eventualis begangen werden. Fehlt dem Täter das Unrechtsbewusstsein, ist dies grundsätzlich unerheblich, weil ein Verbotsirrtum nur dann die Schuld entfallen lässt, wenn er unvermeidbar ist (§ 17 StGB). Es ist dem Täter hier stets zuzumuten, Rechtsrat einzuholen. Ausreichende Unrechtseinsicht liegt bereits dann vor, wenn der Täter bei der Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt. Es genügt mithin das Bewusstsein, die Handlung verstoße gegen irgendwelche, wenn auch im Einzelnen nicht klar vorgestellte, gesetzliche Bestimmungen (Ernst, aaO. unter Hinweis auf BGH v. 24.02.2011 - 5 StR 514/09 - GRUR 2011, 941 Tz. 34 - Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung).
Die Beklagte hat vorgetragen, im Rahmen der Einarbeitung habe ihre Arbeitsleistung in der Teilnahme an Seminarveranstaltungen bestanden, welchen sie später Interessenten zugeführt habe. Sie habe in ihrer Beschäftigung eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit für alle Beteiligten gesehen. Es hätte dem Kläger oblegen, sich mit dem konkreten Inhalt dieser Seminarveranstaltungen auseinanderzusetzen und darzulegen, warum die Beklagte auf Grundlage der dort vermittelten Inhalte billigend in Kauf genommen hat, Unrecht zu tun und gegen irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen. Dafür ist die Bezugnahme auf die vorgelegte polizeiliche Vernehmung, unabhängig von der Frage, ob der Inhalt durch die Bezugnahme prozessual ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt wurde, nicht ausreichend. Selbst wenn aus der Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters der Insolvenzschuldnerin folgen sollte, dass es sich bei dem Geschäftsmodell um ein strafbares Schnellballsystem gehandelt hat, kann daraus nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass dieses Insiderwissen für die Beklagte erkennbar war und zu einem vorsätzlichen Handeln geführt hat.
4.
Das Arbeitsverhältnis der Beklagten ist auch nicht aufgrund von § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Ein Arbeitsvertrag ist nach der allgemeinen, schon vom Reichsgericht (RGZ 120, 142, 148) entwickelten Formel sittenwidrig, wenn er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Sittenwidrigkeit (vgl. insoweit Schaub-Linck, 15. A., § 34 Rn. 3) kann nur aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände, die den Vertrag kennzeichnen, der objektiven Verhältnisse, unter denen er zustande gekommen ist, seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale, wie dem verfolgten Zweck und dem zugrunde liegenden Beweggrund, beurteilt werden. In subjektiver Hinsicht genügt es, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, bzw. sich der Kenntnis bewusst verschließt oder entzieht. Ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit oder eine Schädigungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich (BAG, 22.07.2010 - 8 AZR 144/09 - AP Nr. 134 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).
Wie bereits oben zum Vorsatz der Beklagten ausgeführt, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des Klägers, aufgrund welcher konkreten Umstände die Beklagte bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Insolvenzschuldnerin eine etwaige Sittenwidrigkeit des Vertrages hat erkennen können. Es ist nicht erkennbar, welche Erkenntnisquellen der Beklagten bei Unterzeichnung des Vertrages vorlagen und aus welchen Gründen sie von einer Sittenwidrigkeit ihres Arbeitsvertrages hat ausgehen müssen.
5.
Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Rückforderung der der Beklagten von der Insolvenzschuldnerin gezahlten Arbeitsvergütung sind weder dargelegt noch ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die unterlegene Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert war in Höhe des Zahlungsanspruchs im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. 1 ArbGG.
ArbG Dortmund:
Urteil v. 23.01.2014
Az: 6 Ca 4716/13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e0ea6a34af54/ArbG-Dortmund_Urteil_vom_23-Januar-2014_Az_6-Ca-4716-13