Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. September 2010
Aktenzeichen: 12 O 273/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 29.09.2010, Az.: 12 O 273/10)

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 12. Juli 2010 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Ingenieur und betreibt ein Sachverständigenbüro für KFZ-Schäden, Bewertungen und Rekonstruktion. In dieser Funktion wurde er vom Taxibetrieb A. aus B. beauftragt, einen an einem Kraftfahrzeug eingetrete­nen Schaden gutachterlich festzustellen. Das daraufhin von dem Antragstel­ler erstattete Gutachten vom 11.05.2010 (Anlage ASt 1, Bl. 11 - 27 d. A.) enthält auf Blatt 12 u.a. den Hinweis:

"An dieser Stelle wird auf die eindeutige Rechts- und Gesetzeslage in Be­zug auf das Urheberrecht, auf den Datenschutz, auf die Kalkulationsgrund­lage sowie auf die Restwertermittlung hingewiesen."

Nachdem der Antragsgegnerin das Gutachten zur Schadensregulierung vorgelegt wurde, richtete diese im Rahmen der Schadensregulierung an die Rechtsanwaltskanz­lei C. und Partner, die vom Auftraggeber des Gutachtens mandatiert war, ein Schreiben vom 11.06.2010 (Anlage ASt 2, Bl. 28 d. A.), in dem es u.a. heißt:

"Leider beinhaltet das eingereichte Gutachten ein Prüfverbot."

Mit Schreiben vom 16. Juni 2010 übermittelte die Rechtsanwaltskanzlei dieses Schrei­ben an den Antragsteller.

Die daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Juni 2010 verlangte Unterlassungser­klärung gab die Antragsgegnerin nicht ab.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2010 hat die Kammer unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel der Antragsgegnerin auf Antrag des Antragstellers untersagt,

gegenüber Dritten in Bezug auf Gutachten des Antragstellers zu behaup­ten, zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen:

"Leider beinhaltet das eingereichte Gutachten ein Prüfverbot."

wie mit Schreiben vom 11. Juni 2010 an die Sozietät C. geschehen,

und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Der Antragsteller trägt vor:

Die angegriffene Äußerung sei wahrheitswidrig und stelle einen Eingriff in den eingerich­teten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie eine Kreditgefährdung dar. Die beanstandete Äußerung beinhalte eine unwahre Tatsachenbehauptung und ei­nen betriebsbezogenen Eingriff in das Unternehmen des Antragstellers, weil sie den Eindruck erwecke, dieser habe ein untaugliches Gutachten geliefert und würde die sachgerechte Überprüfung dieses Gutachtens boykottieren.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 12. Juli 2010 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichte­ten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor:

Die angegriffene Äußerung beinhalte ein zulässiges Werturteil. Der rechtliche Hin­weis des Antragstellers sei tatsächlich mehrdeutig, verwirrend und missverständlich. Sie sei darauf angewiesen, dass das Gutachten durch weitere externe Sachverstän­dige überprüft werde. Die Äußerung stelle keinen Eingriff in geschützte Rechte des Antragstellers dar, jedenfalls seien sie nicht rechtswidrig und in Wahrnehmung berech­tigter Interessen der Antragsgegnerin aufgestellt worden. Zudem handelt es sich um privilegierte Äußerungen im Rahmen eines Rechtsstreits bzw. im Vorfeld eines solchen Rechtsstreits.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, da sie zu Recht ergangen ist.

Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, 824 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog ein Unterlassungsanspruch zu, so dass der Verfügungsantrag begründet ist.

I.

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, es handele sich um sogenannte privile­gierte Äußerungen, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, verfängt dies nicht. Im Grundsatz gilt zwar, dass ehrkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfol­gung oder Verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorberei­tung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrschutzklagen abgewehrt werden können (BGH NJW 2005, 279ff.). Außerhalb von gerichtlichen Verfahren finden diese - eine einschneidende Einschränkung des Ehrenschutzes darstellenden - Grundsätze je­doch keine Anwendung (BGH aaO. [281]).

In zeitlicher Hinsicht wird der Schutz des Persönlichkeitsrechts ab Einleitung des jeweili­gen Verfahrens eingeschränkt, jedoch können Äußerungen im Vorfeld bzw. zur Vorbereitung eines Prozesses privilegiert sein (Diesbach in: Götting/Scherz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 1. Aufl. 2008, § 34 Rn 19 mwN). Erforderlich ist aber, dass der beabsichtigte Prozess so konkret und unmittelbar bevorsteht, dass die beanstandete Äußerung ohne weiteres seiner Vorbereitung zugeordnet werden kann (BGH NJW 1995, 397 [398]). Dass ein gerichtliches Verfahren zwischen der Antragsgeg­nerin und dem Geschädigten A. bereits anhängig ist oder demnächst anhängig sein wird, wird von der Antragsgegnerin weder behauptet noch ist es ersicht­lich. Anwendbar sind diese Grundsätze zwar auch auf Dritte, also an dem gerichtli­chen Verfahren nicht beteiligte Personen, und zwar jedenfalls dann, wenn das Verhalten des Dritten aus der Sicht des Äußernden für die Darstellung und Bewer­tung des Streitstoffes von Bedeutung sein kann, also ein hinreichender Bezug zum Gegenstand dieses Verfahrens gegeben ist (BGH NJW 2008, 996 [997ff.]). Das Äußerungsprivileg kommt gleichwohl dann nicht in Betracht, wenn ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerung zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist und diese auf der Hand liegend falsch ist oder eine unzulässige Schmähung darstellt (BGH aaO. [997f.] mwN aus Rechtsprechung und Literatur). Vorliegend hat die Antrags­gegnerin in diesem Zusammenhang schon nicht substantiiert dargetan, dass ihre Äußerungen für die Höhe von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten relevant sind.

II.

Durch die Äußerung, sein Gutachten beinhalte leider ein Prüfverbot, wird der Antragstel­ler in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt (§ 823 Abs. 1 BGB) sowie in seiner sogenannten Geschäftsehre ver­letzt (§ 824 BGB).

1.

Als sonstiges Recht geschützt im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist das Recht des Be­triebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Geschützt ist die Fortsetzung der bisher rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit unter Einschluss all dessen, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebes als bestehender Einheit ausmacht (Sprau in: Palandt, 69. Aufl. 2010, § 823 BGB Rn 127 mwN.). Ein betriebsbezogener Eingriff im Sinne einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Be­triebs bzw. einer Bedrohung seiner Grundlage, der sich gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet und nicht bloß gegen vom Betrieb ohne weiteres ablös­bare Rechte oder Rechtsgüter, liegt vor. Die Antragsgegnerin wendet sich nicht nur gegen die Qualität einer bestimmten Leistung des Antragstellers, sondern hat herabset­zende und geschäftsschädigende Äußerungen in Bezug auf seine generelle Arbeitsweise gemacht, die einem mittelbaren Boykott gleichkommen.

Soweit es um unwahre Tatsachenbehaupten geht, tritt der Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB hinter den durch § 824 BGB zurück (Sprau aaO., Rn 126 mwN.). Diese Rege­lung schützt die sogenannte Geschäftsehre, also die wirtschaftliche Wertschätzung von Personen und Unternehmen, vor Beeinträchtigungen, die durch Verbreitung unwah­rer Tatsachenbehauptungen über sie herbeigeführt werden können (Sprau aaO., § 824 BGB Rn 1). Geschützt sind nur die wirtschaftlichen Interessen. Die beanstan­dete Äußerung muss geeignet sein, die wirtschaftliche Wertschätzung des Betroffenen unmittelbar zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das ist sie dann, wenn sie geeignet ist, die wirtschaftliche Tätigkeit des Betroffenen zu gefährden (Sprau aaO., Rn 8). Auch muss sie sich nach ihrer Stoßrichtung unmittelbar mit dem Verletzten in seinem wirtschaftlichen Betätigungsfeld, also der von ihm ausgeübten Tätigkeit befassen (Sprau aaO.). Dies ist hier der Fall.

2.

Bei der verfahrensgegenständlichen Äußerung handelt es sich weder um - nachweis­lich - wahre Tatsachenbehauptungen, noch um - zulässige - Werturteile und/oder Meinungsäußerungen. Entscheidend für die Abgrenzung der Tatsachenbehaup­tung von der Meinungsäußerung ist, ob die konkrete Aussage greif­bare, dem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand hat. Dabei wird unter einer Tatsache ein Umstand verstanden, der dem Wahrheitsbeweis bzw. einer Überprü­fung darauf, ob wahre Vorgänge geschildert werden oder nicht, zugänglich ist. Demgegenüber ist eine Aussage als Meinungsäußerung einzuordnen, wenn bei der Aussage die einer Überprüfung auf ihre objektive Richtigkeit hin entzogene subjek­tive Wertung eines Sachverhalts im Vordergrund steht. Anders ausgedrückt, Tatsachen sind durch eine objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert, Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage (BVerfG NJW 2008, 358 [359]).

Dabei ist zu beachten, dass sowohl Tatsachenbehauptungen wertende als auch Wertur­teile tatsächliche Elemente enthalten können. Wesentlich ist dann, welches dieser Elemente überwiegt und für den Gesamtcharakter der konkreten Aussage bestim­mend ist. Eine Meinungsäußerung liegt bei einem Mischtatbestand dann vor, wenn der Tatsachengehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass sie einen der beweis­mäßigen Überprüfung unzugänglichen Tatsachengehalt enthält, eine Tatsachenbe­hauptung, wenn die Äußerung überwiegend durch den Bericht über die tatsächlichen Vorgänge geprägt ist und bei den Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln eines Beweises zugänglich sind (BGH NJW 2006, 830 [836]).

Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung eines allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenom­menen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrach­tung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, stets sind auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (BGH NJW 2005, 279 [282]; LG Düsseldorf, AfP 2005, 566).

Zu beachten ist weiter, dass die rechtliche Bewertung von Vorgängen grundsätzlich eine Meinungsäußerung darstellt. Auch dies schließt aber eine Beurteilung der Äuße­rung als Tatsachenbehauptung wegen des Gesamtzusammenhangs nicht aus. Ent­hält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, so deutet dies zwar darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist. Als Tatsachenmitteilung ist sie aber dann zu qualifizieren, wenn sie beim Adressaten die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Entschei­dend ist der Kontext, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BGH aaO.).

Dies vorangestellt geht die Kammer von Folgendem aus:

a)

Die Äußerung stellt eine Tatsachenbehauptung dar, da sie beim Adressaten im Kon­text die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervor­ruft; dieser Tatsachenkern prägt die Äußerung. Durch die verfahrensgegenständliche Äußerung wird ein tatsächlicher Inhalt des Gutachtens behauptet, nicht dessen vermeintli­cher Inhalt einer Wertung unterzogen. Der Durchschnittsadressat entnimmt der Äußerung, dass der Sachverständige in dem Gutachten ein Verbot ausgespro­chen hat, dieses zu prüfen. Dies ist ein hinreichend konkreter Vorgang, dessen Richtig­keit unschwer durch Lesen des Gutachtens überprüft werden kann; auch unter Berücksichtigung des Ausdrucks "Prüfverbot" bedarf es keiner rechtlichen Würdi­gung, da es sich einerseits um keinen fest umrissenen Fachterminus handelt und der Ausdruck andererseits als schlichte Behauptung ohne juristische Grundlage wahrgenom­men wird. Soweit die Antragsgegnerin gleichwohl der Auffassung ist, es bedürfe in diesem Zusammenhang einer rechtlichen Würdigung, weshalb es sich um eine Meinungsäußerung handele, bezieht sie dies auf die nach ihrer Auffassung zur Überprüfung erforderlichen Nutzungsrechte, und zwar vor dem Hintergrund des Hinwei­ses des Antragstellers auf das Urheberrecht. Einen solchen Inhalt entnimmt der Durchschnittsadressat der Äußerung indes nicht, da der Kontext, der kaum über den verfahrensgegenständlichen Äußerungsteil hinausgeht, nichts enthält, das ihn zu einem derartigen Verständnis hinführt.

Durch die Äußerung wird der Antragsteller in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, § 823 Abs. 1 BGB. Zudem stellt die Äußerung eine Kreditgefährdung gemäß § 824 Abs. 1 BGB dar.

Der Eingriff ist auch widerrechtlich. Dies folgt zwar nicht schon aus der Tatbestandsmä­ßigkeit der Äußerung. Denn da es sich um einen sogenannten offe­nen Tatbestand handelt, reicht der Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeüb­ten Gewerbebetrieb zur Feststellung der Rechtswidrigkeit für sich genom­men nicht aus; vielmehr ist die Feststellung, ob der Eingriff befugt war oder nicht un­ter sorgfältiger Abwägung der Umstände des Einzelfalles zu treffen und dabei insbeson­dere die jeweils betroffenen Grundrechte unter Berücksichtigung des Grundsat­zes der Verhältnismäßigkeit in die Abwägung einzubeziehen (BVerfG NJW 2006, 207 [208]; BGH NJW 1998, 2141 [2143]; 2006, 830 [840]; 2008, 2110 [2112f.]).

Unter Berücksichtigung der Grundrechte der Antragsgegnerin und ihres generellen Stellenwertes einerseits und der Intensität der konkreten Beeinträchtigung anderer­seits hat der Antragsteller die Äußerungen nicht hinzunehmen. Die Kammer hat sich bei der vorzunehmenden Abwägung im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Die Äußerung ist unwahr, so dass sie schon aus diesem Grund vom Antragsteller nicht hingenommen werden muss und die Antragsgegnerin sich weder auf ihr Grund­recht aus Artikel 5 Abs. 1 GG noch auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Hinzu kommt, dass die hinter dem Verständnis der Antragsgegnerin stehende Einschätzung zumindest aus urheberrechtlicher Hinsicht nicht haltbar ist und dass durch die Äußerung der - unzutreffende - Eindruck erweckt wird, der Antrag­steller verweigere der Antragsgegnerin willkürlich eine Schadensfeststellung im Interesse des Unfallgeschädigten, weshalb die von ihm erbrachte Leistung unbrauch­bar sei.

Soweit die Antragsgegnerin das Prüfverbot auf die urheberrechtlichen Nutzungs­rechte bezieht, ist dies für die Beurteilung unmaßgeblich; im übrigen wäre der Argumenta­tion auch bei unterstellter Relevanz nicht zu folgen. Denn der Antragsteller ist unstreitig Urheber der von dem beschädigten Fahrzeug bzw. der festgestellten Schäden angefertigten Lichtbilder und somit Inhaber sämtlicher Rechte an diesen Bildern nach §§ 7, 11 ff., 15 ff., 72, 97 UrhG. Dass mit der Erstellung und Übergabe des Gutachtens an den Auftraggeber urheberrechtliche Nutzungsrechte übertragen oder eingeräumt worden sind, behauptet die Antragsgegnerin nicht. Derartiges ist auch nicht aufgrund sonstiger aus der Akte ersichtlicher Umstände ersichtlich. Es kann daher angenommen werden, dass der Antragsteller Inhaber des ausschließli­chen Nutzungsrechts unter Ausschluss aller anderen Personen einschließlich der Antragsgegnerin ist. Warum der Antragsteller gleichwohl unter Verzicht auf seine gesetzlich geregelten urheberrechtlichen Ansprüche gehalten sein sollte, der Antragsgeg­nerin zu gestatten, ohne seine Zustimmung und/oder Zahlung eines entspre­chenden Honorars die von ihm gefertigten Fotografien für ausschließlich de­ren eigene Zwecke zu verwenden, nämlich das Einstellen in eine Inter­net-Restwertbörse, erschließt sich nicht.

Die Antragsgegnerin hat auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen An­spruch auf Einräumung von Nutzungsrechten. Einen solchen Anspruch hätte noch nicht einmal der Auftraggeber (so auch überzeugend das Hanseatische OLG in sei­nem Urteil vom 02.04.2008, Az. 5 O 242/07). Auch unter dem Aspekt der Einbezie­hung des Haftpflichtversicherers in den Schutzbereich des Werkvertrages zwischen dem Geschädigten und dem von ihm beauftragten Gutachter ergibt sich daher nichts anderes. Die Rechte der Antragsgegnerin können nicht weiter reichen als diejenigen des Auftraggebers. Tatsächlich ergibt sich mithin eine Beschränkung der Nutzung des Gutachtens und/oder der Lichtbilder aus dem Urheberrechtsgesetz. Das Begeh­ren der Antragsgegnerin liefe auf die Einräumung einer in diesem Zusammen­hang nicht vorgesehenen Zwangslizenz hinaus.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, der Hinweis des Antragstel­lers sei mehrdeutig und es lasse sich sehr wohl die rechtliche Wertung entneh­men, dass die Weitergabe des Gutachtens an Dritte untersagt werde. Die Antrags­gegnerin bringt gerade durch ihre Äußerung nicht zum Ausdruck, dass sie eine entsprechende Wertung vorgenommen hat. Vielmehr stellt sie eine unrichtige Tatsachenbehauptung auf.

Die Abwägung ergibt daher, dass die Äußerung nicht den Schutz des Artikels 5 Abs. 1 GG genießt.

b)

Ginge man statt dessen von einer Meinungsäußerung aus, so gilt, dass auch durch diese - wertende - Äußerung der Antragsteller in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt wird und eine Kreditgefährdung gemäß § 824 Abs. 1 BGB erfährt.

Auch wäre dieser Eingriff widerrechtlich.

Unter Berücksichtigung der Grundrechte der Antragsgegnerin und ihres generellen Stellenwertes einerseits und der Intensität der konkreten Beeinträchtigung anderer­seits hat der Antragssteller diese Äußerung nicht hinzunehmen. Denn die Meinungsäuße­rungsfreiheit ist trotz Artikel 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährleis­tet. Bei Werturteilen und Meinungsäußerungen darf die - im Grundsatz zulässige - abwertende Kritik sich nicht als Schmähkritik oder reine Formalbeleidi­gung darstellen. In diesem Fall genießt sie keinen Grundrechtsschutz. Solange die Kritik sachbezogen ist, darf sie allerdings scharf, schonungslos und auch auffällig sein. Eine Schmähkritik liegt hier zwar nicht vor. Es handelt sich vielmehr um eine Art Boykottaufruf zum Nachteil des Antragstellers, ohne dass - soweit ersichtlich - eine kritische Auseinandersetzung mit dessen Standpunkt stattgefunden hätte.

Bei der Abwägung kommt es neben dem fehlenden Wahrheitsgehalt der enthaltenen tatsächlichen Elemente entscheidend darauf an, dass sich das Verbot der Nutzung des Gutachtens und/oder der Lichtbilder aus dem Urheberrechtsgesetz ergibt, und nicht aus einer Untersagung der Prüfung des Gutachtens durch den Antragsteller, weshalb die Äußerung insgesamt unwahr ist und dem Geschädigten gerade kein objekti­ves Bild von dem Vorgehen des Antragstellers vermittelt, sondern ein solches, welches tatsächlich unzutreffend und herabsetzend ist.

Die gegenüber dem Geschädigten aufgestellten Behauptungen kommen einem mittelba­ren Boykottaufruf gleich und stellen sich als Herabsetzung der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers gegenüber seinem Auftraggeber, und wegen des mögli­chen Multiplikatoreffektes - gegenüber potentiellen künftigen Auftraggebern dar. Dass ein Geschädigter mit der Schadensfeststellung keinen Gutachter beauftragen wird, dessen Gutachten von der Versicherung des Unfallgegners nicht akzeptiert wird, liegt auf der Hand. Der Geschädigte weiß, dass er in diesem Fall nicht nur keine zügige Schadensregulierung erfahren wird, sondern auch die durch die Beauftragung veranlassten Kosten nicht erstattet erhält.

Die Abwägung ergibt daher, dass auch diese Äußerung nicht den Schutz des Artikels 5 Abs. 1 GG genießt.

3.

Von einem Verschulden der Antragsgegnerin ist auszugehen, da sie jedenfalls fahrläs­sig gehandelt hat (§ 276 BGB).

4.

Die Dringlichkeit bzw. das Eilbedürfnis ergibt sich aus den zeitlichen Abläufen. Der Antragsteller erlangte durch die Mitteilung der Rechtsanwaltskanzlei des Unfallgeschä­digten am 16. Juni 2010 Kenntnis vom Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2010 und forderte mit Schreiben vom 29. Juni 2010 die Antragsgegne­rin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Antrag vom 09. Juli 2010 ist am 12. Juli 2010 beim Landgericht eingegangen.

5.

Aufgrund des erfolgten Eingriffs wird die Wiederholungsgefahr für gleichartige Verlet­zungshandlungen auch außerhalb des Wettbewerbsrechts vermutet (BGH WM 1994, 641). Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht beseitigt. Die Antragsgegnerin

hat eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 29.09.2010
Az: 12 O 273/10


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