Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. Dezember 2000
Aktenzeichen: 3 Ni 34/99

(BPatG: Urteil v. 14.12.2000, Az.: 3 Ni 34/99)

Tenor

Das europäische Patent 0 148 605 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

"1. DNA-Sequenz, die dafür verwendet wird, Expression in einer prokaryontischen oder eukaryontischen Wirtszelle eines Polypeptidprodukts zu erreichen, das zumindest teilweise die Primärstrukturkonformation von Erythropoietin aufweist, um den Besitz der biologischen Eigenschaft zu ermöglichen, Knochenmarkszellen zu veranlassen, die Produktion von Retikulozyten und roten Blutkörperchen zu steigern und Hämoglobinsynthese oder Eisenaufnahme zu steigern, wobei besagte DNA-Sequenz aus der Gruppe ausgewählt ist, die aus

(a) den in den Tabellen V und VI dargelegten DNA-Sequenzen oder deren Komplementärsträngen;

(b) DNA-Sequenzen, die unter stringenten Bedingungen zu den proteincodierenden Bereichen der in (a) definierten DNA-Sequenzen oder Fragmenten derselben hybridisieren; und

(c) DNA-Sequenzen, die ohne die Entartung des genetischen Codes zu den in (a) und (b) definierten DNA-Sequenzen hybridisieren würden;

besteht, ausgenommen cDNA-Sequenz, die für Human-Erythropoietin codiert."

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. Dezember 1984 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 148 605 (Streitpatent), für das die Prioritäten der amerikanischen Patentanmeldungen 561 024, 582 185, 655 841 und 675 298 vom 13. Dezember 1983 bzw vom 21. Februar, 28. September sowie vom 30. November 1984 in Anspruch genommen worden sind.

Das Streitpatent betrifft die Herstellung von Erythropoietin und umfaßt nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.4 des Europäischen Patentamts vom 26. März 1998 31 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in deutscher Sprache:

"1. DNA-Sequenz, die dafür verwendet wird, Expression in einer prokaryontischen oder eukaryontischen Wirtszelle eines Polypeptidprodukts zu erreichen, das zumindest teilweise die Primärstrukturkonformation von Erythropoietin aufweist, um den Besitz der biologischen Eigenschaft zu ermöglichen, Knochenmarkszellen zu veranlassen, die Produktion von Retikulozyten und roten Blutkörperchen zu steigern und Hämoglobinsynthese oder Eisenaufnahme zu steigern, wobei besagte DNA-Sequenz aus der Gruppe ausgewählt ist, die aus

(a) den in den Tabellen V und VI dargelegten DNA-Sequenzen oder deren Komplementärsträngen;

(b) DNA-Sequenzen, die unter stringenten Bedingungen zu den proteincodierenden Bereichen der in (a) definierten DNA-Sequenzen oder Fragmenten derselben hybridisieren; und

(c) DNA-Sequenzen, die ohne die Entartung des genetischen Codes zu den in (a) und (b) definierten DNA-Sequenzen hybridisieren würden;

besteht."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 31 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil die Gegenstände der Patentansprüche 26 und 31 nicht mehr neu seien. Außerdem seien die Gegenstände der Patentansprüche 1, 19 und 27 nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie nacharbeiten könne. Zur Begründung stützt sie sich auf die Druckschriften bzw Unterlagen K 4 Miyake et al, Purification of Human Erythropoietin, J. Biol. Chem., Vol 252, 1977, S 5558-5564, K 5 Lin et al, Cloning and expression of the human erythropoietin gene, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol 82, 1985, S 7580-7584, K 6 Multiple alignment projet EPO-5005, 11-Nov-92, K 7 Gutachten von Prof. Dr. W. Schaffner, K 8 Lee-Huang et al, The 3'flanking region of the human erythropoietinencoding gene contains nitrogenregulatory/oxygensensing consensus sequences and tissuespecific transcriptional regulatory elements, Gene 137, 1993, S 203-210, K 9 Gutachterliche Stellungnahme zur Nacharbeitbarkeit von EP 148 605 der Fa. BIOPHARM GmbH, K 10 Schriftsatz der Firma Kirin-Amgen Inc. vom 11. Februar 1994, S 14, K 11 Stellungnahme von Prof. Dr. W. Schaffner zum Gutachten von Dr. Robert W. Old, K 12 Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. H. G. Gassen, K 13 Gutachten von Prof. Dr. L. Flohe, K 14 Erklärung von Dr. G. Schumacher, Boehringer-Mannheim, K 15 Gutachten von Dr. R. Rüger, K 15a Declaration von Dr. C. F. Morris, K 15b Declaration von Dr. J. K. Browne, K 16 Declaration von P. Stanley, K 17 Schreiben von Prof. Dr. B. Rak, K 18 Gassen, Möglichkeiten der chemischen Gen-Analyse Stand 1983, K 19 Gutachten von Prof. Dr. Rudolph, K 20 Erklärung von Dr. A. G. Haselbeck, K 21 Erweitertes Rechtsgutachten von Prof. Dr. J. Straus und Dr. R. Moufang, K 22 Jacobs et al, Isolation and characterization of genomic and cDNA clones of human erythropoietin, Nature Vol 313, 1985, S 806 - 810, K 23 Gutachten von Prof. Dr. Dr. Hobom, K 24 Urteil des OLG Düsseldorf vom 17. 2. 2000, K 25 Egrie et al, Characterization and Biological Effects of Recombinant Human Erythropoietin, Immunobiol., Vol 172, 1986, S 213 - 224, K 25a Ortho Pharmaceutical Corporation, Clinical Brochure: Information for clinical investigators, May 1987, und K 27 Laborjournal Dr. Lin.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, daß sie in dieser Instanz den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nicht mehr geltend mache.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 148 605 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält die Klage unter Berufung auf folgende Unterlagen für unbegründet:

B 7 Itakura et al, Expression in Escherichia coli of a chemically synthesized gene for the hormone somtostatin, Science 198, 1977, S 1056-1063, B 9 Gutachten von Prof. Dr. C. Weissmann, B 10 Gutachten von Prof. S. K. Murray mit deutscher Übersetzung B 10 a, B 11 Versuchsberichte von Dr. Grundmann, B 12 Erklärung von Prof. Dr. S. H. Orkin mit deutscher Übersetzung B 12 a, B 13 Erklärung von Dr. A. J. Sytkowski mit deutscher Übersetzung B 13 a, B 14 Wojchowski et al, Active human erythropoietin expressed in insect cells using a baculovirus vector: a role for N-linked oligosaccharide, Biochim. Biophys. Acta 910, 1987, S 224-232, mit deutscher Übersetzung B 14 a, B 15 Maniatis, Appendix B: pBR 322, in: Molecular Cloning: a laboratory manual, Cold Spring Harbor Lab. 1982, p 5, S 479-503, B 16 Rigby, Expression of cloned genes in eucaryotic cells using vector systems derived from viral replicons, in: Genetic Engineering (R. Williamson ed.), Vol 3, p 83-140, Acad. Press, London 1982, B 17 Gutachten von Prof. J. P. Kamerling, B 18 Browne et al, Erythropoietin: Gene cloning, protein structure and biological properties, Cold Spring Harbor Symp. on Quant. Biol., Vol LI, S 693-702, 1986, B 19 Gutachten von Prof. Chasin mit deutscher Übersetzung B 19 a, B 20 WO 83/04053 A, B 21 Expert Declaration von Dr. M. J. Gait mit Annex 1 - 4 mit deutscher Übesetzung B 21 a, B 22a deutsche Übersetzung der Erklärung von Dr. C. F. Morris gem Anl K 15 a, B 22b deutsche Übersetzung der Erklärung von Dr. J. K. Browne gem Anl K 15 b, B 23 Declaration von Prof. Dr. R. D. Cummings mit deutscher Übersetzung B 23 a, B 24 Declaration von Dr. Fritsch in dem Interference-Verfahren No 102,334 vor dem US-PTO, S 42-43, B 25 Declaration von Dr. D. A. Cummings in dem Interference-Verfahren No. 102,334 vor dem US-PTO mit deutscher Übersetzung B 25 a, B 26 Gutachten von Prof. Dr. J. P. Kamerling, B 27 Stellungnahme von Prof. Dr. J. P. Kamerling, B 28 Deposition von Dr. R. K. Yu in dem Interference-Verfahren No 102,334 vor dem US-PTO, B 29 Yanagi et al: Recombinant Human Erythropoietin Produced by Namalwa Cells, DNA, Vol 8, 1989, S 419 - 427, B 30 Rechtsprechung zur Hinterlegung von Mikroorganismen, B 31 EP 0 267 678 A1, B 32 EP 0 255 231 A1, B 32a Declaration von Prof. J. S. Powell, B 33 Expert Declaration von Prof. Dr. R. Wall, B 33a Teilübersetzung der Erklärung von Prof. Dr. R. Wall, B 34 Urteil des Kanadischen Bundesgerichts vom 15.2.1999, B 34a englische Fassung des Urteils des Kanadischen Bundesgerichts vom 15.2.1999.

In der mündlichen Verhandlung regte die Beklagte hilfsweise an, Patentanspruch 1 folgenden Disclaimer hinzuzufügen: "... wobei eine DNA-Sequenz ausgenommen ist, welche das vollständige Transkript einer humanen Boten-RNA (mRNA) vollständiger Länge ist."

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.

Der nunmehr nur noch geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Offenbarung unter dem Gesichtspunkt der Nacharbeitbarkeit führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang (Art II § 6 Abs 1 Nr 2 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit b EPÜ). Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, daß sie den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit in dieser Instanz nicht mehr geltend machen wolle, brauchte hierüber nicht entschieden zu werden.

I.

1) Das Streitpatent betrifft die Manipulation genetischer Materialien, insbesondere rekombinante Verfahren, die die Herstellung von Polypeptiden ermöglichen, die einen Teil oder die Gesamtheit der Primärstrukturkonformation von Erythropoietin aufweisen. Methoden und Vorgehensweise für die Isolation, Synthese, Reinigung und Amplifikation genetischer Materialien sind umfangreich beschrieben worden. Die Herstellung von DNA-Sequenzen ist häufig die Methode der Wahl, wenn die vollständige Sequenz der Aminosäurereste des gewünschten Polypeptidprodukts bekannt ist. Ein hierfür besonders geeignetes Verfahren beschreibt die US-Patentanmeldung 483451 (StrP S 3, Z 17 ff).

Ist die vollständige Aminosäure-Sequenz nicht bekannt, muß die für das gewünschte Polypeptid codierende Sequenz durch ein cDNA-Verfahren isoliert werden, wobei auf plasmidgetragene cDNA-Bibliotheken zurückgegriffen wird. Hierzu verweist die Streitpatentschrift auf die Angaben zum Stand der Technik im amerikanischen Patent 4 394 443 (StrP S 3, Z 38 ff). Desweiteren wird auf bedeutsame neue Fortschritte bei Hybridisierungsverfahren für das "screening" von rekombinaten Klonen hingewiesen (StrP S 3 Z 49 ff), bei denen markierte gemischte synthetische Nukleotid-Sonden verwendet werden. Jede Sonde stellt die vollständige Ergänzung einer spezifischen DNA-Sequenz in der Hybridisierungsprobe dar. Solche Mischprobenverfahren sind weiter entwickelt worden, wobei ein 32teiliger gemischter Pool von 16 Basen langen Oligonukleotid-Sonden von gleichmäßig vari ierenden DNA-Sequenzen zusammen mit einem einzigen 11meren verwendet wurde. Dabei zeigte sich an zwei Stellen cDNA (StrP S 4, Z 5).

Wegen der Komplexität der genomischen DNA wird die DNA-Isolation relativ wenig angewendet. Trotz der bekannten Verfahren zum Entwickeln phagengetragener Bibliotheken genomischer DNA (StrP S 4, Z 10 - 33) sind nur wenige Versuche zur Verwendung von Hybridisierungsverfahren zum Isolieren genomischer DNA erfolgreich gewesen, wenn die Aminosäuren- oder DNA-Sequenzen nicht bekannt waren. Die Autoren dieser Versuche kommen zu dem Schluß, daß gemischten Sonden wegen ihrer kurzen Länge und Heterogenität die Spezifität fehlt, die für das Sondieren von komplexen Sequenzen notwendig ist. Sind die entsprechenden mRNAs nicht verfügbar, kommt ein solches Verfahren nach ihrer Ansicht für die Isolierung von Säugetierproteingenen nicht in Betracht.

Erythropoietin ist ein Hormon, das den Sauerstoffgehalt im Gewebe über die Zahl der roten Blutkörperchen reguliert (StrP S 4, Z 42 bis S 5, Z 17) und zur Diagnose und Behandlung von Bluterkrankungen eingesetzt wird, die auf eine zu niedrige oder mangelhafte Produktion roter Blutkörperchen zurückzuführen sind. Obwohl für eine Erythropoietin-Behandlung ein großer Bedarf besteht, ist es bislang nicht gelungen, dieses Hormon aus Plasma oder Urin in guter Ausbeute und in ausreichender Reinheit und Stabilität zu gewinnen (StrP S 5, Z 30 bis S 6, Z 7). Eines dieser Verfahren betrifft die Gewinnung eines polyklonalen Antikörpers, der gegen Erythropoietin gerichtet ist, durch Injizierung von humanem Erythopoietin in ein Säugetier. Nachteilig ist, daß der dabei aus Serum gewonnene polyklonale Antikörper nicht nur mit Erythropoietin, sondern auch mit anderen Komponenten eine Verbindung eingeht.

Interessant sind daher Verfahren (StrP S 6, Z 8 ff), bei denen die Zellkulturen nur eine einzige Antikörperspezies produzieren, die spezifisch mit einer einzigen Antigendeterminante eines ausgewählten Antigens immunologisch reaktiv ist, sowie Berichte über die immunologische Aktivität synthetischer Peptide, die im wesentlichen die Aminosäuresequenzen duplizieren, die in natürlich auftretenden Proteinen vorkommen. Unter den Immunreaktionen solcher Peptide fand sich der Anreiz für die Bildung von spezifischen Antikörpern in immunologisch aktiven Tieren (StrP S 6, Z 19 ff). Allerdings betreffen diese Untersuchungen Aminosäuresequenzen von anderen Proteinen als Erythropoietin, denn hierüber liegen bislang keine ausreichenden Informationen hinsichtlich der Aminosäuresequenz vor.

In der amerikanischen Patentanmeldung 463 724 vom 4. Februar 1983, die als europäische Patentanmeldung 0 116 446 am 22. August 1984 veröffentlicht wurde, wird eine Maus-Maus-Hybridom-Zellinie beschrieben, die einen hochspezifischen monoklonalen Anti-Erythropoietin-Antikörper produziert, der auch mit einem Polypeptid spezifisch immunreaktiv ist. Die Polypeptid-Sequenz wird den ersten zwanzig Aminosäureresten von reifem Erythropoietin zugeschrieben und ist nach dem Verfahren von Miyake isoliert worden (StrP S 6, Z 33 - 48). Dennoch erscheint es nach den Angaben der Streitpatentschrift unwahrscheinlich, daß polyklonale und monoklonale Antikörper die für die weitere Analyse und affinitätschromatographische Bereitstellung für therapeutische Zwecke notwendige große Menge an Erythropoietin aus Säugetierzellen zur Verfügung stellen können, so daß hierfür nur rekombinate Verfahren in Frage kommen. Daß die Verfahren zur Isolierung von DNA-Sequenzen, die für Erythropoietin des Menschen und anderer Säugetierarten codieren, bislang keinen Erfolg hatten, liegt nach den Vermutungen (StrP S 6, Z 57 bis S 7, Z 10) daran, daß menschliche Gewebequellen, die mRNA in ausreichendem Umfang enthalten, so daß sie den Aufbau einer cDNA-Bibliothek ermöglichen, zu selten sind und zu wenig über die fortlaufende Sequenz der Aminosäurereste von Erythropoietin bekannt ist, so daß zB keine langen Polynukleotid-Sonden konstruiert werden können. Nach Schätzungen umfaßt das genetische Material, das für Human-Erythropoietin codiert, weniger als 0,00005 % der gesamten menschlichen genomischen DNA, die in einer genomischen Bibliothek vorhanden wäre. Seit den amerikanischen Patentanmeldungen 561 024 und 582 185 ist ein einziger Bericht von L... veröffentlicht worden, der die Klonierung und Expression einer vermuteten Human-ErythropoietincDNA beschreibt (StrP S 7, Z 44 bis 48).

2) Es besteht daher ein Bedürfnis nach einem verbesserten Verfahren, das die schnelle und effiziente Isolierung von cDNA-Klonen in den Fällen ermöglicht, in denen wenig von der Aminosäuresequenz des codierten Polypeptids bekannt ist und in denen "angereicherte" Gewebequellen von mRNA nicht ohne weiteres zum Aufbau von cDNA-Bibliotheken zugänglich sind. Solche Verfahren wären insbesondere zum Isolieren genomischer Klone von Säugetieren erwünscht, bei denen nur spärliche Informationen über die Aminosäuresequenzen des für das gesuchte Gen codierenden Polypeptids vorhanden sind.

Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Streitpatents, Erythropoietin in einer pharmazeutisch verträglichen Form und in Mengen zur Verfügung zu stellen, die den vielfältigen Bedarf dieses hochwirksamen Hormons zur Erythrozytenbildung befriedigen.

3) Dementsprechend beschreibt Patentanspruch 1 in der nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.4 des Europäischen Patentamts vom 26. März 1998 aufrecht erhaltenen Fassung eine DNA-Sequenz, 1. die verwendet wird, um die Expression in einer prokaryontischen oder eukaryontischen Wirtszelle eines Polypeptidprodukts zu erreichen, um den Besitz der biologischen Eigenschaft zu ermöglichen, Knochenmarkszellen zu veranlassen, die Produktion von Retikulozyten und roten Blutkörperchen zu steigern und Hämoglobinsynthese oder Eisenaufnahme zu steigern, 1.1. wobei das Polypeptidprodukt zumindest teilweise die Primärstrukturkonformation von Erythropoietin aufweist, und 2. die aus der Gruppe ausgewählt ist, die besteht aus 2.1. den in den Tabellen V und VI dargelegten DNA-Sequenzen oder deren Komplementärsträngen, 2.2. DNA-Sequenzen, die unter stringenten Bedingungen zu den proteincodierenden Bereichen der in 2.1. definierten DNA-Sequenzen oder Fragmenten derselben hybridisieren, und 2.3. DNA-Sequenzen, die ohne die Entartung des genetischen Codes zu den in 2.1. und 2.2. definierten DNA-Sequenzen hybridisieren würden.

II.

1) Der Patentanspruch 1 in der B2-Fassung des Streitpatents erweist sich als nicht bestandsfähig.

1.1) Vom Schutzumfang des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatentschrift ist nach Auffassung der Nichtigkeits-Beklagten auch humane cDNA umfaßt, wie die Auseinandersetzung der Parteien aus diesem Nichtigkeitsverfahren bereits im Verletzungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf erkennen läßt. So bestätigt auch das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 17. Februar 2000, daß der im europäischen Einspruchs-Beschwerdeverfahren unverändert gebliebene Patentanspruch 1 weiterhin humane cDNA zum Gegenstand hat, unbeschadet des diesbezüglich erfolgten Teilwiderrufs im Patentanspruch 3 (vgl hierzu Urteil 2 U 122/92, S 64, Punkt 2.). Das OLG leitet die Tatsache, daß im Patentanspruch 1 des Streitpatents in der B2-Fassung cDNA noch zum Anspruchsgegenstand gehört, ebenso wie die Nichtigkeits-Beklagte in diesem Verfahren insbesondere aus dem Merkmal (b) ab. Danach stehen DNA-Sequenzen unter Schutz, die unter stringenten Bedingungen zu den proteincodierenden Bereichen der in (a) - dort wird ua auf die genomische human DNA-Sequenz gemäß Tab VI des Streitpatents Bezug genommen - definierten DNA-Sequenzen oder Fragmenten derselben hybridisieren. Auch nach Auffassung des Senats wird durch diesen Anspruchswortlaut humane cDNA, die für Erythropoietin codiert, unter Schutz gestellt. Demzufolge war vom Senat zu prüfen, ob humane cDNA für Erythropoietin bzw ein Weg zu deren Gewinnung in den Unterlagen des Streitpatents so deutlich und vollständig beschrieben ist, daß ein Fachmann - dieser wird übereinstimmend mit den Ausführungen in der Entscheidung der Europäischen Beschwerdekammer 3.3.4 im Einspruchs-Beschwerdeverfahren zu diesem Fall als Team aus einem promovierten Wissenschaftler mit mehrjähriger Erfahrung auf dem hier betrachteten Gebiet der Gentechnologie oder Biochemie und zwei technischen Laborassistenten (vgl Entscheidung T 0412/93, deutsche Übers. S 21, Punkt 4.) erachtet - diese cDNA nacharbeiten kann.

1.2) Die cDNA, die ua auch für humanes Erythropoietin codiert, wird nach der Sprachregelung des Streitpatents im erteilten Patentanspruch 3 - dieser findet sich in seinem ursprünglich vollständigen Wortlaut in der B1-Fassung der Streitpatentschrift, während die B2-Fassung aufgrund der Entscheidung T 0412/93 der Europäischen Beschwerdekammer 3.3.4 die humane cDNA nicht mehr enthält - lediglich mit "cDNA-Sequenz" bezeichnet.

Am Ende der Beschreibung zu Beispiel 5 wird noch der Ausdruck "cDNA-Humansequenz-Klon" (S 54 letzte Zeile bis S 55 1. Zeile der AT E 54 940 B (deutschsprachige Übersetzung des Streitpatents), bzw in der englischen B2-Fassung des Streitpatents (S 25, Zeile 19) "cDNA human sequence clone" verwendet. Jedenfalls taucht in der gesamten Wortwahl des Streitpatents zu diesem Begriff nur der Ausdruck "cDNA" auf, der an keiner Stelle in den Patentansprüchen oder der Beschreibung oder den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents weiter definiert, differenziert, eingeschränkt oder erweitert wird. Hinzu kommt, daß im Zusammenhang mit dem Hinweis auf den cDNA-Humansequenz-Klon in der Beschreibung noch ergänzend ausgeführt wird "hergestellt aus mRNA".

Nach alledem mußte die Fachwelt nach Auffassung des Senats zum Zeitrang des Streitpatents den Begriff "cDNA" in seiner bis dahin bekannten Weise verstehen, nämlich in der von den Parteien sowohl in diesem Nichtigkeitsverfahren als auch in dem Einspruchs-Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt (vgl hierzu Punkt 14 der Entscheidung T 0412/93, S 25 der deutschen Übersetzung) übereinstimmend als "traditionelle Bedeutung" bezeichneten Weise.

Nach dieser "traditionellen Bedeutung" ist eine cDNA eine zu einer Boten-RNA ("mRNA") komplementäre einzelsträngige DNA, die als Kopie der mRNA (daher copy-DNA, abk. cDNA) mittels reverser Transkription in vitro synthetisiert wurde.

Die genomische DNA, die bei höheren Organismen - mithin auch beim Menschen - von Introns durchsetzt ist, wird im zellulären System zunächst in der ursprünglichen Form auf eine "unreife" praemRNA übertragen. Erst bei der Übertragung auf eine "reife" mRNA entsteht dabei eine Intronfreie RNA-Sequenz, die als Grundlage zur cDNA-Gewinnung dienen kann und im Zuge des cDNA-Herstellungsverfahrens dann durch reverse Transkription in vitro auch wieder zu einer Intronfreien DNA-Sequenz wird, welche lediglich aus proteincodierenden Bereichen besteht. Dies erlaubt jedoch nicht schon den Schluß, daß alle Intronfreien DNA-Konstrukte im Verständnis des Streitpatents und zu dessen Zeitrang bereits als cDNA bezeichnet werden können. Denn cDNA im Verständnis des Streitpatents bedeutet sowohl für die dort beschriebene AffencDNA als auch für die humane cDNA eine auf der Basis der reversen Transkription von mRNA in vitro erhaltene DNA-Sequenz und unterscheidet sich daher von Intronfreien, zB synthetischen DNA-Konstrukten bereits in ihrem Herstellungsweg. Darüber hinaus stellen cDNAs in der hier zu Grunde zu legenden traditionellen Bedeutung echte Kopien der mRNA dar, welche dann auch 5'- und 3'-flankierende Sequenzen umfassen. Derartige cDNAs stellen dann zusammen mit regulatorischen Elementen in den flankierenden Sequenzen sog. "offene Leseraster" dar (vgl hierzu auch die Entscheidung T 0412/93 der Europäischen Beschwerdekammer 3.3.4, Punkt 18). Die Beschwerdekammer kommt dann auch in Punkt 19 der Entscheidung T 0412/93 zu dem Schluß, daß der im ursprünglich erteilten Patentanspruch 3 gebrauchte Ausdruck "cDNA-Sequenz" nur in diesem Sinne auszulegen ist und die Beschreibung im übrigen keine Anhaltspunkte für eine weitere oder andere Auslegung erkennen läßt. Dieser Auffassung schließt sich auch der erkennende Senat an.

1.3) Zur Frage der nacharbeitbaren Offenbarung einer humanen cDNA in oben dargestelltem Sinne stehen in den Unterlagen des Streitpatents lediglich zwei Textstellen, nämlich der erteilte Patentanspruch 3 (gemäß B1-Fassung) und der Wortlaut in der Beschreibung am Ende des Textes zu Beispiel 5 zur Verfügung.

Während der erteilte Patentanspruch 3 - dieser wurde in bezug auf die humane cDNA von der Europäischen Beschwerdekammer bereits widerrufen - sich lediglich auf die Nennung des Begriffs "cDNA-Sequenz" beschränkt und demzufolge weder Struktur noch Herstellungsverfahren erkennen läßt, erwähnt die og Textstelle am Ende des Beispiels 5 kurz eine intermediäre Expression des humanen Polypeptides auf der Grundlage eines cDNA-Humansequenz-Klons, hergestellt aus mRNA, die aus (transfizierten) COS-1-Zellen isoliert wurde. Zwar deuten diese wenigen Angaben auf einen Herstellungsweg über die mRNA und damit auf eine cDNA in traditioneller Bedeutung hin (vgl hierzu Punkt 1.2), jedoch reichen sie bei weitem nicht aus, um die Erstellung einer derartigen cDNA-Sequenz nacharbeitbar zu offenbaren. Wesentliche Voraussetzung für die Gewinnung einer cDNA-Sequenz ist Qualität, Menge, Reinheitsgrad und Vollständigkeit der diesem Verfahren zu Grunde liegenden (reifen) mRNA. Das Streitpatent enthält jedoch keinerlei Angaben über die Behandlung der transfizierenden COS-1-Zellen mit dem Ziel, eine möglichst vollständige mRNA in ausreichender Konzentration zu erhalten. Im übrigen ist das gemäß Streitpatentschrift verwendete transfizierte Zellmaterial zumindest für diesen Zweck wenig geeignet. Aus dem Hinweis in der Beschreibung des Streitpatents (S 55, Z 1 - 3 der AT E 54 940 B), daß die COS-1-Zellen mit der humangenomischen DNA gemäß Beispiel 7 transfiziert worden seien, und dem Vortrag der Beklagten, wonach hierzu der Vektor pSVgHuEPO gemäß Figur 3 der Streitpatentschrift verwendet worden sei, ist bereits erkennbar, daß die der cDNA-Erstellung zugrundeliegende mRNA aus einer dem ursprünglichen menschlichen System fernliegenden fremden Zelle (COS-1) gewonnen werden soll, wobei diese mit einem Vektorkonstrukt transfiziert wird, das zwar die genomische DNA für humanes Erythropoietin, zusätzlich aber flankierende Bereiche anderer Herkunft als aus dem Humangenom enthält. Die Schwierigkeiten, die sich dabei für die Erstellung eines vollständigen cDNA-Klons ergeben mußten, sind in dem Gutachten von Professor H... (Anlage 23 der Klägerin) zusammengestellt. Die genannte gutachterliche Stellungnahme erfolgte in der Patentnichtigkeitssache X ZR 90/94 vor dem X. Senat des Bundesgerichtshofs. Dieses Gutachten wurde zwar für einen anderen Streitgegenstand als den hier vorliegenden erstellt. Jedoch wird in dem Gutachten auch der gemäß Streitpatent angedeutete Weg (vgl oben) zur Erlangung einer humanen cDNA eingehend diskutiert und analysiert. Ferner setzt sich das Gutachten mit dem vorliegenden Streitpatent als Entgegenhaltung auseinander. Somit können nach Auffassung des Senats grundsätzliche wissenschaftliche Aussagen aus diesem Gutachten auch für die hier zu entscheidende Frage herangezogen werden.

Die für den vorliegenden Fall bedeutenden Aussagen des Gutachtens von Profes sor H... beziehen sich auf die Arbeiten von Dr. L1..., dem Erfinder des vorliegen den Streitpatents. Diese Arbeiten waren - auch nach dem Zeitrang des Streitpatents - auf den Versuch gerichtet, einen vollständigen cDNA-Klon zu erhalten. Professor H..., dem auch das Laborbuch über die damaligen Versuche von Dr. L1... vorgelegen hatte, führt auf Seite 25, Zeilen 18 bis 30 seiner gutachtlichen Stellungnahme aus, daß es sich bei dem auf dem Wege der transienten Transfektion der DNA aus einem zuvor isolierten genomischen Klon in neue Empfängerzellen gewonnenen cDNA-Klon - dies ist der im Streitpatent angedeutete Herstellungsweg - nicht um einen vollständigen cDNA-Klon gehandelt habe. Die so erhaltenen Klone hatten nach der Beurteilung von Professor H... zwar am 3'-Ende bereits die einem cDNA-Klon entsprechende Sequenz, während jedoch das 5'-Ende zu lang war und eindeutig nur einem genomischen Klon zugeordnet werden konnte. Zum Zeitrang des Streitpatents hätte nach Auffassung des Senats in der Beschreibung bereits auf diesen Umstand hingewiesen werden müssen. Ferner hätten Mittel und Wege angegeben werden müssen, wie ein Team von Fachleuten (vgl hierzu Punkt 1.1) hätte vorgehen müssen, um nicht immer nur zu DNA-Hybriden zu gelangen, sondern zu einer vollständigen cDNA in traditionellem Bedeutungsumfang (vgl Punkt 1.2) zu kommen. Die Kenntnis aller proteinkodierenden Sequenzen allein, wie sie in Tabelle VI der Streitpatentschrift angegeben sind, konnte hierbei nicht helfen, denn Dr. L1..., der Erfinder des Streitpatents, hatte dies ja se quenziert und zu einem Zeitpunkt auch nach dem Zeitrang des Streitpatents in Händen, ohne daß ein vollständiger cDNA-Klon mit Hilfe dieser Kenntnis gewonnen werden konnte.

Auf Seite 19, 2. Absatz des Gutachtens von Professor H... wird auch darauf hingewiesen, daß anderen Arbeitsgruppen die Isolierung der Human cDNA für Erythropoietin zum Zeitrang des Streitpatents ebenfalls nicht gelungen war.

Auf Seite 25 im 2. Absatz verweist der Gutachter Prof. H... noch einmal auf die Ungenauigkeiten im Spleißprozeß, also den zellulären Reaktionsprozessen, bei welchen aus den primär gebildeten praemRNA-Sequenzen die Intron-Sequenzen entfernt werden, um so die fertige mRNA als ununterbrochene Exonserie entstehen zu lassen, die häufig bei systemfremden Zellen - solche verwendet der im Streitpatent angedeutete Weg - auftreten. Somit war nach Auffassung des Senats ein mit sicherem Erfolg nacharbeitbarer Weg mit den wenigen Angaben des Streitpatents zur Erstellung einer human cDNA nicht gegeben. Auch der Gutachter Professor H... geht nicht von einer Offenbarung eines cDNA-Klons im vorliegen den Streitpatent aus, welches im Verfahren X ZR 90/94 als Entgegenhaltung diente. Unter Punkt 4.2 seiner gutachterlichen Stellungnahme auf Seite 29, Zeilen 3 bis 7 führt er ua aus: "Die Eröffnung von EP 148 605 der Firma K... am 17.7.1985 beschreibt den Weg zu einem Erythropoietin-Klon aus einer humanen genomischen Genbank.... . Ein humaner cDNA-Klon wird dagegen hier nicht offenbart.... ."

Nach alledem kommt auch der Senat zu der Auffassung, daß die Beschreibung des Streitpatents weder im Ergebnis einen cDNA-Klon noch einen Herstellungsweg für einen solchen in nacharbeitbarer Weise offenbart.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 erweist sich daher, soweit er über die im Tenor aufgeführte Fassung hinausgeht, als nicht so vollständig und deutlich offenbart, daß ein Fachmann ihn zum Prioritätszeitpunkt nacharbeiten konnte, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Stellt sich im Nichtigkeitsverfahren heraus, daß die Lehre des Streitpatents in einem begrenzten und begrenzbaren Umfang am Anmelde- bzw Prioritätstag nicht ausführbar ist, ist es insoweit für nichtig zu erklären. Wie bereits in der - nicht veröffentlichten - Senatsentscheidung 3 Ni 51/95 (EU) vom 14. August 1997 dargelegt, kommt es im Nichtigkeitsverfahren auf eine Abwägung der ausführbaren mit den nicht ausführbaren Bereichen entsprechend der Bundesgerichtshof-Entscheidung "Polyesterfäden" (BlPMZ 1991, 68 ff) nicht an. Wenn nach den vorgelegten Unterlagen die fehlende Nacharbeitbarkeit eines Teils des Streitpatents erwiesen ist, muß dem durch eine teilweise Nichtigerklärung Rechnung getragen werden, denn ein Patentschutz für nicht ausführbare Teile des Streitpatents läßt sich mit der Systematik des Patentrechts, einen entsprechenden Schutz nur für solche Erfindungen zu gewähren, die die Technik bereichern, nicht vereinbaren (Busse, PatG, 5. Aufl., § 34, Rdnr. 34). Der Senat hat zwar diesen Grundsatz in seiner oben genannten Entscheidung (vgl insbes S 20 le Abs der Ausfertigung) ausdrücklich nur auf Verfahrensansprüche angewendet, deren Gegenstand und Schutzumfang sowohl ausführbare als auch nicht ausführbare Verfahrensvarianten umfassen, und darauf hingewiesen (S 21 Abs 1), daß es bei Sach- oder Stoffansprüchen ausreicht, wenn für den Fachmann mindestens ein ausführbarer Herstellungsweg offenbart wurde (Benkard, PatG, 9. Aufl., § 35, Rdnr. 23). Im hier zu entscheidenden Fall umfaßt der Stoffanspruch jedoch unterschiedliche DNA-Sequenzen, deren Gesamtheit nicht auf einem einzigen Herstellungsweg zugänglich ist, sondern die je nach Aufbau unterschiedliche Herstellungsweisen erfordern. Wenn die Sachlage bei beiden Anspruchskategorien vergleichbar ist und wenn das Streitpatent oder ein einzelner Patentanspruch voneinander abgrenzbare Teile enthält, die nicht nacharbeitbar und damit nicht ausreichend offenbart sind, kann der Senat für eine unterschiedliche Beurteilung zwischen Verfahrensansprüchen einerseits und Stoffansprüchen andererseits keine Anhaltspunkt erkennen.

Danach kann Patentanspruch 1 in der aufrecht erhaltenen Form keinen Bestand haben.

2) Auch die von der Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung erweist sich nicht als bestandsfähig.

Nach dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag soll der Patentanspruch 1 des Streitpatents einen beschränkenden Zusatz erhalten, durch den eine DNA-Sequenz ausgenommen ist, welche das vollständige Transkript einer humanen Boten-RNA (mRNA) vollständiger Länge ist.

Durch diese Umschreibung wird nach Auffassung des Senats die vollständige cDNA zwar ausgeschlossen, während jedoch jede andere denkbare Form einer cDNA im Umfang des Beanspruchten verbleibt. Dies sind zum Beispiel nicht oder nicht mehr ganz vollständige cDNA-Sequenzen. Nachdem in der Sprachregelung des Streitpatents jedoch nur der Begriff "cDNA" ohne weitere Differenzierungen verwendet wird (s o Punkt 1.2) und daher eine differenzierte Auslegung des Begriffs cDNA aus der Offenbarung des Streitpatents heraus nicht möglich ist, können die gemäß Hilfsantrag implizit noch beanspruchten cDNA-Fragmente eigener Prägung gegenüber dem ursprünglich Offenbarten nur noch ein aliud schaffen. Wenn nämlich solche cDNA-Fragmente ebenfalls unter Patentschutz hätten gestellt werden sollen, hätte es zumindest zum Zeitrang des Streitpatents und angesichts der og Schwierigkeiten bei dem in Rede stehenden Weg der cDNA-Präparation der Angabe von Beispielen hierfür in der Beschreibung bedurft. Dies ist nicht geschehen. Aus diesem Grunde vermag die Beschränkung gemäß Hilfsantrag die durch den Hauptantrag geschaffene Situation der Beanspruchung nicht ausreichend offenbarter technischer Lehren ebenfalls nicht zu beseitigen. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist daher nicht zulässig.

3) Nach alledem kann der Patentanspruch 1 in zulässiger Weise nur durch einen Zusatz beschränkt werden, der sich auf cDNA bezieht, wie es der eigenen Sprachregelung des Streitpatents entspricht. Der beschränkende Zusatz im Patentanspruch 1, mit dem der Senat das Streitpatent auf die Grundlage des nacharbeitbar Offenbarten zurückführt, lautet demgemäß "ausgenommen cDNA-Sequenz, die für Human-Erythropoietin codiert." Mit diesem Zusatz ist die (einzige) in der Streitpatentschrift angesprochene cDNA-Form, von deren nacharbeitbarer Offenbarung der Senat nicht überzeugt werden konnte, ausgeschlossen. Das Streitpatent mußte daher teilweise für nichtig erklärt werden, insoweit es über diese Beschränkung hinausgeht.

4) Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung weitere bereits schriftsätzlich geltend gemachte Angriffe auf das Streitpatent (zB Neuheit bezügl Anspruch 26, Nacharbeitbarkeit von Ausführungsbeispielen usw) nicht mehr vorgetragen. Der Senat verzichtet auf ein detailliertes Eingehen hierauf, weil dem Bestreben der Klägerin bereits durch die erfolgte teilweise Vernichtung Rechnung getragen wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO. Die vom Senat ausgesprochene Beschränkung umfaßt in etwa die Hälfte des Umfangs des Streitpatents in der aufrecht erhaltenen Fassung. Dementsprechend hatauch die Klägerin mit ihrem Begehren, das Streitpatent vollständig für nichtig zu erklären, nur zur Hälfte obsiegt, was zur Abweisung der Klage im übrigen geführt hat.

Grüttemann VorsRi Grüttemann ist aus dem Senat ausgeschieden und daher an der Unterschrift gehindert.

Dr. Wagner Dr. Wagner Sredl Dr. Huber Dr. Feuerlein Cl/Fa/Be






BPatG:
Urteil v. 14.12.2000
Az: 3 Ni 34/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e11e8d760668/BPatG_Urteil_vom_14-Dezember-2000_Az_3-Ni-34-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share