Landgericht Essen:
Urteil vom 5. Mai 2011
Aktenzeichen: 4 O 244/09
(LG Essen: Urteil v. 05.05.2011, Az.: 4 O 244/09)
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.575,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Beklagte war Vorstandsvorsitzender der B AG. Das Unternehmen befand sich in finanziellen Schwierigkeiten und musste bis Ende September 2008 eine Finanzierungslücke schließen. Hierüber wurde in den Medien berichtet. So war unter anderem bekannt geworden, dass der Kreditversicherer F I Ausfallgarantien für Warensendungen an die B AG eingeschränkt hatte. Auch die erforderliche Anschlussfinanzierung der beteiligten Kreditunternehmen war nicht gesichert. Die entsprechenden Gespräche konnten nicht wie geplant zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, weil sich die ... Bank ... - auch unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise - der avisierten Regelung verschloss. Die ... Bank ... selbst befand sich in einer finanziellen Krise, was dazu führte, dass sie im November 2008 teilverstaatlicht wurde. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung brach der Kurs der Aktie der B AG ein. Der Kurs der Aktie war in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt um 85 % gefallen. Nach Informationen des Handelsblattes drängten die Banken den Beklagten dazu, Aktien der U D H zu verkaufen, um den Schuldenstand zu reduzieren.
In dieser Situation gab der Beklagte dem U am 16.09.2008 ein Interview, das dort am Montag, dem 22.09.2008, veröffentlicht wurde, aber bereits zuvor Gegenstand von Berichten im Internet war. In dem Interview wurde der Beklagte eingangs auf die noch nicht abgeschlossenen Refinanzierungsgespräche angesprochen. Auf die einleitende Frage "Wie geht es jetzt weiter€" antwortete er: "Wir haben in dieser Woche eine weitere Verhandlungsrunde". Auf die nachfolgende Frage: "Müssen Sie doch über eine Kapitalerhöhung nachdenken€" erwiderte er: "Das ist völliger Quatsch. Eine Kapitalerhöhung ist nicht geplant. L trägt 20 % zu unserem Umsatz bei, mehr nicht. Wir lösen unsere Probleme aus eigener Kraft." Im weiteren Verlauf des Interviews gab der Beklagte unter anderem die Bewertung ab, der Aktienkurs der B AG sei "gemessen an den 1,1 Milliarden Euro Gewinn", die zu erwarten seien, "viel zu niedrig" und auf die Frage, ob die B AG wegen der Konjunkturabhängigkeit von Touristik und Handel nicht doppelt gefährdet sei, antwortete er: " ... in unseren Zahlen sehen wir nichts davon, nicht den Hauch von Krise. Im Gegenteil: wir legen momentan noch zu."
Die Kläger erwarben am Dienstag, dem 23.09.2008, 50.000 Aktien der B AG zu einem Kurs von 3,40 € je Aktie.
Am Mittwoch, dem 24.09.2008, gab die B AG in einer schriftlichen Presse-Information (Anlage B 4) die erfolgreiche Refinanzierung bekannt. In dieser Mitteilung heißt es: "Die B AG und die Führungsbanken ihres Kreditkonsortiums haben sich am Dienstag auf ein Refinanzierungskonzept für den F Touristik- und Handelskonzern verständigt. Die Warenkreditversicherer ... erklärten am Dienstag gegenüber der B AG, dass sie begleitend zu dieser Finanzierung die für das B-Geschäft notwendigen Kreditlinien zur Verfügung stellen". Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt geben. Zu Spekulationen, der Konzern müsse sich möglicherweise von Anteilen an der U D H trennen, erklärte der Pressesprecher des Unternehmens, der Zeuge I, auf entsprechende Anfrage von Journalisten, "U D" werde nicht verkauft. Diese Versicherung des Pressesprechers wurde vielfach in den Medien verbreitet. Sie war unter anderem am 24.09.2008 um 9:08 Uhr unter c.BSE.de im Internet zu lesen und um 10.10 Uhr in GBA.NET freigeschaltet.
Um 9.53 Uhr und 9.54 Uhr erwarben die Kläger am selben Tag weitere 20.000 Aktien der B AG zu einem Kurs von 3,65 € je Aktie.
Der Kurs der Aktie stieg im Verlauf des Tages um bis zu 20 % auf mehr als 4,00 €. Am Abend des 24.09.2008 ließ die B AG eine Adhoc-Mitteilung veröffentlichen, die als "Klarstellung zu heutigen Pressemeldungen" überschrieben ist (Anlage K 5). Hierin heißt es: "Die B AG stellt klar, dass sie im Zusammenhang mit der erzielten Verständigung über ein Refinanzierungskonzept die Struktur der Holding überprüft. Dies kann auch die Reduzierung der Beteiligungen an der L X GmbH und der U D H beinhalten." Es folgte ein Kurssturz der Aktie um ca. 50%.
In einer weiteren Adhoc- Mitteilung vom 29.09.2008 (Anlage K 9) gab die B AG bekannt, dass auf Vorschlag des Vorstandes der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung eine Kapitalerhöhung unter Ausnutzung des genehmigten Kapitals beschlossen habe. Darüber hinaus habe der Aufsichtsrat das Refinanzierungskonzept genehmigt. Es sei entschieden worden, keinen Verkauf von U D -Aktien vorzunehmen. Tatsächlich wurde die Beteiligung an der U D H erst zeitlich später veräußert. Die Kapitalerhöhung wurde in der Weise durchgeführt, dass die Privatbank ... 23 Millionen neue Aktien zeichnete; die Kapitalerhöhung wurde damit nicht am Markt platziert.
Die Kläger verkauften die 70.000 Aktien am 04. und 05.11.2008 zu Kursen zwischen 2,62 € und 2,82 €. Sie machen im Wege der Teilklage den aufgrund der Kursverluste erlittenen Schaden geltend, und zwar für den Kauf vom 23.09.2008 in Höhe von 2.503,80 € (3210 Aktien) und für den Kauf vom 24.09.2008 in Höhe von 2.575,- € (2500 Aktien), insgesamt also 5.078,80 €.
Die Kläger behaupten, das Interview im U sei für ihren Aktienerwerb am 23.09.2008 ursächlich gewesen. Der Artikel habe sie veranlasst, zu glauben, dass es um die Finanzen der B AG nicht so schlecht bestellt sei, wie in den Medien dargestellt. Tatsächlich habe der Beklagte jedoch bereits in dem Interview um die Kapitalerhöhung gewusst. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie nur kurze Zeit später beschlossen worden sei und nicht ohne einen gewissen zeitlichen Vorlauf hätte geplant und durchgeführt werden können. Die später durchgeführte Kapitalerhöhung habe zu jenem Zeitpunkt zumindest nicht ausgeschlossen werden können. Die B AG habe Geld benötigt und dies sei eine Option gewesen. Da die Banken eine Ausweitung der Kreditlinie offensichtlich abgelehnt hätten, seien im Rahmen der Finanzierungsengpässe letztlich nur der Verkauf von Anteilen an der U D H oder eine Kapitalerhöhung als denkbare Möglichkeiten in Betracht gekommen. Der Beklagte habe daher zum Zeitpunkt des Interviews nicht davon ausgehen können und auch nicht erklären dürfen, dass die Handlungsoption Kapitalerhöhung ausgeschlossen sei.
Die Kläger meinen, der Beklagte habe verwerflich gehandelt. Er habe durch seine geschönte Darstellung "Kurspflege" betrieben und ohne Not ein positives Anlageklima für Aktien der B AG geschaffen. Ziel seines von Eigensucht bestimmten Handelns sei es gewesen, sein Image als "Retter des B- Konzerns" nicht zu verlieren.
Der Beklagte habe zudem ein eigenes finanzielles Interesse an der Erholung des Kurses gehabt, da er sein Engagement an den Immobilien des Unternehmens habe sichern wollen. Der Beklagte habe sich an mehreren Fonds der F H beteiligt, die Immobilien der L-Xkette gekauft hätten, um diese Gebäude zu überhöhten Konditionen an die B AG zu vermieten. Die überhöhten Mieten hätten nur bedient werden können, wenn die B AG infolge einer Kapitalerhöhung möglichst viel Geld erzielt hätte.
Die Kläger behaupten des Weiteren, sie hätten am 24.09.2008 aufgrund der Mitteilung des Pressesprechers der B AG, dass die Beteiligung an der U D H nicht zum Verkauf stehe, 20.000 weitere Aktien gekauft. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte eine Kapitalerhöhung bereits in dem Zeitungsinterview ausgeschlossen habe, und angesichts dessen, dass zugleich ein Verkauf der Anteile an der gewinnbringenden U D H - die auch als "Cash Cow" oder "Ertragsperle" des Unternehmens bezeichnet wurde - ausgeschlossen worden sei, habe die Lage für einen verständigen Dritten so ausgesehen, als ob die B AG einen eigenständigen Weg der Finanzierung gefunden hätte. Die Aussage des Pressesprechers, "U D" stehe nicht zum Verkauf, habe dementsprechend bei den Anlegern eine begeisterte, kurstreibende Reaktion ausgelöst. Analysten hätten aufgrund dessen eine Kaufempfehlung ausgesprochen.
Auch insoweit habe der Beklagte jedoch wider besseres Wissen potentielle Anleger falsch informiert, um den Kurs der eigenen Aktie in eigenem Interesse hoch zu treiben. Hierzu behaupten die Kläger, die Mitteilung des Pressesprechers sei Bestandteil einer mit dem Vorstand abgestimmten Strategie gewesen. Zumindest sei dem Beklagten ein Organisationsverschulden zur Last zu legen, das dessen persönliche Haftung begründe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 5.078,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, seine Äußerungen in dem Interview seien zutreffend gewesen. Eine Kapitalerhöhung sei weder zum Zeitpunkt der Abgabe des Interviews noch bis zu dessen Veröffentlichung konkret geplant gewesen. Die B AG habe sich im September 2008 um eine nachhaltige Verbesserung der Unternehmenssituation bemüht und die LQNH beauftragt, verschiedene Sanierungsüberlegungen zu überprüfen. Die geprüften Überlegungen habe der Vorstand am 10.09.2008 den finanzierenden Kreditinstituten und Warenkreditversicherern vorgestellt. Eine Kapitalerhöhung sei nicht Bestandteil dieser Überlegungen gewesen, auf die man sich grundsätzlich verständigt habe. Erstmals am 17.09.2008 habe die ... Bank ... mitgeteilt, dass sie die bisherigen Überlegungen ablehne. Die radikale Änderung ihrer Haltung sei auf die unerwartete Zuspitzung der Finanzmarktkrise zurückzuführen gewesen. Es habe deshalb neue Sanierungsüberlegungen gegeben, die wiederum keine Kapitalerhöhung vorgesehen hätten. Vielmehr sei über eine Veräußerung der Beteiligung an der U D H bei gleichzeitiger Gewährung einer ausreichenden Working-Capital-Facility nachgedacht worden. Der konzeptionelle Entwurf sei den drei beteiligten Kreditinstituten erstmals am 19.09.2008 vorgestellt worden, die am 22.09.2008 ihre vorläufige Zustimmung erteilt hätten. Nach dem 22.09.2008 habe die ... Bank ... ihre Bedingungen noch einmal deutlich verschärft und bisherige Überlegungen zu Fall gebracht. Der Vorstand habe dann zunächst einen Premarketing - Test durchführen wollen, um festzustellen, ob die Veräußerung der Beteiligung an der U D H realisierbar sei. Mitteilungen in der Presse über den möglichen Verkauf dieser Beteiligung hätten jedoch bis zum 26.09.2008 einen Kurseinbruch der U-D-Aktien um 25 % verurrsacht. Dies habe dazu geführt, dass der Verkauf wirtschaftlich nicht mehr tragfähig erschienen sei. Deshalb habe der Vorstand in der Nacht vom 26.09. auf den 27.09.2008 beschlossen, den Verkauf, der ansonsten durchgeführt worden wäre, nicht weiter zu verfolgen. Erst dieser Beschluss habe Veranlassung dazu gegeben, über eine andere Schließung der Finanzierungslücke nachzudenken. Vorstand und Rechtsabteilung hätten deshalb am Wochenende des 27./28.09.2008 andere Alternativen diskutiert, einschließlich der Gewährung eines subordinierten Darlehens durch die Privatbank ... Deren Vertreter habe dies jedoch abgelehnt. Der Leiter der Rechtsabteilung der B AG habe nun erstmals eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital vorgeschlagen, die kurzfristig umgesetzt worden sei. Der Beschluss des Vorstands sei dem Aufsichtsrat, der für diesen Tag einberufen worden sei, zugeleitet worden, der noch am Abend des 28.09.2008 einen Beschluss über die Kapitalerhöhung gefasst habe.
Der Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt des Interviews sei er fest davon überzeugt gewesen, dass die Anschlussfinanzierung ohne eine allgemeine Kapitalerhöhung und ohne eine Veräußerung von "U D" gelingen werde. Seinem Verständnis nach habe sich die Aussage "Kapitalerhöhung, so ein Quatsch" auf eine breit angelegte Kapitalerhöhung in signifikanter Höhe bezogen, die einen gesonderten Hauptversammlungsbeschluss erforderlich gemacht hätte. Aus seiner Sicht sei die später realisierte Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts etwas völlig Anderes.
Darüber hinaus bestreitet der Beklagte, dass das Interview im U kausal für den Aktienerwerb gewesen sei. In diesem Zusammenhang führt er aus, er halte es für möglich, dass die Anlageentscheidung mit einem Bericht über einen Verkauf der Beteiligung an der U D H zusammenhängen könnte, der am Morgen des 23.9.2008 im U erschienen war.
Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass er in dem Interview deutlich auf die schlechte Konsumlage und die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage hingewiesen habe. Der Erwerb der Aktien sei deshalb hoch spekulativ gewesen; dessen seien sich die Kläger auch bewusst gewesen.
Hinsichtlich der Äußerung des Pressesprechers behauptet der Beklagte, dieser habe ohne Anweisung des Vorstandes und ohne Absprache mit diesem gehandelt. Der Zeuge I habe auf Anfragen von Pressevertretern zu einem etwaigen Verkauf von "U D" eine nicht mit dem Vorstand abgesprochene persönliche Meinungsäußerung abgegeben, für die er, der Beklagte, nicht verantwortlich sei. Der B AG zuzurechnende Presseverlautbarungen seien demgegenüber stets abgestimmt und nur veröffentlicht worden, wenn sie zuvor von mindestens einem Vorstandsmitglied bestätigt worden seien. Der Pressesprecher habe auch nicht bewusst etwas Falsches gesagt, da er von den Überlegungen, die Anteile an der U D H zu verkaufen, nichts gewusst habe. Vor dem Hintergrund, dass der Zeuge I das Unternehmen wenige Tage später, zum 30.09.2008, verlassen würde, habe es damals keinen Anlass gegeben, den Zeugen über die geplante Durchführung des Premarketing-Tests in Kenntnis zu setzen.
Der Beklagte meint zudem, die Äußerung des Pressesprechers sei schon deshalb nicht unrichtig gewesen, weil die Beteiligung an der U D H im Ergebnis nicht veräußert worden seien. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass es keinen Beschluss des Vorstands oder des Aufsichtsrats für eine entsprechende Veräußerung gab.
Der Beklagte bestreitet die Kausalität zwischen den Angaben des Pressesprechers und dem Aktienerwerb. Er äußert die Vermutung, die Kaufentscheidung beruhe auf anderen Gründen. Den Vortrag der Kläger hält er unter Hinweis darauf, dass in dem von ihnen in Bezug genommenen Artikel aus GBA.NET von einem stabilen Abwärtstrend der B-Aktien berichtet wurde, nicht für stimmig.
Darüber hinaus führt der Beklagte die Kurssteigerung am 24.09.2008 nicht auf die in der Presse veröffentliche Meldung zurück, dass die Beteiligung an der U D H nicht veräußert werde. Er äußert hierzu vielmehr die Einschätzung, die Kurssteigerung sei der Mitteilung geschuldet gewesen, dass an jenem Tag mit den beteiligten Banken eine Einigung über das Refinanzierungspaket erzielt worden sei. Dementsprechend wird die Bewertung, dass die Adhoc-Mitteilung vom selben Tage für den zeitlich nachfolgenden Kurseinbruch der Aktie der B AG ursächlich gewesen sei, vom Beklagten nicht geteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen K I. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 06.01.2011.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.575,- € gemäß § 826 BGB.
Denn die Kläger haben aufgrund einer grob unrichtigen Information des ehemaligen Pressesprechers der B AG, die dem Beklagten als damaligem Vorstandsvorsitzendem zuzurechnen ist, am 24.09.2008 Aktien des Unternehmens erworben und dadurch einen finanziellen Schaden erlitten. Der Beklagte hat die von seinem Pressesprecher mit dem Vorstand der B AG wörtlich abgestimmte Erklärung "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen" wissentlich geduldet und in Kenntnis der Unrichtigkeit dieser Erklärung deren unmittelbare Richtigstellung sowohl gegenüber seinem eigenen Pressesprecher als auch gegenüber der Öffentlichkeit unterlassen. Dadurch hat er in dem Bewusstsein der Kursrelevanz dieser Information zumindest billigend in Kauf genommen, dass Kapitalanleger in die Irre geführt werden. Dieses Verhalten ist sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB.
Im Einzelnen:
1.
Die Äußerung des Pressesprechers "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen" war objektiv grob unrichtig. Denn durch diese Erklärung wurde der Verkauf der Beteiligung an der U D H kategorisch ausgeschlossen, obgleich es zu jenem Zeitpunkt auf Vorstandsebene bereits konkrete Überlegungen gab, zwecks Sanierung des Konzerns einen möglichen Verkauf zu prüfen und gegebenenfalls zu realisieren.
a) Der Beklagte hat hierzu anlässlich seiner persönlichen Anhörung wörtlich ausgeführt: "In der Zeit von Freitag, dem 19.09., bis zum Donnerstag, dem 25.09., hat es die Vorbereitungen für den Premarketing-Test gegeben. Der Premarketing-Test als solcher hat am Abend des 25.09., donnerstags begonnen und ist am 26.09. abgeschlossen worden."
Aus der Anhörung des Beklagten ergibt sich damit, dass er seit dem 19.09.2008 konkret prüfte, ob ein Verkauf der Beteiligung an der U D H in Betracht gekommen wäre. Das heißt, der Beklagte wusste seit dem 19.09.2008, dass ein Verkauf von "U D" nicht nur vage und als eine in abstrakter Form denkbare Variante, sondern als eine ganz konkrete Refinanzierungsmöglichkeit zur Debatte stand, deren Umsetzung unmittelbar und zeitnah geprüft werden sollte. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des nunmehr leicht modifizierten Vorbringens des Beklagten zum zeitlichen Ablauf der Vorbereitung, Beschlussfassung und Durchführung des Premarketing-Tests. Nach seiner mündlichen Anhörung hat der Beklagte schriftsätzlich vortragen lassen, ab dem 19./20.09.2008 sei ein umfangreiches Streitgespräch unter den Banken über den jeweiligen Anteil ihrer Beteiligung an der Durchführung eines möglichen Premarketing-Tests und gegebenenfalls späteren Verkaufs von "U D" entstanden. Diese Diskussion unter den zahlreichen Beteiligten habe sich aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen über die diesbezüglichen Modalitäten bis zum Abend des 23.09.2008 ununterbrochen fortgesetzt. Ob überhaupt und wenn ja unter welchen Bedingungen ein Premarketing-Test habe durchgeführt werden können, sei während der gesamten Dauer der Diskussion "noch völlig offen" geblieben. Erst am Abend des 23.09.2008 habe ein grundsätzlicher Konsens darüber bestanden, dass unter Zugrundelegung des angepassten Konzepts die Refinanzierung durchführbar sei. Dieser Konsens sei Grundlage für die Pressemitteilung gewesen, die am Morgen des 24.09.2008 veröffentlicht wurde.
Auch dieser Sachvortrag ändert nichts daran, dass der Beklagte seit dem 19.09.2008 wusste, dass ein Verkauf der Geschäftsanteile als wesentlicher Bestandteil eines Sanierungskonzepts zwischen allen maßgeblichen Beteiligten ernsthaft in der Diskussion war.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob ein Verkauf der Geschäftsanteile an U D nicht der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Beschlusslage entsprach. Denn der Beklagte hat seinem eigenen Vorbringen zufolge bereits ab dem 19.09.2008 Vorbereitungen getroffen, um für den Fall, dass durch diesen Verkauf der erhoffte Gewinn zu erzielen sein sollte, eine Änderung eben dieser Beschlusslage herbeizuführen.
Dem Vorbringen des Beklagten zufolge hat sich der Vorstand der B AG sogar dafür eingesetzt, dass sich unter seiner Vermittlung eine Einigung über die Engagements der einzelnen Kreditinstitute erzielen ließ, so dass schließlich am 25.09.2008 abends mündlich der Auftrag zur Durchführung des Premarketing-Tests erteilt wurde und am 26.09.2008 mit der Durchführung des Premarketing-Tests begonnen werden konnte. Der Beklagte spricht hier von einem "zähen Ringen" in schwierigen Verhandlungen. Aus der Anhörung des Beklagten ergibt sich demnach, dass er sich ab dem 19.09.2008 selbst dafür eingesetzt hat, dass ein Verkauf der Beteiligung an der U D H Bestandteil des Refinanzierungskonzepts wird.
Nach Auffassung der Kammer kommt es angesichts dieses zeitlichen Ablaufs nicht darauf an, ob der Aufsichtsrat später in seiner Sitzung vom 28.09.2008 in das schriftliche Protokoll den ausdrücklichen Hinweis aufnehmen ließ, dass der Verkauf unter allen Umständen vermieden werden solle. Denn dem lässt sich lediglich entnehmen, dass der Aufsichtsrat diesem Vorschlag zu jenem Zeitpunkt ablehnend gegenüber stand. Es folgt daraus aber nicht, dass ein Verkauf der Anteile an der U D H bereits ab Mitte September von vorneherein kategorisch auszuschließen gewesen wäre.
b) Während auf Vorstandsebene und mit den beteiligten Banken ein möglicher Verkauf zwecks Schließung der Finanzierungslücke intensiv erörtert wurde, hat demgegenüber der Pressesprecher der B AG, der Zeuge I, ab dem 22.09.2008 und insoweit zeitgleich gegenüber allen Journalisten und Nachrichtenagenturen, die eine entsprechende Anfrage an ihn in seiner Eigenschaft als Pressesprecher der B AG richteten, erklärt: "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen".
Dieser Satz war objektiv unrichtig. Denn es handelt sich um ein unmissverständliches kategorisches Dementi. Andere Deutungsmöglichkeiten lässt dieser Satz nicht zu. Dieser Satz kann nur so verstanden werden, dass ein Verkauf der Geschäftsanteile an der U D H unter keinen denkbaren Umständen in Betracht kommt. Gerade dies entsprach zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht der Wahrheit. Denn der Verkauf von "U D" wurde auf Vorstandsebene nicht etwa kategorisch ausgeschlossen, sondern - im Gegenteil - intensiv geprüft.
Dass dieses vehemente Dementi objektiv unrichtig war, wird zudem dadurch belegt, dass die B AG sich veranlasst sah, am Abend des 24.09.2008 durch eine Adhoc-Mitteilung eine "Klarstellung zu heutigen Pressemeldungen" zu veröffentlichen. In dieser sogenannten Klarstellung (Anlage K5) ist nun ausdrücklich davon die Rede, dass "im Zusammenhang mit der erzielten Verständigung über ein Refinanzierungskonzept die Struktur der Holding überprüft wird, und dass dies auch die Reduzierung der Beteiligungen an der L X GmbH und der U D H beinhalten kann." Dies, und nicht das kategorische Dementi, ist die richtige Kapitalmarktinformation.
2. Die Äußerung des Pressesprechers ist dem Beklagten zuzurechnen; er ist für diese falsche Information verantwortlich. Denn der Beklagte wusste, was der Zeuge I ab dem 22.09.2008 gegenüber der Presse und den Nachrichtenagenturen gesagt hat und er wusste auch, dass dessen Erklärungen objektiv unrichtig waren. Er hat diese Äußerungen gleichwohl nicht verhindert, obwohl er hierzu ohne Weiteres die Möglichkeit und die Verpflichtung gehabt hätte. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist dazu verpflichtet, zu verhindern, dass der Pressesprecher des Unternehmens objektiv unrichtige kursrelevante Tatsachen verbreitet. Wenn der Vorstandsvorsitzende selbst von einer fehlerhaften Mitteilung Kenntnis erlangt, ist er verpflichtet, unverzüglich für deren Richtigstellung Sorge zu tragen.
a) Aus der Vernehmung des Zeugen I ergibt sich zweifelsfrei, dass dem Beklagten bekannt war, was der Zeuge in seiner damaligen Eigenschaft als Pressesprecher der B AG auf zu erwartende Anfragen von Journalisten zu einem beabsichtigten Verkauf der Beteiligung an der U D H zu antworten beabsichtigte.
Der Zeuge I hat ausgesagt, er habe am 22., 23. und 24.09.2008 mit Kenntnis des Beklagten immer wieder das Gleiche gesagt, nämlich wörtlich: "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen".
Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Denn der Zeuge I hat auf E-Mail-Verkehr zwischen ihm und dem Vorstand Bezug genommen. Er hat aus diesem, vom Beklagten nicht bestrittenen, E-Mail-Verkehr wörtlich zitiert und den Ausdruck der E-Mails zur Einsichtnahme vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass der Zeuge am 22.09.2008 um 19.06 Uhr folgende Mail an den gesamten Vorstand, d.h. an den Beklagten, an Herrn E und an Herrn T geschrieben hat:
"Dear all, GBA Artikel von morgen. Ich bleibe bei meinem Dementi: "wir verkaufen U.D., auch nicht in Teilen".
Auf diese Mail hat dann Herr E um 20.10 Uhr geantwortet: "Lieber K.I., exakt so! Aber vor dem Komma würde ich noch ein "nicht" einfügen."
Herr T hat dies kommentiert mit: "Ja, ja, der gute alte Freud lässt grüßen".
Auch diese beiden E-Mails von Herrn T und von Herrn E hat der Beklagte unmittelbar zur Kenntnisnahme erhalten.
Der Beklagte selbst hat hingegen nicht auf diese E-Mails reagiert und davon abgesehen, deren Inhalt unverzüglich richtig zu stellen. Der Zeuge I hat zum weiteren Ablauf ausgesagt, dass er seit dem 22.09.2008, nachdem er mit dem Vorstand auf diesem Weg abgestimmt hatte, was er auf zu erwartende Anfragen von Journalisten zu einem etwaigen Verkauf von "U D" sagen sollte, immer wieder denselben Satz gesagt hat, nämlich:
"Wir verkaufen U D nicht, auch nicht in Teilen".
Dies habe er auf entsprechende Anfrage seit dem 22.09.2008 allen Journalisten und allen Nachrichtenagenturen mitgeteilt. Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen I ergibt sich, dass dies dem Beklagten bekannt war. Denn der Zeuge hat zur damaligen internen Organisation erläutert, dass alle Mitglieder des Vorstandes der B AG und alle Mitarbeiter, die mit Kommunikationsangelegenheiten befasst waren, untereinander mit Blackberrys verbunden waren. Dies bedeutet, dass sämtliche Äußerungen, die der Pressesprecher gegenüber Nachrichtenagenturen abgab, binnen weniger Minuten auch von sämtlichen Vorstandsmitgliedern einschließlich des Beklagten zu lesen waren. Der Zeuge I hat des Weiteren erläutert, dass solche Äußerungen, die er gegenüber anfragenden Journalisten abgegeben hat, am darauf folgenden Morgen in sogenannten internen "Clippings" zu sehen waren. Auch diese "Clippings" erhielten sämtliche Vorstandsmitglieder, mithin auch der Beklagte.
Der Zeuge I hat in sich widerspruchsfrei ausgeführt, dass er immer wieder dasselbe gesagt habe, nämlich "Wir verkaufen U D nicht, auch nicht in Teilen". Dieser Satz sei mindestens fünfzigmal zu lesen gewesen.
Das Gericht hält den Zeugen I für glaubwürdig. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge ein erhebliches Eigeninteresse daran hatte, gegenüber der im Gerichtssaal anwesenden Presse sein Verhalten in der Zeit vom 22.09. bis zum 24.09.2008 zu erklären. Der Zeuge hat dieses Anliegen von sich aus deutlich gemacht und auch seine persönliche Betroffenheit sehr authentisch geschildert. Er hat erklärt, dass es damals innerhalb des Unternehmens unterschiedliche Informationsstände gab und dass er aus diesem Grunde in Unkenntnis der tatsächlichen Situation ein falsches Dementi abgegeben hat.
Aus der Aussage des Zeugen I ergibt sich, dass der Beklagte ab dem 22.09.2008 wusste, welche Erklärungen sein Pressesprecher gegenüber Journalisten und Nachrichtenagenturen abgab.
Die Erklärungen des Beklagten anlässlich seiner persönlichen Anhörung, er habe dem Pressesprecher keine Anweisungen gegeben, er habe ihm auch nicht gesagt, was er auf etwaige Anfragen zu U D antworten solle, und es habe "keine Vorgaben vom Vorstand an den Pressesprecher gegeben, was zu U D zu kommunizieren sei" treffen angesichts dieser Zeugenaussage nicht den Kern. Vorzuwerfen ist dem Beklagten, dass er das strikte Dementi seines Pressesprechers "U D wird nicht verkauft" wissentlich duldete und dass er es unterlassen hat, die beabsichtigte Erklärung des Pressesprechers unverzüglich richtig zu stellen, obgleich ihm dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre.
b) Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, dafür Sorge zu tragen, dass die Presse nicht falsch informiert wird. Denn der Beklagte hätte nach Erhalt der E-Mail des Zeugen I am Abend des 22.09.2008 unmittelbar auf diese Mail reagieren können und reagieren müssen. Er hätte dem Zeugen I ohne Weiteres die Anweisung geben können, auf zu erwartende Anfragen von Pressevertretern zu dem Inhalt der Kreditvereinbarung und zu einem etwaigen Verkauf von "U D" keine näheren Angaben zu machen.
Dies ist nämlich genau diejenige Reaktion, die der Beklagte dem Zeugen I dann zwei Tage später, am 24.09.2008, vorgegeben hat. Einer E-Mail des Beklagten an den Zeugen I vom 24.09.2008 um 11.21 Uhr ist zu entnehmen, dass er den Zeugen I an diesem Tag per E-Mail aufgefordert hat: "Keine Aussagen zu dem Inhalt der Kreditvereinbarung und auch nicht zu UD!" Um 11.23 Uhr hat er dies dann wie folgt ergänzt: "Wir sollten jetzt wirklich auf jede weitere Presse verzichten! Es ist alles gesagt!"
Am 22.09.2008 hat der Beklagte jedoch zunächst gar nicht reagiert. Er hat bewusst in Kauf genommen, dass der Pressesprecher Journalisten und Nachrichtenagenturen falsch informiert und dass infolgedessen auch Anleger, die auf diese Informationen vertrauen, getäuscht werden.
c) Der Beklagte hatte eine Rechtspflicht zum Handeln. Der Rechtsgedanke von § 15 Abs. 2 S. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes, wonach unwahre Insiderinformationen unverzüglich zu berichtigen sind, findet hier entsprechende Anwendung. Dem Beklagten war die Unrichtigkeit und die Kursrelevanz der Mitteilung seines Pressesprechers bewusst (s. zum Vorsatz unter I. 6). Im Interesse der Vermeidung eines Schadens von potentiellen Kapitalanlegern oblag es ihm daher, für deren Richtigstellung zu sorgen.
Denn die objektiv unrichtige Erklärung des Pressesprechers "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen", war geeignet, den Börsenpreis der Aktie und damit das Anlegerverhalten erheblich zu beeinflussen. Die Frage, ob die B AG zur Schließung der Finanzierungslücke ihre Anteile an der U D H würde veräußern müssen, wurde damals in der Fachpresse intensiv erörtert. "U D" stellte die gewinnträchtigste Sparte des Konzerns dar, das Unternehmen wurde als "Ertragsperle" angesehen. Ein Verkauf der Anteile hätte zwar der B AG kurzfristig Liquidität verschafft und so die Anschlussfinanzierung gesichert. Er wäre jedoch voraussichtlich als Signal für existentielle finanzielle Schwierigkeiten der B AG bewertet worden. Die Nachricht über einen möglichen Verkauf wäre daher geeignet gewesen, sich negativ auf die Entwicklung des Aktienkurses auszuwirken.
Die Kammer hält es für sachgerecht, den Fall des Unterlassens einer gebotenen Richtigstellung einem positiven Tun gleichzustellen, ungeachtet dessen, dass nach der geltenden Rechtslage insoweit eine hinreichend konkret definierte Vorgabe des Gesetzgebers fehlt. Ein gewisser Anhaltspunkt dafür, dass bei einer falschen Kapitalmarktinformation auch ein Unterlassen grundsätzlich geeignet sein kann, Schadensersatzansprüche auszulösen, lässt sich nicht nur allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen entnehmen, sondern auch § 37 a des Diskussionsentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz; KapInHaG - E; abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff.). Nach der Entwurfsfassung sollte ein Verschweigen von bewertungsrelevanten Umständen in gleicher Weise wie ein positives Tun zur Auslösung eines Schadensersatzanspruchs geeignet sein.
Ein bloßes Verschweigen der internen Überlegungen zur Umsetzung des Restrukturierungskonzepts wäre zwar im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen, um eine Schadensersatzpflicht auszulösen. Der Beklagte dürfte nicht verpflichtet gewesen sein, von sich aus sämtliche internen Überlegungen zur Schließung der Finanzierungslücke mitzuteilen. Gerade mit Rücksicht darauf, dass die Durchführung eines Premarketing-Tests der Geheimhaltung bedarf, dürfte es nicht ohne Weiteres eine Verpflichtung gegeben haben, den Kapitalmarkt hiervon im Vorbereitungsstadium und ohne eine entsprechende Beschlusslage ungefragt in Kenntnis zu setzen. Der Vorwurf, dem sich der Beklagte ausgesetzt sieht, ist hier jedoch nicht, dass er eine Information verschwiegen hat, sondern dass er es unterlassen hat, eine ihm bekannte objektiv unwahre kursrelevante Information unverzüglich richtig zu stellen. Dieses Unterlassen ist geeignet, eine Haftung dem Grunde nach auszulösen.
d) Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der verbreiteten Mitteilung nicht um eine schriftliche, sondern lediglich um mündliche Kapitalmarktinformation handelte, die nicht der Beklagte selbst, sondern sein Pressesprecher auf entsprechende Anfrage von Journalisten erteilt hat. Ein Vergleich mit § 37 a Abs. 1 und 2 KapInHaG-E zeigt zwar, dass ein Mitglied eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans für mündliche Erklärungen der Konzeption des Diskussionsentwurfs zufolge nur dann persönlich haften sollte, wenn diese Erklärungen in Ansprachen oder Auskünften im Rahmen der Hauptversammlung oder einer vom Emittenten veranlassten Informationsveranstaltung abgegeben wurden. Dieser - hoch umstrittene - Entwurf, der zumindest eine Klarstellung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs bewirkt hätte, ist allerdings im Entwurfsstadium geblieben und hat keine Gesetzeskraft erlangt. Als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Kapitalmarktinformation gegen ein Vorstandsmitglied persönlich kommen daher weiterhin nur die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in Betracht. Diesen lässt sich eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass nur solche Erklärungen geeignet sein sollten, einen Schadensersatzanspruch auszulösen, die von einer bestimmten Person in einer bestimmten Form vor einem bestimmten Gremium abgegeben werden, nicht entnehmen.
Es wäre nach Auffassung der Kammer im Interesse des Schutzes der Kapitalanleger auch verfehlt, Pressemitteilungen eines Unternehmens - anders als Adhoc-Mitteilungen - grundsätzlich eine haftungsauslösende Wirkung abzusprechen (so der Tendenz nach OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2009, I - 22 U 2/09; zitiert nach juris). Es trifft zwar zu, das der Anleger Adhoc-Mitteilungen wegen ihrer Marktrelevanz stets besondere Aufmerksamkeit entgegenbringt und in deren Richtigkeit und Vollständigkeit vertraut (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz 32). In vergleichbarer Weise muss sich der Kapitalmarkt jedoch auf kursrelevante Informationen verlassen dürfen, die der Öffentlichkeit vom Pressesprecher eines Unternehmens nach Abstimmung mit dem Vorstand mitgeteilt werden. Denn der Pressesprecher hat die Aufgabe, die Unternehmenspolitik zu kommunizieren und die Öffentlichkeit den Vorgaben des Vorstandes entsprechend wahrheitsgemäß zu informieren. Der Kapitalmarkt muss auf die Richtigkeit dieser namens des Unternehmens abgegebenen Mitteilungen vertrauen können. Wenn nämlich die Verbreitung von unrichtigen kursrelevanten Tatsachen durch den Pressesprecher eines Unternehmens schon dem Grunde nach nicht geeignet wäre, persönliche haftungsrechtliche Konsequenzen des verantwortlichen Vorstandes auszulösen, bliebe die Verbreitung einer bewussten Fehlinformation oder das Unterlassen einer gebotenen Richtigstellung im Ergebnis sanktionslos. Zudem würde eine seriöse Presseberichterstattung erheblich erschwert. Die bewusste Verbreitung von unrichtigen kursrelevanten Tatsachen in Pressemitteilungen und das Unterlassen einer gebotenen rechtzeitigen Klarstellung ist daher haftungsrechtlich der Herausgabe von unrichtigen Adhoc-Mitteilungen gleichzustellen. Dies gilt hier um so mehr, als sich die B AG - zwei Tage später - selbst veranlasst sah, am Abend des 24.09.2008 eine "Klarstellung zu heutigen Pressemeldungen" in Form einer Adhoc-Mitteilung - gleichsam als "actus contrarius" - zu veröffentlichen.
4. Die objektiv unwahre Pressemitteilung ist ursächlich geworden für die Entscheidung der Kläger, am frühen Morgen des 24.09.2008 weitere 20.000 Aktien der B AG zu kaufen.
Den Beweis, dass eine irreführende Kapitalmarktinformation für eine Anlageentscheidung ursächlich gewesen ist, und dass er bei richtiger Information vom Aktienerwerb abgesehen hätte, hat der Anleger zu führen (st. Rspr., BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 218/03 = NJW 2004, 2971, 2972; BGH, Urt. v. 04.06.2007, II ZR 147/05 = NJW 2008, 76, 77; BGH, Urt. v. 03.03.2008, II ZR 310/06 = NJW-RR 2008, 1004, 1006; Wagner in Münch. Komm. z. BGB, 5. Aufl. 2009, § 826 BGB Rz 74 m.w.Nw.)
Diesen Beweis haben die Kläger erbracht. Die Kammer ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller entscheidungserheblichen Umstände davon überzeugt, dass die Kläger im Vertrauen darauf, dass dem Beklagten bei den Verhandlungen mit den beteiligten Kreditinstituten über die Refinanzierung des Unternehmens ein Durchbruch gelungen ist, der einen Verkauf der Beteiligung an der U D H nicht erforderlich macht, ihre Anlageentscheidung getroffen haben.
Dies ergibt sich aus folgenden Indizien:
a) Zwischen der Veröffentlichung der Information "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen" und dem Aktienerwerb bestand ein unmittelbarer, enger zeitlicher Zusammenhang.
Die Kläger haben in Kopie Pressemeldungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass in den Medien am frühen Morgen des 24.09.2008 Mitteilungen veröffentlicht wurden, wonach "U D" nicht verkauft werden sollte. So wurde an jenem Tag beispielsweise über GBA.NET die Erklärung des Pressesprechers verbreitet: "U D ist nach wie vor ein Teil des Konzerns und wird es auch bleiben. Wir verkaufen U D nicht". Unter c.BSE.de war am 24.09.2008 um 9.08 Uhr zu lesen: "B ist gerettet". In diesem Beitrag ist ausgeführt: "Zu Spekulationen, ob der Konzern möglicherweise Anteile von U D-Aktien an die Banken verpfänden muss, sagte ein Unternehmenssprecher: U D ist nach wie vor Teil des Konzerns und wird es auch bleiben. Wir verkaufen D nicht."
Das Gericht ist aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass er von diesen Meldungen unmittelbar vor Aktienerwerb um 9.53 Uhr und um 9.54 Uhr Kenntnis erlangt hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Klägervertreter in der Klageschrift zunächst lediglich auf einen Artikel aus GBA.NET Bezug genommen hat, der am Morgen des 24.09.2008 erst um 10.10 Uhr freigeschaltet worden war. Denn der Klägervertreter hat hierzu erläutert, dass er diesen Artikel lediglich zum Beleg dafür beigebracht habe, dass die Pressemitteilungen am 24.09.2008 im Ergebnis zu einem Kursanstieg der Aktie um bis zu 20% geführt hätten. Der Kläger selbst hat in seiner persönlichen Anhörung zu seinen Informationsquellen ergänzend ausgeführt, er sei über H news und g.de nach Eingabe des Suchbegriffs "B" mit denjenigen Seiten verlinkt worden, die sich mit diesem Thema befasst hätten. Er nehme sowohl einen Push-Service als auch RSS-Feeds in Anspruch, um stets auf dem aktuellsten Informationsstand zu sein. Infolgedessen habe er die maßgebliche Information "Wir verkaufen U D nicht" letztlich über c.BSE.de erhalten. Die Kammer hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der beruflich versierte Kläger die technischen Möglichkeiten einer stets aktualisierten Informationsbeschaffung optimal nutzt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger die über c.BSE.de bereits um 9.08 Uhr veröffentlichte Information zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs um 9.53 Uhr und um 9.54 Uhr kannte. Dieser unmittelbare zeitliche Zusammenhang ist ein Indiz dafür, dass die dem Beklagten zuzurechnende Information für die Anlageentscheidung ursächlich war.
b) Der Kläger hat zudem plausibel nachvollziehbar dargelegt, welche Rückschlüsse er aus dieser Information gezogen hat und weshalb er seine Anlageentscheidung darauf gestützt hat. Der Kläger hat hierzu anlässlich seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, die Nachricht, B werde die Refinanzierung ohne den Verkauf von "U D" gelingen, sei für ihn das Signal gewesen sei, das ihn am 24.09.2008 zum Aktienkauf veranlasst habe. Vor dem Hintergrund, dass sich der Beklagte zudem bereits kurze Zeit zuvor in einem Interview des Us positiv über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens geäußert habe, sei er von einer sogenannten "Turnaround-Situation" ausgegangen. Diese Schlussfolgerung hat der Kläger als erfahrener, gut informierter Kapitalanleger getroffen. Die Kammer glaubt dem Kläger, dass er aufgrund seiner Erfahrungen im Aktiengeschäft in der Lage ist, den Aktienmarkt zu analysieren und aufgrund von allgemein zugänglichen Kapitalmarktinformationen begründete Rückschlüsse zu ziehen. Der Kläger hat hierzu näher erläutert, dass er sich seit seinem sechzehnten Lebensjahr mit diesem Metier befasst. Bereits als er Anfang Zwanzig war, hatte er für eine Münchener Tageszeitung den "Börsenkasten" verfasst. Er informiere sich jeden Morgen über die Neuigkeiten an der Börse. Die Kammer ist angesichts dessen davon überzeugt, dass die Kaufentscheidung des Klägers, der die Aktien für sich und seine Frau erworben hat, das Ergebnis einer auf konkreten Kapitalmarktinformationen beruhenden eigenen Analyse war.
c) Der Kläger hat zudem belegt, dass zum damaligen Zeitpunkt professionell mit der Analyse von Kapitalmarktinformationen befasste Dritte seine Einschätzung geteilt haben. Er hat konkret Bezug genommen auf die Einschätzung eines Analysten von "Independant Research". Dieser hat am 24.09.2008 um 15.10 Uhr genau dieselbe Bewertung vorgenommen wie der Kläger am Morgen desselben Tages. Unter Bezugnahme auf die Mitteilung, dass sich "B nicht von Anteilen an der Touristiktochter U D trennen werde" hat dieser Analyst ausgeführt: "die Bekanntgabe werde bei den Anlegern für Erleichterung sorgen". Unter anderem mit Rücksicht auf diese Information hat der Analyst am 24.09.2008 ein "Kaufen-Votum" für B-Aktien abgegeben.
d) Schließlich belegt auch das Verhalten des Klägers nach dem Aktienerwerb und der sich daraus ergebenden Verluste, dass er seine Kaufentscheidung auf vom Beklagten zu verantwortende Informationen gestützt hat. Denn der Kläger hat sich bereits im Oktober 2008, also in nahem zeitlichen Zusammenhang zu dem Aktiengeschäft, schriftlich an den Beklagten persönlich gewandt und ihm gegenüber dargelegt, dass er nicht in die B AG investiert hätte, wenn er statt der positiven öffentlichen Äußerungen rechtzeitig Informationen zur notwendigen Restrukturierung des Konzerns und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung erhalten hätte. Diese Zusammenhänge hat er im Januar 2009 erneut in einem an den Beklagten gerichteten Schreiben geschildert. Auch die zeitnahe wiederholte schriftliche Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche indiziert im vorliegenden Fall, dass der Kläger auf die öffentlichen Informationen des Beklagten vertraut und in diesem Vertrauen seine Anlageentscheidung getroffen hat.
e) Es kommt hinzu, dass der Kläger anlässlich von zwei persönlichen Anhörungen vor Gericht die vorgenannten Umstände kontinuierlich in derselben Weise dargelegt hat. Das Gericht hat angesichts dessen, dass es bereits aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung der vorgenannten Beweisanzeichen davon überzeugt ist, dass die dem Beklagten zuzurechnenden Äußerungen des Pressesprechers für die Anlageentscheidung ursächlich waren, keinen Anlass gesehen, den Kläger ein drittes Mal im Rahmen einer Parteivernehmung zu diesem Komplex zu befragen.
f) Die Kammer hält demgegenüber das Argument des Beklagten, die Kausalität zwischen der Mitteilung des Pressesprechers und dem Aktienerwerb sei deswegen zu verneinen, weil im Ergebnis die Beteiligung an der U D H nicht verkauft worden sei und trotzdem ein Refinanzierungskonzept erfolgreich zustande gekommen sei, nicht für stichhaltig. Denn die Beteiligung wurde - der Einschätzung des Beklagten anlässlich seiner persönlichen Anhörung zufolge - entgegen der ursprünglichen Planung nur deshalb nicht verkauft, weil die öffentliche Erörterung dieser Möglichkeit zu einem erheblichen Kursverlust der U D - Aktie geführt hat. Allein aus diesem Grunde konnte die ursprüngliche Konzeption nicht mehr umgesetzt werden. Das Ziel, einen Betrag von ca. 1,1 Milliarden Euro durch den Verkauf zu realisieren, konnte nicht mehr erreicht werden. Diese nachträgliche Entwicklung hat für die Frage der Kausalität zwischen Kapitalmarktinformation und Aktienerwerb, bei der es auf den Zeitpunkt der Kaufentscheidung ankommt, keine Bedeutung.
5. Die Kläger haben infolge des Aktienerwerbs einen finanziellen Schaden erlitten. Sie haben die im September 2008 erworbenen Aktien nach massiven Kurseinbrüchen im November 2008 mit erheblichem Verlust verkauft.
6. Der Beklagte hat vorsätzlich gehandelt. Ihm war bewusst, dass die Mitteilung seines Pressesprechers objektiv unrichtig war. Dies wird bereits durch die als "Klarstellung" bezeichnete Adhoc-Mitteilung vom Abend des 24.09.2008, in der bekannt gegeben wurde, dass die Struktur der Holding einschließlich einer möglichen Reduzierung der Beteiligungen an der L X GmbH und der U D H überprüft wird, indiziert.
Dem Beklagten war auch bewusst, dass die objektiv unrichtige Erklärung seines Pressesprechers geeignet war, den Börsenpreis der Aktie und damit das Anlegerverhalten erheblich zu beeinflussen. Der mit den Marktmechanismen bestens vertraute Beklagte hat damit gerechnet, dass die Information über einen möglichen Verkauf der gewinnträchtigsten Sparte des Konzerns geeignet gewesen wäre, den Aktienkurs negativ zu beeinflussen. Er hat es in Kenntnis dieser Zusammenhänge bewusst unterlassen, die unrichtige Erklärung seines Pressesprechers unverzüglich richtig zu stellen und deren Verbreitung zu verhindern. Es handelte sich zwar insoweit nicht um eine mit diesem abgestimmte gemeinsame Strategie; der Beklagte hat dem Zeugen I insbesondere nicht selbst konkrete Formulierungen vorgegeben. Der Inhalt der E-Mail "U D wird nicht verkauft, auch nicht in Teilen" passte jedoch sehr gut in das Konzept des Beklagten, die wirtschaftliche Situation des Konzerns in der Öffentlichkeit möglichst günstig erscheinen zu lassen und sich zur Realisierung dieses Vorhabens der Medien zu bedienen. Dies war dem Beklagten seinen eigenen Angaben zufolge gerade zu jenem Zeitpunkt ein vordringliches Anliegen. In dem Bewusstsein einer "sehr aufmerksamen Pressebegleitung" und angesichts von Zeitschriftenartikeln, in denen über eine etwaige Insolvenzgefahr des Unternehmens spekuliert worden war, hatte der Beklagte wenige Tage zuvor dem U ein Interview gegeben, das von der Intention getragen war, ein möglichst positives Signal zu setzen. Dieser Intention entsprechend hat sich der Beklagte die Erklärung seines Pressesprechers, der unwissentlich etwas Falsches erklärt hat, zunutze gemacht, weil diese Erklärung geeignet war, die öffentliche Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und damit das Anlegerverhalten günstig zu beeinflussen. Gerade weil der Beklagte negative Folgen für die Aktienkurse der B AG und der U D H befürchtete, und weil er das von ihm angestrebte Sanierungskonzept bei einer wahrheitsgemäßen Information gefährdet sah, hat er die Angaben seines Pressesprechers nicht unverzüglich richtig gestellt.
Dabei hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass es infolge der falschen Angabe zu Wertpapierkäufen auf fehlerhafter Tatsachengrundlage kommen wird. Dies genügt im Rahmen des § 826 BGB für die Annahme eines Eventualvorsatzes. Der Beklagte brauchte nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen geschädigt werden. Denn es reicht aus, dass der Täter die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; so schon RGZ 55, 60; BGH Urt. v. 20.11.1990 - VI, ZR 6/90; BGH Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02 = NJW 2004, 2971, 2973).
7. Dieses Unterlassen der rechtzeitigen Richtigstellung einer falschen Kapitalmarktinformation ist sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB.
Das Verhalten eines Kontrollorgans eines Unternehmens ist dann als objektiv sittenwidrig anzusehen, wenn das Gesamtbild eines Vorganges signifikant den Grundanschauungen über den loyalen Umgang im Rechtsverkehr widerspricht (BGH, NJW 1981, 2184, 2185 ; Reichert/Weller, ZRP 2002, 49, 53). Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens kann sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02 = NJW 2004, 2971, 2973; BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 217/03 = NJW 2004, 2668, 2670; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2009, I - 22 U 2/09; zitiert nach juris).
Der Sittenwidrigkeitsvorwurf ergibt sich hier bereits daraus, dass der Beklagte das Vertrauen der Fachöffentlichkeit und des Kapitalmarktes in die Richtigkeit der Informationspolitik seines Unternehmens enttäuscht hat. In der Fachpresse wurde das hartnäckige Dementi eines möglichen Verkaufs der Unternehmenstochter "U D" und die plötzliche Herausgabe einer Adhoc-Mitteilung gegenteiligen Inhalts zu Recht als "Mega-Kommunikations-Gau" bezeichnet. Die besondere Verwerflichkeit seines Handelns folgt zudem aus dem Begleitumstand, dass der Beklagte seinen eigenen Pressesprecher bewusst in der Öffentlichkeit dem Verdacht der Unglaubwürdigkeit preisgegeben hat. Der Zeuge I hat in seiner zeitweise beklemmendauthentischen Aussage die negativen Konsequenzen für seine berufliche Weiterentwicklung glaubhaft geschildert. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust folgt gleichsam reflexhaft dem Verlust des Vertrauens in die Informationspolitik des Unternehmens, dem der Beklagte damit geschadet hat.
Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob das Verhalten des Beklagten möglicherweise primär davon motiviert war, die Sanierung des angeschlagenen Unternehmens zu fördern. Denn zu beanstanden ist der zwecks Erreichung dieses Ziels eingeschlagene Weg.
Die Kammer hält es im Ergebnis nicht für entscheidungsrelevant, ob der Beklagte zumindest auch aus eigennützigen Motiven gehandelt haben könnte. Es kann dahin stehen, dass die Kläger ein eigenes Interesse des Beklagten an der Erholung des Aktienkurses nicht hinreichend konkret dargelegt haben, da ihre Ausführungen zu Beteiligungen des Beklagten an mehreren Fonds der F H und zu Grundstückstransaktionen, die von dieser Gruppe zu Lasten Dritter veranlasst worden seien, nicht näher konkretisiert wurden.
Denn die Kammer teilt die in der Literatur vertretene Rechtsauffassung, wonach bereits die vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Kapitalmarktes als solche sittenwidrig ist. Eigennütziges Verhalten unterstreicht zwar die besondere Verwerflichkeit des Tuns, ist jedoch keine Voraussetzung derselben (vgl. Krause, ZGR 2002, 799, 822; Fleischer, DB 2004, 2031, 2033; offen gelassen OLG Frankfurt/M. Urt. v. 17.03.2005, I U 149/04 = ZIP 2005, 710, 712; a. A. Spindler, WM 2004, 2089, 2092). Danach begründet eine bewusste Täuschung prinzipiell das Sittenwidrigkeitsurteil, unabhängig von den Beweggründen. Denn ein Vorstandsmitglied kann nicht berechtigt sein, nach eigenem Belieben darüber zu entscheiden, welche Ziele eine Irreführung des Kapitalmarktes legitimieren könnten (Krause, ZGR 2002, 799, 822). Der Schutz des Vertrauens der Kapitalanleger in die Richtigkeit einer vom Pressesprecher eines Unternehmens gegenüber der Presse und damit gegenüber der Öffentlichkeit abgegebenen Erklärung verdient Vorrang.
Dementsprechend kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die - inhaltlich zutreffende - Adhoc-Mitteilung vom Abend des 24.09.2008 sowohl die Durchführung des Premarketing-Tests behindert als auch den Kurs der Aktie extrem negativ beeinflusst habe. Denn Kapitalanleger sind auch und gerade dann richtig zu informieren, wenn eine mitzuteilende Tatsache geeignet ist, Kursverluste herbeizuführen.
Die Kammer teilt daher die Einschätzung des Beklagten nicht, die Verlautbarung des Pressesprechers, "U D" werde nicht verkauft, sei "alternativlos" gewesen. Die Ad-Hoc-Mitteilung vom 24.09.2008 belegt, dass es durchaus eine Alternative, nämlich die wahrheitsgemäße Information der Öffentlichkeit, gab.
8. Der Beklagte hat den Klägern den adäquatkausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Höhe nach ist dieser Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf Naturalrestitution gerichtet. Der Beklagte hat denjenigen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Naturalrestitution ist nicht durch die besonderen aktienrechtlichen Vorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr, § 57 AktG, und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien, § 71 AktG, begrenzt oder ausgeschlossen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2008, II ZR 310/06 = NJW-RR 2008, 1004 m.w.Nw.). Die Kläger haben daher grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen Übergabe der gekauften Aktien. Wenn diese - wie hier - bereits verkauft sind, besteht der Schadensersatzanspruch in der Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufserlös (BGH Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02 = BGH, NJW 2004, 2971, 2072; OLG Frankfurt/M. Urt. v. 17.03.2005, I U 149/04 = ZIP 2005, 710, 711).
Hier hätten die Kläger die Aktien am 24.09.2008 nicht erworben. Der Schaden besteht daher in der Differenz zwischen dem Kaufpreis von 3,65 € und dem Verkaufspreis von 2,62 €; bezogen auf 2500 Aktien ergibt dies den eingeklagten Betrag von 2.575,- €.
Die Kläger trifft kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Ob dem geschädigten Anleger unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht überhaupt eine Kursbeobachtungs- und Verkaufspflicht bei Kursveränderungen aufzuerlegen wäre, kann dahin stehen (offen gelassen in BGH Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02 = NJW 2004, 2971, 2974). Denn die Kläger haben hier im Ergebnis durch die Veräußerung der Aktien den Schaden gemindert. Der Umstand, dass sich der Aktienkurs danach auf bis zu 3,62 € erholt hat, ist nicht den Klägern anzulasten, da Prognosen über die zukünftige Kursentwicklung gerade angesichts der hohen Volatilität der Aktie nicht zuverlässig zu treffen waren. Bei einer längerfristigen Betrachtung wäre der Verlust jedenfalls deutlich höher ausgefallen, wenn die Kläger die Aktien vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B AG nicht veräußert hätten.
9. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB.
II. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Der Beklagte haftet für seine Erklärungen anlässlich des Interviews, das er am 16.09.2008 dem U gegebenen hat, nicht gemäß § 826 BGB. Denn aus dem Gesamtzusammenhang der in diesem Interview enthaltenen Äußerungen ergibt sich ohne Weiteres, dass der Beklagte zu jenem Zeitpunkt eine verbindliche Aussage über die konkrete Durchführung der Anschlussfinanzierung weder treffen konnte noch wollte. Dies folgt schon daraus, dass der Beklagte unmittelbar zu Beginn des Interviews unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Verhandlungen über die Finanzierung noch nicht abgeschlossen waren. Der Beklagte hat direkt auf die einleitende Frage der Journalisten, wie es jetzt weitergehe, zuerst geantwortet: "Wir haben in dieser Woche eine weitere Verhandlungsrunde". Ein verständiger Leser konnte aufgrund dieser Erklärung erkennen, dass die Verhandlungen über die Schließung der Finanzierungslücke noch nicht abgeschlossen waren und dass noch keine verbindliche Aussage über den Inhalt der angestrebten Vereinbarung getroffen werden konnte.
Nach Auffassung der Kammer lässt die Antwort des Beklagten auf die Frage, ob er nicht doch "über eine Kapitalerhöhung nachdenken" müsse, zudem verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Dies liegt daran, dass bereits der Sinn der Frage nicht ganz eindeutig zu erfassen ist. Auch die Parteien vertreten unterschiedliche Auffassungen dazu, wie die Frage der Journalisten zu verstehen ist. Die Kläger meinen, die Frage habe darauf abgezielt, ob mit einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital zu rechnen sei. Denn eine Kapitalerhöhung aus Bareinlagen, die eine Platzierung der Aktien am Markt beinhaltet, sieht nach den Vorschriften des Aktiengesetzes zwingend die vorherige Durchführung einer Hauptversammlung vor und erfordert dementsprechend einen zeitlichen Vorlauf von mehr als fünf Wochen; sie habe daher bis zum 30.09.2008 nicht mehr realisiert werden können. Daraus ergebe sich, dass die Journalisten ihre Frage auch nicht in diesem Sinne gemeint hätten.
Der Beklagte hat demgegenüber erklärt, nach seinem Verständnis habe sich die Frage gerade auf diese breit angelegte Kapitalerhöhung bezogen, für die ein gesonderter Hauptversammlungsbeschluss erforderlich gewesen wäre. Auf die von ihm so verstandene Frage habe er geantwortet "So ein Quatsch". Denn für ihn sei klar gewesen, dass eine derartige Kapitalerhöhung den Vorgaben des Aktiengesetzes entsprechend bis zum 30.09.2009 schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr hätte umgesetzt werden können.
Angesichts dieser unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten lässt sich weder eindeutig feststellen, wie die Frage der Journalisten gemeint war, noch, wie der Beklagte diese Frage verstanden hat, oder gar, ob der Beklagte die Frage der Journalisten möglicherweise missverstanden hat. Die Antwort "So ein Quatsch" ist durchaus nachvollziehbar, wenn der Beklagte damit zum Ausdruck bringen wollte, dass eine Kapitalerhöhung unter Platzierung der Aktien am Markt schon zeitlich nicht mehr möglich war, so dass es unsinnig wäre, eine derartige Frage überhaupt zu stellen.
Da im weiteren Verlauf des Interviews weder eine Klarstellung der Frage noch eine Klarstellung der Antwort erfolgte, können nach Auffassung der Kammer aus dieser Äußerung des Beklagten keine zuverlässigen Schlüsse gezogen werden.
Eine persönliche Haftung des Beklagten für Erklärungen anlässlich dieses Interviews ergibt sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man weitere, möglicherweise als "überoptimistisch" zu bewertende Angaben des Beklagten in die Gesamtbewertung einbezieht. Denn die Einschätzungen "Wir schaffen es aus eigener Kraft" und "unser Aktienkurs ist viel zu niedrig" sind wenig konkret und lassen keinen objektivierbaren Rückschluss auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu. Derartig allgemein gehaltene Äußerungen, die keinen hinreichend objektivierbaren Tatsachenkern enthalten, sind nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB auszulösen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
LG Essen:
Urteil v. 05.05.2011
Az: 4 O 244/09
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