Landgericht München I:
Urteil vom 25. Juni 2009
Aktenzeichen: 7 O 4139/08
(LG München I: Urteil v. 25.06.2009, Az.: 7 O 4139/08)
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Klägern nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, über den Dienst M unter der Domain www.m...de Musikwerke, hinsichtlich derer die Beklagte die Rechte zur mechanischen Vervielfältigung behauptet wahrzunehmen, zu vervielfältigen. Ausgenommen sind die nachbenannten Musikstücke:
James BluntSame MistakeMy Chemical Romance TeenagersBloc PartyFluxAmy WinehouseRehabAmy WinehouseYou know Pm no goodAmy WinehouseTears Dry on their ownBullet for my Valentine Scream aim FireDepeche ModePersonal JesusDepeche ModeDream OnDepeche ModeEnjoy the silenceQueenWe are the ChampionsQueenWe will rock youQueenAnother one bites the dust QueenBohemian RhapsodyII. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist für die Klägerin in Ziff. III. vorläufig vollstreckbar. Sie hat vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages zu leisten.
Beschluss
Der Streitwert der Klage wird bis zur Erledigterklärung im Termin auf 5.000.000 Euro festgesetzt, für die Zeit danach auf 4.000.000 Euro.
Der Streitwert der Widerklage wird auf 140.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr bestimmte urheberrechtliche Nutzungen nicht untersagen darf. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte von der Klägerin die Unterlassung des Vorhaltens von 14 Musikstücken auf der Internetseite der Klägerin.
Die Klägerin mit Sitz in Bukarest betreibt unter der Internet-Adresse " www.m...de " den durch Werbeeinnahmen finanzierten Internetdienst M... Auf dieser Internetseite waren im Januar 2009 5,41 Millionen Videos eingestellt und es werden täglich mehrere tausend Videos neu eingestellt. Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der P-Gruppe.
Der Internetauftritt der Klägerin ist so gestaltet, dass jedermann Videos einsteilen kann, wenn er sich zuvor als Nutzer hat registrieren lassen. Im Rahmen der Registrierung (Anlage K 4) muss jeder Nutzer zwingend die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin akzeptieren. In 5.1. der AGB (Bl. 3 f. der Anlage K 5) ist ausgeführt, dass "Die Verantwortung für sämtliche Informationen... ausschließlich und uneingeschränkt bei der Person, von der ein solcher Inhalt stammt" liegt. Nach der Registrierung bekommt der Nutzer ein Nutzerkonto zugewiesen. Über dieses Nutzerkonto kann er Videodateien auf einen von der Klägerin betriebenen Server einsteilen. Das Einstellen der einzelnen Videos auf die Internetseite der Klägerin erfolgt in einem automatisierten Verfahren. Von diesem Server können dann beliebige andere Nutzer die Videos, die auf der Internetseite " www.m...de " angeboten werden, abrufen. Die Klägerin verwendet dabei die Technik des "Streaming". Eine Download-Möglichkeit bietet sie nicht an.
Die Beklagte ist ein Joint Venture zwischen der deutschen Verwertungsgesellschaft X und der britischen Verwertungsgesellschaft Y, Sie wurde im Januar 2006 gegründet. Sie nimmt für sich in Anspruch, die mechanischen Vervielfältigungsrechte an dem angloamerikanischen Repertoire der E-Publishing wahr zu nehmen (Bl. 102 f.; vgl. Anlage K 22: Eigendarstellung der Beklagten; Anlage K 39: Auszug aus "Recht und Praxis der X", 2. Aufl.). Die Gründung der Beklagten wurde beim Bundeskartellamt angemeldet (am 24.07.2007 und 02.11.2007). Mit Schreiben vom 30.11.2007 (B 28) teilte das Bundeskartellamt mit, dass nicht von einer Anmeldepflicht nach dem GWB auszugehen sei. Es wurde Gelegenheit gegeben, die Anmeldung zurückzunehmen. Die Beklagte behauptete, dass sie zur Zeit allein die mechanischen Vervielfältigungsrechte im Online-Bereich der angloamerikanischer Künstler habe, welche bei der E-Music Publishing Ltd. unter Vertrag stünden. Andere Rechte würde sie nicht geltend machen.
Die Beklagte hatte im Jahr 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Zulassung als Verwertungsgesellschaft nach § 1 UrhWG beantragt. Auf ein Schreiben des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 07.02.2007 (B 3) zog die Beklagte ihren Zulassungsantrag zurück. In diesem Schreiben wird ausgeführt:
".. .nach den mir zur Zeit vorliegenden Informationen wird die C-GmbH ... derzeit nicht treuhänderisch tätig, ich halte deshalb zurzeit C nicht für eine Verwertungsgesellschaft, die für ihre Tätigkeit der Erlaubnis des Deutschen Patent- und Markenamtes nach § 1 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) bedarf. ..."
Am 28.11.2008 (K 29) schloss die S GmbH mit der X eine Vereinbarung für die Internetseite "M...de" für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 31.03.2009, wonach sie einen Betrag von 500.000 Euro zzg. Umsatzsteuer zu zahlen hat. in der Vereinbarung heißt es:
"§ 1. Vertragsgegenstand
(1) Die X nimmt Rechte am Weltrepertoire urheberrechtlich geschützter Musikwerke wahr, die ihr von den Berechtigten selbst oder über ihre ausländischen Schwestergesellschaften, z.B. über Gegenseitigkeitsverträge, zur Wahrnehmung und Verwaltung übertragen wurden oder künftig übertragen werden. Von dieser Vereinbarung umfasst ist das Weltrepertoire ohne das von CELAS beanspruchte Repertoire der anglo-amerikanischen mechanischen EMi-Rechte. Nachfolgend wird dieses Repertoire als "X-Repertoire" bezeichnet"
§ 2 Rechteeinräumung
(1) Dem Lizenznehmer wird ... das nicht ausschließliche Recht eingeräumt... Werke des X-Repertoires ausschließlich für die Plattform zu verwenden. Die eingeräumten Rechte umfassen im Einzelnen:
- Das Recht, Werke des X-Repertoires in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art einzubringen (Vervielfältigungsrecht).
- Das Recht, Werke des X-Repertoires, die In Datenbanken, Dokumenta-tionssystemen oder in Speichern ähnlicher Art (z.B. Serverrechnern) eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise an die Endnutzer zugänglich zu machen (Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG)
- Die Wahmehmbarmachung der Werke des X-Repertoires durch den Endnutzer auf dem heimischen PC oder anderen Endgeräten (Verviel-fäitlgungsrecht)
- ..."
Am 24725.09/01.10.2008 habe die Klägerin mit der E-Publishing Germany GmbH & Co KG einen Vertrag geschlossen, der die Rechtsbeziehungen dieser beiden Vertragsparteien bis zu einer endgültigen Klärung des vorliegenden Rechtsstreits regeln solle. Der genauere Inhalt dieser Vereinbarung unterliege einer Verschwiegenheitsvereinbarung und könne deshalb nicht vorgetragen werden.
Mit Email vom 11.12.2007 (K 8) wandte sich die Beklagte unter Bezugnahme auf vorangegangene Gespräche an die Klägerin und regte die Aufnahme von Lizenzverhandlungen an, welche bis Ende Januar 2008 abgeschlossen sein sollten. Mit Email vom 07.02.2008 bot die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen Vergleich an (K 9), wonach die Klägerin für das Jahr 2007 eine Lizenzgebühr von 7,35 Mio. Euro zahlen solle. Für das Jahr 2008 bot die Beklagte eine Einigung für den Fall einer Zahlung in gleicher Größenordnung an. Eine Einigung wurde in der Folgezeit nicht erzielt.
Die Klägerin behauptet, dass sie keine Kenntnis habe, weiche Inhalte die Nutzer auf die klägerische Homepage stellten. Der Vorgang des Einstellens als solcher sei rein technischer Natur. Soweit sie Kenntnis von Rechtsverletzungen erhalte, prüfe sie dies und veranlasse gegebenenfalls eine Löschung. Bei schwiegenden, insbesondere wiederholten Rechtsverstößen, würden Nutzer auch ausgeschlossen. Um eine effektive Kontrolle sicherzustellen, habe sie ein Meldeverfahren in ihre Homepage integriert, die es ermöglichte, Rechtsverletzungen zu beanstanden. Der Einsatz von Filterprogrammen sei nicht möglich. Funktionierende Filterprogramme seien nicht auf dem Markt erhältlich (Bl. 24; 94 f.).
Die Qualität der Tonspur der eingestellten Videos sei so schlecht, dass sie keinen Ersatz zum Erwerb von Tonträgern mit entsprechenden Musikwerken darstellten.
Die Klägerin ist 6er Ansicht, dass die Beklagte aus zwei Gründen nicht aktivlegitimiert ist. Zum einen sei die Beklagte nicht Inhaberin der einschlägigen mechanischen Rechte. Diese seien noch bei der X. Zum anderen sei die Beklagte eine Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 UrhWG. Sie habe aber nicht die entsprechende Zulassung. Nach § 1 Eil S.1 UrhWG könne sie allein deshalb die streitgegenständlichen Rechte nicht geltend machen. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass sie keine Verwertungsgesellschaft sei, da sie nicht die Rechte "mehrerer Urheber" vertrete, könne sie damit nicht gehört werden. Selbst wenn tatsächlich alle Rechte hinsichtlich der von mehreren Künstlern geschaffenen Werke bei E-Publishing Europe Ltd. gelegen hätten, dann sei das Tatbestandsmerkmal "mehrere Urheber" erfüllt. Denn die Rechte seien abgeleiteter Natur. Ansonsten könne durch Abtretungen eine Monopolstellung geschaffen werden, die § 1 UrhWG gerade verhindern wolle (Bl. 15 ff). Im Übrigen sei auf die eigene Darstellung der Beklagten unter www.celas.eu zu verweisen, aus denen sich ergäbe, dass die Beklagte nicht nur Rechte der E eingeräumt bekommen habe.
Nach Ansicht der Klägerin könnten Aufführungsrechte allein über die Gegenseitigkeitsabkommen der Verwertungsgesellschaft vermittelt werden.
Die Klägerin sei hinsichtlich etwaiger Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer nicht passivlegitimiert. Eine rechtswidrige Vervielfältigung von Seiten der Klägerin liege nicht vor, da der Upload auf den Server der Klägerin von den Nutzern vorgenommen werde. Die Klägerin als sog. Host-Provider stelle nur den nötigen Speicherplatz zur Verfügung (vgl. Nr. 6.1, 6.2 der AGB gemäß K 5). In Bezug auf die öffentliche Zugänglichmachung liege im Hinblick auf § 44 a UrhG keine relevante Vervielfältigung vor. Im übrigen werde die Vervielfältigung durch die Vergütung für die öffentliche Zugänglichmachung abgegolten (Bl. 85 f.). Sie würde selbst keine Inhalte ins Internet stellen und sei deshalb nicht Täterin. Auch eine Störerin sei sie nicht, da sie das Maß der ihr zumutbaren Prüfungspflichten einhalte.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte könne die behaupteten mechanischen Vervielfältigungsrechte im Online-Bereich nicht geltend machen. Andernfalls würde eine unzulässige Aufspaltung eines einheitlichen Rechts vorliegen. Hilfsweise sei das Verhalten der Beklagten auch kartellrechtswidrig, da die Beklage eine marktbeherrschende Stellung habe. Sie habe einen Marktanteil von 28 %.
Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass sich die Beklagte eines Unterlassungsanspruchs berühme.
Zuletzt beantragte die Klägerin zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, Musikwerke, hinsichtlich derer - mit Ausnahme der in der Anlage B1 benannten Werke - die Beklagte die Rechte zur mechanischen Vervielfältigung behauptet, wahrzunehmen, zu vervielfältigen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung
und stellt mit der Widerklage folgenden Antrag:
Die Klägerin ist verpflichtet, unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung, es zu unterlassen, im Rahmen des Betriebs des Internetportals www.m...de die in der Anlage B 1 genannten, zum Repertoire der Beklagten gehörenden Musikwerke in vervielfältigter und abgespeicherter Form zum Zwecke der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit auf den für den Betrieb des Portals erforderlichen und bestimmten Servern vorzuhalten oder durch Dritte vorhalten zu lassen.
Die Klägerin beantragt:
Abweisung der Widerklage.
In der Anlage B1 sind folgende Werke benannt:
1. James BluntSame Mistake2. My Chemical Romance Teenagers3. Bloc PartyFlux4. Amy WinehouseRehab5. Amy WinehouseYou know fm no good6. Amy WinehouseTears Dry on their own7. Bullet for my ValentineScream aim Fire8. Depeche ModePersonal Jesus9. Depeche ModeDream On10. Depeche ModeEnjoy the silence11. QueenWe are the Champions12. QueenWe will rock you13. QueenAnother one bites the dust 14. QueenBohemian RhapsodyDie Beklagte behauptete ursprünglich, dass sie die mechanischen Rechte im Onlinebereich bezogen auf das anglo-amerikanische Repertoire der E-Publishing Europe Ltd. für den europäischen Raum exklusiv innehabe. Am 12.02.2009 habe der Geschäftsführer der Beklagten mit jemandem von der Europäischen Kommission gesprochen. In diesem Gespräch sei mitgeteilt worden, dass die Kommission davon ausgehe, dass die Beklagte fortan auf nicht-exklusiver Basis tätig werden würde. Dieser Einschätzung habe sich die Beklagte angeschlossen. Deshalb würde sie nunmehr auf Grund einer gewillkürten Prozessstandschaft tätig werden (SS. 20.02.2009, S. 5; Bl. 184). Sie sei von der E-Publishing Europe Ltd. zur Prozessführung ermächtigt worden (B 23). Ein eigenes berechtigtes Interesse resultiere bereits daraus, dass die Beklagte von dem Unternehmen E-Publishing Europe Ltd. dazu beauftragt worden sei, Lizenzen zu vergeben und Entgelte einzuziehen.
Die 14 Werke die Gegenstand der Widerklage sind, würden auf den Servern der Klägerin vorgehalten und in erheblichem Umfang genutzt werden (vgl. Anl. B 16, B 17).
Die E-Publishing Ltd. habe sich zunächst über entsprechende Autorenverträge (Musikverlagsverträge) von den bei ihr unter Vertrag stehenden Autoren und Komponisten umfassend die an deren Werk bestehenden Rechte übertragen lassen. Hinsichtlich der vorgenannten Werke ergebe sich dies aus den vorgelegten Verträgen (Anlage B 33 - B 38, B 19, B 20), sowie den weiteren Unterlagen (B 4, B 6, B 21). Insgesamt würde das Repertoire der Beklagten mehrere hunderttausende Werke umfassen. Darin enthalten seien die mechanischen Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich. Diese mechanischen Rechte im Onlinebereich habe die E-Publishing Ltd. sodann für das Gebiet des europäischen Wirtschaftsraum exklusiv auf das Unternehmen E-Publishing Europe Ltd. übertragen (Vertrag vom 01.01.2007 für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.06.2009, B 22). Am 22.01.2007 (Vertrag wurde nicht vorgelegt) habe die E-Publishing Europe Ltd. einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. In diesem Vertrag seien die mechanischen Rechte im Onlinebereich zum Zweck der paneuropäischen Lizenzierung und Rechtsdurchsetzung auf die Beklagte übertragen worden. Zuerst sei diese Übertragung von der Beklagten als ausschließlich aufgefasst worden. Später als nicht ausschließlich.
Vormals sei die X von der E-Publishing Germany GmbH & Co KG mit der Wahrnehmung der urheberrechtlichen Nutzungen im Online- und Mobilfunkbereich betraut gewesen (Vertrag vom 01.03.2005 /11.03.2005, B 25). Im Anhang zu dieser Vereinbarung sei eine Zusatzvereinbarung enthalten, die der E-Publishing Germany GmbH & Co KG ein sofortiges Kündigungsrecht einräume, wenn sie sich entschließen sollte, ein anderes Lizenzierungsmodell durchzuführen. Diese Rechte hätten sich die E-Publishing Europe Ltd., bzw. die EMI-Subverlage in Reaktion auf eine Empfehlung der Europäischen Kommission vom 18.05.2005 von den nationalen Verwertungsgesellschaften zurück übertragen lassen. Die Verträge zwischen den Subverlagen und der X seien ordnungsgemäß beendet worden, zumal die Subverlage ohnehin nicht mehr zur Rechteeinbringung in der Lage gewesen seien. Der mit der X geschlossene Mandatsvertrag sei angepaßt worden (Schreiben vom 05.07.2006, B 26).
Die Beklagte sei keine Verwertungsgesellschaft und unterliege deshalb nicht den Vorgaben des UrhWG. Sie habe die Zulassung als Verwertungsgesellschaft beantragt und das nach § 18 III UrhWG vorgeschriebene Verfahren durchlaufen. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Beklagte keine Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 I UrhG sei. Dies sei in dem Schreiben des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts vom 07.02.2007 (B 3) bindend festgestellt Diesem Schreiben sei eine umfangreiche Prüfung vorausgegangen. Das Ergebnis dieser Prüfung sei gewesen, dass die Beklagte keiner Erlaubnispflicht unterfalle. Sie sei nicht treuhänderisch für Rechnung mehrerer Urheber oder Inhaber verwandter Schutzrechte tätig. Vielmehr sei sie allein für die E- Publishing Europe Ltd. tätig. Insofern sei von Belang, dass allein das anglo-amerikanische Repertoire betroffen sei. Anders als im kontinental-europäischen Rechtsraum üblich, erwürben die dort tätigen Verlage unter Anwendung des im Common Law geltenden Copyright Law nicht lediglich abgeleitete Rechte. Vielmehr finde ein translativer Rechteübergang auf die Verlage statt. Diese werden vollumfänglich Copyright-Inhaber. Es gebe auch keine Urheber im Sinne des kontinental-europäischen "droit däuteur"-Systems, die hinter dem Verlag als Inhaber eines ihnen verbleibenden Stammrechts stehen. Der Verlag bekomme das Urheberrecht vollständig übertragen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klage das Feststellungsinteresse fehle, da die Beklagte keine Abmahnung ausgesprochen habe. Die vorgebrachte Gefahr der doppelten Inanspruchnahme sei abwegig, da sich das Repertoire der X und das der Beklagten ausschließen.
Die Beklagte habe sich niemals eines Rechts gemäß § 19 a UrhG berühmt. Die Aufführungsrechte würden bei den nationalen Verwertungsgesellschaften liegen. Die Beklagte sei weder Inhaberin dieser Rechte, noch sei sie diesbezüglich passivlegitimiert. Allerdings würde die Beklagte den Lizenzerwerb aus einer Hand ermöglichen, indem sie namens und im Auftrag der X und/oder der britischen Verwertungsgesellschaft Y diese Lizenzen als Agent vermittele.
Es sei unbeachtlich, dass die Forderung der Beklagten in Höhe von 7,3 Mio. Euro den Jahresumsatz der Klägerin übertreffen würde. Die Klägerin sei nicht gezwungen, die Rechte der Beklagten zu verletzen. Als Berechnungsbasis gehe sie von einer Vergütung von 0,10 Euro für jeden lizenzpflichtigen Stream aus. Laut Eigendarstellung der Klägerin habe es allein im Dezember 2007 53 Mio. Musikstreams gegeben. Wenn davon ausgegangen werde, dass 70 % urheberrechtlich geschützte Inhalte aufwiesen, so sei eine Zahl von 33,6 Mio. Streams anzusetzen. Davon sei der Geschäftsanteil der Beklagten anzusetzen. Die Beklagte habe etwa 15 % der Musikrechte inne. Die Beklagte folge in ihrer Tarifgebung grundsätzlich den Tarifsätzen des Ziellandes - hier denen der Bundesrepublik Deutschland. Denn diese Nutzer könnten den Dienst der Klägerin bestimmungsgemäß in Anspruch nehmen.
Die Klägerin sei als Täter hinsichtlich der auf der Internetseite M...de vorgenommenen Urheberverletzungen anzusehen. Das Geschäftsmodell der Klägerin fördere Urheberverletzungen. Es seien kaum Videos denkbar, die keine urheberrechtlich relevante Musik enthielten. Die Nutzungsbedingungen der Klägerin hätten allein im Innenverhältnis der Klägerin zu den einzelnen Nutzern Bedeutung. Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf eine Störerhaftung der Klägerin.
Die Klägerin verletze das mechanische Vervielfältigungsrecht der Beklagten gemäß §16 UrhG in zweierlei Hinsicht. Zuerst speichere und vervielfältige sie die streitgegenständlichen Werke auf den Servern ihres Portals. Soweit sich die Klägerin dabei auf § 44 a UrhG berufe, könne sie damit nicht erfolgreich sein. Denn bei den Vervielfältigungen auf den Servern der Klägerin handele es sich nicht lediglich um vorübergehende Vervielfältigungshandlungen. Mit § 44 a UrhG seien lediglich Zwischenspeicherungen gemeint, die auf der technischen Ebene begründet liegen und von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung seien. Die auf dem Server gespeicherten Daten seien dann für alle Nutzer abrufbar. In dem Einräumen dieser Abrufmöglichkeit liege das öffentliche Zugänglichmachen im Sinne des § 19 a UrhG. Soweit ein Nutzer einen auf dem Server der Klägerin gespeicherten Inhalt abrufe, schließe sich dann der "Streaming"-Vorgang an. Dabei würde ein Vervielfältigungsstück auf dem Rechner des Nutzers entstehen. Dies stelle ebenfalls eine Handlung nach § 16 UrhG dar. Dieses dreistufige System komme auch im Vertrag, der zwischen der Klägerin und der X geschlossen wurde (K 29), zum Ausdruck.
Der Schutzbereich des mechanischen Vervielfältigungsrechts (§ 16 UrhG) sei scharf von Schutzbereich des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) zu unterscheiden. Das Merkmal des Zugänglichmachens in § 19 a UrhG setze keinesfalls zwangsläufig voraus, dass im Vorfeld der Zugänglichmachung eine Vervielfältigung der zugänglich gemachten geschützten Werke stattfinde. Denn § 19 a UrhG umfasse auch die Fälle, in denen ein Portalbetreiberden Nutzern ermögliche, unmittelbar auf die Inhalte zuzugreifen, welche auf den privaten Computern anderer Nutzer gespeichert seien (P2P-Netzwerke). Zumindest die Speicherung im Vorfeld (auf dem Server der Klägerin) sei insofern nicht erforderlich und deshalb lizenzpflichtig.
Der Gesetzgeber habe bewusst § 19 a UrhG getrennt von § 16 UrhG ausgestaltet. Insofern müssten die unterschiedlichen Nutzungsrechte auch getrennt voneinander ausgewertet werden können.
Darauf erwidert die Klägerin: Die Rechtekette der Beklagten sei nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die Beklagte könne sich nicht auf die GEMA-Vermutung stützen. Gegen die behauptete teilweise Kündigung der Verträge der E-Subverlage gegenüber der X führt die Klägerin aus, dass gemäß § 3 II derX-Satzung (Anlage K 14) die Mindestlaufzeit für EU-Wahrnehmungsberechtigte 3 Jahre betrage. Diese Regelung diene dem Schutz der Benutzer und könne daher nicht unterlaufen werden. Insofern sei die teilweise Kündigung der Verträge nicht wirksam. Die mechanischen Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich würden weiterhin bei der X liegen.
Es sei unklar, welche Rechte bei der Beklagten liegen sollen. In diesem Verfahren habe die Beklagte vorgetragen, dass sie sich nicht des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG berühme. Dies sei vor Klageerhebung für die Klägerin nicht ersichtlich gewesen. Es sei unklar, welche Rechte die Beklagte überhaupt wahrnehme und was sie unter mechanischen Vervielfältigungsrechten verstehe.
Der Zusammenschluss der X und der britischen Verwertungsgesellschaft Y zur Beklagten sei zusammen mit der damit zusammenhängenden Absprache mit dem E Musikverlag zur Rechterückholung und Ausstattung der Beklagten gegen § 41 I S.2 GWB, Art. 81 II EGV und Art. 82 EGV i.V.m. 134 BGB nichtig. Der Zusammenschluss des größten Musikverlages mit einem Marktanteil von behaupteten 28 % mit zwei der größten Verwertungsgesellschaften auf exklusiver Basis sei kartellrechtlich unzulässig.
Die Beklagte sei eine Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 I UrhWG. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte sich selber als Verwertungsgesellschaft ansehe und die entsprechende Zulassung beantragt habe. Die Einschätzung des Deutschen Patent- und Markenamtes im Schreiben vom 07.02.2007, wonach die Beklagte nicht als Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 UrhWG eingestuft werden könne, sei von mehreren Verbänden beanstandet worden (Anlage K 20, K 21). Sie sei nicht bindend.
Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass ihr von den anglo-amerikanischen Künstlern alle Rechte vollständig abgetreten seien, verkenne dies die Grundsätze des im Urheberrecht geltenden Territorialitätsprinzips. Dem Urheber stehe kein universal geltendes subjektives Urheberrecht zu. Vielmehr habe jeder Urheber ein Bündel subjektiver Urheberrechte, die sich nach dem jeweiligen Schutzland richteten. In Deutschland sei das Urheberrecht, anders als im anglo-amerikanischen Raum, nicht übertragbar. Allein deshalb nehme die Beklagte die Rechte zahlreicher Urheber wahr. Zudem weise die Beklagte in ihrem Internetauftritt darauf hin, dass sie für mehrere Urheber tätig werde.
Eine Verletzung des in § 16 I UrhG normierten Vervielfältigungsrechts sei auf Grund seines untrennbaren Zusammenhangs mit der späteren öffentlichen Zugänglichmachung des jeweiligen Videos im Sinne von § 19 a UrhG zu verneinen. Dies ergebe sich aus § 44 a UrhG. Das schlichte Abspeichern eines Videos auf dem Server der Klägerin stelle keine Gefahr für die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Rechtinhabers dar. Denn erst das Zugänglichmachen selbst ermögliche das Abrufen und damit die Wahrnehmung. Zudem sei ein öffentliches Zugänglichmachen im Wege des Web-Hostings auch schwerlich ohne eine Abspeicherung auf einem Server denkbar. Beim Upload handele es sich um den wesentlichen Teil des gesamten Vorgangs der Öffentlichen Zugänglichmachung. Die in § 19 a UrhG benannte Voraussetzung, dass das Werk so zur Verfügung stehen müsse, dass der Nutzer Zeit und Ort des Zugriffs bestimmen könne, lasse sich nur realisieren, wenn das Werk an einem festgelegten Ort erreichbar sei.
Die Beklagte habe nicht erklärt, wann und mit welchen Rechten die X in ihrer Rechtekette auftauche. Unbestritten habe die X die Rechte aus § 19 a UrhG. In 1 (e) (i) (B) des Vertrages zwischen E-Publishing Ltd. und E- Publishing Europe Ltd. (B 22, Seite 4) seien auch diese Rechte übertragen worden.
Der künstlichen Abspaltung mit dinglicher Wirkung seien Grenzen gesetzt. Dies sei nur bei klar abgrenzbaren, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinenden Nutzungsarten möglich. Deshalb könne das mechanische Nutzungsrecht nicht separat von der X zurückgeholt werden. Es gebe keine wirtschaftlich, bzw. technisch separat verwertbare Nutzungsart der mechanischen Vervielfältigung bei Online-Streaming-Nutzungen. Dies würde durch die Tarife der X, sowie die Vertragspraxis mit den beteiligten Verkehrskreisen belegt.
Der Beklagten fehle die Prozessführungsbefugnis für den Prozess, nachdem sie sich mittlerweile nur noch auf eine einfache Lizenz berufe.
Mit Beschluss vom 09.04.2009 (Bl. 222) wurde der Übergang in das schriftliche Verfahren bestimmt. Berücksichtigt wurden Schriftsätze, welche bis zum 30.04.2009 bei Gericht eingegangen sind.
Ursprünglich bezog sich der Feststellungsantrag der Klägerin auf das gesamte Musikwerk, dessen Rechte die Beklagte behauptet wahrzunehmen, er umfasste auch die öffentliche Zugänglichmachung. Auf Grund der Widerklage erklärte die Klägerin die Klage hinsichtlich der mit der Widerklage geltend gemachten Titel sowie der öffentlichen Zugänglichmachung im Termin vom 29.01.20.09 für erledigt. Die Beklagte stimmte der Erledigterklärung zu, unter Verwahrung gegen die Kostenlast (Bl. 177).
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstige Aktenteile.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
59Der Beklagten wurden die mechanischen Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich nicht wirksam übertragen. Eine Aufspaltung des Onlinenutzungsrechts in das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG und das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG, wie von der Beklagten vorgetragen, ist nicht möglich. Auf Grund der technischen Gegebenheiten ist ein öffentliches Zugänglichmachen ohne eine Vervielfältigung nicht möglich. Deshalb ist die Beklagte nicht berechtigt, gegenüber der Klägerin Unterlassungsansprüche geltend zu machen.
Soweit die Klage für erledigt erklärt wurde, waren der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Klage war hinsichtlich der 14 mit der Widerklage geltend gemachten Werke bis zur Erhebung der Widerklage zulässig und begründet. Hinsichtlich der weiten Antragsfassung war die Klageerhebung durch die vorprozessualen Äußerungen der Beklagten veranlasst.
A. Widerklage
Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Anwendbares Recht
Deutsches Urheberrecht findet für den vorliegenden Rechtsstreit Anwendung, da es um die Frage der Verletzung von Urheber- und Nutzungsrechten in der Bundesrepublik Deutschland geht.
2. Klagebefugnis der Widerklägerin
Die Beklagte ist hinsichtlich der Widerklage prozessführungsbefugt. Auf Grund der auf den 21.01.2009 datierten Erklärung (B 23) ist die Beklagte berechtigt, die E- Publishing Europe Ltd. zu vertreten.
Dass die Beklagte ihren Vortrag zur Klagebefugnis hinsichtlich der Widerklage während des anhängigen Verfahrens geändert hat, stellt ein Auswechseln des Streitgegenstandes und damit eine Klageänderung gemäß § 263 ZPO dar und nicht wie die Beklagte ausführt, ein Fall des § 265 ZPO. Die Klageänderung ist aber sachdienlich, da der wesentliche Verfahrensstoff weiter verwendet werden kann und eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht eintritt.
Die Beklagte hat das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche eigene rechtsschutzwürdige Interesse. Ihrem eigenen Vortrag nach ist sie europaweit mit der Auswertung der mechanischen Vervielfältigungsrechte im Online-Bereich der anglo-amerikanischen Künstler, welche der E- Publishing Ltd. die entsprechenden Nutzungsrechte eingeräumt haben, betraut.
3. Fehlende Aufspaltbarkeit der streitgegenständlichen Rechte
70Die von der Beklagten vorgetragene Aufspaltung der Online-Nutzungsrechte hinsichtlich der anglo-amerikanischen Künstler, die bei der E unter Vertrag stehen, in Vervielfältigungsrechte nach § 16 UrhG und in das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG ist unzulässig, da es eine Nutzungsart "mechanische Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich, ohne Recht auf öffentliche Zugänglichmachung" nicht gibt. Deshalb konnten der Beklagten durch die E- Publishing Europe Ltd. nicht die Rechte übertragen werden, auf die sich die Beklagte nunmehr beruft. Die Beklagte kann deshalb die vor ihr behaupteten Unterlassungsansprüche gegen die Klägerin nicht geltend machen.
Nach § 31 l UrhG kann der Urheber hinsichtlich einzelner oder aller Nutzungsarten Lizenzen vergeben. Unter Nutzungsart ist dabei jede wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit im Sinne einer wirtschaftlich-technischen selbständigen und abgrenzbaren Art und Weise der Auswertung des Werkes zu verstehen (Wandtke/ Bullinger, Wandtke/ Grunert, 3. Aufl., Vor §§ 31 ff., Rn. 25). Welche Nutzungsarten im Sinne des § 31 UrhG lizenziert werden können, wird mithin durch die wirtschaftlich-technischen Gestaltungsmöglichkeiten eines Werks bestimmt. Dies eröffnet vielfältige verwertbare Nutzungsarten innerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsrechte der §§ 15 ff. UrhG. Die Nutzungsart erweist sich als Begriff zur Kennzeichnung der konkreten wirtschaftlichen und technischen Verwendungsform, die dem Verwertungsrecht unterliegen soll. Seine Bestimmung richtet sich danach, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um eine hinreichend klar abgrenzbar, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart handelt (BGH, GRUR 1992, 310 ff. - Taschenbuch-Lizenz).
Dass die Online-Nutzung von Werken eine gesondert zu beurteilende Nutzungsart ist (vgl. Dreier/ Schulze, Schulze, 3. Aufl., Vor. § 31 UrhG, Rn. 175), ist zwischen den Parteien nicht strittig. Weiterhin steht außer Streit, dass die Beklagte von einer dinglichen Rechteinräumung seitens der E- Publishing Europe Ltd. ausging, ansonsten hätte sie sich nicht auf eine Klagebefugnis auf Grund der exklusiven Rechteeinräumung berufen können. Zu beurteilen ist anhand der vorbenannten Kriterien lediglich die Frage, ob die tatsächlich von der Beklagten vorgenommene Aufteilung so ist, dass die Anfordernisse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht verletzt werden. Ob eine Aufspaltung eines Nutzungsrechts mit dinglicher Wirkung zulässig ist oder ob nicht, bestimmt sich anhand einer Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers und der Allgemeinheit (Schulze in Dreier/ Schulze, 3. Aufl., § 31 UrhG, Rn. 29).
Vorliegend sollen die mechanischen Vervielfältigungsrechte (§ 16 UrhG) im Onlinebereich von dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) getrennt werden. Nach Ansicht der Klägerin würde dies dazu führen, dass sie wegen einer einheitlich zu beurteilenden Nutzung mehrfachen Lizenzzahlungsverpflichtungen ausgesetzt wäre.
Ob eine Trennung der beiden Rechte im Onlinebereich möglich ist, erscheint bereits wegen des Regelungsgehalts des § 19 a UrhG als kritisch. § 19 a UrhG stellt eine besondere Ausgestaltung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe für den Onlinebereich dar. Für die öffentliche Wiedergabe im Onlinebereich wird auf Grund der Tatsache, dass sich ein Nutzer in der Regel an einem anderen Ort befindet, als das öffentlich zugänglich gemachte Ausgangswerk, in aller Regel eine Vervielfältigung erforderlich sein. In der Kommentarliteratur wird deshalb teilweise vertreten, dass das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung zugleich auch Vervielfältigungshandlungen beinhalte. Dreier führt in Dreier/ Schulze, 3. Aufl., § 19a UrhG, Rn. 6 aus, dass das Zugänglichmachen eine Verbindung zum Abrufenden erfordere und deshalb der Tatbestand des öffentlichen Zugänglichmachens zugleich auch den Akt der Übermittlung des durch das Bereithalten zum Abruf öffentlich zugänglich gemachten Werkes darstelle. Dustmann führt in Fromm/ Nordemann, 10 Aufl. § 19a UrhG, Rn. 9, 38 aus, dass der Uploadvorgang und die nachfolgende weitere Bereithaltung eine einheitliche Verwertungshandlung darstellten.
75Dem ist im Rahmen der gebotenen wirtschaftlich-technischen Abgrenzung zu folgen. Die "mechanischen Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich" lassen sich nicht in der von der Beklagten vorgenommenen Weise aufspalten und vom Recht der öffentlichen Zugänglichmachung trennen. Offensichtlich geht selbst die Beklagte davon aus, dass die von ihr angebotenen Vervielfältigungsrechte sich im Onlinebereich nicht ohne das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung verwerten lassen. Deshalb bietet die Beklagte an, dass sie, namens der X, die auch nach ihrem Vortrag die Rechte an der öffentlichen Zugänglichmachung wahrnimmt, alle zur Auswertung erforderlichen Rechte an Interessierte einräumen kann.
Wenn der Vortrag der Beklagten zutreffen würde und das Onlineangebot eines Werkes regelmäßig zwei verschiedene Rechte verletzen würde, so würde dies zu der von der Klägerin aufgezeigten Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme führen. Es würde im Rahmen eines einheitlichen technischen Vorgangs eine für Nutzer unübersichtliche Situation eintreten, die allein in der Aufspaltung der Rechte begründet liegt und nicht etwa durch das Vorliegen wirtschaftlich trennbarer Auswertungsvorgänge geboten wäre. Dies führte zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Bei der vorzunehmenden Abwägung werden diese Gründe auch nicht durch das Auswertungsinteresse der Beklagten, bzw. der E-Gruppe, bzw. der dahinterstehenden Künstler ausgewogen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Online-Rechte der anglo-amerikanischen Künstler nicht auch hätten auswerten lassen, wenn die Vervielfältigungsrechte gemeinsam mit dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung übertragen worden wären, bzw. wenn eine differenzierende, auf schuldrechtlicher Grundlage basierende Regelung getroffen worden wäre.
77Soweit die Beklagte ausführt, dass nicht zwangsläufig jedes öffentliche Zugänglichmachen im Sinne des § 19 a UrhG auch eine Vervielfältigung beinhalte und dabei auf sogenannte P2P-Netzwerke verweist, kann dem nicht gefolgt werden. Denn auch bei dieser Art von Netzwerken entsteht - auch dem Vortrag der Beklagten folgend - eine Vervielfältigung auf dem Rechner des Nutzers. Umgekehrt sind die abgespaltenen mechanischen Vervielfältigungsrechte explizit auf den Onlinebereich beschränkt, setzen damit also stets zugleich ein öffentliches Zugänglichmachen voraus, das das Wesen der Online-Nutzung ist (vgl. auch Müller, Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften bei der Nutzung von Musikwerken im Internet, ZUM 2009, 121, 127). Eine Trennung der Rechtsinhaberschaft an den "mechanischen Vervielfältigungsrechten im Onlinebereich" und dem für deren Nutzung regelmäßig zusätzlich benötigten Recht auf öffentliche Zugänglichmachung führt für einheitliche Nutzungsvorgänge damit zwangsläufig zu Rechtsunsicherheit und der jedenfalls abstrakten Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme.
Es ist auch unbeachtlich, ob die bei der Klägerin entstehende, Datenbank einen eigenständigen Nutzungswert hat. Es wurde nicht vorgetragen, dass die Klägerin diese Datenbank auch so nutzt, dass ein solcher eigenständiger Nutzungswert auch zur Entfaltung kommt. Es kann nicht auf eine abstrakt denkbare zusätzliche Nutzungsmöglichkeit abgestellt werden, vielmehr ist im Rahmen der wirtschaftlich-technischen Betrachtung auf die tatsächliche Nutzung im Rahmen der zu beurteilenden Auswertungsart abzusteifen.
79Dem Argument der Beklagten, dass der Gesetzgeber bewusst eine Differenzierung zwischen dem Vervielfältigungsrecht in § 16 UrhG und den Aufführungsrechten und somit auch dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19 a UrhG, getroffen habe und damit auch die Wertung zum Ausdruck gekommen sei, dass diese unterschiedlichen Nutzungsrechte auch getrennt voneinander wirtschaftlich verwertet werden können und aufgrund von Rechtsübertragungen in unterschiedlichen Händen liegen können (Schriftsatz 20.02.2009, Seite 18 f.), kann für die Beurteilung des vorliegenden Falles nichts Entscheidendes entnommen werden. Es erscheint bereits fraglich, ob der Gesetzgeber eine bewusste Unterscheidung zwischen dem Vervielfältigungsrecht und dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung, die sich in der Gesetzessystematik niedergeschlagen hat, treffen konnte, da es sich bei dem § 19 a UrhG um eine nachträglich eingefügte Norm handelt und § 16 UrhG auch alle Vervielfältigungshandlungen außerhalb des Online-Bereichs betrifft, so dass aus der Weitergeltung des § 16 UrhG trotz Einfügung des zusätzlichen Paragraphen § 19 a UrhG in systematischer Hinsicht nichts hergeleitet werden kann. Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen hinsichtlich der Übertragbarkeit von Nutzungsrechten Bezug genommen.
Die Ausführungen der Beklagten, dass in anderen Ländern die mechanischen Vervielfältigungsrechte und die Aufführungsrechte getrennt voneinander wahrgenommen werden, sind für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.
Unbeachtlich ist auch, dass die Beklagte das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung im Namen der X, die nach dem Beklagtenvortrag die Rechte innehat, lizenzieren kann. Die Tatsache, dass die Beklagte alle erforderlichen Rechte zur Online-Nutzung geschlossen anbieten kann, ändert nichts an der Beurteilung der fehlenden dinglichen Aufspaltbarkeit der Rechte.
Auf Grund der fehlenden Befugnis der Beklagten zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Rechte können die weiteren zwischen den Parteien strittigen Fragen dahingestellt bleiben. Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob die Beklagte in allen mit der Widerklage benannten Musikstücken die zur Aktivlegitimation führende Rechtekette ausreichend dargelegt hat und ob die Beklagte eine Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 l UrhWG ist, wofür einiges spricht, mit der Folge, dass sie auf Grund ihrer fehlenden Zulassung nach § 1 III UrhWG die streitgegenständlichen Rechte nicht geltend machen könnte. Unbeachtlich ist auch die Frage, ob die Klägerin möglicherweise als Täterin oder Störerin anzusehen ist. Auch kartellrechtliche Erwägungen bedürfen keiner Erörterung.
B. Klage
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Zulässigkeit
Die Klägerin hat das für eine negative Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse. Nach § 256 I ZPO kann eine Feststellungsklage nur dann erhoben werden, wenn die Klagepartei ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Ein solches schutzwürdiges Interesse besteht, wenn für die Klagepartei eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch besteht, dass sich die Beklagte eines Rechts gegen die Klägerin ernstlich berühmt. (Zöller/ Greger, 25. Aufl. § 256 ZPO, Rn. 7).
Die Beklagte hat vor Klageerhebung für die Lizenzierung der von ihr vermeintlich vertretenen Rechte allein für das Jahr 2007 unter Hinweis auf den lizenzlosen Zustand eine Vergütung auf Vergleichsbasis in einer Größenordnung von 7,35 Mio. Euro verlangt (Email vom 07.02.2008; K 9). Sn der Folgezeit gab es dem übereinstimmenden Parteivortrag zufolge Verhandlungen zwischen den Parteien. Im Rahmen dieser Verhandlungen vertrat die Beklagte durchgehend ihren Standpunkt, dass sie Inhaberin der mechanischen Vervielfältigungsrechte hinsichtlich der anglo-amerikanischen E-Künstler sei und die Klägerin für die auf der Internetseite M...de angebotenen Dienste einen Lizenzvertrag mit ihr abzuschließen habe. Für die Klägerin war deshalb davon auszugehen, dass für den Fall, dass es zu keiner Einigung kommen sollte zu einem Rechtsstreit kommen wird. Abzusehen war hingegen nicht, wann dies der Fall ist. Da die Klägerin ein Interesse daran hat, dass es möglichst schnell zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, die den im Räume stehenden Rechtsstreit einer Klärung zuführt, kann ihr nicht zugemutet werden, abzuwarten, ob und wann die Beklagte selbst den Rechtsweg beschreitet. Deshalb ist das erforderliche schutzwürdige Interesse der Klägerin gegeben. Die Klägerin hat insofern insbesondere vorgetragen, dass ein weiteres Zuwarten den Verlust weiterer Marktanteile bedeuten könne,, da Konkurrenzunternehmen bereits Einigungen herbeiführen konnten. Diese Argumentation wurde von der Beklagten nicht bestritten und belegt das Interesse der Klagepartei an der vorliegenden Feststellungsklage.
Der Ansicht der Beklagten, dem Feststellungsinteresse stehe entgegen, dass sie vor Klageerhebung keine Abmahnung ausgesprochen habe, kann nicht gefolgt werden. Die von den Beklagten in Bezug genommene Kommentarstelle (Hefermehl/ Köhler/ Bornkamp, UWG § 12/ 2.20) bezieht sich auf eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage und die in § 12 I UWG niedergelegte Abmahnungsobliegenheit. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung gab es eine entsprechende Verpflichtung im Urhebergesetz nicht.
Ob, wie von der Klägerin behauptet, die Verwirklichung der abstrakten Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme tatsächlich dahingehend droht, dass für die gleiche Nutzungsart sowohl an die X als auch an die Beklagte bezahlt werden muss, kann dahinstehen, da schon die Tatsache, dass die Beklagte (vor dem Hintergrund eines implizit drohenden Untersagungsanspruchs) Lizenzverhandlungen mit der Klägerin aufgenommen hat, deren Feststellungsinteresse begründet.
Dahinstehen kann auch die von der beklagten Partei aufgeworfene Frage, ob das Feststellungsinteresse zumindest insoweit nicht gegeben ist, als eine Feststellung hinsichtlich des Rechts nach § 19 a UrhG gefordert wird. Hinsichtlich dieses Teils wurde die Antragsfassung in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2009 geändert.
2. Begründetheit
Zur Begründetheit der Klage wird vollumfänglich auf die Ausführungen zur Widerklage Bezug genommen. Die Beklagte ist mangels wirksamer Übertragung von Rechten nicht befugt, gegenüber der Klägerin Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Dem Klageantrag war deshalb stattzugeben.
C. Sonstige Entscheidungen
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 91 a ZPO.
Soweit die Klage hinsichtlich der 14 Lieder, die Gegenstand der Widerklage sind, für erledigt erklärt wurde, sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Der Klageantrag war gemäß den obigen Ausführungen zulässig und begründet. Erst durch die insofern erhobene Widerklage entfiel das Feststellungsinteresse, so das ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (vgl. Zöller/ Greger, 25. Aufl., § 256 ZPO, Rn. 7d).
Soweit der ursprünglich angekündigte Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass die Beklagte auch hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung keinen Unterlassungsanspruch hat, in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2009 für erledigt erklärt wurde, waren der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da sie in der vorprozessualen Korrespondenz nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie zwischen dem Recht auf Vervielfältigung und dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung unterscheidet. In der Email der Beklagten vom 11.12.2007 (K 8) behauptet die Beklagte, dass sie europaweit Lizenzen für den Online- und Mobilfunkbereich vergibt und insoweit den Verwertungsgesellschaften die Rechte entzogen seien. Es wurde nicht darauf hingewiesen, dass die Rechte nach § 19 a UrhG weiterhin bei der X liegen sollen. Insofern wurde die ursprüngliche Antragsstellung der Klägerin durch das vorprozessuale Verhalten der Beklagten veranlasst. Das somit auch insoweit ursprünglich bestehende Feststellungsinteresse der Klägerin ist erst durch die Aufgabe der Rechtsberühmung, bzw. die Klarstellung, dass entgegen dem objektiven Empfängerhorizont in Bezug auf § 19 a UrhG eine Rechtsberühmung nicht beabsichtigt war, im Termin vom 29.01.2009 weggefallen. Bis dahin wäre auch der weitgefasste Antragstenor zulässig und begründet gewesen.
2. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
3. Streitwert
Hinsichtlich der Widerklage wurde der Streitwert auf 140.000 Euro festgesetzt. Jedes Musikstück wurde mit 10.000 Euro bewertet.
Hinsichtlich der Klage wurde der Streitwert auf 5 Mio. Euro festgesetzt.
Bei einer negativen Feststellungsklage ist wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils der Streitwert so hoch zu bewerten, wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt (Zöller, Herget, 25 Aufl. § 3 ZPO, Rn. 16 "Feststellungsklage"). Maßgeblich ist das Interesse (§ 3 ZPO), das die klagende Partei mit der Klage verfolgt, vgl. OLG München, GRUR 1986, 840, welches geringer, aber auch höher als das Interesse der Beklagten sein kann.
Die Beklagte hat der Klägerin vorprozessual für die Lizenzgebühren für das Jahr 2007 einen Vergleichsvorschlag in Höhe von 7.350.000 Euro für die Nutzungsrechte unterbreitet (K9). Für 2008 wollte die Beklagte die gleiche Höhe zugrundelegen. Den Ausführungen in der Anlage K 9 lässt sich entnehmen, dass die Summe von 7,35 Mio. bereits ein erhebliches Nachgeben beinhaltet. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte in dem benannten Schreiben ausführt, dass sie einen Satz von 10 Cent pro Stream ansetzt, aber dem entsprechenden X-Tarif ein Satz von 17 Cent zu entnehmen sei, schätzt das Gericht die Summe, derer sich die Beklagte berühmt, auf über 10 Mio. Euro für jedes Jahr. Das Urteil entfaltet Wirkung für die Jahre 2007, 2008 und einen Teil von 2009. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte ihr benanntes Angebot erst als Grundlage von Verhandlungen verstehen wollte, und die ursprüngliche Forderung angesichts der Umsätze der Klägerin wohl unrealistisch gewesen wäre, schätzt das Gericht den Streitwert der Klage auf 5 Mio. Euro.
Für die Zeit nach der Erledigterklärung im Termin vom 29.01.2009 wird der Streitwert der Klage auf 4.000.000 Euro festgesetzt. Dies entspricht dem Verhältnis des für erledigt erklärten Teils des Antrags zu den gestellten Anträgen.
LG München I:
Urteil v. 25.06.2009
Az: 7 O 4139/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e127e17ca453/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_25-Juni-2009_Az_7-O-4139-08