Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 256/00
(BPatG: Beschluss v. 19.06.2002, Az.: 29 W (pat) 256/00)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. April 2000 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate" zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung
"ATM Area"
soll für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:
elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Klasse 38:
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;
Klasse 42:
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationals Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 5. April 2000 zurückgewiesen, da dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Bezeichnung sei lexikalisch nicht nachweisbar, aber eine sprachüblich gebildete, neue Wortkombination, die sich in einer Sachangabe erschöpfe. "ATM" sei nämlich die übliche und geläufige Abkürzung für "asynchronous transfer mode". Damit werde eine sehr schnelle (asynchrone) Technik zur Übertragung und Übermittlung von Daten über das Telefonnetz und in lokalen Netzwerken bezeichnet, die die Grundlage für das Breitband-ISDN bilde. "Area" bedeute im Deutschen "Bereich, Gebiet, Zone", werde aber in der Werbe- und Alltagssprache auch für ein Geschäft, einen kaufmännischen Betrieb, ein Etablissement verwendet. Danach bedeute die Wortfolge im Zusammenhang mit den in Klasse 38 und 42 beanspruchten Dienstleistungen, dass diese an einem Ort erbracht würden, an dem die verschiedensten Dienstleistungen rund um die ATM-Technik bzw. mit deren Hilfe angeboten würden. Bezüglich der Waren der Klasse 9 sei "ATM Area" lediglich ein Hinweis darauf, dass diese in einem Geschäft verkauft würden, das ein großes Sortiment von mit ATM-Technik ausgestatteten Geräten führe bzw. daß diese Technologie in den Geräten einsetzbar sei. Dies gelte auch für die Waren der Klasse 16, da der Verkehr es gewöhnt sei, in denselben Geschäften neben den Datenverarbeitungsgeräten und elektronischen Apparaten auch entsprechende Zeitschriften, Handbücher und Anleitungen zu erwerben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die die angemeldete Bezeichnung für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig hält. Sie trägt vor, "ATM Area" sei eine sprachliche Neuschöpfung und der Sinngehalt der Abkürzung, die selbst eine Wortkombination repräsentiere, sei nicht ohne weiteres erfassbar, insbesondere wenn sie ihrerseits innerhalb einer Wortkombination stehe. Die ATM-Technologie sei gerade kein abgegrenztes Gebiet, sondern eine schnelle Übertragungstechnik, weshalb es für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an einer sachbeschreibenden Aussage fehle. Es bestehe auch weder ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis noch sei ein künftiges Bedürfnis zum Gebrauch des Kennzeichens durch Mitbewerber erkennbar.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend keinen Erfolg. Dem angemeldeten Zeichen steht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der im Tenor genannten das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr.1, § 37 Abs. 1 MarkenG entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Dabei nimmt der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt und unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise. Bei der Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, dh jede, auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Diese Unterscheidungskraft fehlt jedoch, wenn dem Zeichen ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK m.w.N.). Gemessen an diesen Anforderungen ist die verfahrensgegenständliche Anmeldung im wesentlichen nicht schutzfähig.
Das Zeichen besteht aus den Bestandteilen "ATM" und "Area" und besitzt in seiner Gesamtheit im Zusammenhang mit der ATM-Technologie einen im Vordergrund stehenden sachbeschreibenden Begriffsinhalt. Die Abkürzung "ATM" steht für "asynchronous transfer mode". Laut Microsoft Computerlexikon Ausgabe 2001, Stichwort ATM, handelt es sich um eine "Netzwerktechnologie, mit der sich Daten, Sprache, Video und Frame-Relay-Daten in Echtzeit übertragen lassen....ATM wird derzeit in lokalen Netzwerken verwendet, die sich aus Workstations und Personal Computern zusammensetzen...." Den angesprochenen Verkehrskreisen ist diese Bedeutung geläufig. Die vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen richten sich nämlich überwiegend an den Fachverkehr oder an interessierte und informierte Laien und nicht an das breite Publikum. Vorliegend sollen mit der Bezeichnung "ATM Area" überwiegend Waren und Dienstleistungen aus den Bereichen Elektronik und Datenverarbeitung oder mit einem Bezug hierzu gekennzeichnet werden. Soweit hier teilweise auch Nicht-Fachleute angesprochen sind, setzen diese nicht zum alltäglichen Gebrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen wegen der Spezialität der Materie stets ein bestimmtes Grundverständnis voraus, das bei den entsprechenden Abnehmerkreisen regelmäßig auch vorhanden ist.
Der weitere Zeichenbestandteil "Area" bedeutet im Deutschen "Bereich, Gebiet, Zone". Ob "Area" in der Werbe- und Alltagssprache auch für ein Geschäft, einen kaufmännischen Betrieb, ein Etablissement verwendet wird, kann hier dahinstehen. Denn die vorliegend relevanten Waren und Dienstleistungen betreffen das Gebiet der Telekommunikation, der Elektronik und der Datenverarbeitung mit einer eigenen Fachsprache. Dabei ergab die Recherche des Senats, dass die Anmelderin selbst in ihrer als "Unterrichtsblätter" bezeichneten Fachzeitschrift für Aus- und Weiterbildung vom 10. Februar 2001,S 65/66 unter dem Stichwort "ABR" im Zusammenhang mit einem Internet-Router "Area" als Teilsystem innerhalb eines Autonomen Systems eines Netzwerks definiert. Weiter ergab sich, dass der Begriff "Area" im Internet mit dem Begriff "zone" einer Web-Site vergleichbar ist. In einer "Aera" können Informationen zu einem bestimmten Thema abgefragt werden.
Das Zeichen "ATM Area" in seiner Gesamtheit ist auch sprachüblich gebildet. Gerade auf dem hier einschlägigen Gebiet der Elektronik und der Telekommunikation sind Zusammensetzungen aus vorangestellten Abkürzungen und vollständigen Begriffen üblich, wie z.B. ATM Forum, ATM Adaptation Layer, aber auch ASCII-Datei, ASCII-Übertragung, ASCII-Zeichensatz; CD- oder DVD-Player oder -Spieler, ISDN-Anschluss, USB-Anschluss etc. Auch im normalen Sprachgebrauch sind derartige Abkürzungen gängig, z.B. ZDF-Intendant, DM-Wechselkurs, Kfz-Zulassungsstelle, -schein, TÜV-Abnahme usw. Die angesprochenen Kreise werden "ATM Area" daher in seinem Begriffsgehalt als Bezeichnung für ein Teilsystem innerhalb eines mit ATM-Technologie arbeitenden Netzwerks auffassen bzw. innerhalb des Internets als Bezeichnung einer Web-Site mit Informationen zur ATM-Technologie. Damit ist das angemeldete Zeichen insgesamt eine Bezeichnung mit einer konkreten im Vordergrund stehenden Sachaussage. Im Zusammenhang mit einem in EDV und Telekommunikation verwendeten Übertragungsstandard ist sie wie bereits angeführt zu verstehen und deshalb nicht dazu geeignet, die Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen zu unterscheiden, soweit ein Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen besteht.
Dies ist zunächst im Zusammenhang mit den in Klasse 9 beanspruchten Waren mit Ausnahme der "Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate", der Fall. Hier weist das Zeichen lediglich darauf hin, dass diese innerhalb eines ATM-gestützten betrieblichen Netzwerks als Teilsystem eingesetzt werden können bzw. die entsprechenden für ein solches Teilsystem erforderlichen Programme enthalten.
Mit der Bedeutung "Internetseite, die Informationen über die ATM-Technologie enthält", ist das Zeichen auch nicht geeignet, die in Klasse 38 und 42 beanspruchten Dienstleistungen "Telekommunikation, Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation" und "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation" von denen anderer Anbieter zu unterscheiden.
Innerhalb der Klasse 16 gibt "ATM-Area" den Inhalt der Druckschriften bzw. die Materie wieder, mit denen sich die Lehr- und Unterrichtsmittel befassen, nämlich mit den Untersystemen oder den entsprechenden Internetseiten oder deren Erstellung und Büroartikel können dafür eingesetzte beschriftete Ordner oder Mappen sein.
3. Bezüglich der"Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate" weist die Bezeichnung "ATM Area" jedoch keinen der o.g. im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf noch kann das angemeldete Zeichen insoweit zur Bezeichnung wesentlicher Eigenschaften dienen. Dafür, dass derartige Waren im Zusammenhang mit ATM-gestützten betrieblichen Netzwerken als Teilsysteme eingesetzt werden könne oder die ATM-Technologie ansonsten eine Rolle spielt, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Ebenso wenig liegt es nahe, dass diese Waren Gegenstände von sich mit der ATM-Technologie befassenden Web-Sites sind.
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BPatG:
Beschluss v. 19.06.2002
Az: 29 W (pat) 256/00
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