Bundespatentgericht:
Urteil vom 13. Juni 2002
Aktenzeichen: 3 Ni 10/01
(BPatG: Urteil v. 13.06.2002, Az.: 3 Ni 10/01)
Tenor
Das Patent 42 12 405 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
"1. Druckluftbetätigte Scheibenbremse mit einem eine Bremsscheibe (1) umfassenden Bremssattel (2), auf dessen einer Seite eine Zuspannvorrichtung (3) angeordnet ist, die über mindestens eine Stellspindel (72, 73) und ein an deren bremsscheibenseitigen Ende sitzendes Druckstück (70, 71) auf eine zuspannseitig im Bremssattel (2) bezüglich der Bremsscheibe (1) verschiebbar gelagerte Bremsbacke (10) einwirkt, wobei eine mit der Stellspindel (72, 73) drehfest gekoppelte Nachstelleinrichtung (74) das sich infolge Belagverschleiß ändernde Lüftspiel im wesentlichen konstant hält und an ihrem bremsscheibenabgewandten Ende einen Drehkopf
(19) aufweist, mittels dem die Stellspindel (72, 73) in ihre Ausgangslage zurückbringbar ist, wobei innerhalb desjenigen Momentenübertragungswegs, über den der Drehkopf (19) das auf ihn ausgeübte Drehmoment auf die Nachstelleinrichtung (74) überträgt, eine bei einem bestimmten Grenz-Drehmoment ansprechende Trenneinrichtung (SB) vorgesehen ist, wobei der Momentenübertragungsweg durch eine mit dem Drehkopf (19) verbundene Welle gebildet ist und wobei die Trenneinrichtung (SB) in dem sich an den Drehkopf (19) anschließenden Bereich der Welle ausgebildet ist.
2.
Druckluftbetätigte Scheibenbremse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Trenneinrichtung als Sollbruchstelle (SB) ausgebildet ist.
3.
Druckluftbetätigte Scheibenbremse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Trenneinrichtung als Rutschkupplung (SB) ausgebildet ist.
4.
Druckluftbetätigte Scheibenbremse nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Sollbruchstelle (SB) durch eine Einkerbung der Welle gebildet ist."
Im übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.400,-€ vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 13. April 1992 angemeldeten deutschen Patents 42 12 405 (Streitpatent), das eine druckluftbetätigte Scheibenbremse betrifft und in der erteilten Fassung 5 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Druckluftbetätigte Scheibenbremse mit einem eine Bremsscheibe (1) umfassenden Bremssattel (2), auf dessen einer Seite eine Zuspannvorrichtung (3) angeordnet ist, die über mindestens eine Stellspindel (72, 73) und ein an deren bremsscheibenseitigen Ende sitzendes Druckstück (70, 71) auf eine zuspannseitig im Bremssattel (2) bezüglich der Bremsscheibe (1) verschiebbar gelagerte Bremsbacke (10) einwirkt, wobei eine mit der Stellspindel (72, 73) drehfest gekoppelte Nachstelleinrichtung (74) das sich infolge Belagverschleiß ändernde Lüftspiel im wesentlichen konstant hält und an ihrem bremsscheibenabgewandten Ende einen Drehkopf
(19) aufweist, mittels dem die Stellspindel (72, 73) in ihre Ausgangslage zurückbringbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb desjenigen Momentenübertragungswegs, über den der Drehkopf (19) das auf ihn ausgeübte Drehmoment auf die Nachstelleinrichtung (74) überträgt, eine bei einem bestimmten Grenz-Drehmoment ansprechende Trenneinrichtung (SB) vorgesehen ist."
Wegen der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Unterlagen NK 3 US-PS 4 064 973, NK 4 Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 15. Aufl., Hrg. W. Beitz und K.-H. Küttner, Springer-Verlag 1983, S. 413, NK 5 GB-PS 620 994, NK6 DE4020485A1, NK 7 US-PS 3 138 987.
Die Klägerin beantragt, das Patent 42 12 405 für nichtig zu erklären.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine neue Fassung der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 3 vorgelegt und erklärt, dass sie das Streitpatent nicht mehr in der erteilten Fassung, sondern nur noch im Umfang des Hauptantrags bzw der Hilfsanträge 1 bis 3 verteidige. Zum Wortlaut der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag wird auf den Tenor, zum Wortlaut der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent in der verteidigten Fassung für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.
Das Streitpatent war insoweit für nichtig zu erklären, als die Beklagte es nicht in der erteilten Fassung, sondern nur in beschränktem Umfang gemäß Hauptantrag verteidigt hat. Durch die Beschränkung, die sich aus der Verbindung der erteilten Patentansprüche 1 und 4 ergibt, werden weder der Gegenstand noch der Schutzumfang des Streitpatents erweitert.
Im übrigen war die Klage zurückzuweisen, weil der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit dem Streitpatent in der verteidigten Fassung nicht entgegensteht, § 81 PatG, §§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG, §§ 3,4 PatG. I.
1.
Das Streitpatent betrifft eine druckluftbetätigte Scheibenbremse, die insbesondere für Straßenfahrzeuge und vorzugsweise für Nutzfahrzeuge vorgesehen und aus dem Stand der Technik, zB aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 16 202 und aus der nicht vorveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 40 32 885 bekannt ist (s StrPS Sp 1 Z 7 bis Sp 2 Z 3). Eine solche Scheibenbremse weist eine Zuspannvorrichtung auf, die über mindestens eine Stellspindel und ein an deren bremsseitgen Ende sitzendes Druckstück auf eine Bremsbacke einwirkt, die zuspannseitig im Bremssattel bezüglich der Bremsscheibe verschiebbar gelagert ist. Die Stellspindel ist drehfest mit einer Nachstelleinrichtung gekoppelt, die das sich wegen Beschlagverschleiß ändernde Lüftspiel im wesentlichen konstant hält. Bei Einbau eines neuen Bremsbelags muß die Stellspindel mit Hilfe eines Drehkopfes, der am bremsscheibenabgewandten Ende der Stellspindel sitzt, wieder in ihre Ausgangslage zurückgebracht werden, um Raum für den neuen Bremsbelag zu schaffen. Hierbei besteht die Gefahr, dass der Drehkopf auch dann noch betätigt wird, wenn die Stellspindel bereits ihren Endanschlag erreicht hat. In diesem Fall wird zwischen der Stellspindel und der mit ihr drehfest gekoppelten Nachstelleinrichtung ein solch starkes Moment aufgebaut, dass die empfindlichen Teile der Nachstelleinrichtung zerstört werden können. Wird die Beschädigung nicht bemerkt, könnte dies in Folge zu einem Bremsversagen führen.
2.
Aufgabe des Streitpatents ist es (s StrPS Sp 2 Z 4 bis 8), eine druckluftbetätigte Scheibenbremse gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 derart weiterzubilden, dass ein durch eine unsachgemäße Durchführung des Belagwechsels bedingtes Bremsversagen weitgehend vermieden werden kann.
3.
Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der nunmehr verteidigten Fassung A. eine druckluftbetätigte Scheibenbremse mit einem Bremssattel, der eine Bremsscheibe umfasst;
B. auf der einen Seite des Bremssattels ist eine Zuspannvorrichtung angeordnet, die über mindestens eine Stellspindel und ein an deren bremsscheibenseitigen Ende sitzendes Druckstück auf eine Bremsbacke einwirkt, die zuspannseitig im Bremssattel bezüglich der Bremsscheibe verschiebbar gelagert ist;
C. eine mit der Stellspindel drehfest gekoppelte Nachstelleinrichtung hält das sich infolge Belagverschleiß ändernde Lüftspiel im wesentlichen konstant;
D. die Nachstelleinrichtung weist an ihrem bremsscheibenabgewandten Ende einen Drehkopf auf, mittels dem die Stellspindel in ihre Ausgangslage zurückbringbar ist;
E. innerhalb desjenigen Momentenübertragungsweges, über den der Drehkopf das auf ihn ausgeübte Drehmoment auf die Nachstelleinrichtung überträgt, ist eine bei einem bestimmten Grenzdrehmoment ansprechende Trenneinrichtung vorgesehen;
F. der Momentenübertragungsweg ist durch eine mit dem Drehkopf verbundene Welle gebildet;
G. die Trenneinrichtung ist in dem sich an den Drehkopf anschließenden Bereich der Welle ausgebildet.
II.
1. Der geltende Patentanspruch 1 gibt dem Fachmann, einem mit der Konstruktion von Scheibenbremsen befaßten Diplomingenieur der Fachrichtung Allgemeiner Maschinenbau mit guten Kenntnissen der allgemeinen Grundlagen des Scheibenbremsenbaus, eine klare und eindeutige Lehre zum technischen Handeln.
Nach Ansicht der Klägerin macht der Patentanspruch 1 keine klare Angabe, wo die Trenneinrichtung liegen soll. Diesem Vorbringen konnte sich der Senat nicht anschließen. Gemäß den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist die Trenneinrichtung nämlich innerhalb des Momentenübertragungsweges, der durch eine mit dem Drehkopf verbundene Welle gebildet wird (Merkmal F), angeordnet. In weiterer Präzisierung ist die Trenneinrichtung in dem sich an den Drehkopf anschließenden Bereich der Welle ausgebildet (Merkmal G).
Durch diese Angaben ist für den Fachmann klar ersichtlich, daß sich die Trenneinrichtung im Bereich der Welle in direktem Anschluß an den Drehkopf befindet.
2.
Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu, was auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat. Keine der Entgegenhaltungen zeigt eine druckluftbetätigte Scheibenbremse mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1.
3.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung konnte der Senat auch nicht feststellen, daß die Lehre des Streitpatents sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Zwischen den Parteien bestand Einvernehmen, daß das Streitpatent von der in der deutschen Offenlegungsschrift 40 20 485 (NK6) oder der in der konstruktiv sehr ähnlichen deutschen Offenlegungsschrift 40 34 165, die entgegen der Feststellung in Spalte 1, Zeile 46 der Streitpatentschrift vorveröffentlicht ist, beschriebenen Scheibenbremse ausgeht. Diese bekannten Scheibenbremsen weisen u.a. eine Zuspannvorrichtung auf, die über mindestens eine Stellspindel auf eine Bremsbacke einwirkt, wobei eine mit der Stellspindel gekoppelte Nachstelleinrichtung das sich infolge Belagverschleiß ändernde Lüftspiel konstant hält und einen Drehkopf, mittels dem die Stellspindel in ihre Ausgangslage zurückbringbar ist. Wie in der Einleitung der Beschreibung des Streitpatents ausgeführt, muß zum Einbau eines neuen Bremsbelages die Stellspindel in ihre Ausgangslage zurückgebracht werden, um ausreichend Platz für den neuen Bremsbelag zu schaffen.
Dies erfolgt mittels des Drehkopfes. Bei diesem Vorgang besteht jedoch die Gefahr, daß auch dann noch der Drehkopf weitergedreht wird, wenn die Stellspindel bereits ihren Endanschlag erreicht hat, wodurch möglicherweise die empfindlichen Teile der Nachstelleinrichtung zerstört werden. Da diese Beschädigung nicht ohne weiteres bemerkt wird, ist in diesem Fall ein Bremsversagen möglich. Ziel des Streitpatentes ist es, eine Scheibenbremse derart weiterzubilden, daß ein durch eine unsachgemäße Durchführung des Belagwechsels bedingtes Bremsversagen weitgehend vermieden wird. Hinweise auf die patentgemäße Lösung dieser Aufgabe sind den deutschen Offenlegungsschriften 40 34 165 und 40 20 485 nicht entnehmbar, da in ihnen weder das streitpatentgemäße Problem der möglichen Bremsbeschädigung beim Belagwechsel noch eine konstruktive Lösung dieses Problems angesprochen wird.
Das streitpatentgemäße Problem wird beim gesamten im Verfahren befindlichen Stand der Technik ausschließlich in der US-Patentschrift 4 064 973 angesprochen (vgl Sp 3, Zeilen 45 bis 48 und Sp 5, Zeilen 32 bis 35). Die Funktion dieser bekannten Scheibenbremse ist folgende:
Bei Betätigung der Bremse wird durch einen Spreizkeil 2 ein Kolben 44 in Figur 1 nach links verschoben. In dem Kolben befindet sich ein Teil 86, in dessen Innengewinde ein Schraubbolzen 88 eingeschraubt ist. Dieser wirkt mit seinem bremsscheibenseitigen Ende auf ein Druckstück 34, das auf die Rückseite des Bremsbelages einwirkt. Die Scheibenbremse weist eine automatische Nachstellvorrichtung auf, die bei Bremsbelagverschleiß die Bremse nachstellt. Dazu greift eine mit dem Gewindebolzen 88 verbundene federbelastete (122) Klinke 118 in ein gehäusefestes Zahnrad 112 ein, so daß bei Bremsbetätigung eine Verdrehung des Gewindebolzens 88 in seiner Aufnahme 86 erfolgt, wodurch das linke Ende des Gewindebolzens in Figur 1 in Richtung auf die Bremsbeläge hin verlängert wird.
Für den Austausch verbrauchter Bremsbeläge gegen neue ist eine manuelle Einstellung vorgesehen. Dazu wird mittels eines Schlüssels eine Schnecke 100 gedreht, die in ein Zahnrad 98 eingreift, das drehfest mit der Gewindebolzenaufnahme 86 verbunden ist. Wenn der Gewindebolzen 88 an einer Drehung gehindert wird, so kann durch Drehung der Schnecke 100 und damit des Zahnrades 98 mit daran befestigter Aufnahme 86 eine Verlängerung bzw Verkürzung des zusammengeschraubten Teiles Drehbolzen 88/Aufnahme 86 bewirkt werden. Zur Verhinderung der Drehung des Gewindebolzens 88 ist eine Kupplungsfeder 94 vorgesehen, die reibschlüssig an dem Gewindebolzen anliegt und damit bis zum Einwirken eines bestimmten Drehmomentes die Drehung dieses Gewindebolzens 88 verhindert. Des weiteren ist diese Kupplungsfeder 94 an einem Federhalter 92 befestigt, welcher zwischen der Feder 90 und dem Gehäuse eingespannt ist. Bei Auftreten eines erhöhten Drehmomentes kann sich der Federhalter in seinem Aufnahmesitz gegenüber dem Gehäuse verdrehen.
Damit ist aus der US-Patentschrift eine Scheibenbremse bekannt, die eine Nachstellvorrichtung und einen Drehkopf (Ende der Schnecke 100 in Fig 3) aufweist, mittels dem eine Stellspindel in ihre Ausgangslage zurückbringbar ist. Weiterhin ist im Momentenübertragungsweg vom Drehkopf in die Nachstelleinrichtung eine bei einem Grenzdrehmoment ansprechende Trenneinrichtung vorgesehen. Unterschiedlich zum Streitpatent ist jedoch die Lage der Trenneinrichtung. Während bei der US-Patentschrift die Trenneinrichtung innerhalb der Nachstelleinrichtung angeordnet ist, befindet sich diese beim Streitgegenstand in dem direkt an den Drehkopf anschließenden Bereich. Dies hat zur Folge, daß beim bekannten Gegenstand im Unterschied zum Streitpatentgegenstand bei einem übergroßen Drehmoment eine Beschädigung der Teile der Nachstelleinrichtung auftreten kann, die vor der Trenneinrichtung liegen. Dies sind bei der US-Patentschrift die Teile Schnecke 100, Zahnrad 98, Gewindebolzenaufnahme 86 und Gewindebolzen 88. Beim Streitpatentgegenstand dagegen ist aufgrund der Lage der Trenneinrichtung eine Beschädigung funktionswichtiger Teile ausgeschlossen. Eine Anregung für den Fachmann in Richtung der Lehre des Streitpatents vermag die US-Patentschrift 4 064 973 schon deshalb nicht zu geben, da in ihr zwar das Problem der Bremsbeschädigung beim Belagwechsel angesprochen wird, aber einer anderen, nicht in Richtung der streitpatentgemäßen Lösung weisenden Lösung zugeführt wird, indem die Trenneinrichtung gerade nicht in den Bereich direkt hinter den Drehkopf, sondern in einen die Beschädigung funktionswichtiger Teile in Kauf nehmenden Bereich im Inneren der Nachstellvorrichtung gelegt wird.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zur erfinderischen Tätigkeit vorgetragen, daß es gegenüber der in der US-Patentschrift 4 064 973 beschriebenen Scheibenbremse beim Streitgegenstand nurmehr unterschiedlich sei, die Trenneinrichtung an einer anderen Stelle vorzusehen. Die Auswahl einer anderen Lage sei jedoch nicht erfinderisch. Wenn nämlich der Fachmann bei der Scheibenbremse nach der deutschen Offenlegungsschrift 40 20 485 oder der deutschen Offenlegungsschrift 40 34 165 die aus der US-Patentschrift 4 064 973 bekannte Trenneinrichtung vorsehen möchte, um mögliche Beschädigungen beim Belagwechsel zu verhindern, so biete sich als möglicher Einbauort nur der Wellenbereich direkt hinter dem Drehkopf an. Eine Anordnung der Trenneinrichtung im weiter vom Drehkopf entfernten Teil des Schaftes, in dem die Einzelteile der Betätigung der Stellspindeln angeordnet sind, sei nicht möglich. Somit sei es für den Fachmann naheliegend, die aus der US-Patentschrift bekannte Trenneinrichtung bei einer Übertragung auf die Scheibenbremsen nach den deutschen Offenlegungsschriften 40 20 485 oder 40 34 165 an den streitpatentgemäßen Ort zu legen, wodurch eine Scheibenbremse mit allen Merkmalen des Streitpatents erreicht würde. Dieser Ansicht kann der Senat nicht folgen. Es ist nämlich nicht zutreffend, daß sich dem Fachmann bei den Scheibenbremsen nach den deutschen Offenlegungsschriften ein Einbauort der Trenneinrichtung im Bereich direkt hinter dem Drehkopf quasi aufdrängt. Sowohl bei der Scheibenbremse nach der deutschen Offenlegungsschrift 40 20 485 (Sp 9, Zeilen 4 bis 6), als auch bei der Scheibenbremse nach der deutschen Offenlegungsschrift 40 34 165 (Sp 10, Zeilen 40 bis 44) sind bereits Drehmomentbegrenzungskupplungen vorgesehen, die nicht im direkt an den Drehkopf anschießenden Teil des Drehantriebs angeordnet sind. Damit ist es für den Fachmann, der eine aus der US-Patentschrift bekannte Trennvorrichtung bei den Scheibenbremsen nach den deutschen Offenlegungsschriften vorsehen will, naheliegend, diese Trennvorrichtung nach dem Vorbild der US-Patentschrift im Inneren der Nachstelleinrichtung anzuordnen. Dies gilt um so mehr, als auch bei den Scheibenbremsen nach den deutschen Offenlegungsschriften bereits Drehmomentbegrenzungskupplungen im Inneren der Nachstelleinrichtungen vorgesehen sind. Im Unterschied zu diesen Vorbildern im Stand der Technik, wonach die Trenneinrichtungen -unabhängig vom Zweck, für den sie eingesetzt werden -stets nur im Inneren von Nachstelleinrichtungen vorgesehen werden, wird beim Streitpatent erstmals eine Trenneinrichtung direkt im Anschluß an den Drehkopf angeordnet. Dies kann schon allein aufgrund der Vorteile, die mit dieser streitpatentgemäßen Lösung erzielbar sind und dem Mangel jeglichen Vorbildes im Stand der Technik für den Fachmann nicht nahegelegen haben.
An dieser Beurteilung vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß es aus dem Fachbuch "Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau", 15. Auflage, Springer-Verlag, 1983, S 413, Stichwort "Drehmomentgeschaltete Kupplungen", allgemein bekannt ist, drehmomentbegrenzende Vorrichtungen vorzusehen. Auch die US-Patentschrift 3 138 987 vermag diese Beurteilung nicht zu beeinflussen, da sie einen "Fastener" betrifft, mit dessen Hilfe mehrere Platten miteinander verbindbar sind und die keinerlei Bezug zu irgendwelchen Problemen von Scheibenbremsen beinhaltet, so daß der Fachmann auf der Suche nach der Lösung seines scheibenbremsenspezifischen Problems diese Druckschrift nicht beachtet. Letztlich geben die beiden letztgenannten Druckschriften auch keinen Hinweis auf die streitpatentgemäße Anordnung der Trenneinrichtung im an den Drehkopf anschließenden Bereich, weswegen sie diese Lösung auch nicht nahelegen können. Auch alle übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften, die in der mündlichen Verhandlung sachlich nicht aufgegriffen wurden, da sie dem Gegenstand des Streitpatents nicht näher kommen als die oben bereits im einzelnen abgehandelten Druckschriften, vermögen die streitpatentgemäße Lösung nicht nahe zu legen. Keine dieser Druckschriften gibt nämlich irgendeinen Hinweis oder zeigt gar ein Vorbild in Richtung der streitpatentgemäßen Lösung.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher im verteidigten Umfang bestandsfähig.
Die weiter angegriffenen Patentansprüche 2 bis 4 haben in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 ebenfalls Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO und entspricht dem jeweiligen Unterliegen bzw Obsiegen der Parteien. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO, im übrigen aus § 708 Nr 11 ZPO.
Hellebrand Trüstedt Schmidt-Kolb Sperling Sredl Pr
BPatG:
Urteil v. 13.06.2002
Az: 3 Ni 10/01
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