Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juni 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 77/03
(BPatG: Beschluss v. 01.06.2005, Az.: 32 W (pat) 77/03)
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 14. August 2000 angemeldete und am 19. Oktober 2000 für die Waren "Schaumküsse"
eingetragene Wort-/Bildmarke 300 60 604 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der am 19. April 1990 angemeldeten und am 29. Januar 1998 eingetragenen Wortmarke 2104453 Kissgeschützt für die Waren "Schaumzuckerwaren, nämlich Negerküsse"
und aus der am 14. Februar 1990 angemeldeten und am 2. Oktober 1997 eingetragenen Wortmarke 2103998 Kissgeschützt für die Waren "Bonbons aus Fruchtgummi in Verbindung mit Schaumzucker und/oder Lakritze und/oder Gelee".
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Widersprüche mit Beschluss vom 17. Januar 2003 zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Dabei sei von Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und einer schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auszugehen. Dem Bestandteil "Kiss" komme innerhalb der angegriffenen Marke keine prägende Stellung zu. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheitere bereits an der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils "Kiss".
Dagegen richten sich die Beschwerden der Widersprechenden. Sie stellen jeweils den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuhebenund die angegriffene Marke aus dem Register zu löschen.
Die Widersprechende zu 1) ist der Auffassung, zwischen den Vergleichsmarken bestehe eine Verwechslungsgefahr. Die Markenstelle sei zu Unrecht von einer schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen, da "Kiss" von den betroffenen Verkehrskreisen nicht als bloße Übersetzung des Produktes Schaum- oder Negerkuss verstanden werde.
Auch die Widersprechende zu 2) geht von einer Verwechslungsgefahr aus. Die Vergleichswaren seien einander sehr ähnlich. Die angegriffene Marke werde insbesondere wegen der auffälligen Darstellung eines Kussmundes durch den Bestandteil "KISS" geprägt.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie bestreitet eine Benutzung der Widerspruchsmarken. Außerdem verteidigt sie den angegriffenen Beschluß und wiederholt insbesondere ihre Auffassung, die angegriffene Marke werde nicht von dem Markenelement "KISS" geprägt.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle die nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobenen Widersprüche zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen hat. Es besteht auch nach der Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr; auf die Benutzung der Widerspruchsmarken kommt es daher nicht an.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren bzw. Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind nach der Rechtsprechung des Bundsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den Faktoren Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Aufmerksamkeit des Publikums besteht. So kann ein höherer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS; EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 Nr. 40 - Marca/Adidas).
a) Die Benutzung beider Widerspruchsmarken unterstellt, stehen sich bezüglich des Widerspruchs aus der Marke 2104453 "Schaumküsse" und "Schaumzuckerwaren, nämlich Negerküsse" und damit identische Waren gegenüber. Mit den "Bonbons aus Fruchtgummi" der Marke 2103998 sind die "Schaumküsse" der jüngeren Marke zumindest durchschnittlich, wenn nicht hochgradig ähnlich. Schaumküsse fallen ebenso wie Bonbons unter den Oberbegriff Konditorwaren (zur hochgradigen Ähnlichkeit von Bonbons und Konditorwaren s. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 87).
b) Die Widerspruchsmarken "Kiss" haben von Haus aus nur eine geringe Kennzeichnungskraft. Auf dem Süßwarensektor wird dieses weitgehend verständliche englischsprachige Wort, wie auch "Kuss" und "Küsschen", häufig verwendet im Sinne von einer kleinen Leckerei (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Dezember 2003, Az.: 32 W (pat) 381/02 - Kiss Cola/Kiss).
"Küsse" ist sogar eine im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke 2104453 vorkommende Warenbezeichnung.
Die von den Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereichten Unterlagen reichen nicht aus, die Kennzeichnungskraft aufgrund einer intensiven Benutzung zu kompensieren. Bezüglich der Marke 2104453 läßt sich den Angaben in der Eidesstattlichen Versicherung vom 24. Mai 2004 im Gegenteil entnehmen, daß der Absatz bzw. Umsatz in den Jahren 2003 und 2004 im Verhältnis zu den vorangegangenen Jahren 2001 und 2002 deutlich zurückgegangen ist. Bezüglich der Marke 2103998 kann allein aus den in der Eidesstattlichen Versicherung vom 11. September 2001 für die Zeit von 1998 bis 2000 genannten Umsatzzahlen nicht auf eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Juni 2005 (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 304) geschlossen werden.
c) Den in Anbetracht der Warenidentität und geringen Kennzeichnungskraft erforderlichen Abstand halten die Vergleichsmarken ein. Schriftbildlich besteht bereits deshalb keine verwechslungsbegründende Markenähnlichkeit, weil es sich bei der jüngeren Marke um ein Kombinationszeichen mit einem auffälligen Bildbestandteil handelt.
Auch phonetisch besteht wegen der unterschiedlichen Länge beider Marken und des sich daher einstellenden abweichenden Gesamtklangbilds keine relevante Markenähnlichkeit. Von einer Abspaltung oder Vernachlässigung des ersten Wortbestandteils "BISS" bei der Benennung der jüngeren Marke kann nämlich nicht ausgegangen werden. Der Verkehr hat dafür - generell und auch im vorliegenden Fall - keine ernsthafte Veranlassung. Dagegen spricht bereits die einheitliche Schriftart und -größe der Wortbestandteile "BISS" und "KISS", die durch den Bindestrich auch äußerlich zu einer Einheit verklammert sind. Abgesehen davon wird die jüngere Marke auch aufgrund der lautmalerisch gebildeten Gesamtbezeichnung mit der Gesamtheit beider Wortbestandteile benannt werden. Da sich die beiden Wortbestandteile BISS und KISS reimen, wird der Verkehr zu deren Verkürzung keinen Anlaß haben.
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich in Verbindung gebracht und unter diesem Aspekt verwechselt werden. Ein den Marken gemeinsamer Stammbestandteil, der Hinweiskraft auf die Unternehmen der Widersprechenden entfalten könnte, ist nicht vorhanden. Insbesondere der kennzeichnungsschwache Markenbestandteil "Kiss" kommt als Stammbestandteil einer Serienmarke nicht in Betracht (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 484).
Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlaß.
Dr. Albrecht Merzbach Kruppa Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 01.06.2005
Az: 32 W (pat) 77/03
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