Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 33/04

(BPatG: Beschluss v. 03.08.2006, Az.: 6 W (pat) 33/04)

Tenor

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 02 B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. April 2004 wird aufgehoben. Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Seiten 1 bis 3, jeweils eingegangen am 27. Juni 2006, und Zeichnung mit Fig. 1 bis 3 gemäß Offenlegungsschrift.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Erfindung mit der Bezeichnung "Gründung für eine Offshore-Windkraftanlage" ist am 18. Dezember 2000 unter dem Aktenzeichen 100 61 916.9-25 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse E 02 B hat mit Beschluss vom 21. April 2004 die Anmeldung zurückgewiesen, da ihr Gegenstand gegenüber dem Inhalt der DE 31 23 702 C2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Als weiterer Stand der Technik waren im Prüfungsverfahren folgende Druckschriften ermittelt worden:

DE 24 49 703 A1, GB 14 69 469 und US 41 20 166.

Von den Anmeldern ist in der Beschreibung zum Stand der Technik die Literaturstelle HAU, Windkraftanlagen, Springer-Verlag, 2. Auflage, Seite 529 benannt worden.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss haben die Anmelder am 28. Mai 2004 Beschwerde eingelegt.

Sie beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen mit Patentansprüchen 1 bis 7 und Beschreibung Seiten 1 bis 3, jeweils eingegangenen am 27. Juni 2006, sowie der Zeichnung (Figuren 1 bis 3) gemäß Offenlegungsschrift.

Ferner wird Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt, da vor Beschlussfassung durch die Prüfungsstelle das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei. Der angefochtene Zurückweisungsbeschluss beruhe auf einer gegenüber dem ursprünglich beschiedenen Sachverhalt geänderten Anspruchsfassung, zu welcher sich die Prüfungsstelle vor Beschlussfassung nicht mehr geäußert habe und die Anmelder somit keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Gründung für eine Offshore-Windenergieanlage, mit n an den Ecken eines gedachten regelmäßigen n-Ecks in den Meeresboden eingerammten Rohren (10) und ein von den freien Enden der Rohre (10) getragenes, den Turm der Windkraftanlage tragendes Stützgerüst (14), das aus aufeinander zu verlaufenden und mit dem Turm verbundenen Querstreben (16) und sich von den äußeren Enden der Querstreben (16) schräg nach oben aufeinander zu erstreckende Schrägstreben (18) besteht, gekennzeichnet durchzwischen dem Stützgerüst (14) und den freien Enden der Rohre (10) oberhalb des zu erwartenden Wellengangs angeordnete, ein Verschwenken des Stützgerüstes in alle Richtungen erlaubende Gelenke (22), wobei die Gelenke (22) mit in die Rohre (10) eingreifenden und mit diesen fest verbundenen Rohrstutzen (24) versehen sind."

Damit soll nach der auf Seite 1, letzter Absatz der geltenden Beschreibung angegebenen Aufgabe eine entsprechende Gründung derart weitergebildet werden, dass diese bei einer dauerhaften Konstruktion eine verbesserte Krafteinleitung erlaubt.

An den Hauptanspruch schließen sich rückbezogene Unteransprüche 2 bis 7 an, zu deren Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.

II.

1. Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch erfolgreich, da der Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 patentfähig ist.

2. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der geltende Patentanspruch 1 beruht auf dem ursprünglichen Hauptanspruch unter Hinzunahme von Merkmalen der ursprünglichen Patentansprüche 5 und 6.

Die Unteransprüche 2 bis 7 entsprechen unter angepasster Nummerierung und Rückbeziehung wortgleich den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4 und 7 bis 9.

3.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. So sind bei keiner der in den einzelnen Druckschriften gezeigten Gründungen bzw. Stützgerüsten, soweit sie überhaupt Gelenke aufweisen, diese mit in Rohre eingreifenden und mit diesen fest verbundenen Rohrstutzen versehen.

3.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Am nächsten kommt dem Anmeldungsgegenstand die Literaturstelle aus HAU, Windkraftanlagen, wo auf der Seite 529 unterschiedliche Alternativen für die Gründung solcher Anlagen bei Offshore-Aufstellung gezeigt sind. Die erste dort in Bild 15.43 dargestellte Ausführung mit "Stützgerüst Stahlrohr" weist die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 auf. Über diese - sowie zwei weitere alternative - grundsätzliche Möglichkeiten zur Gründung für eine Offshore-Windkraftanlage hinaus, ist dieser Entgegenhaltung keinerlei Hinweis auf die weitergehenden Merkmale des Patentanspruchs 1 zu entnehmen, insbesondere nicht auf Gelenke, welche über Rohrstutzen mit den Rohren des Stützgerüstes verbunden sind.

Die DE 31 23 702 C2 zeigt zwar Gelenkverbindungen zwischen einem Bein einer Bohr- und Produktionsplattform und einer Gründung im Meeresboden. Dieser Druckschrift entnimmt der Fachmann, für welchen hier ein Stahlbau-Ingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet von Offshore-Gründungen anzusetzen ist, aber lediglich die Anweisung, wie ein solches Gelenk in seinem inneren Aufbau zu konstruieren ist, um die Verbindung bei Versagen der Gelenkfunktion aufgrund außergewöhnlicher Belastungen abzusichern. Eine Anregung dazu, die Gelenke wie beim Anmeldungsgegenstand in vorteilhafter Weise über Rohrstutzen an die sie tragenden Rohre anzuschließen, geht aus dieser Entgegenhaltung nicht hervor.

Keine dieser beiden Veröffentlichungen bietet dem Fachmann aber auch eine Veranlassung dazu, etwa in einer Kombination ihrer Gegenstände eine Gründung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu schaffen. Vielmehr geben beide Druckschriften jeweils eine in sich abgeschlossene Lehre zur Lösung der jeweiligen, gänzlich unterschiedlichen Aufgabe.

Noch weiter ab vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegen die übrigen Druckschriften, welche im Prüfungsverfahren lediglich zu Unteransprüchen in Betracht gezogen worden waren. So befasst sich die DE 24 49 703 A1 mit Schutzhülsen für die Stützsäulen einer künstlichen Insel, während die GB 14 69 469 und die US 41 20 166 gelenklose Stützenkonstruktionen mit unterschiedlichen Mitteln für einen Längenausgleich einzelner Stützelemente zeigen.

Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

Mit ihm sind auch die von ihm getragenen Unteransprüche 2 bis 7 gewährbar, die auf vorteilhafte, nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Anmeldungsgegenstandes gerichtet sind.

4. Die Beschwerdegebühr ist gem. § 73 Abs. 3 Satz 2 PatG aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen, da dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle eine noch nicht beschiedene wesentlich geänderte Antragslage zugrunde lag. Das rechtliche Gehör war den Anmeldern damit nicht gewährt worden.






BPatG:
Beschluss v. 03.08.2006
Az: 6 W (pat) 33/04


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