Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 5. Dezember 2000
Aktenzeichen: 16 Wx 154/2000
(OLG Köln: Beschluss v. 05.12.2000, Az.: 16 Wx 154/2000)
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.10.2000 - 6 T 359/99- abgeändert und die Erstbeschwerde zurückgewiesen.
Gründe
GRÓNDE
Die Betroffene erteilte im Jahre 1994, nachdem sie einen
Schlaganfall erlitten hatte, ihrer Nichte, der Beteiligten zu 2)
eine notarielle über ihren Tod hinaus geltende Vollmacht dahin, sie
in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten gerichtlich und
außergerichtlich zu vertreten, soweit dies gesetzlich zulässig ist,
und auch für einzelne von ihr zu bestimmende Rechtsgeschäfte
Untervollmacht zu erteilen (Bl. 15, 16 GA).
Mit Beschluss vom 19.1.1999 ordnete das Amtsgericht auf Anregung
der Kliniken der Stadt K. im Wege einstweiliger Anordnung für die
Betroffene vorläufige Betreuung an mit den Aufgabenkreisen
Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vertretung bei Behörden
und Postkontrolle, und bestellte die Beteiligte zu 2), die sich
zuvor mit der Óbernahme einer umfassenden Betreuung einverstanden
erklärt und die vorgenannte Vollmacht vorgelegt hatte, zur
vorläufigen Betreuerin und die Beteiligte zu 3) zur
Verfahrenspflegerin. Am folgenden Tag fand die richterliche
Anhörung der Betroffenen statt, an der die Beteiligte zu 3)
teilnahm. Im anschließend von ihr vorgelegten Bericht (Bl. 50 GA)
heißt es u.a.:
"...Weiter liegt die Kopie einer notariellen Urkunde vor.
Danach hat die Betroffene ihrer Nichte...die Vollmacht erteilt,
sie in allen vermögensrecht-
lichen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu
vertreten..."
Der Sachverständige Dr. H. diagnostizierte sodann in seinem vom
Amtsgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten eine aphasische
Störung der Betroffenen, verursacht durch einen apoplektischen
Insult, und stellte ferner fest, dass die Betroffene aufgrund
dieser Erkrankung nicht in der Lage sei, eigene Angelegenheiten
selbst zu besorgen. Die Beteiligte zu 3) legte daraufhin folgenden
ergänzenden Bericht vom 27.1.99 vor (Bl. 52, 53 GA):
"Die Unterzeichnende erhält am 27.1.1999 das Gutachten des
Sachverständigen Dr. H. vom 18.1.1999. Danach leidet die Betroffene
an einem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom. Sie bedarf
wohl auf Dauer der umfassenden Betreuung.
Nach telefonischer Rücksprache mit der Nichte, Frau B. F. , vom
heutigen
Tage hat die Betroffene Frau F. am 21.10.94 eine umfassende
notarielle
Vollmacht für ihre finanziellen Angelegenheiten erteilt.
Frau F. führt weiter aus, die Wohnung der Betroffenen müsse
aufgelöst werden. Die Àrzte hätten ihr übereinstimmend erklärt,
dass die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung in Zukunft nicht mehr
alleine in der Wohnung werde leben können.
Es wird vorgeschlagen, Frau B. F. ... als Betreuerin der
Betroffenen für fünf Jahre mit nachstehend genanntem Aufgabenkreis
einzusetzen:
Aufenthaltsbestimmung
Gesundheitssorge
Genehmigung der Wohnungsauflösung
Behördenangelegenheiten
Postkontrolle..."
Mit Beschluss vom 8.2.99 ordnete das Amtsgericht endgültige
Betreuung an mit den vorgenannten Aufgabenkreisen und dem
zusätzlichen Aufgabenkreis: Vermögenssorge.
Für ihre Tätigkeit als Verfahrenspflegerin beantragte die
Beteiligte zu 3) die Festsetzung einer Vergütung (in erster Linie)
in Höhe von 890,42 DM gemäß § 118 I Nr. 1 und 2 BRAGO (nach einem
Gegenstandswert von 8.000,- DM), wohingegen das Amtsgericht -
Rechtspflegerin - die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung
nach den Stundensätzen des BVormVG ( = 60,- DM) bemaß und diese
damit auf 205,46 DM festsetzte. Auf die sofortige Beschwerde der
Beteiligten zu 3) änderte das Landgericht den angefochtenen
Beschluss ab und sprach dieser unter Bezugnahme auf die
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7.6.2000 (FamRZ
2000, 1280), wonach ein Verfahrenspfleger nach anwaltlichem
Gebührenrecht abrechnen könne, wenn zusätzlich zur
Verfahrenspflegschaft anwaltspezifische Aufgaben übernommen werden,
antragsgemäß eine Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht in Höhe
von 890, 42 DM zu.
Die hiergegen eingelegte sofortige weitere Beschwerde der
Landeskasse ist gemäß §§ 56 g Abs. 5, 22, 27, 29 Abs. 2 FGG
statthaft. Das Landgericht hat das Rechtsmittel gemäß §§ 56 g Abs.
5 S. 2, 67 Abs. 3 S. 3 FGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur
Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung des Landgerichts, das auf zulässige Erstbeschwerde
entschieden hat (§§ 56 g Absatz 5 S. 1, 20, 22 FGG), beruht auf
einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt: Da die Betroffene ihrer Nichte bereits eine notarielle
Vollmacht erteilt hatte, sei diese auf Wirksamkeit und Umfang zu
überprüfen gewesen. Hierzu sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts
geboten gewesen, da ein Laie für die Beurteilung von Rechtsfragen,
wie sie sich hier insbesondere in Bezug auf die Vollmachtserteilung
stellen würden, nicht in Betracht komme. Die Erwägung hält der
rechtlichen Óberprüfung nicht stand. Die Beteiligte zu 3) hatte im
Streitfall nicht zusätzlich zur Verfahrenspflegschaft
anwaltspezifische Aufgaben zu erledigen, die nach der BRAGO
abgerechnet werden dürften, so dass der Senat die Ansicht der
Rechtsbeschwerde teilt, dass hinsichtlich des Vergütungsanspruchs
der Verfahrenspflegerin für die Anwendung der BRAGO kein Raum
ist.
Zwar kann auch die Führung einer Verfahrenspflegschaft - wie das
Bundesverfassungsgericht in den beiden vorgenannten Entscheidungen
ausgeführt hat - mit solchen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden
sein, dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung
rechtliche Unterstützung durch einen Anwalt benötigt - also
professioneller Rechtsrat vonnöten oder wenigstens üblich ist. Das
hätte hier in der Tat der Fall sein können, wenn vernünftige
Zweifel an der Wirksamkeit und/oder hinsichtlich des Umfangs der
der Beteiligten zu 2) erteilten notariellen Generalvollmacht
aufgetreten wären oder bestehen konnten, und deshalb begründete
Veranlassung bestanden hätte, durch einen Volljuristen die
Vollmacht überprüfen zu lassen. So liegt der Fall hier aber nicht.
Solche Zweifel waren von keiner Seite geltendgemacht worden oder
angezeigt. Für eine Unwirksamkeit der Vollmacht wegen etwaiger
damaliger Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen sprach nichts: Die
Vollmacht war gegenüber einem Notar erteilt worden, zudem mehrere
Jahre zuvor, nämlich im Jahre 1994, nachdem die Betroffene einen
Schlaganfall erlitten hatte. Ferner ergab nicht etwa das vom
Amtsgericht eingeholte psychiatrische Gutachten nunmehr
Anhaltspunkte, die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen zum damaligen
Zeitpunkt in Frage zu stellen. Ebensowenig war eine juristische
Óberprüfung des Umfangs der Vollmacht angesichts der
wünschenswerten Klarheit und Deutlichkeit der getroffenen Regelung
veranlasst. Solche Óberprüfungen vorgenommen zu haben, hatte zudem
die Beteiligte zu 3) selbst mit ihrer Erstbeschwerdebegründung vom
28.8.2000 (Bl. 111 GA) noch nicht geltendgemacht. Zu ihren in
Rechnung gestellten Tätigkeiten mit einem Zeitaufwand von insgesamt
2,93 Stunden hatte die Beteiligte zu 3) im übrigen in ihrem
hilfsweise gestellten Kostenantrag vom 25.8.1999 auch nur angeführt
(Bl. 81 GA):
"Erhalt der Unterlagen im einstweiligen Anordnungsverfahren,
richterliche
Anhörung im Krankenhaus H. und Bericht,
Sachverständigengutach-
ten erhalten und gelesen, Telefonat mit der Nichte der
Betroffenen, Diktat
und Prüfung des Berichts und Kontrolle der richterlichen
Entscheidung".
Grundsätzlich hätte hingegen volljuristischer Rat- was die
Rechtsbeschwerde weiter geltendmacht - für die Beantwortung der
Frage erforderlich werden können, ob und inwieweit die erteilte
Vollmacht hinsichtlich einer bestimmten Angelegenheit, nämlich
hinsichtlich der der Beteiligten zu 2) bereits zugewiesenen
Berechtigung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, eine amtliche
Betreuung entbehrlich machen konnte. Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf
nämlich ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in
denen die Betreuung erforderlich ist, was aber ausscheidet, soweit
die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den
in § 1897 Abs. 3 BGB bezeichneten Personen gehört, ebenso gut wie
durch einen Betreuer besorgt werden können. Aber auch in einem
solchen Fall ist Voraussetzung für die Einholung des Rechtsrats,
dass dieser vonnöten ist, um den Wünschen und dem Interesse der
Betroffenen gerecht zu werden und dadurch von der Betroffenen
mögliche gewichtige Nachteile/Beeinträchtigungen fernzuhalten. Eine
solche Konstellation ergab sich im Streitfall aufgrund der Umstände
des Falls aber nicht. Da als Betreuerin auch für den Aufgabenkreis
der Vermögenssorge nur die Beteiligte zu 3) in Betracht kam, konnte
es für die Betroffene gleichgültig sein, ob der Beteiligten zu 3)
die Vermögenssorge aufgrund der Vollmacht oder amtlicher Betreuung
anvertraut ist.
Anders mag auch der Fall liegen, wenn die Betroffene eine
Vorsorgevollmacht erteilt hat, und Zweifel an deren Wirksamkeit
bestehen oder die Frage einer Vollmachtsüberwachungsbetreuung
ansteht (§ 1896 Abs. 3 BGB), weil der Betroffene seinen
Kontrollanspruch wegen psychischer Erkrankung nicht mehr selbst
wahrnehmen kann. Im letzteren Fall vertritt der Senat die Meinung,
dass wegen dieses Umstandes nicht schon vorsorglich ein
Kontrollbetreuer bestellt werden kann, sondern erst dann, wenn -
was anwaltspezifische Beratung erfordert - aufgrund der konkreten
Umstände des Falls eine Óberwachung auch wirklich geboten erscheint
(Beschluss vom 28.6.1999 - 16 Wx 86/99 - OLGReport Köln 2000,
91).
Im Streitfall hätte ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische
Ausbildung anstelle der Beteiligten zu 3) deshalb zur Wahrnehmung
und Durchsetzung der Interessen und Wünsche der Betroffenen im
Rahmen der anstehenden Betreuungsanordnung auch keinen Rechtsanwalt
eingeschaltet oder einschalten müssen. Der Umstand allein, dass das
Amtsgericht für die Betroffene eine Rechtsanwältin als
Verfahrenspflegerin bestellt hat, bedeutet nicht, dass sie
Tätigkeiten zu erbringen hatte und erbracht hat, die der besonderen
Qualifikation eines Rechtsanwalts bedurften.
OLG Köln:
Beschluss v. 05.12.2000
Az: 16 Wx 154/2000
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