Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. August 1996
Aktenzeichen: 6 U 98/96

(OLG Köln: Urteil v. 23.08.1996, Az.: 6 U 98/96)

1. Allein der Umstand, daß ein Presseartikel, der sich mit der Nachrichten-Berichterstattung eines privaten Fernsehsenders befaßt, agressive, die Mitarbeiter des Senders herabsetzende Formulierungen enthält, rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme, er diene - auch in subjektiver Hinsicht - Wettbewerbszwecken.

2. Auch in hohem Maße herabsetzende und kränkende Àußerungen in einem Presseartikel sind von dem in Art. 5 GG gestgeschriebenen Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn der Artikel - seiner polemischen, von Zynismen und Sarkasmen gekennzeichneten Elemente entkleidet - seinem Inhalt nach einen auf den Gegenstand der Kritik sachlich bezogenen Aussagegehalt aufweist.

3. Die Zulässigkeit eines - auch vernichtenden - Wetturteils in einem Presseartikel verlangt nicht die (gleichzeitige) Mitteilung der Tatsachen, die das Urteil - aus der Sicht des Kritikers - tragen.

4. Zur Frage zulässiger Kritik am sog. ,Infotainment" auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung im Fernsehen.

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 6. Dezember 1995 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 376/95 - wie folgt abgeändert:Die mit Beschluß desselben Gerichts vom 18. August 1995 erlassene einstweilige Verfügung wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlaß gerichteten Antrags vom 15. August 1995 aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist nicht nur zulässig, sondern

auch in der Sache selbst erfolgreich.

Sie führt zur Aufhebung der mit dem angefochtenen Urteil

bestätigten einstweiligen Beschlußverfügung, weil der

Antragstellerin der darin titulierte Unterlassungsanspruch unter

keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.

Soweit die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren, mit

welchem sie das Verbot der dem Artikel "Blut und Sperma" im

einzelnen entnommenen Aussagen bezweckt, auf die §§ 1, 14 UWG

stützen will, konnte sie damit von vornherein nicht durchdringen.

Diese wettbewerbsrechtlichen Ansprüche scheitern daran, daß - was

für die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften des UWG aber

vorauszusetzen ist - auf Seiten der Antragsgegnerin kein Handeln zu

Zwecken des Wettbewerbs vorliegt.

Allerdings ist es richtig, daß der beanstandete Artikel objektiv

dazu geeignet ist, den Wettbewerb zwischen der Antragstellerin und

ihren Mitbewerbern zu beeinflussen. Dabei kann es dahinstehen, ob

sich unmittelbar im Verhältnis zwischen den Parteien, die als

Publikationsorgane im weitesten Sinne in Wettbewerb miteinander

stehen, eine derartige Beeinflussung der wettbewerblichen

Positionen auswirken kann. Selbst wenn im konkreten Fall nur und

gerade auf die Eigenschaft der Antragstellerin als Medium der

Nachrichtenübermittlung und -präsentation abzustellen sein sollte,

mit der die Antragsgegnerin - jedenfalls was das hier in Rede

stehende Magazin "P." angeht - sich jedoch nicht befaßt, ist der

Artikel objektiv geeignet, die wettbewerbliche Position Dritter

(öffentlichrechtlicher und/oder privater) Nachrichtensender zum

Nachteil der Antragstellerin zu fördern, indem die

Nachrichtenpräsentation der Antragstellerin kritisiert und das

Interesse der Leser auf Nachrichtensendungen anderer

Fernsehveranstalter hingelenkt wird, deren unter anderem für

Werbekunden relevantes Zuschaueraufkommen damit gesteigert wird.

Das aber reicht für die Annahme einer Wettbewerbshandlung in

objektiver Hinsicht aus. Denn als Wettbewerbshandlung ist nicht nur

die Förderung eigenen, sondern auch die fremden Wettbewerbs

anzusehen (vgl. für viele: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht,

18. Aufl., Einleitung UWG, Rdnr. 215 m.w.N.).

Jedoch steht in subjektiver Hinsicht ein Handeln zu

Wettbewerbszwecken, nämlich die Absicht, mit der Veröffentlichung

des angegriffenen Artikels den eigenen oder fremden Wettbewerb zu

fördern, nicht fest. Da es sich bei der Antragsgegnerin um ein dem

allgemeinen Presseprivileg unterfallendes Publikationsorgan

handelt, kann allein aufgrund der objektiven Eignung des

streitbefangenen Beitrags zur Wettbewerbsförderung und des

Bewußtseins des Verfassers, daß eine solche Wirkung eintreten kann,

nicht auf eine Wettbewerbs(förderungs)absicht geschlossen werden.

Grund für eine Presseäußerung kann vielmehr auch das besondere

Anliegen der Presse sein, die Àffentlichkeit über Vorgänge von

allgemeiner Bedeutung zu unterrichten oder zur öffentlichen

Meinungsbildung beizutragen, so daß die für die Anwendbarkeit der

§§ 1, 14 UWG aber erforderliche subjektive Voraussetzung einer

Wettbewerbshandlung nicht schon aufgrund der objektiven Eignung des

Pressebeitrags zur Wettbewerbsbeeinflussung zu vermuten, sondern

aufgrund der den Beitrag jeweils konkret kennzeichnenden Umstände

besonders festzustellen ist (vgl. BGH GRUR 1995, 270/272 -

"Dubioses Geschäftsgebaren" -; BGH GRUR 1986, 812/813 -

"Gastrokritiker"; BGH GRUR 1986, 898/899 - "Frank der Tat" -; BGH

GRUR 1982, 234/235 - "Großbanken-Restquoten"). Letzteres setzt

wiederum voraus, daß neben den vorbezeichneten pressespezifischen

Motivationen eine nicht ganz hinter diese zurücktretende Absicht,

auf den Wettbewerb einzuwirken, belegt werden kann (vgl. BGH

a.a.O.). Anhaltspunkte für eine solche nicht oder nicht völlig von

dem normalerweise im Vordergrund stehenden Ziel der Unterrichtung

oder Meinungsbeeinflussung der Àffentlichkeit verdrängte

Wettbewerbsförderungsabsicht sind jedoch weder dem Inhalt noch der

Form des hier in Rede stehenden Pressebeitrags der Antragsgegnerin

zu entnehmen. Allein der Umstand, daß dieser Artikel in aggressiven

und die Betroffenen zweifellos auch herabsetzenden Formulierungen

gehalten ist, läßt auf eine wettbewerbsspezifische Motivation nicht

schließen. Denn auch bei polemisch überspitzten, einseitig und

generell herabsetzend gehaltenen Beiträgen kann durchaus die

Absicht einer öffentlichen Information und Meinungsbeeinflussung

bestehen und/oder eine anderweitige Motivation im Spiel sein, die

ihrerseits keinerlei Wettbewerbsbezug aufweist (vgl. BGH a.a.O. -

"Dubioses Geschäftsgebahren" - und - "Frank der Tat" -). Im

gegebenen Fall kann weiter nicht übersehen werden, daß mit dem

Artikel erkennbar eine bestimmte Form der Nachrichtenpräsentation

sowie die der Nachrichtenauswahl selbst zugrundeliegenden Kriterien

angeprangert werden sollen, bei denen - so die offenkundig vom

Verfasser zum Ausdruck gebrachte Kritik - ggfls. sogar unter

Zurückstellen der Information über Sachverhalte von weltweiter

Bedeutung die Nachrichten in erster Linie auf ihren

"Unterhaltswert" hin ausgewählt und unter Verletzung des Gebots

journalistischer Zurückhaltung und Neutralität in einer

vordergründig an die Sensationslust des Publikums appellierenden

Manier dargeboten würden. Insoweit reiht sich der Beitrag in die

öffentliche Diskussion um die unter dem Schlagwort "Infotainment"

im weitesten Sinne zusammengefaßte Form der möglichst

"unterhaltsamen" Information über in vielen Fällen von erheblicher

Gewalttätigkeit und Grausamkeit gekennzeichnete Ereignisse ein und

liegt ihr damit eindeutig eine pressespezifische Motivation

zugrunde, die der Annahme widerspricht, daß es der Antragsgegnerin

in irgendeiner beachtlichen Weise dabei (auch) um

Wettbewerbsinteressen gegangen sei.

Liegt danach auf Seiten der Antragsgegnerin subjektiv keine

Wettbewerbshandlung vor, scheiden die Vorschriften des Gesetzes

gegen den unlauteren Wettbewerb - hier konkret - die §§ 1 und 14

UWG - von vornherein als Anspruchsgrundlagen aus.

Aber auch aus den wegen etwaiger Verletzung ihres

unternehmerischen Persönlichkeitsrechts in Betracht zu ziehenden

wettbewerbsunabhängigen allgemeinen Bestimmungen der §§ 823 Abs. 1,

1004 BGB analog kann die Antragstellerin den geltend gemachten

Unterlassungsanspruch nicht herleiten.

Daß die Antragstellerin im Grundsatz als juristische Person

Persönlichkeitsschutz beanspruchen kann, soweit ihre Funktion und

soziale Wertgeltung als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist, steht

außer Zweifel (vgl. für viele: Palandt-Thomas, BGB, 54. Aufl.,

Rdnr. 181 zu § 823 m.w.N.). Eben dieser Bereich ist hier auch

berührt, da die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren gerade

darauf stützt, daß sie durch den angegriffenen Artikel bzw. die

darin eingestellten, konkret beanstandeten Aussagen in ihrer

Eigenschaft als ein sich unter anderem mit der

Nachrichtenübermittlung und -präsentation befassendes Unternehmen

diffamiert werde.

Auch kann weiter unterstellt werden, daß die Antragstellerin

durch die von ihr beanstandete Àußerungen durchweg selbst in ihrem

eigenen unternehmerischen Persönlichkeitsrecht betroffen, sie daher

unmittelbar verletzt und für das geltend gemachte

Unterlassungsbegehren aktiv legitimiert ist (vgl. hierzu: Wenzel,

Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnr. 12.

38/12.39 m.w.N.).

Jedoch scheitert das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin

daran, daß die Antragsgegnerin sich für die in Rede stehenden

Àußerungen auf ein hier vorrangig zu bewertendes Recht zur freien

Meinungsäußerung berufen kann, daher - soweit die Antragstellerin

durch die angegriffenen Presseäußerungen in ihrer unternehmerischen

Ehre verletzt ist - der Antragsgegnerin ein Rechtfertigungsgrund

zur Seite steht.

Allerdings ist es richtig, daß der verfahrensbetroffene Beitrag

jedenfalls mit den unter Ziffer 1.2 und 1.3 des

Unterlassungsantrags aufgeführten Àußerungen eine Reihe von

herabsetzenden, die Antragstellerin in ihre Ehre kränkenden

Àußerungen enthält: Soweit darin ausgeführt ist, daß das Schicksal

des allenfalls zu lokaler Berühmtheit gelangten Kaimans Sammy in

der "R.-Newswährung" schwerer wiege als "tausend Leichen in

Burundi", wird damit das Ansehen der Antragstellerin als ein

Nachrichtensendungen veranstaltendes Privatunternehmen in der

Àffentlichkeit beeinträchtigt. Entsprechendes gilt, soweit die von

dem Informationsdirektor H. zweifellos mitgeprägte

Nachrichtensendung der Antragstellerin als "Dailysoap aus Blut und

Sperma" bezeichnet wird, in deren Verlauf dem Reporter die Funktion

eines "Kellners gut verdaulicher Info-Häppchen" zugewiesen werde.

Jede dieser Aussagen ist - sei es unmittelbar oder mittelbar durch

die hiermit geweckten Assoziationen der Leser - geeignet, das

unternehmerische Ansehen der Antragstellerin als Nachrichtenmedium

in der Àffentlichkeit zu beschädigen. Denn gerade an

Nachrichtensendungen werden vom Publikum - zu dem die Mitglieder

des erkennenden Senats zweifellos zählen - in aller Regel besondere

Maßstäbe betreffend die Seriosität, Distanz und Objektivität der

Nachrichtenauswahl und -präsentation angelegt. Indem der

Antragstellerin mit den vorbezeichneten Aussagen aber eine in

erster Linie am Sensations- und Unterhaltungswert orientierte

Nachrichtenauswahl und -übermittlung angelastet wird, die den

vorbezeichneten Maßstäben nicht genüge, wird auch der das Konzept

der solcher Art kritisierten Sendung tragenden Antragstellerin

selbst das unternehmerische Bemühen und die Vorsorge um eine

seriöse und distanzierte Nachrichtensendung abgesprochen. Daß all

dies die Wertgeltung und Kompetenz der Antragstellerin als

Unternehmen herabsetzt, liegt auf der Hand und bedarf keiner

weitergehenden Erörterung.

Die Antragstellerin hat gleichwohl die angegriffenen

Presseäußerungen hinzunehmen, weil diese sämtlich von dem in

Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz festgeschriebenen Grundrecht der

freien Meinungsäußerung gedeckt sind.

Zwar hat auch im Rahmen einer durch das Grundrecht der Meinungs-

und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 geschützten öffentlichen

Auseinandersetzung der von einer herabsetzenden Kritik Betroffene

nicht jede negative Beurteilung seiner Person hinzunehmen. Auch

dort, wo er ein negatives Werturteil abgibt, ist der Kritiker zur

Rücksichtnahme auf die Ehre des Angegriffenen verpflichtet. Zwar

wird von ihm nicht verlangt, daß er das "mildeste Mittel" zur

Verdeutlichung seines Standpunkts einsetzt. Jedoch muß seine Kritik

nach Art und Aussagegehalt sachbezogen sein. Das berechtigte

Interesse der Presse daran, sich an einer Auseinandersetzung der

Meinungen zu beteiligen, und hierzu mit einer unter Umständen auch

scharfen und schonungslosen, sogar ausfälligen Kritik beizutragen,

deckt nicht ein dem Betroffenen nachteiliges Werturteil, das in

keinem inneren Zusammenhang mit dem erörterten Gegenstand steht und

lediglich aus dem äußeren Anlaß der Interessenwahrung gemacht ist,

in Wirklichkeit aber ausschließlich dazu dient, den Kritisierten zu

diffamieren (vgl. für viele: BVerfG NJW 1993, 1462; BGH GRUR 1995,

273 - "Dubioses Geschäftsgebaren" -; BGH GRUR 1975, 208/209 f -

"Deutschland-Stiftung" -; BGH GRUR 1962, 324 - "Doppelmörder" -

jeweils mit weiteren Nachweisen). Um eine solche, von der in

Artikel 5 Grundgesetz geschützten Presse- und Meinungsfreiheit

nicht mehr gewährleisteten, ausschließlich die Diffamierung der

Antragstellerin bezweckende sogenannte "Schmähkritik" handelt es

sich bei den hier zu beurteilenden Aussagen jedoch nicht.

Dabei ist von vornherein davon auszugehen, daß die von der

Antragstellerin angegriffenen, dem Artikel "Blut und Sperma"

entnommenen Àußerungen sämtlich als Werturteile und nicht etwa als

von dem Grundrechtsschutz der Presse- und Meinungsfreiheit nicht

gedeckte unwahre Tatsachenbehauptungen einzuordnen sind (vgl.: BGZ

31, 308/318 = GRUR 1960, 449 - "Alte Herren" -). Zwar ist es

richtig, daß den hier fraglichen Àußerungen teilweise auch ein

tatsächlicher Aussagegehalt innewohnt. Indem beispielsweise

kritisiert wird, daß bei der Nachrichtensendung der Antragstellerin

die publizierten Ereignisse nicht anhand ihres objektiven

Informationsgehaltes, sondern "unterhaltsbetont" ausgewählt und

dargeboten werden, ist damit eine in tatsächlicher Hinsicht

durchaus überprüfbarer Aussage über das Konzept der

Nachrichtensendung als solches einschließlich der zu seiner

Umsetzung erteilten Direktiven gemacht, deren Richtigkeit sich etwa

aus dem Vergleich mit anderen Nachrichtensendungen bzw. den dort

veröffentlichten Informationen und ihrer Präsentation

nachvollziehen läßt. Unabhängig davon, inwiefern die Unwahrheit

dieser "tatsächlichen Behauptungen" glaubhaft gemacht ist, steht

jedoch im gegebenen Fall bei sämtlichen angegriffenen

Presseäußerungen der wertende Charakter eindeutig so sehr im

Vordergrund, daß demgegenüber ein ihnen zugleich innewohnender

Tatsachengehalt durchgängig vollständig in den Hintergrund tritt.

Anliegen und Schwerpunkt des zudem in der mit "Meinung" betitelten

Kolumne erschienenen Artikels liegen offenkundig und für jeden

Leser zwanglos erkennbar auf der subjektiven Bewertung des Konzepts

der Nachrichtensendung der Antragstellerin sowie der Auswahl und

Präsentation der Nachrichten selbst einschließlich des damit zum

Ausdruck gebrachten Journalismusverständnisses, nicht aber in der

Darstellung und Dokumentation der den Anlaß zu dieser Kritik

bietenden tatsächlichen Vorgänge selbst (vgl. zur Abgrenzung: BGHZ

45, 296/304; BGHZ 65, 325/330 - "Warentest II" -).

Die somit insgesamt als Werturteile zu behandelnden, von der

Antragsgegnerin als Herausgeberin des Magazins P. zu

verantwortenden Àußerungen bewegen sich auch innerhalb einer durch

die Wahrnehmung der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckten

sachbezogenen Kritik.

Dabei ist von vornherein der besondere Charakter der in Rede

stehenden Presseäußerung zu berücksichtigen, der durch eine

durchweg stark überzeichnete, polemisch aggressive und beißende -

insgesamt sarkastische und zynische - Diktion gekennzeichnet ist.

Ob - wie die Antragsgegnerin das meint - der verfahrensbetroffene

Artikel als Satire einzuordnen ist, die zudem den Rang eines durch

Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz geschützten Kunstwerks einnimmt,

bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn auch bei

Erklärungen, die als "einfache" Meinungs- und Presseäußerungen dem

Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz unterfallen, sind

deren übertreibende und verzerrenden Elemente, soweit sie als

besondere Ausdrucks- und Stilmittel verwendet werden, zu

berücksichtigen. Denn es darf einer auf ihre Zulässigkeit hin zu

beurteilenden Àußerung kein Inhalt unterschoben werden, den der

Urheber ihr erkennbar nicht beilegen wollte (vgl. BVerfG NJW 1992,

2073 - "geb. Mörder" -).

Weist die um ihre sarkastischen und zynischen Elemente

entkleidete Àußerung ihrem "eigentlichen Inhalt" nach einen auf den

Gegenstand der Kritik sachlich bezogenen Aussagegehalt auf, und

läßt sich auch aus der Art der sarkastischzynischen "Einkleidung"

selbst kein Anhaltspunkt für einen ausschließlich der Diffamierung

des Kritisierten dienenden Zweck der Àußerung herleiten, kann

insgesamt nicht auf eine den Schutzbereich von Artikel 5 Abs. 1 GG

überschreitende, daher unzulässige Schmähkritik geschlossen werden

(vgl. in diesem Sinne: BVerfG NJW 1992, 2073/2074).

Diesen Vorgaben halten die angegriffenen Àußerungen stand:

Hinter den zweifellos sarkastischen und die Antragstellerin

aggressiv herabsetzenden Formulierungen, über deren geschmackliche

Einordnung der Senat nicht zu befinden hat, steht ganz eindeutig

die Auseinandersetzung mit einer bestimmten, der Antragstellerin

angelasteten Form der Nachrichtenübermittlung, die entweder bereits

bei der Auswahl der Nachrichten - ggfls. sogar unter

Hintenanstellen auch von Ereignissen großer Tragweite -

vordergründig die Sensationslust sowie das Unterhaltungsbedürfnis

des Publikums zu befriedigen sucht oder die bei der Präsentation

der Nachrichten unter Aufgabe journalistischer Objektivität und

Distanz in den Ereignissen zum Teil unangemessener, auch hier

wiederum unterhaltungsbetonter Weise berichtet. Insofern weisen die

in Rede stehenden Presseäußerungen eindeutig eine Sachbezogenheit

der Kritik auf, die im inneren Zusammenhang mit dem gewürdigten

Gegenstand, hier konkret der Nachrichtensendung der Antragstellerin

bzw. dem dieser Sendung zugrundeliegenden journalistischen Konzept

steht. Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht allein deshalb

gerechtfertigt, weil dem Leser des hier in Rede stehenden Beitrags

darin keine konkreten Tatsachen an die Hand gegeben werden, um die

zum Ausdruck gebrachte vernichtende Wertung selbst kritisch

nachvollziehen zu können. Es mag wünschenswert sein, Kritiker dazu

anzuhalten, die Gründe offenzulegen, auf denen ihre abwertenden

Urteile beruhen, damit die Leser sich nicht nur über den

Kritisierten, sondern auch über die Kritik eine eigene Meinung

bilden können und der Betroffene sich gegen den Angriff gezielt

wehren kann. Andererseits darf jedoch nicht außer Acht gelassen

werden, daß es die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung

erheblich einschränken würde, wenn ein Werturteil nur unter

gleichzeitiger Angabe der Tatsachen, die es - aus der Sicht des

Kritisierenden - tragen, in die Àffentlichkeit gelangen dürfte. Die

Presse wäre dann unter Verzicht auf bestimmte Stilmittel, die

beispielsweise von einer wertenden Polemik leben, im wesentlichen

auf eine Tatsachenberichterstattung und Dokumentation beschränkt.

Um die Vielfalt des geistigen Meinungskampfes, der unter anderem

der Darstellung gerade verschiedener Meinungen in der

Àffentlichkeit dient, zu gewährleisten, muß daher die Àußerung

eines abwertenden Urteils über einen anderen in der Àffentlichkeit

jedenfalls dem Grundsatz nach auch dann zugelassen werden, wenn die

Kritik auf eine Unterrichtung über die Grundlagen ihrer Wertung

verzichtet. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die abwertende

Kritik auch vom Standpunkt des Kritikers aus ohne sachlichen

Bezugspunkt, mithin grundlos und willkürlich abgegeben ist. Liegen

der polemisch überspitzten und in bissiger Form geäußerten Meinung

aber - so wie hier - tatsächliche Anhaltspunkte zugrunde, die

gewichtig genug sind, um die geäußerte Meinung zu veranlassen, kann

von einer ausschließlich der Diffamierung dienenden Schmähkritik

nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil dem Leser die

sachlichen Bezugspunkte, die den Anlaß der Kritik darstellen, nicht

mitgeteilt werden (vgl. BGH a.a.O. - "Deutschlandstiftung"; BGH

GRUR 1995, 270/274 - "Dubioses Geschäftsgebaren" -). Hinzu kommt,

daß dem Leser des hier in Rede stehenden Beitrags durchaus

sachliche Bezugspunkte vermittelt werden, indem konkrete, in den

Medien allgemein behandelte Ereignisse ("... gekillter Kevin ...",

"... wo ... Jugos verbluten ...", "... tausend Leichen in Burundi

...") zumindest angedeutet werden, die dem Leser einen Aufschluß

darüber vermitteln, bei welchen Anlässen der Berichterstattung die

Nachrichtensendung der Antragstellerin den kritisierten Stil der

Nachrichtenauswahl und -präsentation aufgewiesen habe.

Auch aus der Art der in den angegriffenen Àußerungen verwendeten

Formulierungen selbst läßt sich auf eine unzulässige Schmähkritik

nicht schließen. Diese Formulierungen dienen ganz offenkundig als

Stilmittel, um die Intensität der Kritik zum Ausdruck zu bringen,

die - dem Grad der Óbertreibung und polemischen Óberspitzung

entsprechend - eine besondere Abscheu beschreiben soll. Darüber

hinaus dient die Aggressivität der Formulierungen - dem

unbefangenen Leser zwanglos erkennbar - dazu, den Beitrag möglichst

reißerisch zu gestalten, um so im Ergebnis wiederum die

Effektivität der Kritik zu steigern.

Sind somit die von der Antragstellerin angegriffenen Àußerungen

von dem Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit gemäß Art. 5

Abs. 1 Grundgesetz gedeckt, kann das Unterlassungsbegehren der

Antragstellerin schließlich auch keinen Erfolg haben, soweit sie

dieses auf die §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB oder auf

ihr - von § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich geschütztes - Recht am

eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen will.

Unabhängig davon, ob die für die letztgenannte Anspruchsgrundlage

vorauszusetzende Unternehmensbezogenheit der gerügten

Verletzungshandlung bejaht werden kann, kann sich die

Antragstellerin jedenfalls auch hier insgesamt auf eine die

Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung beseitigende Wahrnehmung

berechtigter Interessen, nämlich den von Artikel 5 Abs. 1

Grundgesetz gedeckten Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung,

berufen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2

ZPO).






OLG Köln:
Urteil v. 23.08.1996
Az: 6 U 98/96


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e191f1f4330c/OLG-Koeln_Urteil_vom_23-August-1996_Az_6-U-98-96




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