Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 15. Dezember 2006
Aktenzeichen: 1 ZU 93/06

(OLG Hamm: Beschluss v. 15.12.2006, Az.: 1 ZU 93/06)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 15.08.1945 geborene Antragsteller ist durch Urkunde des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vom 31.05.1977 zur Anwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht Bochum und dem Landgericht Bochum zugelassen worden. Am 07.11.1977 ist er in die Liste der Rechtsanwälte beim Amtsgericht Bochum und am 10.11.1977 in die der Rechtsanwälte beim Landgericht Bochum eingetragen worden. Nach zwischenzeitlicher Umzulassung in den Landgerichtsbezirk Dortmund am 25.10.1979 wurde er durch Urkunde des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 10.09.2002 anderweitig bei dem Amtsgericht Lüdinghausen und dem Landgericht Münster zugelassen.

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Gegen den Antragsteller wurden in der Vergangenheit eine Reihe von Klageverfahren eingeleitet, in denen Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Notar oder Anwalt erhoben wurden. Vier dieser Verfahren endeten mit einer Verurteilung des Antragstellers. Dabei wurden im einzelnen ein Zahlungstitel über 11.698,63 DM, die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung wegen eines Betrages von 676,55 DM, ein Titel auf Herausgabe von Unterlagen und ein Titel auf Rechnungslegung gegen ihn erwirkt. Zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller kam es erstmals auf Betreiben des Finanzamtes M, das wegen einer Steuerschuld von 156.988,83 Euro gegen ihn vorgeht. In einem Liquiditätsprüfungsbericht des Finanzamtes M vom 24.02.2006 heißt es hierzu u.a., dass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben seit dem 12.11.2004 Arbeitslosengeld beziehe, er kein weiteres Vermögen besitze, seine beiden Lebensversicherungen von ihm aufgelöst worden seien und eine steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Nach gescheiterten Vollstreckungsversuchen hat das Finanzamt sodann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Antragsteller beantragt.

Daraufhin hat die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 01.06.2006 zur Stellungnahme zu seinen finanziellen Verhältnissen angehört. Im Rahmen seiner Anhörung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 26.06.2006 u.a. darauf verwiesen, dass abgesehen von der Forderung des Finanzamtes weitere Verbindlichkeiten nicht bestünden, seine beruflichen Einnahmen sich in den Jahren 2005 und 2006 auf je ca. 10.000,- Euro belaufen hätten, private Einnahmen und Immobilienbesitz nicht bestünden und mit dem Finanzamt auch keine Ratenzahlungs- oder Stundungsvereinbarung getroffen worden sei; allerdings stünden ihm Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegen die Finanzbehörde in der Größenordnung von mehr als 500.000,- Euro zu, wobei er hiermit leider aus zeitlichem Hindernis nicht aufrechnen könne.

Sodann hat die Antragsgegnerin durch Verfügung vom 14.07.2006 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen und dies mit den Verbindlichkeiten des Antragstellers gegenüber dem Finanzamt begründet.

Gegen die ihm am 20.07.2006 zugestellte Widerrufsverfügung hat der Antragsteller mit am 19.08.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, er befinde sich nicht in Vermögensverfall. Er könne lediglich die Forderungen des Finanzamtes nicht in einer Summe tilgen. Das Finanzamt betreibe auch keine Vollstreckung gegen ihn, während er seinerseits von einer Schadensersatzforderung gegen das Finanzamt wegen Amtspflichtverletzung von mehr als 500.000,- Euro ausgehe, die er zeitnah geltend machen werde. Andere Gläubiger habe er nicht und sei auch nicht im Schuldnerverzeichnis eingetragen.

Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 11.09.2006 ist der Antragsteller unter Fristsetzung zum 06.10.2006 aufgefordert worden, umfassend zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorzutragen und diese Angaben sowie etwaige Tilgungen der gegen ihn gerichteten Forderungen durch geeignete Unterlagen zu belegen. Eine Stellungnahme hierzu ist seitens des Antragstellers nicht mehr erfolgt.

Während des vorliegenden Verfahrens hat das Amtsgericht Münster durch Beschluss vom 15.09.2006 das Insolvenzverfahren gegen den Antragsteller eröffnet (AZ: 85 IN 63/06 AG Münster).

II.

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist in der Sache unbegründet. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bejaht.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRA0 ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Vermögensinsteressen der Rechtsuchenden nicht gefährdet werden. Dieser Widerrufsgrund war bei dem Antragsteller im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung gegeben und ist auch in der Folgezeit nicht zweifelsfrei entfallen.

1.

Ein Vermögensverfall liegt unter anderem vor, wenn ein Rechtsanwalt in ungeordnete schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die dazu führen, dass er seinen Verpflichtungen nicht in geordneter Weise nachkommen kann.

a)

Ein derartiger Vermögensverfall bestand bei dem Antragsteller zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Widerrufsverfügung. Zur dieser Zeit beliefen sich die Steuerschulden des Antragstellers auf zumindest 156.988,83 Euro. Wie sich aus seinen eigenen Angaben sowohl gegenüber der Antragsgegnerin als auch in seiner Antragsschrift im vorliegenden Verfahren ergibt, war und ist der Antragsteller zu einer geordneten oder gar alsbaldigen Rückzahlung dieser Verbindlichkeiten nicht in der Lage. Denn er verfügt über kein ausreichendes Einkommen aus seiner beruflichen Tätigkeit, das er zu einer angemessenen Schuldentilgung einsetzen könnte. Auch private Einnahmen oder sonstiges Vermögen sind danach nicht vorhanden. Der Antragsteller wird von seiner Ehefrau unterhalten. Dem entspricht, dass Vollstreckungsversuche des Finanzamtes in zwei Lebensversicherungen des Antragstellers und durch den Vollziehungsbeamten ausweislich einer Mitteilung des Finanzamtes vom 21.04.2006 ergebnislos verlaufen sind. Gegenüber dem Finanzamt hatte der Antragsteller ausweislich des Liquiditätsprüfungsberichtes vom 24.02.2006 zudem angegeben, dass er seit dem 12.11.2004 Arbeitslosengeld beziehe.

Soweit der Antragsteller sich zur Begründung seines Antrags auf Gegenansprüche gegenüber dem Land NW wegen Amtspflichtverletzung durch das Finanzamt in Höhe von über 500.000,- Euro beruft, kann er hiermit nicht gehört werden. Seinem diesbzgl. Vortrag fehlt jegliche Substanz. Nach seinen eigenen Angaben hat der Antragsteller trotz angeblich drohender Verjährung bislang keinerlei Schritte zur Geltendmachung seiner behaupteten Forderung unternommen. Er hat die Berechtigung seiner Forderung nicht einmal ansatzweise dargetan. Das Bestehen eines derartigen Schadensersatzanspruchs kann daher nicht festgestellt werden.

Entsprechend ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit seine Steuerschulden ganz oder auch nur teilweise zurückführen könnte.

b)

Aufgrund der zwischenzeitlich während des vorliegenden Verfahrens eingetretenen weiteren Entwicklung greift nunmehr auch die Vermutungswirkung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Hbs. BRA0 ein, wonach Vermögensverfall anzunehmen ist, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet worden ist. Dies ist nunmehr durch den amtsgerichtlichen Beschluss vom 15.09.2006 im Verfahren 85 IN 63/06 AG Münster geschehen.

2.

Der Vermögensverfall des Antragstellers führt auch zu einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender.

Der Antragsteller befindet sich - wie ausgeführt - in einer ungeordneten desolaten Vermögenslage. Es besteht vor diesem Hintergrund im Falle seiner weiteren anwaltlichen Tätigkeit eine Gefahr für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung. Besondere Umstände, die hier eine abweichende Beurteilung und die Bejahung eines Ausnahmefalles im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Demgemäss ist der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin zu Recht ergangen. Entsprechend ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 201 BRA0 i.V.m. § 13 a FGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates zu §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 Kost0 in Zulassungssachen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 15.12.2006
Az: 1 ZU 93/06


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