Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 16/04
(BPatG: Beschluss v. 17.01.2005, Az.: 30 W (pat) 16/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patentamts vom 11. Juni 1996 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Marke B-3 alloy ist am 6. April 1995 beim Deutschen Patentamt zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Sie war zunächst für eine Fülle von Waren der Klassen 6, 7 und 9 bestimmt, unter ihnen "unedle Metalle und deren Legierungen".
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung zurückgewiesen, weil die angemeldete Buchstaben-Zahlen-Kombination für die beanspruchten Waren eine unmittelbar beschreibende, freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Sachangabe sei. Die hiergegen eingelegt Beschwerde hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen, weil die Anmeldung jeglicher Unterscheidungskraft entbehre (26 W (pat) 7/99).
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat der Bundesgerichtshof diesen Beschluß aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Auf der Grundlage des im Rechtsbeschwerdeverfahren auf "Nickellegierungen, roh oder teilweise bearbeitet, insbesondere in Form von Pulvern, Stangen, Drähten (nicht für elektrische Zwecke), Blechen, Platten, und Rohren" eingeschränkten Warenverzeichnisses ist in den Entscheidungsgründen sinngemäß ausgeführt:
Die Annahme, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehle, halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der angemeldeten Bezeichnung könne kein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden. Die Verneinung der Unterscheidungskraft könne auch nicht damit begründet werden, dass der angesprochene Fachverkehr wegen der beschreibenden Verwendungen von Buchstaben und Zahlen auf dem einschlägigen Warengebiet auch bei der angemeldeten Marke einen beschreibenden Inhalt vermute. Eine solche Schlussfolgerung möge im Einzelfall gerechtfertigt sein, müsse jedoch durch besondere tatsächliche Umstände begründet werden, etwa damit, dass die fragliche Bezeichnung in einer Weise gebildet sei, die den Bezeichnungsgewohnheiten für beschreibende Angaben auf dem betreffenden Warengebiet entspreche, denn zumindest davon habe der Fachverkehr Kenntnis. Feststellungen dieser Art seien nicht getroffen. Es sei insbesondere nicht geprüft, ob die angemeldete Bezeichnung irgendwelche Ähnlichkeiten oder strukturelle Gemeinsamkeiten mit Bezeichnungssystemen aus einschlägigen DIN-Normen aufweise. Die vorgelegten Materialien ließen einen derartigen Schluss auch nicht zu. Die Annahme, der Fachverkehr werde bei der angemeldeten Marke einen beschreibenden Inhalt unterstellen, stehe demzufolge nicht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs I ZB 013/99 vom 14. März 2002 Bezug genommen.
Die Anmelderin hält die Marke B-3 alloy mit näheren Ausführungen für schutzfähig.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Mit den insoweit durchgeführten Ermittlungen hat der Senat nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen können, dass vom Bundesgerichtshof genannte Umstände vorliegen, die Anlaß zu der Annahme geben könnten, die Buchstaben-Zahlen-Kombination B-3 alloy in ihrer vollständigen angemeldeten Form sei eine beschreibende Sachangabe.
In der vorausgegangenen Entscheidung des BPatG hatte der Senat zu den Bezeichnungsgewohnheiten bereits verschiedene Feststellungen zur Bedeutung einzelner Großbuchstaben und nachgestellter Ziffern getroffen. Diese Feststellungen rechtfertigen es nach der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs, an die der erkennende Senat gebunden ist, nicht, dem Zeichen Unterscheidungskraft abzusprechen. Es kommt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs insbesondere darauf an, ob Ähnlichkeiten oder strukturelle Gemeinsamkeiten mit den aus den DIN-Normen für Legierungen entnehmbaren Bezeichnungssystemen bestehen. Das ist wohl so zu verstehen, dass dann, wenn für die konkrete Buchstaben-/Zahlenkombination keine beschreibende Bedeutung belegt werden kann, dem Zeichen Unterscheidungskraft nur dann mangelt, wenn sich das Zeichen zwanglos in eine bereits existierende, beschreibend verwendete Bezeichnungsreihe einordnen lässt.
Solche Feststellungen hat der Senat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht treffen können. Mit den für Nickellegierungen in den sie betreffenden DIN-Normen angeführten Kurzbezeichnungen bestehen keine ausreichenden strukturellen Ähnlichkeiten. Nach Friedrich, Tabellenbuch Metall- und Maschinentechnik, bestehen die dort angeführten Kurznamen (nach DIN) jeweils aus Ni (offensichtlich für Nickel) und dem entsprechenden weiteren Kürzel der zusätzlichen Metalle (z.B. Cr, Ma, Fe etc) und gegebenenfalls einer dem Metallanteil voran- oder auch nachgestellten kleineren oder auch größeren Zahl. Das hier maßgebende Zeichen würde sich in diese Tabelle nicht einreihen lassen, ohne dass dies auffiele.
Internetrecherchen führten für die hier maßgebenden Waren nur zu auf die Anmelderin zurückführenden Verwendungen des Zeichens, denen auch kein beschreibender Sinn zugrunde liegt, so dass von einer kennzeichnenden Verwendung auszugehen ist.
Die Anmelderin hat umfangreiches Material zu den Bezeichnungen von Nickellegierungen vorgelegt. Daraus lässt sich keine einheitliche Linie für Bezeichnungen erkennen, insbesondere nicht, dass auch mehrere Mitbewerber der Anmelderin Nickellegierungen mit Zeichen benennen, die aus der Kombination der Großbuchstaben B, C, D oder HR und einer anschließenden einstelligen oder dreistelligen Zahl bestehen. Soweit ersichtlich lassen die Drittbezeichnungen kein bestimmtes System erkennen, sondern wirken ebenso wie die von der Anmelderin gewählten Buchstaben-/Zahlenkombinationen eher willkürlich. Die Anmelderin hat auch belegt, dass zahlreiche ähnlich gebildete Zeichen als Marken eingetragen sind, so dass für den hier maßgebenden, recht eingeschränkten Fachverkehr es durchaus nahe liegt, dass er bei Begegnung mit dem Zeichen an eine Marke denkt und nicht an eine übliche (beschreibende) Kurzbezeichnung einer Nickellegierung, die ihm lediglich noch nicht bekannt ist.
Der Senat hat davon abgesehen, zur Frage der Bezeichnungsgewohnheiten auf dem Gebiet der Nickellegierungen eine Stellungnahme eines Fachverbandes oder ein Gutachten einzuholen. Stellungnahmen eines Fachverbandes erscheinen hier wenig hilfreich, weil dem Verband als solchem nach den Erfahrungen des Senats die eigene Sachkunde fehlt und er in aller Regel nur Befragungen der Verbandsmitglieder durchführt und zusammengestellt. Diese Auskünfte können somit die erforderliche Neutralität nur gewährleisten, wenn es um Fragen geht, die alle Mitglieder betreffen, nicht aber, wenn es um Fragen geht, die unmittelbar den Wettbewerb zwischen einzelnen Mitgliedern betreffen.
Eine Beweiserhebung durch Einholen eines Gutachten eines freien Sachverständigen ist bei dieser Sachlage ebenfalls nicht veranlasst, zumal die Kosten eines Gutachtens die Staatskasse tragen müsste (vgl. für den ähnlich gelagerten Fall des Sachverständigen im Patenterteilungsverfahren: Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 5. Aufl., § 80 Rdn 21 "Sachverständiger"). Die möglichen Interessen der hier maßgebenden Verkehrskreise, die auf die Hersteller und Verwender von Nickellegierungen, also im wesentlichen auf Mitbewerber der Anmelderin beschränkt sind, sollten jedoch kostenmäßig nicht zu Lasten der Staatskasse und damit der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern einem Sachverständigen von vornherein wesentlich andere Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen könnten. Bezüglich der Bezeichnungsgewohnheiten auf dem hier maßgebenden Gebiet lagen die Kurzbezeichnungen der DIN, auf die der Bundesgerichtshof in erster Linie abstellt, dem Senat vor. Die sonstigen Bezeichnungen ließen sich über das Internet ebenfalls recherchieren. Bezeichnungen, die nicht auch im Internet erscheinen, dürften kaum als allgemein üblich einzustufen sein.
Wie der Bundesgerichtshof stets betont, ist das Eintragungsverfahren auch nicht geeignet, sämtlichen Behinderungsgefahren bereits in diesem Stadium zu begegnen. Soweit deshalb dem Senat bei der Entscheidung wesentliche Umstände verborgen geblieben sein sollten, und sich die Interessen der Mitbewerber auch nicht durch strenge Anforderungen an den markenrechtlichen Gebrauch und eine sachgerechte Anwendung des Begriffs der Verwechslungsgefahr ausreichend von denen der Anmelderin abgrenzen lassen, bleibt den Mitbewerbern gegebenenfalls noch die Möglichkeit der Löschungsklage.
Der Eintragung entgegenstehende Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wie auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind damit nicht feststellbar.
Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu
BPatG:
Beschluss v. 17.01.2005
Az: 30 W (pat) 16/04
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