Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. November 2000
Aktenzeichen: 3 Ni 5/00

(BPatG: Urteil v. 14.11.2000, Az.: 3 Ni 5/00)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 30. November 1994 angemeldeten deutschen Patents 44 44 526 (Streitpatent), das eine Drückvorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe eines die Nabe aufweisenden Getriebeteiles betrifft und 2 Patentansprüche umfaßt. Die Patentansprüche lauten:

"1. Vorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe eines die Nabe aufweisenden Getriebeteiles aus einer Blechplatine (1), mit einem, von einer Hauptspindel (2) getragenen Werkzeug (3) mit einem Werkzeugstift (4), der die Blechplatine (1) durchdringt, einem gegenüber dem Werkzeugstift (4) angeordneten Vorsetzer (5), dessen Außenumfang größer ist als der Außenumfang des Werkzeugstiftes (4) und derart einen Anschlag bildet und wenigstens eine parallel zur Ebene der Blechplatine (1) auf das Zentrum der Blechplatine (1) zubewegbare Drückrolle (6), wobei ein mit dem Werkzeug (3) zusammenarbeitendes Widerlagerfutter (9) an der Umfangskante der Blechplatine (1) diese festlegend anlegbar ist.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Blechplatine (1) um etwa 1 bis 5¡ gegenüber der Lotrechten nach hinten geneigt an dem Werkzeug (3) festlegbar ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er insbesondere nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, und bezieht sich zur Begründung auf die Druckschriften D 4 WO 94/20235, D 5 DIN 6350, 6351 und 6386, D 7 DE 44 00 257 C 1 und D 9 DE 299 06 427 U 1.

Die Klägerin beantragt, das Patent 44 44 526 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent unter Hinweis auf das Gutachten von Dr.-Ing. G... vom September 2000 (Bl 71 dA) für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

Der Senat konnte nicht feststellen, daß dem Streitpatent der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit entgegensteht (§§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG iVm §§ 3,4 PatG).

I.

Das Streitpatent betrifft eine Drückvorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe eines die Nabe aufweisenden Getriebeteils aus einer Blechplatine.

Nach den Angaben der Streitpatentschrift (s Sp 1 Z 7 bis 52) werden üblicherweise Naben eines Getriebeteils, insbesondere von Zahnkränzen, Riemenscheiben oder Poly-V-Riemenscheiben für den Kraftfahrzeugbau, durch drei Verfahren hergestellt. Dabei wird entweder die Nabe gedreht und anschließend in den Riemenscheibenrohling eingeschweißt, oder dem Riemenscheibenrohling wird auf einer Stufenpresse in ca. 10 bis 14 Zieh-Stufen eine Nabe angeformt oder in der Gensenkschmiede angeschmiedet. Diese Verfahrensweisen sind kostenintensiv und erfordern eine Nachbearbeitung des Nabeninnendurchmessers. Gleichzeitig kann das Materialgefüge verhärtet oder gar zerstört werden.

Weitere aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren (s Sp 1 Z 61 bis Sp 2 Z 23), bei denen die Nabe im Drückverfahren angeformt wird oder die Nabe dieselbe Wanddicke wie das hergestellte Getriebeteil aufweist, haben sich ebenfalls als sehr aufwendig erwiesen.

2) Es ist daher Aufgabe des Streitpatents (s Sp 2 Z 24 bis 30), eine Vorrichtung zu entwickeln, die eine kostengünstige Herstellung der Nabe eines aus einer Ronde gefertigten Getriebeteils ermöglicht, die Materialgefügeveränderungen möglichst gering hält und außerdem dem Anwender die Möglichkeit gibt, die Wanddicke des Getriebeteils ausgehend von gleicher Platinendicke beliebig zu wählen.

3) Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1, eine Vorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe eines die Nabe aufweisenden Getriebeteils aus einer Blechplatine 1. mit einem Werkzeug 1.1. das von einer Hauptspindel getragen wird, 2. mit einem Werkzeugstift, 2.1. der die Blechplatine durchdringt, 3. mit einem Vorsetzer, 3.1. der gegenüber dem Werkzeugstift angeordnet ist 3.2 und dessen Außenumfang größer ist als der Außenumfang des Werkzeugstiftes 3.3 und derart einen Anschlag bildet.

4. mit wenigstens einer Drückrolle, 4.1. die parallel zur Ebene der Blechplatine auf das Zentrum der Blechplatine zu bewegbar ist, 5. mit einem Widerlagerfutter, 5.1 das mit dem Werkzeug zusammenarbeitet 5.2. und das an der Umfangskante der Blechplatine diese festlegend anlegbar ist.

II.

1. Gemäß Merkmal 5 (s vorstehende Merkmalsgliederung) weist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ein Widerlagerfutter auf,das gemäß Merkmal 5.2 an die Umfangskante der Blechplatine, diese festlegend, anlegbar ist. Nach dem Wortlaut kann diese Lehre durchaus so verstanden werden, daß die Blechplatine - vor Beginn ihrer Umformung - durch kraftschlüssiges Anlegen von Spannbacken an ihrer Umfangskante eingespannt wird, um die Blechplatine mit dem Werkzeug unter der nach innen bewegten Drückrolle mitzudrehen. Aus dem Streitpatent ergibt sich aber für den Fachmann einen Maschinenbauingenieur mit Erfahrungen in der Umformtechnik insbesondere auf dem Gebiet der Drückmaschinen, daß hier keine derartigen Spannbacken gemeint sind, wie sie beispielsweise auch in Drehfuttern gemäß DIN 6350, 6351 und 6386 (Anlage D5) verwendet werden. Vielmehr handelt es sich bei dem Widerlagerfutter des Streitpatentgegenstands um einen festen kreisförmigen Anschlag, der dem Außenrand der vom Werkzeug aufgenommenen Blechplatine gegenüber liegt und an den sich die Blechplatine anlegt, sobald sie von der Drückrolle verformt wird.

Dies ergibt sich ua aus der Bezeichnung Widerlagerfutter. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen terminus technicus; das Wort Widerlager bezeichnet aber stets ein feststehendes Lager zur Aufnahme von Kräften und zur Abstützung gegen eine Verschiebung. Das Patent kennt auch den Begriff Spannfutter (Sp 1 Z 64). Daher zeigt die Verwendung der Bezeichnung Widerlagerfutter zur Kennzeichnung der Erfindung, daß damit etwas anderes als ein Spannfutter gemeint ist. In Übereinstimmung damit ist im Patent als Funktion des Widerlagerfutters nur beschrieben, ein Auswandern der Blechplatine zu verhindern (Sp 2 Z 44 bis 50 u Sp 3 Z 16 bis 19). Auch die Angabe, daß die Widerlagerabstützung der Blechplatine an der Umfangskante eine einfache Ausbildung der Herstellungsmaschine möglich macht (Sp 2 Z 44 bis 47), belegt, daß kein relativ aufwendiges Spannfutter mit beweglichen Teilen verwendet wird. Wenn in der Beschreibung von einer Bearbeitung in einer Aufspannung die Rede ist (Sp 2 Z 35 bis 39), ist damit nicht die Art der Festlegung der Blechplatine am Werkzeug gemeint, sondern die Anformung der Nabe durch Drücken in einem Zuge ohne Umsetzen ("Umspannen") der Blechplatine oder Absetzen der Drückrolle.

Dieser Auslegung der patentgemäßen Lehre steht nicht entgegen, daß nach dem Vortrag der Klägerin mit einer Vorrichtung mit einfachem Widerlager für den Platinenrand keine Platinen aus hochfesten Werkstoffen verformt werden könnten, wenn die Umformung durch die Drückrolle nicht am Außenumfang der Blechplatine sondern ziemlich weit innen beginnen soll. Dann nämlich lege sich die Blechplatine nicht an das Widerlager an und an diesem fest und mache die Drehung des Werkzeugs nicht mit. Der Folgerung der Klägerin daraus, bei dem Widerlagerfutter müsse es sich somit um ein Spannfutter handeln, weil sonst die Vorrichtung nicht unter allen Umständen funktioniere, kann sich der Senat nicht anschließen. Die streitpatentgemäße Vorrichtung funktioniert, wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat, zumindest dann, wenn die Umformung der Blechplatine durch die Drückrolle am Außenrand oder nahe dem Außenrand der Blechplatine beginnt. Damit aber geht der Einwand der Klägerin ins Leere. Auch die von der Klägerin zu diesem Thema genannte deutsche Gebrauchsmusterschrift 299 06 427 gibt keine Veranlassung zu einer anderen Betrachtungsweise.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist unbestritten neu. Keine der von der Klägerin aufgezeigten Druckschriften offenbart eine Vorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe an einer Blechplatine mittels einer Drückrolle mit einem Widerlagerfutter zur Abstützung des Außenrandes der Blechplatine.

Das deutsche Gebrauchsmuster 299 06 427 ist am 2. Juni 1999 und somit erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents eingetragen worden. Der Inhalt der Druckschrift DE 299 06 427 (D9) gehörte daher am Anmeldetag des Streitpatents nicht zum Stand der Technik.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Vorrichtung zur spanlosen Herstellung einer Nabe an einer Blechplatine mittels einer Drückrolle nach der WO 94/20235 (D4) weist ein Spannfutter zum Festlegen des äußeren Randbereichs der Blechplatine auf. Der zuvor durch die Drückrolle umgebogene äußere Rand der Blechplatine wird zwischen dem Spannfutter und einem Werkzeug eingespannt (S 8 Abs 2 und Fig 6). Da dort somit ein aktives Spannfutter verwendet wird, das zudem nicht von außen auf den Rand der Blechplatine, sondern seitlich auf deren Randbereich einwirkt, vermittelt diese Druckschrift dem Fachmann keine Anregung für die streitpatentgemäße Lehre, lediglich ein Widerlagerfutter vorzusehen, an das sich die Umfangskante der Blechplatine diese festlegend beim Drücken anlegt.

Die DIN-Normen 6350, 6351 und 6386 (D5) betreffen Drehfutter, wie sie zB an Drehbänken verwendet werden. Solche Drehfutter mit verstellbaren Spannbacken zum Einspannen von Drehteilen können ebenfalls kein Vorbild für ein feststehendes Widerlager für eine spanlos zu verformende Blechplatine sein.

Auch eine Zusammenschau des Standes der Technik liefert kein anderes Ergebnis.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 ZPO iVm § 709 ZPO.

Grüttemann Köhn Dr. Pösentrup Sredl Frühauf Ju






BPatG:
Urteil v. 14.11.2000
Az: 3 Ni 5/00


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