Landgericht Paderborn:
Urteil vom 2. Oktober 2013
Aktenzeichen: 4 O 32/13
(LG Paderborn: Urteil v. 02.10.2013, Az.: 4 O 32/13)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin
trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zutritt zu Geschäftsräumen sowie Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen geltend.
Im September 2002 beauftragte die Klägerin die U, bestehend aus der E sowie der D (im Folgenden: Streithelferin) damit, ein LKW-Mautsystem zu errichten und durch ihre Projektgesellschaft, die U, zu betreiben. Die Streithelferin verpflichtete sich im Betreibervertrag (Anlage K1) vom 19./20.09.2002, das gesamte Mautsystem bis spätestens zum 31.08.2003 zu errichten, in Betrieb zu nehmen und anschließend 12 Jahre lang zu betreiben.
Die Streithelferin gewährte der Klägerin in dem Betreibervertrag umfassende Zutritts- und Einsichtsrechte und verpflichtete sich, mit ihren Unterauftragnehmern ebenfalls entsprechende Zutritts- und Einsichtsrechte zu Gunsten der Klägerin zu vereinbaren. Um sicherzustellen, dass die Streithelferin die Verpflichtung der Sicherstellung der Rechte der Klägerin erfüllte, machte diese den Abschluss der Unterauftragnehmerverträge von ihrer Zustimmung abhängig.
Die Beklagte ist Unterauftragnehmerin der Streithelferin. Sie entwickelte und programmierte für die Streithelferin die Software für die Fahrzeuggeräte. Diese "..." sind Kernbestandteil des automatischen Mauterhebungssystems, das heute von 90 % der Mautpflichtigen genutzt wird.
Der bereits am 29.11.2000 zwischen der Streithelferin und der Beklagten geschlossene Rahmenvertrag (Anlage K3) erfüllte nach Auffassung der Klägerin die betreibervertraglichen Anforderungen an die Einräumung von Zutritts- und Einsichtsrechten zu ihren Gunsten nicht, so dass diese die nachträgliche Zustimmung versagte.
Am 31.12.2004 schlossen die Streithelferin und die Beklagte eine Ergänzungsvereinbarung (Anlage K4) zu dem Rahmenvertrag vom 29.11.2000, mit der die entsprechenden Vorgaben der Klägerin letztlich umgesetzt werden sollten. Dort heißt es in Ziffer 5:
"Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin oder einem von ihr beauftragten Dritten, dem C, dem C oder den Q auf deren Verlangen nach vorheriger Ankündigung und während der üblichen Geschäftszeiten den uneingeschränkten Zutritt zu seinen Geschäftsräumen und sonstigen Einrichtungen sowie Einsicht in seine Unterlagen zu gewähren, soweit letztere mit dem Betreibervertrag, der Errichtung und dem Betrieb des Mautsystems in Zusammenhang stehen und sofern der Zutritt und die Einsichtnahme zum Zwecke der Preisprüfung bzw. der Prüfung der vertragsgemäßen Erbringung der Leistung erforderlich sind. Sonstige zeitliche oder sachliche Beschränkungen der Zutritts- und Einsichtsrechte bestehen nicht."
Auch in Bezug auf diese Ergänzungsvereinbarung versagte die Klägerin ihre Zustimmung, da die Vorgaben des Betreibervertrags nach ihrer Ansicht noch immer nicht hinreichend umgesetzt waren (vergl. Anlage K5).
Eine Neuregelung zu Zutritts- und Einsichtsrechten zu Gunsten der Klägerin wurde nicht getroffen.
Am 01.01.2005 ging das LKW-Mautsystem mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit in Betrieb. Seit dem 01.01.2006 lässt sich das Mautsystem im automatischen System mit der kompletten Funktionalität betreiben.
Am 31.08.2015 endet der Betreibervertrag. Der Klägerin obliegt dann die Entscheidung, ob sie das Mautsystem oder die Streithelferin übernehmen kann oder ggfls. das Mautsystem neu entwickeln lassen muss.
Mit Schreiben vom 27.06.2012 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr Einsicht in Unterlagen zu gewähren und bis zum 31.07.2012 mitzuteilen, wann und wo die Einsichtnahme erfolgen könne (Anlage K6). Unter dem 30.07.2012 verweigerte die Beklagte eine Einsichtnahme (Anlage K7).
Die Klägerin behauptet, dass sie aus verschiedenen Gründen auf die Einsichtnahme in die mit dem Mautprojekt in Zusammenhang stehenden Unterlagen angewiesen sei. Insbesondere sei eine solche für die Prüfung der vertragsgemäßen Leistung bis zur Inbetriebnahme, für die Prüfung des Ist-Zustands des Maut-Systems, die Prüfung vertragskonformer Leistungserbringung hinsichtlich gewerblicher Schutzrechte sowie zur Prüfung von Vergütungsforderungen der U gegenüber der Klägerin erforderlich.
Darüber hinaus seien die geltend gemachten Forderungen auch für die derzeit zwischen der Klägerin und der Streithelferin anhängigen Schiedsverfahren von Bedeutung, in denen die Klägerin von der Streithelferin Schadensersatz, Zahlung von Vertragsstrafen und Ausstattung der U mit erforderlichen gewerblichen Schutzrechten verlangt und die Streithelferin gegenüber der Klägerin eine höhere Vergütung geltend macht.
Im Hinblick auf die weitergehenden Ausführungen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 28.01.2013 (Bl. 1 ff. d. A.) und 13.05.2013 (Bl. 120 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, ihr oder einem von ihr beauftragten, gesetzlich oder vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten Einsicht in sämtliche Unterlagen der Beklagten zu gewähren, die mit ihrer Tätigkeit mit der Entwicklung, Errichtung, Integration, Inbetriebsetzung und dem Betrieb des Mautsystems zur Erhebung streckenbezogener Gebühren, insbesondere für die Benutzung der Autobahn in der Bundesrepublik Deutschland durch schwere Nutzfahrzeuge in Zusammenhang stehen, und ihnen zu diesem Zweck auf ihr Verlangen nach vorheriger Ankündigung und während der üblichen Geschäftszeiten Zutritt zu ihren Geschäftsräumen und sonstigen Einrichtungen zu gewähren,
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihr zu gestatten, bei der Einsichtnahme der
in Ziffer 1) bezeichneten Unterlagen auf Kosten der Klägerin Kopien
bzw. Ausdrucke zu fertigen,
3.
die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche
Unterlagen gemäß Antrag zu Ziffer 1) entstanden sind und wo sich
diese jeweils befinden.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Antrag zu 1) für zu unbestimmt halten sollte, beantragt sie,
die Beklagte zu verurteilen, ihr oder einem von ihr beauftragten,
gesetzlich oder vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten,
insbesondere Einsicht zu gewähren in sämtliche nachfolgend
bezeichneten Unterlagen und ihr zu diesem Zweck auf ihr Verlangen
nach vorheriger Ankündigung und während der üblichen
Geschäftszeiten den Zutritt zu ihren Geschäftsräumen und sonstigen
Einrichtungen zu gewähren:
1. sämtliche zu dem ...-Rahmenvertrag zwischen der Uund der
Beklagten ... betreffend die Entwicklung der
...-Fahrzeuggeräte ("FzG") Applikation (Software für die ...
")) vom 29.11.2000, geändert durch
Ergänzungsvereinbarung vom 31.12.2004, ("...-Rahmenvertrag")
geschlossenen (Einzel-)Verträge und sonstige Vereinbarungen
inklusive aller Anhänge, Anlagen, Änderungen und Ergänzungen seit
Januar 2001,
2. sämtliche sonstige Verträge oder sonstige Vereinbarungen inklusive
aller Anhänge, Anlagen, Änderungen und Ergänzungen zwischen der
Beklagten und der U und/oder der U
aus Anlass und/oder in Zusammenhang mit der Errichtung, der
Integration, der Inbetriebsetzung und dem Betrieb des
ETC-Mautsystems seit Januar 2001,
3. sämtliche Dokumente inklusive aller zugehörigen Anlagen, die in
Vorbereitung und/oder Durchführung des ...-Rahmenvertrages
und/oder der aufgrund dieses Rahmenvertrages geschlossenen
Verträge oder sonstiger Verträge der Beklagten zur Entwicklung,
Errichtung, Integration, Inbetriebsetzung und zum Betrieb des
ETC-Mautsystems seit Januar 2001 erstellt bzw. mit der U und/oder
anderen mit dem Mautsystem befassten
Unterauftragnehmern ausgetauscht wurden, insbesondere
I. Angebotsaufforderungen, Lastenhefte, Pflichtenhefte, sonstige
Leistungsbeschreibungen, Detailspezifikationen ,
Schnittstellenspezifikationen, Prüfspezifikationen, Abnahme- und
Testspezifikationen, Testpläne, Integrations- und
Erprobungskonzepte und Abnahmeprotokolle sowie
Beauftragungen von optionalen Leistungen, jeweils inklusive aller
Anlagen,
II. die gesamte die Planung, Errichtung, Integration und den Betrieb
des Mautsystems betreffende schriftliche und elektronische
Korrespondenz inklusive Anlagen der Beklagten (insbesondere
mit der U, der U, der U-Systems
..., der U International GmbH, der E
der E und/oder
den Hardwareherstellern der Fahrzeuggeräte),
III. die Projekthandbücher und die Technischen Handbücher, jeweils
inklusive Anlagen,
IV. die gesamte Software- und Hardwaredokumentation,
V. alle Projektberichte inklusive Anlagen,
VI. sämtliche Protokolle der Besprechungen und Projektsitzungen
inklusive Anlagen,
VII. sämtliche Berichte, Reports und Ergebnisprotokolle von internen
und externen Audits einschließlich der zugehörigen
Dokumentation (insbesondere über festgestellte Abweichungen
von der Qualitätsplanung und/oder von Prozess- und
Verfahrensanweisungen) sowie sämtliche Risiko-Berichte und
-Reports einschließlich der Statusberichte der Fachbereiche an
das zentrale Risikomanagement sowie die Dokumentation der
erfassten Risiken und der dazugehörigen Maßnahmen jeweils
inklusive Anlagen,
VIII. alle sonstigen projektrelevanten Dokumente im Projektbüro der
Beklagten,
4. sämtliche Unterlagen inklusive aller zugehöriger Anlagen im
Zusammenhang mit der Vergütung, die die Beklagte für die
Entwicklung, die Errichtung, Integration und den Betrieb des
Mautsystems der U und/oder der U in
Rechnung gestellt bzw. von dieser erhalten hat, insbesondere
I. sämtliche Unterlagen zu der durch die U und die
U an die Beklagten gezahlten Vergütung,
insbesondere sämtliche Rechnungen (einschließlich
Abschlagsrechnungen, Endabrechnungen, Zusatzrechnungen bzw.
sonstige Nachforderungen), Zahlungsrückforderungen und
Gutschriften einschließlich der jeweiligen rechnungsbegründenden
Unterlagen, der jeweiligen Auszüge aus der Buchhaltung der
Beklagten sowie der Belege zu den von der Beklagten im
Verhältnis zur U und/oder der U
erhaltenen und geleisteten Zahlungen,
II. sämtliche sonstigen Abrechnungsunterlagen der Beklagten im
Verhältnis zur U bzw. U
einschließlich aller rechnungsbegründenden/
rechnungserläuternden Unterlagen, insbesondere
a) alle "Leistungsnachweise" der Beklagten,
b) die vollständige Dokumentation zu allen Vergütungssätzen,
Sach- und Nebenkosten, die der U und/oder der
U in Rechnung gestellt wurden,
c) die vollständige Dokumentation über abgerechnete Festpreise
und Pauschalen,
d) die vollständige Dokumentation über die Software- und
Hardwareüberlassung, die der U und/oder der
U jeweils in Rechnung gestellt wurde,
e) die vollständige Dokumentation über "Zahlungspläne"
einschließlich der Belege über die entsprechenden
Zahlungseingänge,
f) die vollständige Dokumentation zu verwirkten Vertragsstrafen
(Art und Höhe),
g) die vollständige Dokumentation zur Preisprüfung,
h) die vollständige Dokumentation zu Mehraufwand, der der U
und/oder der U in Rechnung
gestellt wurde,
i) die vollständige Dokumentation zu Vergütungsanpassungen
aufgrund von Leistungsänderungen/Chance Requests im
Verhältnis der Beklagten und der U und/oder U
j) die vollständigen "Preisdetaillierungen" in Angeboten,
Preisinformationen und sonstigen kommerziellen Dokumenten
der Beklagten, aus denen die preisliche Zusammensetzung der
angebotenen Leistung hervorgeht,
k) die vollständige Dokumentation über gerichtliche und
außergerichtliche Auseinandersetzungen der U
und/oder U mit der Beklagten zur Berechtigung
von geltend gemachten Vergütungsansprüchen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Streithelferin beantragt ebenfalls,
die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte und die Streithelferin rügen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn.
Sie sind ferner der Ansicht, dass die Klage bereits unzulässig sei, da weder Haupt- noch Hilfsanträge hinreichend bestimmt seien. Darüber hinaus bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Verfolgung des Einsichtsbegehrens in den anhängigen Schiedsverfahren einen einfacheren Weg darstelle.
Schließlich sei die Klage auch aus verschiedenen Gründen unbegründet. Insbesondere handele es sich bei Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung vom 31.12.2004 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die gemäß § 307 BGB unwirksam sei. Sie weiche auf unzulässige Weise von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen ab und verstoße gegen Grundrechte der Beklagten und anderer Lieferanten des Mautsystems. Die Klausel sei weiterhin unbestimmt formuliert, verstoße gegen das Transparenzgebot und benachteilige die Beklagte und andere Lieferanten unangemessen. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, dass der Betreibervertrag, auf den in Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung Bezug genommen werde, ihr zu keinem Zeitpunkt vollständig vorgelegen habe.
Schließlich könne sich die Klägerin nicht auf die streitgegenständliche Klausel berufen, weil sie etwaige Rechte gemäß § 333 BGB zurückgewiesen habe.
Im Hinblick auf den weiteren Vortrag der Beklagten und der Streithelferin wird auf die Schriftsätze vom 16.04.2013 (Bl. 67 ff. d. A.), 16.08.2013 (Bl. 188 ff. d. A.) und 22.08.2013 (Bl. 239 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2013 (Bl. 67 d. A) hat die Beklagte der Streithelferin den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16.07.2013 (Bl. 180 d. A.) auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Gründe
Die Hauptanträge sind zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Über die Hilfsanträge war nicht zu entscheiden.
I.
Der Antrag zu Ziffer 1) ist zunächst zulässig.
1.
Das Landgericht Paderborn ist zuständig. Es ergibt sich insbesondere nicht die Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld im Hinblick auf urheberrechtliche Fragen.
Zwar ist dieses für den Bezirk Paderborn gemäß § 105 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympiamarkenschutzgesetz vom 30.08.2011 für Urheberrechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig. Allerdings geht es hier im Kern um ein vertraglich begründetes Zutritts- und Einsichtnahmerecht und nicht um Streit über Bestehen und Umfang etwaiger gewerblicher Schutzrechte und urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Eine Annexzuständigkeit aufgrund Sachzusammenhangs ist der Zivilprozessordnung fremd.
2.
Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Verfolgung des Einsichtsbegehrens der Klägerin in den anhängigen Schiedsverfahren stellt keinen einfacheren und billigeren Weg zur Erreichung des Ziels dar. Zunächst steht nicht fest, dass ein Vorgehen über die Streithelferin überhaupt geeignet ist, das Klagebegehren durchzusetzen. Zudem besteht zwischen den Einsichtsrechten der Klägerin gegenüber der Streithelferin und gegenüber der Beklagten kein Rangverhältnis. Ein kostengünstigerer Weg bezüglich des Klagebegehrens der Klägerin ist nicht erkennbar.
3.
Auch die durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.08.2013 erhobene Schiedseinrede greift nicht durch. Gemäß V.2 des Betreibervertrages vom 19./20.09.2002 werden zwar alle sich aus oder in Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag einschließlich seiner Anlagen ergebenen Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht nach § 173 VwGO und dem Zehnten Buch der ZPO unter Ausschluss des Rechtsweges endgültig entschieden. Die Beklagte ist jedoch nicht Vertragspartei des Betreibervertrages. Eine Schiedsvereinbarung im Hinblick auf die Beklagte liegt nicht vor.
4.
Schließlich steht der Zulässigkeit auch nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entgegen.
Grundsätzlich ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und wenn er (als Leistungsantrag) die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streites im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (Zöller, § 253 Rdnr. 13).
Die Klägerin verlangt hier Einsicht in sämtliche Unterlagen der Beklagten, die mit dem Mautsystem in Zusammenhang stehen. Gerade wegen des umfassenden Antrags werden im Rahmen der Vollstreckung Unklarheiten hinsichtlich des Umfangs vermieden. Auch der Beklagten ist in diesem Zusammenhang bewusst, dass die Klägerin gerade Einsicht in alle Unterlagen nehmen will, die einen Bezug zum Mautsystem haben.
Darüber hinaus lässt sich jedenfalls durch Auslegung anhand der Klagebegründung oder des sonstigen Sachvortrags eine ausreichende Bestimmtheit herbeiführen.
Auch der Zusatz "insbesondere" spricht nicht gegen, sondern für eine ausreichende Bestimmtheit. Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass durch einen mit "insbesondere" gekennzeichneten Zusatz eine Konkretisierung erzielt werden kann (Zöller, § 253 Rn 13b). Insoweit kann gerade die Aufzählung im Rahmen des Hilfsantrags zur Auslegung des Hauptantrags hinzu gezogen werden, ohne dass es diesem an hinreichender Bestimmtheit fehlen würde.
II.
Der Antrag zu Ziffer 1) ist allerdings unbegründet, da die Regelung in Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag vom 29.11.2000 wegen Verstoßes gegen AGB-Vorschriften unwirksam ist.
1.
Das Recht der Klägerin auf Zutritt zu den Geschäftsräumen und Einsichtnahme in die Unterlagen der Beklagten kann sich nur aus Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung vom 31.12.2004 (Anlage K4) ergeben. In dieser Vertragsbestimmung räumt die Beklagte der Klägerin einen eigenen Anspruch auf Zutritt zu den Räumen und Einsicht in die Unterlagen der Beklagten (Vertrag zu Gunsten Dritter, § 328 BGB) ein. Da das eingeräumte Recht ausschließlich den Interessen des Dritten (hier der Klägerin) dient, liegt ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter vor.
2.
Einer Wirksamkeit steht zunächst nicht entgegen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 11.07.2005 ihre Zustimmung sowohl zu dem Rahmenvertrag als auch zu der Ergänzungsvereinbarung (Anlage K5) verweigerte. Dass die Streithelferin insofern ohne die Zustimmung der Klägerin handelte, hat lediglich zur Folge, dass diese gegenüber der Streithelferin zur Geltendmachung etwaiger Vertragsstrafenansprüche, Schadensersatzansprüche und Leistungsverweigerungsrechten aus dem Betreibervertrag berechtigt sein könnte. Die Beklagte kann daraus keine Einwendungen gegenüber der Klägerin herleiten.
In der Verweigerung der Zustimmung liegt insbesondere keine Zurückweisung des Rechts im Sinne von § 333 BGB. Unabhängig davon, ob eine etwaige Erklärung gegenüber dem Versprechensempfänger (hier: der Streithelferin) ausreichend wäre, kann dem Schreiben der Klägerin auch nicht die Absicht auf Zurückweisung des Rechts im Sinne von § 333 BGB entnommen werden. In diesem Zusammenhang ist lediglich moniert worden, dass die Vorgaben des Betreibervertrages noch immer nicht ausreichend umgesetzt seien. Mit dem Sinngehalt des § 333 BGB ist dies nicht in Einklang zu bringen, denn diese Vorschrift bezweckt, dass Niemandem gegen seinen Willen ein endgültiger Rechtserwerb aufgezwungen werden kann. Hier stand jedoch eine Erweiterung der Rechte im Vordergrund.
3.
Die Klausel ist allerdings wegen Verstößen gegen das AGB-Recht unwirksam.
a)
Bei der Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung handelt es sich zunächst um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen stellt, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte behauptet, die Streithelferin habe die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen von Lieferanten vorformuliert, um ihre eigenen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin zu erfüllen. Dies wird von der Klägerin bestritten und darüber hinaus behauptet, die Bedingungen seien ausgehandelt worden.
Nach Auffassung der Kammer liegt hier eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor. Die Klausel ist zunächst nahezu identisch mit der Formulierung im Betreibervertrag (vergl. Anlage K1 Seite 95 R.1.2). Entsprechend ergibt sich aus den Anlagen S1, S2 und S3, welche der Kammer durch die Streithelferin vorgelegt worden sind, dass mit anderen Lieferanten ebenfalls wortgleiche Ergänzungsvereinbarungen geschlossen worden sind.
Darüber hinaus bestand für ein Aushandeln, für das im vorliegenden Fall die Klägerin beweisbelastet ist, nach Auffassung der Kammer auch keine Möglichkeit, da die Klausel von der Streithelferin nicht ernsthaft zur Disposition gestellt werden konnte. Denn die Streithelferin war nach dem Betreibervertrag verpflichtet, der Klägerin in Verträgen mit den Unterauftragnehmern genau das in dem Betreibervertrag festgeschriebene Recht einzuräumen, andernfalls wäre sie einer Vertragsstrafe ausgesetzt gewesen (Anlage K1, Seite 188).
b)
Die Klausel in Ziffer 5 der Ergänzungsvereinbarung ist allerdings gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
aa)
Die Klausel verstößt zunächst gegen das Transparenzgebot gemäß 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hiernach sollen Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, einfach und präzise dargestellt und Verständnisschwierigkeiten vermieden werden.
Die Klausel knüpft an "Unterlagen im Zusammenhang mit dem Betreibervertrag" an. Dieser ist der Beklagten jedoch nicht vollumfänglich bekannt gewesen, so dass eine Einschätzung, wie weit die Einsichtsbefugnis der Klägerin geht, gar nicht erfolgen konnte. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2013 hat der Geschäftsführer der Beklagten Dr. Stehr glaubhaft erklärt, dass lediglich zwei oder drei Seiten aus dem Betreibervertrag vorgelegen hätten. Dabei habe es sich um die Seiten handeln sollen, die sich mit den Punkten befassen, die für den Unterauftragnehmervertrag von Bedeutung waren.
Der Vertragspartner des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss allerdings die Möglichkeit haben, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuverlässig über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten zu informieren, damit er bei der Vertragsabwicklung nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (BGH NJW, 1988, 1726). Aufgrund der Bezugnahme auf den Betreibervertrag vermittelte die streitgegenständliche Klausel der Beklagten gerade kein umfassendes Bild ihrer Pflichten gegenüber der Klägerin. Die Reichweite des streitgegenständlichen Zutritts- und Einsichtsrechts der Klägerin konnte dementsprechend nicht beurteilt werden.
Der Betreibervertrag wurde auch nicht infolge des in Ziffer 2.3 und 3.5 des Rahmenvertrages enthaltenen Verweises auf die Ausschreibungsunterlagen aus dem Jahr 2000 Gegenstand des Rahmenvertrages. Die Ausschreibungsbedingungen sollten nach Ziffer 2.3 nur Vertragsgegenstand werden, soweit sie der Beklagten bekannt waren. Die Klägerin verpflichtete die Teilnehmer des Vergabeverfahrens, die "Vergabeunterlagen und ihre Anlagen sowie die darin enthaltenen Informationen und alle weiteren zur Verfügung gestellten Informationen auch nach Abschluss des Verfahrens vertraulich zu behandeln" (Anlage S7).
Zudem entspricht die von der Klägerin angeführte Regelung zu den Zutrittsund Einsichtsrechten in den Ausschreibungsunterlagen aus dem Jahr 2000 (Anlage K14) nicht der Formulierung im später unterzeichneten Betreibervertrag.
Ausweislich des Schreibens des Bundesamtes für Güterverkehr vom 11.07.2005 (Anlage K5) hat auch die Klägerin selbst befürchtet, dass die Beklagte bei Anknüpfung des Zutritts- und Einsichtnahmerechts an dem Betreibervertrag nicht einschätzen könne, wie weit die Einsichtsbefugnis des Bundes geht, so dass der jeweilige Unterauftragnehmervertrag Anknüpfungspunkt sein sollte. (Anlage K5).
bb)
Darüber hinaus ist die Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
In Ziffer 5) Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung ist festgehalten, dass sonstige zeitliche oder sachliche Beschränkungen der Zutritts- und Einsichtsrechte nicht bestehen. Nach dem Wortlaut gilt das Zutritts- und Einsichtsrecht über die Laufzeit des Vertrages hinaus. Auch dies widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken. Das zeigt ein Vergleich mit den Wertungen von Laufzeitvereinbarungen, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Unternehmern, die noch für zulässig gehalten werden.
Der BGH sieht im Zusammenhang mit Verträgen zwischen Unternehmern eine Bindung von zehn Jahren und mehr als kritisch an. Diese kann nur durch besondere Umstände auf Seiten des Verwenders gerechtfertigt werden (BGH, NJW-RR 1997, 942). Die Rechtsprechung nimmt in diesem Zusammenhang eine offene Abwägung der beteiligten Interessen vor (MüKo, § 309 Rdnr. 22).
Als besondere Umstände kommen insbesondere Amortisationsgesichtspunkte in Betracht (BGH, NJW 1993, 1133), d.h. es kommt darauf an, wie erheblich die Gegenleistungen sind, die der bindende Teil nach dem Vertrag zu erbringen hat (Beck´scher Online-Kommentar, § 309 Rdnr. 36; BGH NJW 2000, 1110). Ein wichtiges Kriterium auf der anderen Seite ist, wie stark die Bindung den Vertragspartner belastet und seine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit einschränkt (Palandt, § 309 Rdnr. 96).
Zwar sind hier seitens der Klägerin umfangreiche Investitionen im Zusammenhang mit dem Maut-Projekt erfolgt, die AGB-Klausel ist jedoch als Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag vom 29.11.2000 Vertragsbestandteil des Rahmenvertrages, mithin geht es um vertragliche Beziehungen zwischen der Streithelferin und der Beklagten. Zwar sind auch in diesem Zusammenhang Gegenleistungen der Streithelferin zu berücksichtigen, jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass unter Zugrundelegung der jeweils widerstreitenden Interessen die Belastung der Beklagten schwerer wiegt. Insbesondere sind auf Seiten der Streithelferin keine besonderen Umstände ersichtlich, die für eine weitergehende Bindung der Beklagten sprechen.
Eine zeitlich unbeschränkte Geltung der Klausel würde zu einem zeitlich unbefristetem Einsichtnahme- und Zutrittsrecht für die Klägerin in den Geschäftsräumen der Beklagten führen. Eine Verpflichtung dieser, auch nach Beendigung der vertraglichen Beziehungen über Jahrzehnte hinweg, die streitgegenständlichen Unterlagen (gesondert) aufzubewahren und der Klägerin ggf. Zutritt und Einsicht zu gewähren, ist jedoch unüblich und stellt bereits eine immense Belastung in logistischer Hinsicht dar. Insbesondere wird die Beklagte zeitlich unbefristet gebunden, obwohl das zugrundeliegende Vertragsverhältnis mit der Streithelferin bereits beendet ist und Gegenleistung seitens der Streithelferin, also des Verwenders, nicht mehr erfolgen.
3.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Ziffer 5) des Rahmenvertrages kann die Klägerin einen Anspruch auf Zutritt und Einsichtnahme nicht auf diese Klausel stützen. Eine anderweite Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
III.
Der Antrag zu Ziffer 2) ist wegen der Unwirksamkeit der Ziffer 5) in der Ergänzungsvereinbarung vom 31.12.2004 ebenfalls unbegründet. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage, aufgrund der die Klägerin Kopien und Ausdrucke der im Antrag zu Ziffer 1) bezeichneten Unterlagen fertigen kann, ist nicht ersichtlich.
IV.
Der Antrag zu Ziffer 3) ist ebenfalls zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO steht wiederum nicht entgegen. Zwar verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den Klageantrag zu Ziffer 1), dieser ist nach Auffassung der Kammer allerdings hinreichend bestimmt (s.o.).
Für einen Auskunftsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte dahingehend, welche Unterlagen gemäß Antrag zu Ziffer 1) entstanden sind und wo sich diese jeweils befinden, fehlt es bereits dem Grunde nach an einer tauglichen Anspruchsgrundlage.
Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus (der ohnehin unwirksamen) Ziffer 5) der Ergänzungsvereinbarung vom 31.12.2004. Denn hiernach wird der Klägerin lediglich der uneingeschränkte Zutritt zu den Geschäftsräumen und sonstigen Einrichtungen sowie Einsichtnahme in Unterlagen gewährt. Hierunter kann ein Auskunftsanspruch nicht gefasst werden. Es handelt sich auch nicht um ein "..." zu dem in Ziffer 5) enthaltenen Anspruch auf Zutritt und Einsichtnahme, sondern um ein "...". Die Verpflichtung der Beklagten, Auskunft darüber zu erteilen, welche Unterlagen im Zusammenhang mit dem Mautsystem entstanden sind und wo sich diese jeweils befinden, wäre mit einem weitaus größeren Aufwand verbunden, als die Gewährung von Zutritt zu den Geschäftsräumen und Einsichtnahme in die Unterlagen, da die Beklagte selbst aktiv werden müsste.
Eine anderweitige Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund der vorrangigen vertraglichen Beziehungen der Klägerin zur Streithelferin vermag die Kammer auch keinen allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB anzunehmen.
V.
Über die Hilfsanträge hatte die Kammer vorliegend nicht zu entscheiden, da diese von der Klägerin lediglich höchstvorsorglich für den Fall gestellt worden sind, dass das Gericht den Antrag zu Ziff. 1) für zu unbestimmt halten sollte.
VI.
Der durch die Klägerin beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren, da die in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2013 vorgetragenen Aspekte allesamt zuvor schriftsätzlich vorgetragen worden sind .
Die in den Schriftsätzen vom 16.08.2013, 22.08.2013 und 28.08.2013 enthaltenen Rechtsausführungen sind ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2013 erörtert worden. Der Schriftsatz vom 16.08.2013 entsprach zudem der zeitlichen Grenze des § 132 ZPO.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.
VIII.
Der Streitwert wird auf 1.500.000,00 € festgesetzt.
LG Paderborn:
Urteil v. 02.10.2013
Az: 4 O 32/13
Link zum Urteil:
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