Bundesgerichtshof:
Urteil vom 2. Dezember 2002
Aktenzeichen: II ZR 101/02
(BGH: Urteil v. 02.12.2002, Az.: II ZR 101/02)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt -25. Zivilsenat in Kassel -vom 19. Februar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Dezember 1998 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH. Sie wurde von den beiden Beklagten, die auch ihre je einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren, am 1. August 1991 gegründet. Satzungsgemäßer Gegenstand ihres Unternehmens war die Verwaltung und Vermietung von Einrichtungsgegenständen, Betriebsanlagen und Räumlichkeiten für Fitneß-und Freizeiteinrichtungen. Am 28. August 1991 zahlten beide Beklagten die gesellschaftsvertraglich vereinbarten Bareinlagen von je 25.000,00 DM auf das Bankkonto der Gemeinschuldnerin ein, das damit ein Haben von 50.000,00 DM aufwies. Dieser Betragwurde am nächsten Tag auf das Konto einer OHG überwiesen, deren alleinige, paritätische Gesellschafter mit gemeinschaftlicher Vertretungsbefugnis die Beklagten waren. Der Überweisungsbetrag wurde jedenfalls in den Bilanzen der OHG als Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin ausgewiesen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von den Beklagten erneute Einzahlung der nach seiner Ansicht nicht wirksam erbrachten oder jedenfalls unter Verstoß gegen § 30 GmbHG an sie zurückgezahlten Einlagebeträge von je 25.000,00 DM. Der Anspruch sei wegen "böslicher" Handlungsweise der Beklagten gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG nicht verjährt. Hilfsweise verlange er Rückzahlung des angeblichen Darlehens. Die Beklagten haben sich auf Verjährung berufen und ein bösliches Handeln in Abrede gestellt. Die Gemeinschuldnerin habe seinerzeit Räume zum Betrieb eines Fitneß-Studios angemietet, aber dafür keine Bankdarlehen erhalten. Deshalb sei die OHG als Betriebsgesellschaft gegründet und die Gemeinschuldnerin als Verwaltungsgesellschaft eingesetzt worden, welche die Räume an die OHG untervermietet und ihr für Renovierungsmaßnahmen ein Darlehen von 50.000,00 DM gewährt habe. Im Jahr 1996 habe dann die Gemeinschuldnerin den Betrieb des Fitneß-Studios der OHG zunächst im Wege eines -später wieder aufgehobenen -Kaufvertrages, anschließend pachtweise übernommen. Durch Vertrag vom 3. Juli 1998 sei die Darlehensforderung mit rückständigen Pachtzinsschulden der Gemeinschuldnerin verrechnet worden.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die -zugelassene -Revision der Beklagten.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts schulden die Beklagten die erneute Einzahlung ihrer Stammeinlagen nach § 19 Abs. 1 GmbHG. Es fehle an einer Einlagenleistung zu freier Verfügung des Geschäftsführers (der Gemeinschuldnerin), die grundsätzlich ausgeschlossen sei, wenn der Einlagebetrag -z.B. als Darlehen -alsbald wieder an den Gesellschafter oder an eine von ihm beherrschte Gesellschaft zurückfließe. Die an der OHG je hälftig beteiligten Beklagten beherrschten zwar diese je einzeln nicht. Darauf könne es aber wegen ihrer Identität mit den Gesellschaftern der Gemeinschuldnerin nicht ankommen. Ebensowenig komme es auf die von den Beklagten behauptete Verrechnung der Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin mit rückständigen Pachtzinsverbindlichkeiten gegenüber der OHG an, weil darin eine unzulässige Umgehung des § 19 Abs. 5 GmbHG liege. Die auf § 31 Abs. 5 GmbHG gestützte Verjährungseinrede der Beklagten greife gegenüber dem Anspruch des Klägers aus § 19 Abs. 1 GmbHG nicht durch.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend geht allerdings das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagten mit der Einzahlung der Einlagebeträge auf das Konto der Gemeinschuldnerin am 28. August 1991 ihre Einlageschuld (§ 19 Abs. 1 GmbHG) nicht wirksam gemäß § 362 BGB getilgt haben, weil der Einlagebetrag am nächsten Tag an die OHG der Beklagten wieder abfloß und daher nicht zu freier Verfügung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin geleistet wurde, wie für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung erforderlich (vgl. Sen.Urt. v. 17. September 2001 -II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997 m.w.N.).
a) Der sachliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Ein-und Auszahlung begründet die Vermutung, daß dies von den Beklagten vorher so abgesprochen worden ist (s. zuletzt Sen.Urt. v. 16. September 2002 -II ZR 1/00, ZIP 2002, 2045, 2048). Das läßt auch die Revision gelten. Entgegen ihrer Ansicht kann hier eine zulässige Absprache über die Verwendung der Einlagemittel auch auf der Grundlage des von den Beklagten behaupteten (und unter Beweis gestellten) Darlehenszwecks der Auszahlung an die OHG nicht angenommen werden. Zwar sind schuldrechtliche Verwendungsabsprachen, durch welche die Geschäftsführung der Gesellschaft verpflichtet wird, mit den einzuzahlenden Einlagemitteln in bestimmter Weise zu verfahren, aus der Sicht der Kapitalaufbringung unschädlich, wenn sie allein der Umsetzung von Investitionsentscheidungen der Gesellschafter oder sonstiger ihrer Weisung unterliegender geschäftspolitischer Zwecke dienen (vgl. Sen.Urt. v. 24. September 1990 -II ZR 203/89, ZIP 1990, 1400 f.; v. 22. Juni 1992 -II ZR 30/91, ZIP 1992, 1303, 1305, zu 2). Anders ist es aber, wenn die Abrede (auch) dahin geht, die Einlagemittel unter (objektiver) Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln mittelbar oder gar unmittelbar wieder an den Einleger zurückfließen zu lassen (Senat aaO, Urt. v. 18. März 2002 -II ZR 363/00, ZIP 2002, 799, 801). Das gilt auch im Fall einer Darlehensgewährung an den Inferenten, weil damit die Einlage im wirtschaftlichen Endergebnis nicht vom Inferenten bar geleistet, sondern von der Gesellschaft finanziert wird (verdeckte Finanzierung; vgl. BGHZ 28, 77 f.; Scholz/Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 19 Rdn. 40 m.w.N.). Zwar verbleibt der Gesellschaft, wenn sie das Darlehen nicht ihrerseits refinanzieren mußte (so im Fall von BGHZ 28, 77), sondern (absprachegemäß) aus eingezahlten Einlagemitteln gewährt, an deren Stelle in bilanzieller Hinsicht ein Aktivum in Form des Rückzahlungsanspruchs gemäß § 607 BGB (dazu unten 2), das aber weder der geschuldeten Bareinlage gleichsteht noch den primären Einlageanspruch der Gesellschaft (§ 19 Abs. 1 GmbHG) ersetzen kann, weil dadurch u.a. dessen Unverzichtbarkeit gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG sowie die zwingende Verzinsungspflicht gemäß § 20 GmbHG umgangen würden (vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 37 II 2 c, S. 1113). Durch den Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung des Inferenten unterscheidet sich die Darlehensgewährung in diesem Fall von einem entsprechenden Verkehrsgeschäft mit dem Gesellschafter oder mit einem Dritten. Das gilt auch dann, wenn sie zur Finanzierung von Gesellschafterleistungen dient, die der Gesellschaft zugute kommen sollen, weil dann der Gesichtspunkt der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 5 GmbHG) eingreift.
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, die Darlehensgewährung an die OHG sei einer solchen an die Beklagten gleichzustellen. Der Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt die Identität zwischen Inferent und Auszahlungsempfänger nicht unbedingt voraus. Es genügt vielmehr, daß der oder die Inferenten durch die Leistung an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt werden, wie durch eine unmittelbare Leistung an sie selbst, was u.a. bei der Leistung an ein von dem oder den Inferenten beherrschtes Unternehmen der Fall ist (vgl. BGHZ 125, 141, 144). Die an "ihrer" OHG je hälftig beteiligten Beklagten beherrschten diese zwar je einzeln nicht (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juni 1999 -II ZR 70/98, ZIP 1999, 1314). Darauf kommt es aber hier nicht an, weil die Beklagten zugleich Gesellschafter der Gemeinschuldnerin waren und diese übereinstimmend als bloßes Hilfsinstrument zu dem übergeordneten, gemeinsamen Zweck der Finanzierung des Betriebs "ihrer" OHG eingesetzt haben (vgl. Sen.Urt. v.
16. Dezember 1991 -II ZR 294/90, ZIP 1992, 242, 244). Da das Vorgehen der Beklagten im wirtschaftlichen Ergebnis darauf abzielte, der OHG den Barbetrag und der Gemeinschuldnerin (nur) den Darlehensrückzahlungsanspruch zu verschaffen, liegt zudem der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 5 GmbHG) vor.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Anspruch des Klägers aus § 19 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechend § 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG verjährt. Der mangels einer Leistung zu freier Verfügung des Geschäftsführers nicht erfüllte Anspruch der Gesellschaft auf ordnungsgemäße Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 1 GmbHG) ist von dem durch § 31 GmbHG sanktionierten, auch nach ordnungsgemäßer Einlageleistung geltenden Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG zu unterscheiden (vgl. Sen.Urt. v. 17. September 2001 aaO) und unterlag gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bis zum 1. Januar 2002 der 30jährigen Verjährungsfrist des § 195 a.F. BGB (vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 24. Juli 2000 -II ZR 202/98, WM 2000, 2301, 2303 f.). Entsprechendes gilt erst recht für den vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des angeblichen Darlehens der Gemeinschuldnerin gegenüber der OHG i.V. mit der Haftung der Beklagten aus § 128 HGB, wobei hier offenbleiben kann, ob der Darlehensvertrag entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG unwirksam ist (vgl. Sen.Urt. v. 16. März 1998 -II ZR 303/96, ZIP 1998, 780 f.) und der Rückzahlungsanspruch deshalb nicht auf § 607 BGB, sondern auf § 812 Abs. 1 BGB
(i.V.m. § 128 HGB) zu stützen wäre. Dieser Anspruch besteht neben demjenigen aus § 19 Abs. 1 BGB, ohne daß dadurch eine Anspruchsverdoppelung eintritt, weil beide auf dasselbe Leistungsinteresse gerichtet sind.
3. Auch ohne Revisionsrüge aus Rechtsgründen zu beanstanden ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die von den Beklagten behauptete Verrechnung der Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin mit rückständigen Pachtzinsforderungen der OHG komme von vornherein nicht in Betracht, weil darin eine Umgehung des § 19 Abs. 5 GmbHG liege. Richtig ist zwar, daß die gesetzlichen Kautelen für die Tilgung der Einlageschuld durch die hier gewählte Darlehenskonstruktion nicht umgangen werden durften und daher eine Tilgung der "Darlehensschuld" der OHG durch Aufrechnung nur unter den Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit nach §§ 19 Abs. 2, 5 GmbHG auch zur Tilgung der Einlageschuld der Beklagten führen konnte. Da es sich aber bei den Pachtzinsforderungen der OHG, mit denen der "Darlehensanspruch" der Gemeinschuldnerin im Jahr 1998 verrechnet worden sein soll, um lange Zeit nach Begründung der Einlagepflicht entstandene "Neuforderungen" (für die Überlassung des Gewerbebetriebes der OHG an die Gemeinschuldnerin) handelte, kommt statt § 19 Abs. 5 GmbHG nur dessen Absatz 2 Satz 2 zum Zuge, der eine im Einvernehmen mit der Gesellschaft durchgeführte Verrechnung der Einlageschuld gegen Neuforderungen des Gesellschafters zuläßt, wenn diese fällig, liquide und vollwertig sind (vgl. Sen.Urt. v. 16. September 2002 -II ZR 1/00, ZIP 2002, 2045). Die Beklagten haben vorgetragen, es sei im Jahr 1998 eine einvernehmliche Verrechnung erfolgt. Das Berufungsgericht hat dazu -von seinem Standpunkt aus konsequent -keine Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben.
BGH:
Urteil v. 02.12.2002
Az: II ZR 101/02
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