Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 14. August 2012
Aktenzeichen: L 7 AS 1355/12 B ER
(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 14.08.2012, Az.: L 7 AS 1355/12 B ER)
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.07.2012 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 29.05.2012 gegen den Sanktionsbescheid vom 24.05.2012 wird abgelehnt. Der Antrag des Antragstellers, die Aufhebung der Vollziehung des Sanktionsbescheides vom 24.05.2012 anzuordnen, wird abgelehnt. Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L aus N beigeordnet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Die vom Antragsgegner in der Beschwerdeschrift geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes teilt der Senat nicht. Dem Sozialgerichts (SG) ist insoweit zuzustimmen, dass der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller mit der Beantragung des Eilrechtsschutzes am 29.05.2012 klar und deutlich zu erkennen gab, dass er sich gegen die Absenkung der Grundsicherung wendet und damit auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides begehrt, d.h. konkludent Widerspruch gegen den Änderungsbescheid und den Sanktionsbescheid, jeweils vom 24.05.2012, einlegt.
Der 1988 geborene Antragsteller hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 24.05.2012. Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, dem Antragsteller für Juni und Juli 2012 den Regelbedarf nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig zu zahlen.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Sofern zwischen den Beteiligten streitig ist, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss aussprechen, dass die Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben (deklaratorischer Beschluss; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn. 15 m.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG]).
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung; nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung.
Die Erfolgsaussicht des Antrages beurteilt sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgssaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 86b Rn. 12c ff.). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2006 - L 20 B 144/06 AS ER).
Die hiernach anzustellende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung ergeben sich nicht. Nach der im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung sind die Voraussetzungen für die Sanktion nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 31a Abs. 2 und § 31b SGB II gegeben. Denn der Antragsteller hat sich geweigert, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nach § 16 d SGB II aufzunehmen. Dabei hatte der Antragsteller keinen wichtigen Grund für sein Verhalten. Insbesondere fehlte es nicht an der hinreichenden Bestimmtheit der angebotenen Arbeitsgelegenheit. Zur Begründung verweist der Senat auf die Gründe im Beschluss zu dem Aktenzeichen L 7 AS 1277/12 B ER.
Der Vortrag des Antragstellers, die Teilnahme an der Maßnahme nicht verweigert zu haben, sondern vielmehr zulässigerweise Angaben über gesundheitliche Angelegenheiten und eine Weitergabe und Speicherung persönlicher Daten unter Hinweis auf das Datenschutzgesetz (BDSG) verweigert zu haben (SG Berlin, Beschluss vom 15.02.2012 - S 107 AS 1034/12 ER), führt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu keiner anderen Entscheidung. Zwar ist dem Antragsteller zuzustimmen, dass § 4 BDSG regelt, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig ist, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene einwilligt (nach § 4a BDSG). Jedoch gehen nach § 1 Abs. 3 BDSG, soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, diese den Vorschriften des BDSG vor (BSG, Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R 1. Leitsatz und Rn. 33 juris). Insoweit kommen eine Reihe von bereichsspezifischen Spezialregelungen (§§ 50 ff SGB II) sowie § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und §§ 67 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht (BSG, Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 65/11 R17 ff. juris), die u.a. die Übermittlung von Daten an mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragte Dritte unter bestimmten Voraussetzungen regeln (Lenze/Brünner in LPK-SGB II, 4. Auflage 2012, vor §§ 50 Rn. 1 ff.). Diese Ermittlungen bleiben dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, geben jedoch bei summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz keinen Anlass für eine Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners.
Ebenso wenig hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aufhebung der Vollziehung des Sanktionsbescheides vom 24.05.2012 nach § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG. Danach kann das Gericht, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Ob diese Anordnung erfolgt, entscheidet das Gericht aufgrund einer gesonderten Abwägung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 10a). Für eine Aufhebung der Vollziehung ist vorliegend kein Raum. Denn nach der summarischen Prüfung ist die Sanktion nicht rechtswidrig.
Dem Antragsteller war unter Hinweis auf § 119 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 14.08.2012
Az: L 7 AS 1355/12 B ER
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