Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 19. September 2006
Aktenzeichen: 20 W 55/05
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 19.09.2006, Az.: 20 W 55/05)
Zum Gegenstand eines gerichtlichen Auskunftsbegehrens kann der Aktionär nur solche Fragen machen, die in der Hauptversammlung mündlich gestellt wurden. Die Aushändigung eines umfangreichen schriftlichen Fragenkataloges in der Hauptversammlung, von dem nur ein Teil der aufgelisteten Fragen mündlich vorgetragen wurden, reicht hierzu nicht aus.
Tenor
Die sofortigen Beschwerden werden zurückgewiesen.
Jeder Beteiligte trägt die Gerichtskosten seiner erfolglosen Beschwerde.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: Beschwerde des Antragstellers 8.000,-- EURO;
Beschwerde der Antragsgegnerin: bis zur Erledigung: 8.000,-- EURO,
danach: 5.000,-- EURO
Gründe
I.
Der Antragsteller nahm als Aktionär an der ordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom € 2003 teil. Neben anderen Aktionären richtete der Antragsteller dort an den Vorstand der Antragsgegnerin eine Vielzahl von Fragen, wobei er einen umfangreichen handschriftlichen Fragenkatalog überreichte und einen Teil der dort aufgelisteten Fragen mündlich vortrug. Die Antragsgegnerin hatte ein sog. €back office€ eingerichtet, in welchem die in die Mikrofone gesprochenen Fragen der Aktionäre festgehalten und hierzu Antwortvorschläge unterbreitet wurden, die der Vorstand der Antragsgegnerin sodann zur mündlichen Beantwortung benutzte. Im Anschluss hieran erklärte der Antragsteller, seine Fragen seien nicht ausreichend beantwortet worden und erklärte Widerspruch gegen die Beschlussfassungen der Hauptversammlung zu Protokoll.
Mit am 21. Juni 2003 bei Gericht eingegangenem Antrag begehrte der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beantwortung einer Vielzahl von Fragen,
(DER FOLGENDE TEXT WURDE ANONYMISIERT - DIE RED.)
Die Antragsgegnerin trat dem Auskunftsbegehren entgegen und machte geltend, ein Teil der Fragen sei nur schriftlich und damit nicht ordnungsgemäß gestellt worden, die mündlich gestellten Fragen habe sie ausreichend beantwortet.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum Ablauf der Hauptversammlung sowie Rücknahme und übereinstimmender Erledigterklärung bezüglich einzelner Fragen hat das Landgericht festgestellt, dass die Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung über folgende Fragen verpflichtet ist:
(DER FOLGENDE TEXT WURDE ANONYMISIERT - DIE RED.)
1) - 3)
Im übrigen hat die Kammer die Auskunftsbegehren zurückgewiesen und zur Begründung im einzelnen ausgeführt, für einen Teil der Fragen fehle es an einem Auskunftsverlangen in der Hauptversammlung, da hierzu die Übergabe der Frageliste an den Notar nicht ausreiche; im übrigen seien die Fragen, soweit sie sich auf Gegenstände der Hauptversammlung bezogen, ausreichend beantwortet worden.
Gegen diesen Beschluss des Landgerichts haben sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin die vom Landgericht zugelassene sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller hat mit dem Rechtsmittel weiterhin die Auskunftsverpflichtung der Antragsgegnerin bezüglich einiger näher bezeichneter aufrecht erhaltener Fragen begehrt und geltend gemacht, auch wenn diese Fragen in der Hauptversammlung von ihm nicht mündlich vorgetragen worden seien, liege ein ordnungsgemäßes Auskunftsverlangen durch die Aushändigung des schriftlichen Fragenkataloges in der Hauptversammlung vor. Insoweit müsse durch nochmalige Vernehmung der in der Hauptversammlung anwesenden Vorstände und Aufsichtsräte sowie Verfahrensbevollmächtigte und des Notars aufgeklärt werden, weshalb der von ihm dem Versammlungsleiter in der Hauptversammlung übergebene Fragenkatalog nur an den Notar weitergereicht worden sei.
Die Antragsgegnerin hat den angefochtenen Beschluss verteidigt, soweit das Auskunftsbegehren zurückgewiesen wurde und zunächst dessen Aufhebung beantragt, soweit ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung zu den vom Landgericht aufgeführten drei Fragen festgestellt wurde. Die bereits vom Landgericht verneinten Auskunftsbegehren seien im Übrigen auch rechtsmissbräuchlich gestellt worden.
Bezüglich der vom Landgericht festgestellten Auskunftsverpflichtung zu Ziffer 1 und 3 haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Beschluss des Landgerichts, die dort in Bezug genommenen Unterlagen sowie die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortigen weiteren Beschwerden sind kraft Zulassung im landgerichtlichen Beschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache führen die Rechtsmittel bezüglich der nach den Erledigungserklärungen verbliebenen Streitpunkte jedoch nicht zum Erfolg.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Auskunftserteilung über die vom Landgericht angenommenen Fragen hinaus ist nicht gegeben, da es insoweit an einem ordnungsgemäßen Auskunftsbegehren fehlt. Das gerichtliche Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG dient der Durchsetzung des Auskunftsrechtes des Aktionärs nach § 131 AktG. In diesem Verfahren können deshalb grundsätzlich nur solche Fragen verfolgt werden, die bereits zuvor in der Hauptversammlung gestellt worden sind (vgl. Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, S. 5; LG Dortmund AG 1998, 133; LG München AG 1993, 519). Bezüglich der von dem Antragsteller im Rahmen des weiteren Beschwerdeverfahrens weiter verfolgten Fragen fehlt es an einem ordnungsgemäßen Auskunftsverlangen in der Hauptversammlung. Der Antragsteller hat hierzu klargestellt, dass diese Fragen von ihm in der Hauptversammlung nicht mündlich gestellt wurden, sondern lediglich in dem von ihm in der Hauptversammlung überreichten insgesamt 24 Seiten umfassenden handschriftlichen Fragenkatalog enthalten waren. Dieses Schriftstück überreichte der Antragsteller nach eigenen Angaben dem Versammlungsleiter, welcher hierbei darauf hinwies, dass Fragen ausschließlich mündlich zu stellen seien. Die Übergabe eines schriftlichen Fragenkataloges stellt jedoch kein ordnungsgemäßes Auskunftsverlangen im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG dar. Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, der Aktionär könne seine Fragen mangels gesetzlicher Vorgabe einer bestimmten Form sowohl mündlich als auch schriftlich stellen (vgl. Heidel, Anwaltskomm. AktG, § 131, Rn. 11; Eckardt in Großkomm. AktG (1974), § 131 Rn. 26; KölnKomm/Zöller, AktG, § 131 Rn. 81; Semler MünchHandbuch AG § 37 Rn. 25 ; Marsch-Barner, WM 1984, 41/42). Dieser Auffassung vermag der Senat sich jedoch nicht anzuschließen. Bei dem Auskunftsanspruch nach § 131 AktG handelt es sich zwar um einen Individualanspruch des Aktionärs, der jedoch in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht beschränkt ist und nur in der Hauptversammlung geltend gemacht werden kann, weil eine gleichmäßige Unterrichtung aller Aktionäre gewährleistet werden soll (vgl. BVerfG NJW 2000, 349). Die Aushändigung eines schriftlichen Fragenkataloges in der Hauptversammlung an den protokollierenden Notar, den Versammlungsleiter oder anwesenden Vorstand vermag jedoch nicht sicherzustellen, dass die Teilnehmer der Hauptversammlung von den dort aufgelisteten Fragen Kenntnis nehmen können. Selbst wenn der Vorstand in der Hauptversammlung mündlich einen solchen Fragenkatalog beantwortet bzw. erklärt, weshalb er Auskünfte hierzu verweigert, können die anwesenden übrigen Aktionäre mangels Kenntnis der Fragestellung insoweit dem Gang der Hauptversammlung nicht folgen (vgl. LG Köln AG 1991, 38). Im Übrigen entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Auskünfte in der Hauptversammlung grundsätzlich mündlich zu erteilen sind und bisher eine schriftliche Auskunftserteilung in der Hauptversammlung nur ausnahmsweise dann zulässig sein kann, wenn hierdurch etwa im Rahmen einer Aufstellung, die jedoch dann allen anwesenden Aktionären zugänglich zu machen ist, dem Informationsinteresse besser als durch eine mündliche Auskunft entsprochen werden kann (vgl. BGHZ 101, 1/15; OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148/2152; LG Heidelberg AG 1996, 523/524; Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 131 Rn. 22). Die auch ohne ausdrückliche gesetzliche Aussage zur Form allgemein anerkannte Verpflichtung des Vorstandes zur Erteilung der Auskunft in mündlicher Form geht zurück auf das die gesamte Hauptversammlung beherrschende Prinzip der Mündlichkeit (vgl. Groß AG 1997, 97/103). Dieser Grundsatz der Mündlichkeit der Hauptversammlung gilt jedoch nicht nur für die Erteilung der Auskunft selbst, sondern auch für das letztlich die Grundlage der Auskunft bildende Auskunftsverlangen, das demzufolge ebenfalls mündlich in der Hauptversammlung geltend zu machen ist (so bisher ebenfalls LG Köln AG 91, 38; Henn, Handbuch des AktR, 7. Aufl., § 26 Rn. 880; MünchKomm/Kubis, AktG, § 131 Rn. 27; Volhard/Semler Arbeitshandbuch für die HV, 2.
Aufl., § 13 Rn. 18). Zusätzlich bestätigt wird die Notwendigkeit eines mündlichen Auskunftsverlangens auch durch die Ergänzungen, die § 131 AktG durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts € UMAG € vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802) erfahren hat. Denn die hiermit in § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG eingefügte Ermächtigung des Versammlungsleiters zur Beschränkung des Fragerechtes der Aktionäre durch Satzung oder Geschäftsordnung setzt eine mündliche Fragestellung voraus, weil sie sonst ins Leere ginge (vgl. ebenso Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 131 Rn. 8, welcher deshalb an seiner noch in der Vorauflage vertretenen Auffassung zur Zulässigkeit eines schriftlichen Auskunftsverlangens nicht mehr festhält). Auch das mit dem UMAG in § 131 Abs. 3 Ziffer 7 AktG neu eingeführte Recht des Vorstands zur Auskunftsverweigerung bezüglich solcher Auskünfte, die auf der Internetseite der Gesellschaft über mindestens 7 Tage vor Beginn und in der Hauptversammlung durchgängig zugänglich sind, stellt eine gesetzlich ausdrücklich zugelassene Durchbrechung des im Übrigen nicht in Frage gestellten Mündlichkeitsprinzips der Hauptversammlung dar (vgl. zu diesen Gesetzesänderungen Gantenberg, DB 2005, 207; Weißhaupt, ZIP 2005, 1766; Martens AG 2004, 238). Somit steht dem Antragsteller ein gerichtlich durchsetzbarer Auskunftsanspruch bezüglich der in der Hauptversammlung nicht mündlich vorgetragenen, sondern nur in einem schriftlichen Fragenkatalog überreichten Fragen nicht zu. Die Zurückweisung der diesbezüglichen Auskunftsansprüche durch das Landgericht ist deshalb zu Recht erfolgt und die sofortige Beschwerde des Antragstellers somit zurückzuweisen.
Auch die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist im aufrecht erhaltenen Umfang unbegründet. Die Feststellung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung gemäß Ziffer 2 der landgerichtlichen Entscheidung ist aufrecht zu erhalten. Diese Frage wurde bisher durch die Antragsgegnerin nicht beantwortet. Insbesondere reicht hierzu der Hinweis auf ihren Sachvortrag in einer parallelen Anfechtungsklage, nicht aus. Das Landgericht hat des Weiteren mit zutreffenden Erwägungen die Beantwortung dieser Frage ebenso wie der Fragen Ziffer 1 und 3 auch für erforderlich erachtet.
Dabei kann zum Maßstab der Erforderlichkeit zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen werden auf die diesbezüglichen allgemeinen Ausführungen des Senates im Beschluss vom 30. Januar 2006 € 20 W 52/05 €.
(DER FOLGENDE TEXT WURDE ANONYMISIERT - DIE RED.)
Ein Rechtsmißbrauch lässt sich in Bezug auf diese Frage ebenfalls nicht feststellen.
Hiernach war, soweit das Verfahren von beiden Beteiligten nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, sowohl die sofortige Beschwerde des Antragstellers als auch die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung bezüglich der Tragung der Gerichtskosten beruht auf § 132 Abs. 5 S. 7 AktG. Gerichtskosten fallen für den für erledigt erklärten Teil des Beschwerdeverfahrens mangels eines Gebührtentatbestandes nicht an.
Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nach § 13 a Abs. 1 FGG im Hinblick auf die Erfolglosigkeit beider Rechtsmittel sowie die bisher höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage der Form des Auskunftsverlangens und der zweifelhaften mutmaßlichen Erfolgsaussichten hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens nicht angebracht.
Die Festsetzung der Geschäftswerte folgt aus §§ 132 Abs. 5 S. 6 AktG, 30 Abs. 2 KostO.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 19.09.2006
Az: 20 W 55/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e25c58a9f668/OLG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_19-September-2006_Az_20-W-55-05