Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. April 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 38/02

(BPatG: Beschluss v. 08.04.2003, Az.: 27 W (pat) 38/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2002 aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 398 17 568 wird aufgrund des Widerspruchs aus der IR-Marke 495 369 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die am 12. November 1998 für die Waren

"Webstoffe und Textilwaren soweit in Klasse 24 enthalten, Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke aller Art; Schuhwaren, Kopfbedeckungen für Damen, Herren und Kinder"

veröffentlichte Eintragung der Wort-Bildmarke 398 17 568 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der am 23. Juli 1985 international registrierten Marke IR 495 369

"BLUMARINE", die in Deutschland ua Schutz genießt für die Waren

"24: Tissus; linge de menage; couvertures de lit et de table.

25: Vêtements, y compris les bottes, les souliers et les pantoufles; prêtàporter; habillement, bonneterie, tricots; pelleterie et fourrures".

Auf die Nichtbenutzungseinrede des Markeninhabers hat die Widersprechende unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und des Musters von Einnäheetiketten die Benutzung der Widerspruchsmarke für Damenoberbekleidungsstücke geltend gemacht. Auf die Anfrage der Markenstelle, ob und wenn ja, für welche Waren die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten werde, hat der Markeninhaber erklärt, dass er die Einrede mangelnder Benutzung nicht weiter aufrechterhalte.

Die Markenstelle für Klasse hat den Widerspruch durch Beschluss vom 16. Januar 2002 wegen mangelnder Verwechslungsgefahr zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Abweichungen der Marken seien trotz der vorhandenen Übereinstimmungen aus Rechtsgründen ausreichend, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Die in der angegriffenen Marke enthaltene Bezeichnung "blue marine" sei nicht isoliert kollisionsbegründend, weil sie aus der auch im Inland verständlichen Farbangabe "blaumarin" bestehe, die einen beschreibenden Hinweis auf die Waren der angegriffenen Marke darstelle. Aus der Kennzeichnungsschwäche der Bezeichnung "blue marine" folge ein aus Rechtsgründen eng zu bemessender Schutzumfang der Widerspruchsmarke, der sich nicht auf jede weitere Verwendung der genannten Farbangabe erstrecke. Unter diesen Voraussetzungen weiche die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit aus Rechtsgründen sowohl klanglich als auch bildlich so deutlich von der Widerspruchsmarke ab, dass die Gefahr von markenrechtlich relevanten Verwechslungen ausgeschlossen werden könne.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde beantragt die Widersprechende die Aufhebung des Beschlusses und Löschung der angegriffenen Marke. Nach ihrer Ansicht hat die Markenstelle bereits unzutreffend angenommen, dass der Bestandteil "blue marine" eine der Farbangabe "marineblau" gleichzusetzende beschreibende Angabe darstelle. Im übrigen könnten im Rahmen einer jüngeren Marke anerkanntermaßen auch beschreibende Bestandteile kollisionsbegründend wirken. Bei einer Gegenüberstellung der klanglich praktisch identischen Bezeichnungen "blue marine" und "BLUMARINE" könne unter Berücksichtigung der Identität oder jedenfalls engen Ähnlichkeit der Waren die Gefahr von Markenverwechslungen nicht verneint werden.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und beruft sich zur Begründung auf sein schriftsätzliches Vorbringen im Verfahren vor der Markenstelle.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Löschung der angegriffenen Marke ist gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG anzuordnen, weil die Gefahr von Verwechslungen der Marken besteht.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von allen Waren der Widerspruchsmarke auszugehen, nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke seine nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede auf die von der Widersprechenden für Damenoberbekleidungsstücke eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen uneingeschränkt und vorbehaltlos fallengelassen hat. Die Waren der angegriffenen Marke sind mit den ua in Klassen 24 und 25 geschützten Waren der Widerspruchsmarke weitgehend identisch, im übrigen besteht enge Ähnlichkeit.

Dem erheblich verwechslungsfördernden Faktor der Warenidentität oder engen Warenähnlichkeit steht allerdings eine nicht unbeachtliche Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke gegenüber, denn die Bezeichnung "BLUMARINE" enthält einen zumindest einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise erkennbaren Anklang an den Begriff "marineblau" und das entsprechende englische, französische und italienische Wort (marine blue, bleu marine, blu marino). Die Ansicht der Markenstelle, als Abwandlung einer für Bekleidung, Bett- und Tischwäsche beschreibenden Farbangabe sei der Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus Rechtsgründen eng zu bemessen, ist nur insoweit zutreffend, als die Bezeichnung "BLUMARINE" gegenüber der freizuhaltenden Farbangabe selbst, also marine blue, bleu marine, blu marino, marine blau auf ihre Eigenprägung beschränkt ist (vgl BGH GRUR 1989, 264 - REYNOLDS R1/EREINTZ; 1989, 349 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; 1990, 881, 683 - Schwarzer Krauser; 1999, 238, 240 - Tour de culture). Das gilt aber nicht in gleichem Maße auch in bezug auf eine jüngere Marke, die ihrerseits aus einer Abwandlung der Farbangabe besteht (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal). Ungeachtet der Kennzeichnungsschwäche, die der Widerspruchsmarke wegen des ihr zugrundeliegenden beschreibenden Begriffsinhalts zukommt, findet die Beschränkung ihres Schutzumfangs jedenfalls dort ihre Grenze, wo sich eine jüngere Marke ihrerseits an die abgewandelte Wortbildung "BLUMARINE" klanglich oder schriftbildlich hochgradig annähert oder damit sogar identisch ist.

Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann vorliegend jedenfalls die Gefahr klanglicher Markenverwechslungen nicht verneint werden. Die angegriffene Marke enthält neben der reinen Gattungsbezeichnung "Yachting Sportswear" und der einfachen stilisierten Darstellung eines Segels die in geschwungener großer Schrift wiedergegebenen Wortbestandteile "blue marine". Der Ansicht der Markenstelle, diese Bezeichnung sei wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche von Haus aus nicht geeignet, eine isoliert kollisionsbegründende Wirkung zu entfalten, kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Im Gegensatz zu beschreibenden Bestandteilen in einer älteren Marke (vgl BGH GRUR 1968, 414 - Fe; neuerdings GRUR 2002, 814, 815 re Sp - Festspielhaus) können solche Bestandteile in einer jüngeren Marke - entsprechendes gilt erst recht für Bestandteile, die an eine beschreibende Angabe nur angelehnt sind - die Gefahr von Verwechslungen begründen, wenn sie den Gesamteindruck der Marke prägen. Dies ist der Fall, wenn sie von einem beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Warenkennzeichnung aufgefasst werden (vgl BGH GRUR 1988, 542, 543 - ROYALE; 1990, 361, 363 - Kronenthaler; 1998, 930, 931 - Fläminger).

Diese Voraussetzung ist bei dem Bestandteil "blue marine" der angegriffenen Marke erfüllt. Gegen die Annahme, der Verkehr fasse "blue marine" nur als beschreibenden Hinweis auf die Farbe der Waren auf, spricht bereits, dass es sich bei "blue marine" weder um die korrekte englische Farbbezeichnung für marineblau noch um eine allgemein geläufige bekannte Bezeichnung handelt, die jedermann ohne weitere Überlegung dem Begriff "marineblau" gleichsetzt. Aufgrund der Stellung des Wortes "marine" nach dem Adjektiv "blue" liegt für den Teil der Verbraucher, der überhaupt nähere Betrachtungen über die Bedeutung von "blue marine" anstellt, die Vorstellung eines Phantasiebegriffs im Sinne von "blaue Marine" oder "blaue Flotte" ebenso nahe wie die Annahme einer Farbbezeichnung. Das gilt um so mehr, als bloße Farbbezeichnungen im allgemeinen nicht in einer Weise optisch in den Vordergrund gestellt werden, wie dies im Rahmen der angegriffenen Marke der Fall ist. Für den kennzeichnenden Charakter der Wortbestandteile "blue marine" spricht weiterhin, dass der am unteren Rand der Darstellung angeordnete weitere Bestandteil "Yachting Sportswear" erkennbar rein beschreibende Bedeutung hat. Es bleibt daher allein die den Mittelpunkt der angegriffenen Marke bildende Bezeichnung "blue marine", die sich der Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren einprägen und nach der er die Marke auch benennen wird, weil sie die einfachste Form der mündlichen Wiedergabe darstellt, während die Segeldarstellung als werbemäßiger bildlicher Hinweis auf Segelbekleidung bei der mündlichen Wiedergabe erfahrungsgemäß unberücksichtigt bleibt (vgl BGH aaO - Fläminger; GRUR 1999, 241, 244 - Lions; GRUR 2002, 809, 811 - Frühstücksdrink I).

Damit kann im Ergebnis die Gefahr klanglicher Verwechslungen der für identische oder hochgradig ähnliche Waren bestimmten Marken nicht ausgeschlossen werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG), so dass unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen war.

Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü

Abb. 1 Kollision - 27 W (pat) 38/02 Angegriffene Marke MarkenName: blue marine Yacht Sportswearhttp://agora/bpatgkollision/docs/D105760.3.gif Widerspruchsmarke MarkenName: BLUMARINE






BPatG:
Beschluss v. 08.04.2003
Az: 27 W (pat) 38/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e2708e5b7dd0/BPatG_Beschluss_vom_8-April-2003_Az_27-W-pat-38-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share