Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 64/99
(BPatG: Beschluss v. 28.10.2003, Az.: 8 W (pat) 64/99)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 16 des Patentamts vom 29. Juli 1999 wie nachstehend geändert.
Das Patent 34 23 774 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentanspruch, überreicht in der mündlichen Verhandlung Beschreibung Spalten 1 - 4 und 1 Blatt Zeichnungen Figuren 1 - 3, jeweils wie Patentschrift 2. Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf den Zwischenbeschluss des Senats vom 11. April 2001 zugelassen.
Gründe
I.
Nach Prüfung eines Einspruchs hat die Patentabteilung 16 des Patentamts das unter der Bezeichnung "Zweiteilige Pressform für durch Gaseinschlüsse aufgeblähte Kunststoffpressmassen aus Abfallkunststoff" erteilte Patent 34 23 774 (Anmeldetag: 18. Juni 1984) mit Beschluss vom 29. Juli 1999 widerrufen.
Zum Stand der Technik waren im Prüfungs- und Einspruchsverfahren die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:
- DE 30 23 163 A1
- DE 108 955 C
- US 3 655 863
- GB 1 272 718
- DE 32 31 188 A1
- DE 31 15 470 A1
- DE 1 222 654 B
- Fachbuch von Menges/Mohren "Anleitung für den Bau von Spritzgießwerkzeugen", Carl Hanser Verlag München Wien, 2. Aufl. 1983 Gegen den Beschluss der Patentabteilung 16 hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung einen neu gefassten einzigen Patentanspruch vorgelegt.
Der nunmehr geltende Patentanspruch lautet:
"Zweiteilige Pressform zum Pressen einer heißen, zähplastischen, durch Gaseinschlüsse aufgeblähten Kunststoffpressmasse aus Abfallkunststoff zu einem Presskörper, wobei beide Teile in Pressrichtung zwischen einer Öffnungsstellung und einer ein Formnest zwischen sich einschließenden Pressstellung relativ zueinander bewegbar sind und von welchen der eine Teil (10a) eine in Pressrichtung verlaufende Begrenzung des Formnests besitzt, wobei diese Begrenzung in Pressrichtung soweit verlängert und ein Spalt zwischen ihr und einer ihr gegenüberliegenden Gegenfläche (26) des anderen Teils (10b) so bemessen ist, dass die Form bereits bei einem wesentlich größeren Forminhalt als dem des zu erzeugenden Presskörpers entsprechenden Forminhalt für die zähplastischen Kunststoffpressmassen dicht aber gasdurchlässig geschlossen ist und über einen ausreichend langen Pressweg in Pressrichtung bis zu dem zu erzeugenden Presskörper entsprechenden Forminhalt für die zähplastischen Kunststoffpressmassen dicht aber gasdurchlässig geschlossen bleibt."
Die Patentinhaberin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass eine zweiteilige Pressform für durch Gaseinschlüsse aufgeblähte Kunststoffpressmassen aus Abfallkunststoff nach dem geltenden Patentanspruch gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sowohl neu sei als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 16 des Patentamts vom 29. Juli 1999 aufzuheben und das Patent 34 23 774 in der heute übergebenen Fassung des Patentanspruchs aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende ist den Ausführungen der Patentinhaberin entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, der Gegenstand nach dem Patentanspruch sei durch den aufgezeigten Stand der Technik nach der DE 1 222 654 B vorweggenommen bzw. dem zuständigen Fachmann nahegelegt.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Hinblick auf den Zwischenbeschluss des Senats an.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 16 des Patentamts vom 29. Juli 1999 abzuändern war.
1. Der geltende Patentanspruch 1 betrifft einezweiteilige Pressform zum Pressen einer heißen, zähplastischen, durch Gaseinschlüsse aufgeblähten Kunststoffpressmasse aus Abfallkunststoff zu einem Presskörper. Dabei sind beide Teile in Pressrichtung zwischen einer Öffnungsstellung und einer ein Formnest zwischen sich einschließenden Pressstellung relativ zueinander bewegbar. Der eine Teil besitzt eine in Pressrichtung verlaufende Begrenzung des Formnests. Dabei ist diese Begrenzung in Pressrichtung soweit verlängert, und ein Spalt zwischen ihr und einer ihr gegenüberliegenden Gegenfläche des anderen Teils ist so bemessen, dass die Form bereits bei einem wesentlich größeren Forminhalt als dem des zu erzeugenden Presskörpers entsprechenden Forminhalt für die zähplastischen Kunststoffpressmassen dicht aber gasdurchlässig geschlossen ist und über einen ausreichend langen Pressweg in Pressrichtung bis zu dem dem zu erzeugenden Presskörper entsprechenden Forminhalt für die zähplastischen Kunststoffpressmassen dicht aber gasdurchlässig geschlossen bleibt.
Nach den Angaben in der Beschreibung soll damit eine zweiteilige Pressform für durch Gaseinschlüsse aufgeblähte Kunststoffpressmassen aus Abfallkunststoff geschaffen werden, mit der auch aus Abfallkunststoff gewonnene Pressmassen verarbeitet werden können, die durch eingeschlossene Gase ein stark vergrößertes Volumen aufweisen; vgl. DE 34 23 774 C2 Sp. 2, Z. 5 bis 10.
2. Der geltende Patentanspruch ist zulässig.
Der wesentliche Unterschied gegenüber der erteilten Fassung des Patentanspruchs besteht in der Einfügung des Merkmals, dass "die Form über einen ausreichend langen Pressweg in Pressrichtung bis zu dem dem zu erzeugenden Presskörper entsprechenden Forminhalt für die zähplastischen Kunststoffpressmassen dicht aber gasdurchlässig geschlossen bleibt".
Dieses Merkmal ist in der DE 34 23 774 C2 in Sp. 2, Z. 40 bis 49 angegeben und als zur Erfindung gehörend offenbart.
Dieses Merkmal gibt auch den funktionalen Zusammenhang zwischen der Bemessung des Spalts zwischen der Innenwand der Form 10a und der Gegenfläche 26 des Formstempels 16, der Länge der Form und der Länge des Pressweges an, damit die Pressform die Bedingung erfüllt, dicht gegenüber den Kunststoffpressmassen aber gasdurchlässig zu sein.
3. Die Einfügung stellt auch eine zulässige Beschränkung des Patentgegenstands gegenüber dem Gegenstand der erteilten Fassung dar.
In der erteilten Fassung ist nämlich keine Aussage über die Länge des Pressweges gemacht worden, sondern lediglich über die Länge der Begrenzung des Formnests. Der Pressweg ist jedoch nicht identisch mit der Länge der Begrenzung des Formnests. Durch die eingefügte Maßangabe für den Pressweg ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs somit gegenüber dem nach der erteilten Fassung beschränkt worden.
4. Die Pressform mit den Merkmalen im geltenden Patentanspruch hat als neu zu gelten, weil keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen eine Pressform mit allen im geltenden Patentanspruch angegebenen Merkmalen zeigt.
Dies gilt auch gegenüber der Vorrichtung zum Herstellen von Erzeugnissen aus Polystyrolschaumstoffabfällen nach der DE 1 222 654 B.
Der Senat ist der Auffassung, dass eine Presse nicht unabhängig von dem zu bearbeitenden Material aufgebaut sein kann und sich der Unterschied zu dem aus der DE 1 222 654 B bekannten Pressbehälter, entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Ansicht, nicht allein in der Verwendung der bekannten Presse zum Pressen einer heißen, zähplastischen Masse erschöpft.
Nach den Angaben in dieser Druckschrift in Sp. 4, Z. 5 bis 15 und Sp. 6, Z. 24 bis 28 wird der Polystyrolschaumstoff in dem Pressbehälter durch den Wasserdampf nämlich so erhitzt, dass zum Einen die Zellen des Schaumstoffs miteinander verschweißt werden und zum Anderen der Gasdruck in den Zellen so ansteigt, dass der Pressbehälter mit dem Polystyrolschaumstoff völlig ausgefüllt wird und die Löcher und auch "sonstige nicht luftdicht abschließende Stellen praktisch völlig von dem sich aufblähenden Polystyrolschaumstoff abgedichtet werden". Der daraus bekannte Pressbehälter ist somit zumindest im Stadium erhöhten Drucks im Gegensatz zur Pressform nach dem geltenden Patentanspruch gasdicht.
Nach der in der mündlichen Verhandlung noch berücksichtigten DE 31 15 470 A1 wird die Materialdichtigkeit der Presse durch eine besondere Abfassung des Kolbenendes erreicht.
5. Die Pressform nach dem geltenden Patentanspruch, deren gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel gezogen wird, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Nach den Angaben in der DE 1 222 654 B in Sp. 3, Z. 44 bis 48 genügt zwar der zwischen dem oberen Deckel und dem Pressbehälter bestehende Schlitz bzw. die Schließnaht für eine Ableitung der Luft in dem Behälter, sodass die Entlüftungslöcher 8 nicht erforderlich sind, doch funktioniert diese bekannte Pressform, wie unter Punkt 4 zur Neuheit bereits ausgeführt wurde, nach einem anderen Prinzip, sodass der Fachmann, ein im Bau von Kunststoffpressen versierter Verfahrenstechniker oder Maschinenbauingenieur FH, daraus keine Anregung erhält, eine Pressform so auszubilden, dass sie beim Pressvorgang für die zähplastische Pressmasse zwar dicht aber für aus der Masse entweichende Gase durchlässig ist.
Nach den bereits zitierten Angaben in Sp. 4, Z. 5 bis 15 und Sp. 6, Z. 24 bis 28 wird der Polystyrolschaumstoff in dem Pressbehälter durch den Wasserdampf so hoch erhitzt, dass der Gasdruck in den Zellen ansteigt und der Pressbehälter mit dem Polystyrolschaumstoff völlig ausgefüllt wird; dabei werden die Löcher und auch "sonstige nicht luftdicht abschließende Stellen praktisch völlig von dem sich aufblähenden Polystyrolschaumstoff abgedichtet". Nach den weiteren Angaben in Sp. 1, Z. 43 bis 52, nach denen man "die unter mechanischer Druckeinwirkung befindlichen Polystyrolschaumstoffabfälle durch Behandeln mit Wasserdampf von 1 bis 7 atü und einer Temperatur von 104 bis 130¡C und den dadurch erfolgenden Druckanstieg miteinander verschweißt", folgt, dass von dem Formstempel 3 zwar auch ein Druck auf die Polystyrolmasse ausgeübt wird, doch die eigentliche Verdichtung, die zum Verschweißen der Zellen miteinander führt und die der Schaumstoffmasse erst die gewünschte Form gibt, durch den Druckanstieg infolge des vom heißen Wasserdampf erhöhten Gasdrucks in den Zellen bewirkt wird. Damit der Druck im Pressbehälter ansteigt, sollen alle nicht luftdicht schließenden Stellen von dem sich aufblähenden Polystyrolschaumstoff abgedichtet werden; vgl. Sp. 4, Z. 15 bis 21. Der Formstempel gibt demnach im wesentlichen das Volumen des von der Masse auszufüllenden Formhohlraums vor, übt aber keinen Pressdruck im Sinne des Streitpatents aus. Beim Streitgegenstand dagegen soll die Gasdurchlässigkeit gewährleistet bleiben, damit beim Herunterfahren des Formstempels nicht nur Luft aus dem Forminnenraum, sondern auch aus der Pressmasse austretendes Gas entweichen kann. Die Formgebung geschieht durch den Pressdruck des Formstempels.
Bei der Presse nach der DE 31 15 470 A1 wird das Problem des Herauspressens der Pressmasse zwischen Kolben und Forminnenwand durch die besondere Ausbildung des Kolbenendes gelöst, sodass der Fachmann hierdurch ebenfalls keine Anregung zu der Problemlösung nach dem geltenden Patentanspruch erhält.
Auch aus den übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Betracht gezogen worden sind, ergibt sich, wie der Senat überprüft hat, die Pressform nach dem geltenden Patentanspruch für den Fachmann nicht in naheliegender Weise.
Der geltende Patentanspruch hat daher Bestand.
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass seine Auffassung, dass eine Presse nicht unabhängig von dem zu bearbeitenden Material aufgebaut sein kann und sich der Unterschied zu dem bekannten Pressbehälter nicht allein in seiner Verwendung zum Pressen einer heißen, zähplastischen Masse erschöpft, gegen die in der "Spritzgussmaschine III" - Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO) aufgestellten Grundsätze verstoßen soll. Nach den Ausführungen in dieser Entscheidung wiesen "die zu verarbeitenden Stoffe immerhin artverwandte Eigenschaften auf", was im vorliegenden Fall (Polystyrolschaumstoff-Abfälle einerseits und heiße, zähplastische, durch Gaseinschlüsse aufgeblähte Kunststoffpressmassen aus Abfallkunststoff andererseits) nicht zutrifft.
6. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen.
Im Interesse der Fortbildung des Rechts hält es der Senat für geboten, die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf seinen Zwischenbeschluss vom 11. April 2001 zuzulassen, damit die Tragweite der darin behandelten Rechtsfragen geklärt werden kann.
Kowalski Dr. Huber Gießen Hübner Cl
BPatG:
Beschluss v. 28.10.2003
Az: 8 W (pat) 64/99
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