Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2000
Aktenzeichen: 11 W (pat) 65/99

(BPatG: Beschluss v. 17.01.2000, Az.: 11 W (pat) 65/99)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Patentabteilung 11 des Patentamts vom 13. April 1999 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur Prüfung der Erfolgsaussichten der Anmeldung im Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 PatG und erneuten Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der bedürftige Anmelder hat am 7. Februar 1998 beim Patentamt einen Vielschuß-Trommelrevolver zur Selbstverteidigung zum Patent angemeldet. Für dieses Verfahren hat er am 13. Februar 1998 Verfahrenskostenhilfe mit Beiordnung eines Patentanwaltes als gesetzlichen Vertreter beantragt.

Daraufhin hat ihm das Patentamt mit Bescheid vom 14. Dezember 1998 unter Hinweis auf die von ihm seit September 1989 eingereichten 87 Schutzrechtsanmeldeverfahren auf verschiedenen technischen Gebieten ohne eine einzige wirtschaftliche Verwertung mitgeteilt, sein Verfahren erscheine mutwillig iSd § 114 ZPO, weil auch die Erstreitung eines Patents für die vorliegende Anmeldung nutzlos und deshalb nicht sinnvoll wäre.

Dies bestreitet der Anmelder in seiner Eingabe vom 27. Februar /1. März 1999 unter Hinweis auf seine umfangreichen Bemühungen, seine vielfältigen Schutzrechtsanmeldungen zu vermarkten.

Danach hat das Patentamt den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe aus den Gründen des og Bescheids wegen Mutwilligkeit iSd § 114 ZPO zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und Verfahrenskostenhilfe mit der Beiordnung eines Patentanwaltes für dieses Anmeldeverfahren zu bewilligen.

Wegen des Inhalts der Patentanmeldung - fünf Patentansprüche, Beschreibung, Zeichnungen und Zusammenfassung - und der weiteren Einzelheiten der schriftlichen Ausführungen wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des Tenors begründet.

Die Ablehnung der vom Anmelder beantragten Verfahrenskostenhilfe kann nicht allein auf die vom Patentamt angenommene Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nach § 114 Satz 1 ZPO wegen der Vielzahl seiner wirtschaftlich nicht verwerteten Schutzrechtsverfahren gestützt werden (vgl. BPatG zu 11 W (pat) 23/93 v. 16. Dezember 1999, zur Veröffentlichung bestimmt).

Der Senat folgt dabei den Darlegungen des 34. Senats des Bundespatentgerichts im Beschluß vom 15. März 1999, Az 34 W (pat) 6/99, der sich eingehend mit den in diesem Zusammenhang ergangenen Beschlüssen des 23. Senats des Bundespatentgerichts - BPatGE 38, 228 - und des 8. Senats des Bundespatentgerichts vom 11. September 1998 - 8 W (pat) 47/98 - auseinandersetzt. Danach unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff der Mutwilligkeit der uneingeschränkten Nachprüfungskompetenz des Bundespatentgerichts, und diese Nachprüfung führt hier zu folgendem Ergebnis: Allein mit den vom Anmelder bisher getätigten 87 Schutzrechtsanmeldungen, von denen keine zu einer wirtschftlichen Verwertung geführt hat, kann nicht gesagt werden, eine verständige, bemittelte Partei würde nunmehr von weiteren Patentanmeldungen absehen. Mutwilligkeit bei der Verfolgung einer Patentanmeldung wegen fehlenden Erfolgs bei der Verwertung zuvor angemeldeter Erfindungen kann man einem mittellosen Erfinder nicht schon deswegen ohne weiteres unterstellen, weil er auf verschiedenen Fachgebieten tätig ist. Dem Anmelder kann vorliegend nicht widerlegt werden, daß es sich bei ihm um einen "kreativen Enthusiasten" handelt, der sich sehr wohl intensiv um die Verwertung seiner Erfindungen bemüht. Dazu hat er einen umfangreichen Schriftwechsel mit einschlägigen Firmen und Erfinderkontaktstellen, ua der H... in H1..., des Erfinderzentrums Hannover und der F... in M... vorgelegt.

Der bisher fehlende Erfolg insoweit kann ihm daher nicht als Mutwilligkeit angerechnet werden.

Im übrigen steht auch für einen bemittelten Anmelder, der an seine patentfähige Erfindung glaubt, im Zeitpunkt der Anmeldung nicht unbedingt ihre wirtschaftliche Verwertung im Vordergrund, sondern es geht ihm zunächst darum, zur Wahrung einer möglichst frühen Priorität die Erfindung rasch anzumelden. Jedenfalls kann die Vielzahl der eingereichten Schutzrechtsanmeldungen für sich allein nicht ausreichen, eine mutwillige Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe anzunehmen. Dazu hätten hier zusätzliche Anhaltspunkte für ein mutwilliges Verhalten des Anmelders aufgezeigt werden müssen, zB querulatorisches Verhalten, eine nicht ernstgemeinte Anmeldung oder ein sonstiges Fehlverhalten. Dies ist nicht geschehen; auch kann der Senat in dieser Richtung nichts feststellen.

Da ein Mißbrauch des Instituts Verfahrenskostenhilfe allein aufgrund der Anzahl der vorher getätigten Schutzrechtsanmeldungen nicht festgestellt werden kann - was das Patentamt bei gleichgelagerten Fällen auch in Zukunft zu berücksichtigen haben wird - hätte das Patentamt vor der Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe prüfen müssen, ob überhaupt eine hinreichende Aussicht auf Erteilung des beantragten Patents besteht, vgl BPatG zu Schneepflug BPatGE 41, 45. Dies hat auf jeden Fall systemimmanent zunächst vor der Feststellung der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu geschehen, § 130 Abs 1 PatG iVm § 114 ZPO.

Somit war das Verfahren zur Prüfung der nach § 130 Abs 1 Satz 1 PatG erforderlichen Erfolgsaussichten der Anmeldung an das dafür zuständige Patentamt zurückzuverweisen.

In den Akten liegen sechs Druckschriften aus den Gebieten der Patentklassifikationen F 41 A und F 41 C. Ob diese Sammlung von Druckschriften auf einer vollständigen Recherche beruht, kann von hier aus nicht ohne weiteres festgestellt werden. Bei dem derzeit vorliegenden Stand der Technik wäre jedenfalls eine Patenterteilung nicht ausgeschlossen, da keine der Druckschriften die Ausbildung des Magazins des Trommelrevolvers nach Patentanspruch 2 zeigt.

Schon deswegen kann der Senat hier keine offensichtlich fehlende Erfolgsaussicht der Anmeldung feststellen, so daß das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag des Anmelders an das Patentamt zurückzuverweisen war, § 79 Abs 3 Nr 1 und 2 PatG.

Niedlich Haußleiter Dr. Keil Kadner Mr/prö






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Beschluss v. 17.01.2000
Az: 11 W (pat) 65/99


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