Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2003
Aktenzeichen: 34 W (pat) 45/02
(BPatG: Beschluss v. 23.09.2003, Az.: 34 W (pat) 45/02)
Tenor
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Der Anmelder stellte mit der am 31. Mai 1996 eingereichten Anmeldung Prüfungsantrag. Unter dem 19. Dezember 1996 erging ein Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle. Auf entsprechende Gesuche des Anmelders wurden im Juli 1997 und im Juli 1998 jeweils 12-Monatsfristen zur Beantwortung des Prüfungsbescheids gewährt, weil eine europäische Patentanmeldung anhängig ist, die Priorität der vorliegenden Anmeldung beansprucht und die Bundesrepublik Deutschland benannt ist. Ein Antrag auf weitere Fristverlängerung von 12 Monaten, gestellt im Juli 1999 wurde von der Prüfungsstelle abschlägig beschieden, jedoch stellte sie eine Entscheidung nach Aktenlage nicht vor dem 15. Juli 2000 in Aussicht. Im Juli 2000 beantragte der Anmelder erneut eine Verlängerung der Frist um 12 weitere Monate, weil das Prüfungsverfahren zur entsprechenden europäischen Patentanmeldung noch nicht abgeschlossen sei. Diese Fristverlängerung wurde dem Anmelder von der Prüfungsstelle (durch einen Vertreter des Prüfers) mit Bescheid vom 2. August 2000 gewährt. Im Juli 2001 beantragte der Anmelder eine weitere Fristverlängerung um 12 Monate. Diesen Antrag lehnte die Prüfungsstelle ab, da der Anmelder hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, zum Prüfungsbescheid vom 19. Dezember 1996 Stellung zu nehmen. Daraufhin wiederholte der Anmelder sein Fristgesuch. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte es die Prüfungsstelle erneut ab mit der Begründung, weitere Fristverlängerungen kämen einer Aussetzung des Verfahrens gleich, die unzulässig sei. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Anmelder mit einer Beschwerde an den juristischen Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts. Dieser verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 14. Januar 2002 als unzulässig.
Mit Beschluss vom 17. Mai 2002 hat die Prüfungsstelle sodann die Patentanmeldung gemäß PatG § 48 PatG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat sich der Anmelder mit der vorliegenden Beschwerde gewandt und unter anderem beantragt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Mit am 29. August 2003 eingegangenem Schriftsatz vom 28. August 2003 hat der Anmelder die Patentanmeldung zurückgenommen.
Er hält den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufrecht.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Nach Rücknahme der Anmeldung war nur noch über den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu entscheiden (PatG § 80 Abs 3). Dieser Antrag hat Erfolg. Die Rückzahlung entspricht der Billigkeit. Die Ablehnung der Verlängerung der Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids bis zum Juli 2002, die ursächlich für den nachfolgenden Zurückweisungsbeschluss vom 17. Mai 2002 war, stellt einen Verfahrensfehler dar. Sie verstößt gegen die Prüfungsrichtlinien des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juni 1995 Abschnitt 3.3.6.1. (BlPMZ 1995, 269, 277ff). Im Prüfungsverfahren einer Patentanmeldung, deren Priorität wie im vorliegenden Fall in einer europäischen Anmeldung mit Benennung der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, kann eine Erwiderungsfrist zu einem Bescheid bis zu 12 Monaten - gegebenenfalls auch wiederholt - gewährt werden. Zwar räumen die Prüfungsrichtlinien 3.3.6.1. der Prüfungsstelle ein Ermessen ein. Die Ablehnung des Fristgesuches war jedoch ermessensfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die besondere Situation des Anmelders im vorliegenden Verfahren.
Der Anmelder hat die Priorität der zurückgenommenen Anmeldung für eine europäische Nachanmeldung mit der Benennung Deutschland in Anspruch genommen. In einem solchen Fall ist es wirtschaftlich und verfahrensökonomisch sinnvoll, wenn der Anmelder - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des IntPatÜG Art. II § 8 Abs 1 - sich zunächst auf die europäische Nachanmeldung konzentriert und dort das Prüfungsverfahren betreibt. Er hätte in der deutschen Anmeldung keinen Prüfungsantrag gestellt und die Prüfungsgebühr nicht bezahlt, wenn ihm nicht vom Deutschen Patent- und Markenamt in Aussicht gestellt worden wäre, er könne vor Ablauf des Prioritätsjahres einen Prüfungsbescheid erhalten, den er bei seiner Entscheidung, ob er eine Nachanmeldung einreichen soll oder nicht, berücksichtigen kann. Im vorliegenden Fall ist dieser Prüfungsbescheid auch rechtzeitig ergangen. Nachdem sich der Anmelder zur europäischen Nachanmeldung entschlossen hatte, machte es für ihn wirtschaftlich keinen Sinn, während des europäischen Erteilungsverfahrens das deutsche Prüfungsverfahren weiter zu betreiben und den Prüfungsbescheid zu beantworten, was für ihn immer mit Kosten verbunden wäre. Deshalb hat der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamtes für Fälle wie den vorliegenden in seinen Prüfungsrichtlinien bestimmt, dass eine Verlängerung der Erwiderungsfrist bis zu 12 Monaten gegebenenfalls auch wiederholt gewährt werden kann. Aus den Prüfungsrichtlinien 3.3.6.1.a ergibt sich auch die zeitliche Obergrenze: die Erledigung der europäischen Anmeldung oder die Rücknahme der Benennung der Bundesrepublik Deutschland. Erledigt ist die europäische Anmeldung, wenn sie rechtskräftig zurückgewiesen oder der Patenterteilungsbeschluss rechtskräftig ist. Das kann - ggf. unter Einschluss einer Beschwerdeinstanz - mehrere Jahre dauern. Erst zu diesem Zeitpunkt kann der Anmelder einschätzen, ob es Sinn macht, die deutsche Patentanmeldung weiter zu betreiben. Das ist nicht der Fall, wenn er ein europäisches Patent erhalten hat, das ihn zufrieden stellt. Stellt das europäische Patent den Anmelder dagegen nicht voll zufrieden oder wird die Anmeldung gar zurückgewiesen, wird er unter Würdigung der dafür angeführten Begründung des europäischen Patentamts sorgfältig prüfen, ob die deutsche Anmeldung weiter verfolgt werden soll. Daraus folgt, dass es dem Anmelder auch erst ab diesem Zeitpunkt wieder zugemutet werden kann, eine sachliche Erwiderung zum Prüfungsbescheid abzugeben. Bis dahin muß er durch wiederholte Fristgesuche auch über einen längeren Zeitraum hinweg in die Lage versetzt werden, das Prüfungsverfahren nicht zu betreiben.
Im übrigen mag zu der ermessensfehlerhaften Entscheidung der Prüfungsstelle auch eine Fehlvorstellung rechtlicher Art geführt haben: wiederholte über einen größeren Zeitraum gewährte Fristverlängerungen kommen nicht einer Aussetzung des Verfahrens gleich. Die Aussetzung ist ein gesondertes Rechtsinstitut, das von einer Fristverlängerung zu unterscheiden ist. Sie setzt überdies einen förmlichen Beschluss voraus.
Dr. Barton Hövelmann Dr. Frowein Ihsen Bb
BPatG:
Beschluss v. 23.09.2003
Az: 34 W (pat) 45/02
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