Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 333/04
(BPatG: Beschluss v. 17.12.2007, Az.: 19 W (pat) 333/04)
Tenor
Das Patent 100 13 196 wird widerrufen.
Gründe
I.
Für die am 17. März 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 26. Februar 2004 veröffentlicht. Das Patent betrifft eine Positionserfassungseinrichtung.
Gegen das Patent hat die B... GmbH in N..., am 21. Mai 2004 (eingegan- gen am 22. Mai 2004) Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber einem im Einzelnen genannten Stand der Technik nicht neu, zumindest nicht erfinderisch.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 100 13 196 in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung Beschreibung wie in der mündlichen Verhandlung überreicht mit Einschub gemäß Schriftsatz 10. April 2006 Seite 3 unten nach Abschnitt 0002 der überreichten Beschreibung 1 Blatt Zeichnungen wie erteilt.
Der in der mündlichen Verhandlung übergebene Patentanspruch 1 lautet:
"Positionserfassungseinrichtung mit einer Sensoranordnung (14) zur Erzeugung wenigstens eines Sensorsignals in Abhängigkeit eines sich vorbeibewegenden Körpers (11), wobei sich das wenigstens eine Sensorsignal bei der Vorbeibewegung kontinuierlich verändert, mit einer das wenigstens eine Sensorsignal mit wenigstens einem Referenzwert vergleichenden Komparatoranordnung (20), wobei Steuermittel in einer externen Steuereinrichtung zur elektronischen Justierung der Sensoranordnung (14) durch Veränderung des Referenzwerts bei positioniertem Körper (11) bis zum Schalten der Komparatoranordnung (20) vorgesehen sind, und das entsprechende Ausgangssignal der Komparatoranordnung (20) dann das Positionssignal (P) zur Erfassung einer Relativposition von Körper (11) und Sensoranordnung (14) bildet, und wobei mittels der externen Steuereinrichtung die Vorgabe des Referenzwerts ferngesteuert über einen Bus oder drahtlos erfolgt."
Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, bei einer Positionserfassungseinrichtung ein exaktes Positionssignal ohne aufwendige mechanische Justierung durch sehr einfache elektronische Mittel vom Ort der Sensoranordnung unabhängig zu erzeugen bzw. zu erreichen (Abs. 0007 der geltenden Beschreibung).
Die Einsprechende ist der Ansicht, dass sich für den Fachmann die Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 aus der deutschen Patentschrift 41 23 828 in naheliegender Weise ergibt.
Nach Auffassung der Pateninhaberin ist die Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da bei der bekannten Einrichtung insbesondere das externe Programmiergerät nach Festlegung des Referenzwertes wieder entfernt wird, während beim Patentgegenstand der Referenzwert direkt von der externen Steuereinrichtung ferngesteuert anstelle vom einstellbaren Potentiometer vorgegeben wird.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach dem § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 begründete Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 (X ZB 6/05) - Informationsübermittlungsverfahren II).
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zweifelsfrei gegeben.
Die Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig, da sie auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.
Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplomphysiker an, der Erfahrungen in der Messtechnik, insbesondere der berührungslosen Messung von Bewegungen (Linear, Rotation) hat, wie z. B. durch Verwendung von Hallsensoren in Verbindung mit Permanentmagneten. Hierbei sind ihm die Probleme und Techniken bei der Auswertung der Messsignale und deren Eichung geläufig.
Aus der deutschen Patentschrift 41 23 828 ist in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 als Positionserfassungseinrichtung ein Näherungsschalter mit einer Sensoranordnung (LC-Schwingkreis mit ICN) zur Erzeugung eines Sensorsignals in Abhängigkeit eines sich bewegenden Körpers bekannt (Fig. 1 i. V. m. Sp. 1 Z. 3 bis 9, Sp. 3 Z. 39 bis 60, Fig. 2a i. V. m. Sp. 4 Z. 30 bis 33), wobei sich das Sensorsignal bei der Bewegung kontinuierlich verändert (Fig. 2a i. V. m. Sp, 4 Z. 30 bis 42; vgl. Verlauf der Amplitude A in Abhängigkeit vom Abstand s zwischen NS und OB). Hierbei ist es für eine Positionserfassungseinrichtung unerheblich, ob sich der Körper nur auf den Sensor zu bewegt oder vorbeibewegt, denn bei beiden Bewegungsarten kommt es nur darauf an, dass bei einem festzulegenden Abstand des Körpers vom Sensor ein Signal ausgelöst wird. Das Sensorsignal wird in einer Komparatoranordnung mit einem Referenzwert verglichen (Fig. 1: Schwellwertschalterkreis: Sp. 4 Z. 42 bis 49). Bei der bekannten Vorrichtung sind Steuermittel in einer externen Steuereinrichtung (Programmiergerät PG) zur elektronischen Justierung der Sensoranordnung durch Veränderung des Werts des Sensorsignals bei positioniertem Körper bis zum Schalten der Komparatoranordnung vorgesehen (Fig. 1 i. V. m. Sp. 4 Z. 7 bis 17: der mit dem Oszillatorkreis verbundene veränderliche Widerstand Ra dient zum Abgleich der Oszillatoramplitude; Fig. 2 und 3 i. V. m. Sp. 4 Z. 28 bis 66: der Widerstand Ra wird durch den Vorwiderstand R'a und den in Serie geschalteten digital abgleichbaren Widerstand Rx ersetzt; Fig. 4 i. V. m. Sp. 5 Z. 4 bis 42, Fig. 5 i. V. m. Sp. 5 Z. 43 bis 55: Abgleich des Widerstandes Rx mit Hilfe des Programmiergeräts PG). Das entsprechende Ausgangssignal der Komparatoranordnung (Schwellwertschaltkreis mit Ausgangsstufe Fig. 1) bildet das Positionssignal (EP, AP) zur Erfassung einer Relativposition (s) von Körper und Sensoranordnung (Fig. 2b und 2c i. V. m. Sp. 4 Z. 42 bis 56). Mittels der externen Steuereinrichtung (Programmiergerät PG) erfolgt die Vorgabe des Werts des Sensorsignals ferngesteuert über einen Bus (Leitung A) (Fig. 5 i. V. m. Sp. 5 Z. 43 bis 55, Sp. 2 Z. 11 bis 37).
Die Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 unterscheidet sich mithin von der bekannten darin, dass anspruchsgemäß im Rahmen der elektronischen Justierung durch die externe Steuereinrichtung der Referenzwert verändert wird und nicht der Wert des Sensorsignals.
Dieser Unterschied kann jedoch nicht patentbegründend sein. Denn für den Fachmann ist es auf Grund seines Fachwissens selbstverständlich, wenn er an einer Komparatoranordnung zwei Signale vergleicht, dass er wahlweise jedes der beiden Signale zur elektronischen Justierung verändern kann. Es ist somit für ihn im Sinne einer Gleichwirkung äquivalent, ob er den Referenzwert oder den Wert des Sensorsignals verändert.
Als Unterschied kann auch nicht gesehen werden, wie die Patentinhaberin meint, dass beim Stand der Technik das Programmiergerät PG nach der elektronischen Justierung wieder von der Sensoreinrichtung entfernt wird. Denn eine spätere Entfernung der externen Steuereinrichtung ist bei der Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 genauso wenig ausgeschlossen, wie ein Zwischenspeicher für den Referenzwert in der Sensoranordnung, um den Referenzwert für die Komparatoranordnung zur Verfügung zu stellen, wenn die externe Steuereinrichtung von der Sensoreinrichtung getrennt ist.
Die Positionserfassungseinrichtung des Patentanspruchs 1 ergibt sich somit für den Fachmann auf Grund seiner Fachkenntnis auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik. Patentanspruch 1 hat somit keinen Bestand.
Mit dem Patentanspruch 1 sind auch die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 nicht bestandsfähig.
Das Patent war demnach zu widerrufen.
Bei dieser Sachlage war es unerheblich, ob - wie die Einsprechende meint - es durch die geänderte Anspruchsfassung zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung in der Weise gekommen ist, dass an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt worden ist, bzw. ob der Patentanspruch nunmehr auf einen Gegenstand gerichtet ist, von dem aus fachmännischer Sicht aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht zu erkennen ist, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein sollte.
Bertl Dr. Mayer Gutermuth Dr.-Ing. Kaminski Be
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Beschluss v. 17.12.2007
Az: 19 W (pat) 333/04
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