Bundespatentgericht:
Urteil vom 1. Februar 2006
Aktenzeichen: 4 Ni 49/04
(BPatG: Urteil v. 01.02.2006, Az.: 4 Ni 49/04)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 531 608 (Streitpatent), das am 19. März 1992 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der japanischen Patentanmeldungen JP 228956/91 und JP 228955/91 vom 9. September 1991 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 692 02 657 geführt. Es betrifft eine selbständige Fahrradgangschaltung ("Selfcontained change speed apparatus for a bicycle") und umfasst 11 Ansprüche, von denen nur die Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 11 angegriffen sind. Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:
1. A selfcontained change speed apparatus for a bicycle comprising:
a fixed shaft (1);
a drive member (2) and a hub body (3) rotatably supported on said fixed shaft; andchange speed means interposed between said drive member (2) and said hub body (3), said change speed means includinga plurality of clutches (17-24) subjected to a resistance to disengagement corresponding to a drive torque, and clutch control means (8), characterized in that the clutch control means (8) has a shiftable first control member (25), an elastic member (S1, S2) for storing a shift of said first control member as energy, and a shiftable second control member (26) operable by said elastic member for operating said clutches;
wherein said second control member (26) shifts to disengage said clutches when said first control member (25) shifts and said elastic member imparts a force greater than said resistance to disengagement for shifting said second control member (26), and remains stationary when said first control member (25) shifts and said elastic member imparts a force less than said resistance to disengagement, said second control member (26) being shiftable to disengage said clutches only when the force of said elastic member (S1, S2) exceeds said resistance to disengagement;
and where said clutches (17-24) are shaped and arranged such that the force of said elastic member (S1, S2) for overcoming said resistance to disengagement is substantially the same for all of said clutches.
Wegen der weiter angegriffenen Patentansprüche 2, 3 und 5 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 531 608 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und weiche zudem inhaltlich von den Prioritätsunterlagen ab. Insbesondere sei die in der Streitpatentschrift als Ausführungsbeispiel in den Fig. 24-35 wiedergegebene Dreigangnabe nicht unter Patentanspruch 1 zu fassen. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Dokumente:
NiK 3 EP 0 383 350 A2 mit Familienmitgliedern DE 690 19 841 T2 (NiK 3a) und US 5 078 664 A (NiK 3b)
NiK 4 GB 2 136 065 A mit Familienmitglied DE 83 02 727 U1 (NiK 4a)
NiK 5 GB 2 166 503 A mit Familienmitglied DE 34 40 069 C2 (NiK 5a)
NiK 15 JP 61-022 076 Y2 mit englischer Übersetzung (NiK 15a)
NiK 16 US 3 955 444 A mit Familienmitglied DE-OS 2 413 957 (NiK 16a)
NiK 17 US 1 490 644 A NiK 18 US 4 179 953 A NiK 19 US 3 020 778 A NiK 20 DE 29 37 126 A1 NiK 21 DE 34 43 592 C2 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 531 608 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 11 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die behauptete fehlende Neuheit und die behauptete Abweichung von den Prioritätsunterlagen. Sie sieht die Dreigang-Nabe nach den Figuren 24-35 als vom erteilten Patentanspruch 1 umfasst an und hält das Streitpatent insgesamt für patentfähig.
Gründe
I Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Senat konnte nämlich nicht feststellen, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist (Art. II § 6 Nr. 1, 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a, b, Art. 52 bis 57 EPÜ). Dies geht zu Lasten der Klägerin.
II Die Erfindung betrifft eine Fahrrad-Nabenschaltung mit einer Vielzahl von Kupplungen in Form von schwenkbaren Klinken, die je nach gewähltem Gang aus- bzw. einzurücken sind oder in ihrer momentanen Stellung belassen werden müssen. Bei Betätigung eines Bedienelements durch den Fahrer wird über einen Schaltzug eine Kraft auf eine Betätigungseinrichtung zum Verstellen der Kupplungen in eine dem gewählten Gang entsprechende Stellung ausgeübt. Da die Kupplungen sich aus dem Tretkurbelmoment ergebende Kräfte übertragen, ist die zum Betätigen erforderliche Kraft abhängig von diesem Tretkurbelmoment. Dabei kann es vorkommen, dass die momentan von einer Kupplung übertragenen Antriebskräfte so hoch sind, dass die Kupplung sich für einen Gangwechsel nicht ausrücken lässt.
Gangschaltungen nach dem Stand der Technik sehen vor, die Stellbewegung des Bedienelements und des Schaltzuges über ein elastisches Teil (Federn) auf die Kupplungsbetätigungseinrichtung zu übertragen, so dass bei einem Blockieren der Kupplung infolge hoher Betriebslast das Bedienelement zwar über seinen Stellweg verstellbar ist, das elastische Teil jedoch im Maße dieses Stellwegs komprimiert und gespannt wird. Bei nachlassender Betriebslast und unter den Wert der im elastischen Teil gespeicherten Kraft fallenden Ausrückwiderstand kann sich das gespannte elastische Teil unter Ausrücken der Kupplung entspannen (automatischer Gangwechsel). Als nachteilig wird dabei angesehen, dass der automatische Schaltvorgang in einem breiten Bereich der Drehstellung der Tretkurbeln durchgeführt wird.
Das Ziel der Erfindung war es daher, eine Gangschaltvorrichtung der genannten Art anzugeben, bei der die automatische Vornahme der Gangumschaltung in einem Bereich um die Totlage der Tretkurbeln erfolgt, in dem das übertragene Drehmoment schwach ist.
Patentanspruch 1 in der erteilten deutschsprachigen Fassung beschreibt die Gangschaltung mit folgenden Merkmalen:
1. Selbständige Fahrradgangschaltung mit:
a) einer feststehenden Welle;
b) einem Antriebsteil undc) einem auf der feststehenden Welle drehbar gelagerten Nabenkörper;
d) einer zwischen dem Antriebsteil und dem Nabenkörper angeordneten Gangschalteinrichtung;
d1) die Gangschalteinrichtung weist eine Vielzahl von Kupplungen auf;
d2) auf die Kupplungen wirkt ein Widerstand gegen das Ausrücken ein;
d3) der Widerstand hängt von dem Antriebsdrehmoment ab;
e) die Gangschalteinrichtung weist eine Kupplungsbetätigungseinrichtung auf;
- Oberbegriff -
f) die Kupplungsbetätigungseinrichtung weist ein verschiebliches erstes Schaltteil 26 auf;
g) die Kupplungsbetätigungseinrichtung weist ein elastisches Teil S1, S2 auf zum Speichern einer der Verschiebung des ersten Schaltteils entsprechenden Energie;
h) die Kupplungsbetätigungseinrichtung weist ein verschiebliches zweites Schaltteil 25 auf;
i) das zweite verschiebliche Schaltteil ist durch das elastische Teil zum Schalten der Kupplungen betätigbar;
j) das zweite Schaltteil schaltet, wenn sich das erste Schaltteil verschiebt und das elastische Teil eine Kraft abgibt, die größer als der dem Ausrücken entgegenwirkende Widerstand ist, um das zweite Schaltteil zu betätigen, k) das zweite Schaltteil bleibt stationär, wenn sich das erste Schaltteil verschiebt und das elastische Teil eine Kraft abgibt, die kleiner als der dem Ausrücken entgegenwirkende Widerstand ist, l) das zweite Schaltteil ist so verschieblich, dass es die Kupplungen nur dann außer Eingriff setzt, wenn die Kraft des elastischen Teils den dem Ausrücken entgegenwirkenden Widerstand übersteigt, m) die Kupplungen sind so ausgebildet und angeordnet, dass die Kraft des elastischen Teils zum Überwinden des dem Ausrücken entgegenwirkenden Widerstands für alle Kupplungen im Wesentlichen gleich groß ist.
- Kennzeichen -
III 1. Priorität Die Frage nach der berechtigten Inanspruchnahme des Prioritätsdatums kann offen bleiben, da zum einen eine unberechtigte Inanspruchnahme kein Nichtigkeitsgrund wäre und zum anderen alle zum Stand der Technik entgegengehaltenen Druckschriften vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht sind.
2. Dreigang-Nabe nach den Figuren 24-35 des Streitpatents Die Klärung der Frage, ob und inwieweit die in der Streitpatentschrift als weiteres Ausführungsbeispiel beschriebene Dreigangnabe (Figuren 24 ff.) vom erteilten Patentanspruch 1 umfasst ist, ist nicht Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens. Ein von einem Hauptanspruch nicht umfasstes weiteres Ausführungsbeispiel wäre ebenfalls kein Nichtigkeitsgrund.
3. Patentfähigkeit 3.1 Fachmann Im Folgenden legt der Senat als Durchschnittsfachmann einen Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau zugrunde, der bei einem Hersteller von Fahrradgangschaltungen mit der Konstruktion von Nabenschaltungen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt.
3.2 Gegenstand des Streitpatents Für die Würdigung der Patentfähigkeit ist zunächst der vom erteilten Patentanspruch 1 umfasste Sachverhalt zu definieren. Diesen Sachverhalt sieht der Senat in der durch den Patentanspruch angegebenen Merkmalskombination und legt ihn der nachfolgenden Begründung zugrunde. Insbesondere war klarzustellen, in welchem Sinne das die Anordnung und Ausformung der Kupplungen im Hinblick auf jeweils gleich große Stellkraft betreffende Merkmal m) zu verstehen ist.
Zur Übertragung des Tretkurbelmoments stehen in der Nabe je nach gewähltem Gang unterschiedliche Getriebeelemente miteinander in Eingriff (im Folgenden bezeichnet mit "Kupplungen"). Bei Wechsel von einem Gang zum anderen müssen jeweils in Eingriff befindliche Kupplungen außer Eingriff und/oder außer Eingriff befindliche Kupplungen in Eingriff gebracht werden. Zu dieser Stellbewegung ist eine Stellkraft aufzubringen, um den der Bewegung entgegenwirkenden Widerstand (im Folgenden als "Ausrückwiderstand" bezeichnet) zu überwinden. Diese Stellkraft wird bei einer Gangschaltung der streitpatentgemäßen Art durch ein elastisches Teil (Federn S1, S2) übertragen, welches durch den von Hand zu betätigenden Schaltzug spannbar bzw. entlastbar ist. Dabei hängt der der Bewegung der Kupplungen entgegenstehende Widerstand ab von der gegenseitigen Anordnung und geometrischen Ausformung der für einen konkreten Gang korrespondierenden Kupplungen (z. B. Hebellängen, Kraft-Angriffswinkel) und außerdem von der auf diese wirkenden aktuellen Antriebsbelastung (Tretkurbelmoment). Je nach gewähltem Gang kann somit - in Abhängigkeit von Anordnung und Ausformung der zugehörigen Kupplungen - der Ausrückwiderstand bei demselben Wert des Tretkurbelmoments (bei einer bestimmten Drehstellung) unterschiedlich sein.
Verdeutlicht ist dies ist in Figur 1 (vgl. NiK 23 der Klägerin), worin Verläufe von Ausrückwiderständen unterschiedlicher Kupplungen (entsprechend dem jeweiligen Gang) über eine volle Tretkurbelumdrehung dargestellt sind. Dabei ist angenommen, dass die Kupplungen K1 bis K3 im Hinblick auf das Schalten innerhalb eines engen Bereichs des Ausrückwiderstandes aneinander angepasst sind. Die Kupplung K1', deren absoluter Ausrückwiderstand über den größten Teil der Tretkurbelumdrehung dichter am Ausrückwiderstand der Kupplung K1 liegt als der Ausrückwiderstand der Kupplungen K2 und K3, soll diesbezüglich nicht angepasst sein.
Figur 2 zeigt einen maßstabgerechten Ausschnitt aus Figur 1 über einen Tretkurbelwinkel von 12¡. Für einen Tretkurbelwinkel von z. B. 3¡ sind die jeweiligen Ausrückwiderstände eingetragen. Ein Tretkurbelwinkel von 3¡ ist als "im Bereich der Totlage" angenommen. Es wird ersichtlich, dass bei den Kupplungen K1 bis K3 bei besagtem Tretkurbelwinkel (dieser bestimmt das Drehmoment) die Ausrückwiderstände und damit die zum Ausrücken erforderlichen Federkräfte verhältnismäßig dicht beieinander liegen, während bei der Kupplung K1' der Ausrückwiderstand und damit die erforderliche Federkraft einen erheblich höheren Wert aufweist. Bezeichnet man die Ausrückwiderstände im Bereich K1-K3 als "im Wesentlichen gleich groß", so wird deutlich, dass der Ausrückwiderstand der Kupplung K1' nicht mehr in diesen Bereich fällt. Demnach kommt es zum Erhalt einer für alle Kupplungen im Wesentlichen gleichgroßen Stellkraft des elastischen Teils für die Überwindung des Ausrückwiderstandes auf die Anordnung und Ausformung der Kupplungen an.
Die auf gleichgroße Stellkraft abgestellte Anordnung und Ausgestaltung der Kupplungen ist somit eine geeignete Maßnahme zur Lösung der aufgabengemäß geforderten Gangumschaltung im Bereich der Tretkurbel-Totlage. Sie gestattet grundsätzlich, wie aus den Figuren ersichtlich, einen engen Bereich der Stellkraft, welcher Bereich als solcher durch weitere Maßnahmen (z. B. geeignete maximale Kraft des elastischen Teils) in seiner Lage in Bezug zur Drehstellung der Tretkurbeln (Totlage) festlegbar ist.
3.3 Die Klägerin vermochte den Senat nicht zu überzeugen, dass es dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 an der Neuheit mangelt.
3.3.1 JP 61-022 076 Y2 (NiK 15) mit englischsprachiger Übersetzung (NiK 15a)
Die Dreigang-Nabe nach der NiK 15 weist die typischen Komponenten wie feststehende Welle 4, Antriebsteil 3, Nabenkörper 2 sowie eine zwischen Antriebsteil und Nabenkörper angeordnete Gangschaltungseinrichtung mit einer Vielzahl von Kupplungen 111,31,32,123 auf (Merkmale a) bis d1)). Auf die Kupplungen wirkt ein dem Antriebsdrehmoment entsprechender Widerstand gegen das Ausrücken im Sinne der Merkmale d2) und d3) (Nik 15a, Seite 3, Zeilen 3-7). Eine der Gangschaltungseinrichtung zugeordnete Kupplungsbetätigungseinrichtung (Merkmal e)) wird durch eine Schubstange 6, ein Getriebestellteil 5 sowie die verschiebbare Getriebeeinheit selbst gebildet. Die Kupplungsbetätigungseinrichtung weist ein erstes verschiebliches Schaltteil (Betätigungsteil 61) und ein zweites verschiebliches Schaltteil (Stellteil 62 mit Schiebenocken 5) auf. Eine Druckfeder 7 ist zwischen dem ersten und dem zweiten Schaltteil angeordnet und beaufschlagt das zweite Schaltteil 62 mit einer Stellkraft in Axialrichtung der Fahrradnabe. Eine weitere Feder 20 beaufschlagt das zweite Schaltteil in entgegengesetzter Axialrichtung. Die beiden Federn 7,20 bilden ein "elastisches Teil" zum Speichern einer der Verschiebung des ersten Schaltteils entsprechenden Energie. Denn das zweite Schaltteil 62 ist durch diese beiden Federn zum Betätigen der Kupplungen betätigbar und kann nur bewegt werden, solange ein vorbestimmter Wert des Ausrückwiderstandes nicht überschritten wird (Seite 9, Zeile 12 bis Seite 10, Zeile 6). Wenn dieser Wert überschritten ist, wird das zweite Schaltteil nicht bewegt und das elastische Teil gespannt bzw. - in entgegengesetzter Richtung - nicht entspannt. Erst bei Unterschreiten des vorbestimmten Wertes reicht die jeweilige Kraft des elastischen Teils zum Verschieben des zweiten Schaltteils aus. Damit weist die vorbekannte Gangschaltung auch die Merkmale f) bis l) auf.
Die Klägerin ist der Meinung, das elastische Teil der Fahrradgangschaltung nach der NiK 15 entspreche in seiner Funktion genau dem streitpatentgemäßen elastischen Teil. Dieses weise nämlich nicht eine jeweils exakt, sondern eine nur annähernd gleich große Stellkraft auf. Denn die Feder S1 müsse die entgegenwirkende Feder S2 gangweise zunehmend spannen. Eine solche nur annähernd ("im Wesentlichen") gleich große Kraft zum Ausrücken aller Kupplungen sei auch bei dem elastischen Teil (Federn 7,20) dieser vorbekannten Gangschaltung vorhanden. Die den Schaltvorgang beim Abwärtsschalten auslösende erste Feder 7 spanne nämlich gangweise zunehmend die den umgekehrten Schaltvorgang (Aufwärtsschalten) bewirkende zweite Feder 20. Dabei werde die erste Feder 7 bei jedem Schaltschritt gleich gespannt (NiK 15a, Seite 7, Zeilen 8-11). Diese Gangschaltung weise somit auch die Ausgestaltung nach Merkmal m) auf und entspreche daher vollständig der Gangschaltung nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 1.
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Die Klägerin lässt hierbei nämlich außer Acht, dass gemäß Merkmal m) für den Erhalt der jeweils gleich großen Stellkraft die diese bewirkende Maßnahme angegeben ist, nämlich die Ausgestaltung und Anordnung der jeweiligen Kupplungen. In der NiK 15 dagegen sind die Kupplungen überhaupt nicht erwähnt, so dass völlig offenbleibt, welchen Einfluss sie hier auf die erforderliche Stellkraft bzw. Ausrückkraft nehmen. Eine Anordnung und Ausformung der Kupplungen gezielt auf die Angleichung dieser Kräfte bei allen Kupplungen hin kann der NiK 15 somit nicht entnommen werden.
Die streitpatentgemäße Gangschaltung unterscheidet sich somit schon durch die auf die Stellkraft-Angleichung gerichtete Kupplungsgestaltung von der Gangschaltung nach dieser Druckschrift.
3.3.2 US 3 955 444 A (NiK 16) mit Familienmitglied DE-OS 2 413 957 (NiK 16a)
Bei der Dreigangnabe nach dieser Druckschrift sind auf einer feststehenden Welle 11 ein Antriebsteil 18 sowie ein Nabenkörper 22 drehbar angeordnet. Zwischen dem Antriebsteil und dem Nabenkörper ist eine Gangschaltungseinrichtung vorgesehen (Figur 1), die Kupplungen 20,24 aufweist. Auf Kupplungen der dargestellten Art in Form von Klinken (Figur 2) wirkt bei kraftbeaufschlagtem Antrieb immer auch ein Widerstand gegen Ausrücken, weil zum Trennen der das Antriebsmoment übertragenden Teile grundsätzlich entsprechende Reibungskräfte zu überwinden sind. Zum Schalten dieser Kupplungen ist eine Kupplungsbetätigungseinrichtung vorgesehen (Figur 1, Pos. 30,19a,19b). Die Ausgestaltung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 (Merkmale a) bis e)) ist somit gegeben.
Die Kupplungsbetätigungseinrichtung weist weiter ein erstes verschiebliches Schaltteil 30 und ein zweites verschiebliches Schaltteil 19a,19b sowie ein aus zwei Federn 31,32 bestehendes elastisches Teil auf, das bei einer Verschiebung des ersten Schaltteils Stell-Energie zu speichern vermag. Beim Abwärtsschalten (in Figur 1 nach rechts) ist das zweite verschiebliche Schaltteil durch das elastische Teil betätigbar und schaltet mit den Ausrückwiderstand überwindender Kraft des elastischen Teils, wenn sich das erste Schaltteil verschiebt. Somit mag diese vorbekannte Gangschaltung auch die Merkmale f) bis j) aufweisen.
Dass sich bei dieser Gangschaltung ein im bestimmungsgemäßen Betrieb auftretender Ausrückwiderstand größer als die maximale Kraft des elastischen Teils ergeben kann, ist in dieser Druckschrift allerdings nicht ausgesagt. Eine Blockierung des Schaltvorgangs durch einen betriebsbedingt auftretenden Ausrückwiderstand im Sinne der Merkmale k) und l) kann dieser Gangschaltung deshalb nicht zugeschrieben werden.
Schließlich gibt es auch keine Hinweise auf eine Anordnung und Ausformung der Kupplungen zum Zwecke der Stellkraft-Angleichung, so dass dieser Gangschaltung auch das Merkmal m) nicht zu Eigen ist.
3.3.3 US 1 490 644 A (NiK 17)
Diese Fünfgangschaltung für ein Fahrrad weist ebenfalls eine feststehende Welle 2 mit darauf angeordnetem Antriebsteil 4 und Nabenkörper 3 auf. Die Gangschaltungseinrichtung ist zwischen dem Antriebsteil und dem Nabenkörper angeordnet (Figur 1) und weist eine Vielzahl von Kupplungen (2d,e,f,g;3) sowie eine Kupplungsbetätigungseinrichtung (13,2b/c mit verschiebbarem Getriebeblock) auf. Wie oben zu NiK 16 bereits ausgeführt, muss - obwohl nicht ausdrücklich erwähnt - auch hier auf die Kupplungen ein dem Antriebsdrehmoment entsprechender Widerstand gegen das Ausrücken einwirken. Die Merkmale a) bis e) liegen somit vor.
Weiter wird ein erstes verlagerbares Schaltteil durch eine Schaltstange 13, ein zweites verlagerbares Schaltteil durch einen auf der Schaltstange verschiebbaren Schaltstift 2b gebildet. Dieser Schaltstift steht in Eingriff mit dem zu verschiebenden Getriebeblock. Eine Feder 15 wirkt zwischen dem Kopf 13a der Schaltstange und dem von ihr auf eine Schulter 13b der Schaltstange zu beaufschlagten Schaltstift. Diese Feder bestimmt die Position des Schaltstiftes auf der Schaltstange. Eine weitere Feder 16 wirkt zwischen einer Hülse 17 in dem die Schaltstange aufnehmenden rohrförmigen Achskörper (Welle 2) und der Schulter 13b der Schaltstange. Die weitere Feder beeinflusst die Lage der Schaltstange innerhalb des Achskörpers. Beide Federn zusammen bilden ein elastisches Teil zum Verschieben des zweiten Schaltteils bei Verschiebung des ersten Schaltteils mit den Ausrückwiderstand überwindender Kraft. Somit weist auch diese Gangschaltung ebenfalls die Merkmale f) bis j) der streitpatentgemäßen Schaltung auf.
Wie bei der Gangschaltung nach der NiK 16 liegen jedoch auch hier die Merkmale k) und l) der Gangschaltung nach dem erteilten Patentanspruch 1 nicht vor. Denn über einen betrieblich bedingten Ausrückwiderstand, der größer als die maximale Kraft des elastischen Teils werden und eine Schaltbewegung des zweiten Schaltteils verhindern könnte, sagt die NiK 17 nichts aus.
Schließlich ist auch die konstruktive Auslegung der Kupplungen mit dem Ziel einer Stellkraft-Angleichung nicht vorgesehen. Demnach fehlt auch das Merkmal m).
Die Prüfung des weiteren Standes der Technik durch den Senat hat ergeben, dass die bekannten Gangschaltungen der streitpatentgemäßen Gangschaltung die Neuheit ebenfalls nicht zu nehmen vermögen. Denn keine dieser Gangschaltungen weist alle im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale auf. Insbesondere ist bei keiner dieser Schaltungen eine Anordnung und Ausformung der Kupplungen dahin vorgesehen, dass die zum Ausrücken erforderliche Kraft für alle Kupplungen im Wesentlichen gleich groß ist.
Mangelnde Neuheit der streitpatentgemäßen Gangschaltung gegenüber diesem weiteren Stand der Technik hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
3.4 Der Senat konnte nicht feststellen, dass es dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 an der erfinderischen Tätigkeit fehlt.
Für die Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe (Schalten im Bereich der Totlage, in welchem das Drehmoment schwach wird) wird der Fachmann sein Augenmerk auf denjenigen Stand der Technik richten, bei dem die Stellkräfte des elastischen Teils in Zusammenhang gebracht sind mit dem betrieblich auftretenden Tretkurbelmoment. Derartiges findet der Fachmann im einschlägigen Fachgebiet bei der Nabenschaltung nach der NiK 15, in der ausdrücklich darauf hingewiesen ist, dass das elastische Teil (Federn 7/20) unterhalb eines vorbestimmten Wertes des Ausrückwiderstands automatisch und oberhalb dieses Wertes nicht schaltet (NiK 15a, Seite 3, Zeilen 3-7 und 12-16; Seite 4, Zeilen 8-14; Seite 7, Zeilen 4-11; Seite 10, Zeilen 6-12).
Wie aber den Ausführungen zur Neuheit entnehmbar, weist die aus Nik 15 bekannte Schaltung schon nicht eine gezielt auf die Stellkraft-Angleichung gerichtete Kupplungsausgestaltung und -anordnung auf. Darüber hinaus ist auch nicht die Stellkraft-Angleichung als solche entnehmbar. Beim Abwärtsschalten vom Schnellgang in die langsameren Gänge (in Figur 1 der NiK 15 Schaltstange 6 nach links) wird nämlich die der den Schaltvorgang auslösenden Druckfeder 7 entgegenwirkende weitere Feder 20 von Gang zu Gang zunehmend gespannt. Beim Aufwärtsschalten wird die dann allein wirkende Feder 20 von Gang zu Gang zunehmend entspannt. Nachdem in dieser Druckschrift nichts ausgesagt ist über die Höhe der jeweiligen Stellkraft sowie über das Kraftverhältnis der beiden Federn oder die je Gang vorzunehmende Kompression bzw. Entspannung zum Auslösen des Schaltvorgangs, muss der Fachmann davon ausgehen, dass die Kräfte des elastischen Teils (Federn 7,20) zum Ausrücken der jeweiligen Kupplungen unterschiedlich groß sind. Denn gegen die Annahme annähernd gleicher Stellkräfte spricht die gangweise zunehmende bzw. abnehmende Federspannung. Der Fachmann kann dieser Druckschrift somit nicht nur die auf Angleichung der Stellkräfte gerichtete Kupplungsausgestaltung nicht entnehmen, er erhält auch keine Anregung zur Angleichung der Stellkräfte überhaupt.
Ein weiterer Stand der Technik, bei der der Schaltvorgang abhängig ist vom aufgebrachten Lastmoment ist aus der GB 2 136 065 A (NiK 4) bekannt. Mittels eines elastischen Teils in Form zweier Federn wird eine Stellbewegung eines Bedienhebels gespeichert, wenn das momentan anliegende Lastmoment einen Gangwechsel verhindert (Seite 1, Zeilen 44-49 und 70-79). Die eine Feder 57 ist innerhalb eines außerhalb der Nabe 1 auf einem überstehenden Ende der feststehenden Welle 3 angebrachten Gehäuses 17 vorgesehen und speichert eine Stellenergie beim Schalten in die eine Richtung (nabeneinwärts). Dabei wird offensichtlich eine nicht dargestellte Gangwechselfeder innerhalb der Nabe gangweise zunehmend gespannt, die beim Schalten in der anderen Richtung (nabenauswärts) die Stellkraft unter Entspannung aufzubringen hat (Seite 1, Zeilen 71-79; Seite 2, Zeilen 29-33). Über die Beschaffenheit der Kupplungen für die Kraftübertragung sowie zur Höhe der jeweiligen Stellkräfte sind keine Informationen gegeben. Ohne entsprechende Information kann der Fachmann nach Überzeugung des Senats aus der dargestellten Konstruktion aber nur die Vorstellung gewinnen, dass mit jedem Gangwechsel eine Änderung der Stellkraft einhergeht. Denn in der einen Schaltrichtung (nabeneinwärts) spannt die Feder 57 zunehmend die im Inneren der Nabe befindliche Gangwechselfeder, in der entgegengesetzten Schaltrichtung (nabenauswärts) wirkt diese Gangwechselfeder unter von Gang zu Gang abnehmender Entspannung allein. Anregungen zur Stellkraft-Angleichung sowie zur hierauf gerichteten Kupplungsgestaltung ergehen aus dieser Druckschrift somit nicht.
Schließlich sind noch aus der US 4 179 953 A (NiK 18) sowie aus der US 3 020 778 A (NiK 19) Nabenschaltungen bekannt, bei denen bei blockierten Kupplungen in der Nabe die Stellbewegung des Bedienelements durch elastische Elemente gespeichert werden kann. Allerdings geht es bei beiden Gangschaltungen nicht um die Auslösung des Schaltvorganges in Abhängigkeit vom Tretkurbelmoment, sondern um die Ermöglichung der Stellbewegung des Bedienelements bei durch stillstehendes Hinterrad oder durch stillstehende Tretkurbeln blockierten Kupplungen (NiK 18, Spalte 1, Zeilen 51-55; NiK 19, Zeilen 56-64). Es erscheint daher schon fraglich, ob der Fachmann diese Druckschriften zur Lösung seines Problems der blockierten Schaltbewegung bei anliegendem Antriebsmoment überhaupt in Betracht gezogen hätte. Davon abgesehen enthalten diese Druckschriften aber auch keine Lehre zur Kupplungsgestaltung im Hinblick auf gleichgroße Stellkräfte des elastischen Teils.
Bei der aus der NiK 18 bekannten Schaltung ist ähnlich wie bei der Gangschaltung nach NiK 4 eine außerhalb der Nabe angeordnete Betätigungseinheit vorgesehen. Diese umfasst zwei miteinander gelenkig verbundene Hebel 6,7, die über eine Schenkelfeder 9 gegeneinander verspannt sind. Bei Betätigen des Bedienelementes der Gangschaltung und Blockieren der Schaltkupplungen wird diese Feder unter Voreinstellung des gewünschten Ganges gespannt. Über die Höhe der jeweiligen Spannkräfte der Feder in den verschiedenen Gangstufen ist in dieser Druckschrift keine Aussage gemacht, der Fachmann hat demnach keinen Anlass, sein Augenmerk hierauf zu richten.
Für die Gangschaltung nach der NiK 19 ist ebenfalls eine außerhalb der Nabe angeordnete Federspeichereinheit als Bestandteil eines Schaltzuges 35/45 vorgesehen. Diese Federspeichereinheit weist eine komprimierbare Spannfeder 70 auf, die bei Blockieren der Kupplungen bei Schalten in der einen Schaltrichtung (nabenauswärts) gespannt wird und die Stellenergie des Bedienelements 15 bis zum Wegfall der Blockierung speichert. Bei entgegengesetzter Schaltrichtung (nabeneinwärts, nach links in Figur 3) ist die Federspeichereinheit wirkungslos. Zum Durchführen eines Schaltvorganges in entgegengesetzter Richtung (nabeneinwärts) muss daher eine Stellkraft durch weitere, nicht dargestellte Kraftelemente aufgebracht werden. Für den Fachmann liegt es nahe, dass diese Kraftelemente als Federeinheit ausgebildet sind. Diese würde dann der Federspeichereinheit entgegenwirkend in der einen Schaltrichtung (nabenauswärts) zunehmend gespannt und in der entgegengesetzten Schaltrichtung (nabeneinwärts) zunehmend entspannt. Im Zusammenwirken mit der Spannfeder wird der Fachmann die Kraft zum Gangwechsel damit als von Gang zu Gang unterschiedlich ansehen.
Diesen beiden Druckschriften kann der Fachmann somit keine Anregung zur streitpatentgemäßen Lösung entnehmen. Die Klägerin hat diese Druckschriften auch lediglich schriftsätzlich zum Nachweis der Verwendung von Energiespeicherfedern im Kraftweg von Fahrrad-Gangschaltungen lange vor dem Prioritätstag des Streitpatents genannt.
Bei den Gangschaltungen nach den übrigen Druckschriften ist ein betriebsbedingtes Blockieren der Eingriffselemente der kraftübertragenden Teile nicht angesprochen.
Gemäß den Ausführungen zur Neuheit weist die Gangschaltung nach der NiK 16 schon die Merkmale k) und l) nicht auf. NiK 16 gibt somit nicht einmal Anregung, die Gangschaltung im Hinblick auf das Problem infolge Tretkurbelmoment blockierender Kupplungsteile weiterzubilden. Der Fachmann erhält zudem nicht nur keinen Hinweis auf konstruktive Durchgestaltung der Eingriffselemente gezielt zur Stellkraft-Angleichung (Merkmal m), auch die Angleichung der jeweiligen Stellkräfte als solche kann er nicht entnehmen. Vielmehr gewinnt der Fachmann aus dem in der NiK 16 dargestellten Gesamtzusammenhang gerade umgekehrt die Vorstellung unterschiedlicher Kräfte beim Ausrücken der verschiedenen Klinken. Beim Schalten vom Schnellgang in den Normalgang werden nämlich die beiden Hülsen 19a,19b des zweiten Schaltteils gemeinsam verschoben, wobei sie im Normalgang noch aneinander anliegen sollen (NiK 16a, Seite 9, Zeilen 12-15; Seite 10, Zeilen 1-4; Figur 3). Dies ist nur dann möglich, wenn die Feder 32 schwächer ist als die Feder 31. Im anderen Falle müsste nämlich unmittelbar mit Zurückziehen der Schaltstange 30 eine Trennung der beiden Hülsen stattfinden. Wenn demnach die Feder 32 schwächer ist als die Feder 31, so wird der Freilauf 24 - zumindest bei den in der Druckschrift dargestellten Größen- und Streckenverhältnissen - auch mit geringerer Kraft geschaltet als der Freilauf 20. Denn zu seiner Betätigung wirkt die Kraft der Feder 31 nicht mit, weil die Hülse 19a in der Nut 19a1 festgelegt ist (Seite 8, 2. Absatz). Zudem wird in entgegengesetzter Schaltrichtung nur über Formschluss (starr) geschaltet, nämlich über den Kontakt Schaltstange 30/Hülse 19b bzw. Schaltstange 30/Hülse 19b/Hülse 19a.
Eine Anregung zu einer Ausgestaltung im Sinne des erteilten Patentanspruchs 1 vermag NiK 16 somit ebenfalls nicht zu geben.
Auch die NiK 17 gibt schon keine Anregung, die Gangschaltung im Hinblick auf das Problem infolge Tretkurbelmoment blockierender Kupplungsteile weiterzubilden, da - wie den Ausführungen zur Neuheit entnehmbar - die Merkmale k) und l) nicht vorliegen. Auch eine Anregung zur Stellkraft-Angleichung der verschiedenen Gänge als solcher ist durch diese Druckschrift nicht gegeben. Denn der dargestellten Konstruktion zufolge ändert sich beim Abwärtsschalten (in Figur 17 nach links) die Stellkraft von Gang zu Gang durch zunehmende Entspannung der dabei die Schaltbewegung allein bewirkenden Feder 16, wobei auch Kupplungen auszurücken sind (z. B. die Kupplung 3d/11b vom 3. Gang in den 2. Gang). Das Aufbringen gleichgroßer Kräfte zum Ausrücken der Kupplungen ist daher nicht Lehre dieser Druckschrift. Somit vermag auch diese Druckschrift den Fachmann nicht zu einer Ausgestaltung im Sinne des erteilten Patentanspruchs 1 zu führen.
Die Nabenschaltung nach der EP 0 383 350 A2 (NiK 3) stimmt in Bezug auf die konkrete konstruktive Ausgestaltung der Getriebebestandteile (die nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist) weitgehend mit der streitpatentgemäßen Gangschaltung überein. Die Merkmale nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 (a) bis e)) sind unstreitig vorhanden. Allerdings geht es in dieser Druckschrift nicht um das Ermöglichen der Stellbewegung des Bedienelements 84/31 bei blockierten Eingriffselementen der Kraftübertragung. Denn bei einer Reihe von Gangwechseln werden die Stellkräfte ohne Zwischenschaltung eines elastischen Teils zur Speicherung der Stellbewegung übertragen, nämlich durch starre Verbindung der kraftübertragenden Bauteile (Figur 1, Pos. 84/80, 84/81/20, 84/81/20/6). Eine Gangvorwahl ist dabei nicht möglich, vielmehr könnte das Bedienelement im Falle eines Blockierens der Eingriffselemente nicht in die gewünschte Gangstufe verstellt werden. Diese Druckschrift kann somit eine Anregung zur Auslegung einer Nabenschaltung im Hinblick auf automatischen Gangwechsel nach Blockieren der Kupplungen nicht geben. Schon gar nicht erhält der Fachmann einen Hinweis auf die Auslegung der Kupplungen auf gleichgroße Stellkräfte hin.
Die GB 2 166 503 A (NiK 5) zeigt eine Nabenschaltung mit fünf Gängen, die alle Merkmale nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aufweist. Die Kupplungsbetätigungseinrichtung enthält darüber hinaus eine Mehrzahl von verschieblichen Teilen (Schaltstange 107 mit Schaltblock 111, Schaltring 116, Schiebehülse 115, Antriebshülse 117, Schalthülse 81), die durch mehrere Federn 109,127,133 gegeneinander sowie gegen andere Getriebebestandteile verspannt sind. Die Federn bewirken bei schrittweisem (entsprechend der Gänge) Lösen der Schaltstange deren Verschiebung und die Verlagerung der verschieblichen Teile. Eine Kupplungsblockierung und damit auch eine Speicherwirkung der Federn im Falle einer solchen ist in dieser Druckschrift nicht erwähnt. Demnach sind die Federn offenbar so ausgelegt, dass in allen Betriebzuständen der Schaltvorgang unmittelbar - ohne mögliche Gangvorwahl - durchgeführt wird. Über die Größe der zum Überwinden des Ausrückwiderstandes der Kupplungen jeweils erforderlichen Kraft der Federn macht NiK 5 ebenfalls keine Angaben. Somit kann dieser Gangschaltung weder eine Anregung zur Gangvorwahl überhaupt noch eine Anregung zur Realisierung einer solchen mit gleichgroßen Stellkräften des elastischen Teils entnommen werden.
Aus der DE 29 37 126 A1 (NiK 20) ist eine Zweigang-Nabe bekannt, bei der jeweils nur ein einfaches Vor- und Zurückschalten vorzunehmen ist. Da nur zwei Gänge vorgesehen sind und somit nur ein Schaltvorgang erforderlich ist, kann das Erzielen gleichgroßer Stellkräfte bei mehreren Schaltvorgängen nicht Gegenstand dieser Druckschrift sein. Diese Druckschrift befasst sich vielmehr mit der Gestaltung eines Klinkensteuergliedes im Hinblick auf einen sanft ablaufenden Schaltvorgang bei nur geringer erforderlicher Betätigungskraft. Die Klägerin hat diese Druckschrift auch nur in diesem Zusammenhang genannt.
Die DE 34 43 592 C2 (NiK 21) zeigt eine Dreigang-Nabe der im Oberbegriff des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1 angegebenen Art. Auch hier sind Schaltvorgänge mit starrer Verbindung der Stellelemente ohne elastisches Zwischenglied vorgesehen. Beim Abwärtsschalten (in Figur 1 nach rechts) wird zunächst ein erstes Schaltteil 28 über ein starr (nicht elastisch) angreifendes Stellelement 25 gegen eine Kupplungsklinke 15 verschoben, um diese auszurücken. Beim Weiterschalten wird dann ein zweites Schaltteil 63 durch die Kraft einer Druckfeder 29 in eine eine weitere Kupplungsklinke 12 ausrückende Stellung verschoben. Dabei wird eine weitere Feder 33 gespannt. In entgegengesetzter Schaltrichtung (Einrücken der Kupplungen) werden die Schaltteile durch die Federn 29 und 33 bewegt. Zum Ausrücken wird somit nur eine der Kupplungen durch ein elastisches Teil (Druckfeder 29) geschaltet, das Problem unterschiedlicher bzw. gleichgroßer Stellkräfte des elastischen Teils stellt sich hier nicht. Beim Einrücken werden beide Federn gangweise zunehmend entspannt, der Fachmann hat demnach Anregung zur Annahme gangweise unterschiedlicher Stellkräfte.
Wie sich aus Vorstehendem ergibt, ist bei keiner der bekannten Gangschaltungen die Ausgestaltung und Anordnung der Kupplungen derart, dass die Kraft des elastischen Teils zum Überwinden des Ausrückwiderstandes für alle Kupplungen gleich groß ist. Lösungen des Problems blockierter Kupplungen infolge zu hohen Ausrückwiderstandes durch Gangvorwahl und automatischem Gangwechsel bei verringertem Ausrückwiderstand sind überdies nur bei zwei Gangschaltungen explizit dargestellt (NiK 4, NiK 15), diese Lösungen weisen - wie oben dargelegt - den Fachmann indes nicht zu der streitpatentgemäßen Lehre. Zwei weitere Gangschaltungen (NiK 18, NiK 19) weisen eine Gangvorwahl bei stillstehendem Hinterrad bzw. nicht betätigtem Kurbeltrieb auf. Auch diese können den obenstehenden Ausführungen zufolge dem Fachmann die Lösung nach dem Patentanspruch 1 nicht nahelegen. Bei den anderen Gangschaltungen ist das besagte Problem nicht Gegenstand der Weiterbildung und deshalb gar nicht angesprochen. Folglich kann auch eine wie auch immer geartete Zusammenschau nicht zur Ausgestaltung und Anordnung der Kupplungen mit dem Ziel gleichgroßer Stellkräfte für alle Kupplungen führen.
Auch in Verbindung mit seinem für ihn typischen Fachwissen hat der Fachmann nicht naheliegend zur Gangschaltung nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 kommen können. Vielmehr musste der Fachmann sich von den üblichen Lösungen (Speicherung der Stellbewegung bei gangweise nicht angepassten Stellkräften) abwenden und erkennen, dass gleichgroße Stellkräfte ein Schalten in einem engen Drehwinkelbereich der Tretkurbeln ermöglichen und außerdem, dass die konstruktive Realisierung dieses Gedankens über die Anordnung und Ausformung der Kupplungen möglich ist. Solches geht nach Auffassung des Senats über das dem Fachmann bei herkömmlicher Arbeitsweise Zumutbare hinaus und erfordert eine erfinderische Tätigkeit.
4. Die angegriffenen Unteransprüche 2, 3 und 5 bis 11 werden durch ihre Rückbeziehungen mitgetragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedürfte.
IV Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
BPatG:
Urteil v. 01.02.2006
Az: 4 Ni 49/04
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