Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 5. November 2014
Aktenzeichen: 15 Verg 6/14

(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 05.11.2014, Az.: 15 Verg 6/14)

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 04.06.2014 - 1 VK 15/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf einen Wert in der Streitwertstufe bis 170.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Nachprüfungsverfahren betrifft einen vom S. zu vergebenden Auftrag über die Lieferung und Pflege eines Web-Content-Management-Systems (WEB CMS) sowie über Projektunterstützungsleistungen.

Die Ausschreibung des streitbefangenen Auftrags über die Lieferung einer Java-basierten CMS-Software und die personelle Unterstützung für die Implementierung des neuen CMS-Systems sowie für die Betreuung und Wartung des Altsystems C... wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (2013/S 127-218387, Bekanntmachung vom 03.07.2013) veröffentlicht. Durchgeführt wurde ein Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb. Wegen des Inhalts der Bekanntmachung wird auf die Anlage SB3 Bezug genommen.

Nach den Vergabe- und Vertragsunterlagen vom 28.06.2013 wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung des Angebotspreises und der Qualität der Leistung erteilt (5.3). Die in den Vergabeunterlagen genannten A-Kriterien müssen von den Bietern uneingeschränkt erfüllt werden; die B-Kriterien werden mit Punkten bewertet und gehen in die Leistungsbewertung ein (5.3.1). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabe- und Vertragsunterlagen (Anlage SB4) Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat sich mit (jeweils überarbeiteten) Angeboten an den Verhandlungsverfahren beteiligt. Am 15.01.2014 stellte die Antragstellerin ihr System beim Auftraggeber vor.

Während des Vergabeverfahrens reduzierte der Antragsgegner nach Anhörung der Bieter die Anzahl der nach den Vergabeunterlagen zu erbringenden Personentage (PT) (vgl. Bieterrundschreiben Nr. 17 vom 19.03.2014). Das Preisblatt PB1, das ursprünglich die Zahl der geplanten Personentage ausgewiesen hatte, wurde ebenfalls abgeändert.

Mit Informationsschreiben vom 04.04.2014 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Informationsfrist von 10 Kalendertagen den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen (Bietergemeinschaft unter Beteiligung der S... GmbH, der a€ o€ ag und der A€ A€ S€ GmbH) zu erteilen; das Angebot der Antragstellerin werde nicht berücksichtigt, weil es außerhalb des Schwankungsbereichs (Schwankungsbreite: 8%) liege.

Mit Schreiben vom 10.04.2014 hat die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung gerügt. Der Rüge hat der Antragsgegner nicht abgeholfen.

Daraufhin hat die Antragstellerin mit Telefax vom 14.04.2014 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt und mehrere Vergaberechtsverstöße geltend gemacht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Bietergemeinschaft (Beigeladene) fehle bereits die Fähigkeit zur Leistungserbringung bezüglich des Altsystems C€, weil diese keinen Rückgriff auf den C€-Support nehmen könne, da die Wartung des Altsystems einen Pflegevertrag voraussetze und nur sie, die Antragstellerin, diesbezüglich (noch) einen Pflegevertrag mit dem Antragsgegner habe. Die Mitarbeiter der Bietergemeinschaft seien nicht befähigt, das alte System zu warten, weshalb die Bietergemeinschaft zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung von vornherein nicht in der Lage sei. Die zwingenden Anforderungen der Leistungsbeschreibung könne die Bietergemeinschaft insbesondere deshalb nicht erfüllen, weil sie, die Antragstellerin, Ausschließlichkeitsrechte an der Software besitze und die Bietergemeinschaft nicht über den notwendigen Zugriff auf den Source-Code der alten Plattform verfüge. Die Beigeladene als Bietergemeinschaft dürfe sich aber auch deshalb nicht am Vergabeverfahren beteiligen, weil nach der Rechtsprechung des Kammergerichts hinter einer Bietergemeinschaft stets eine kartellrechtlich unzulässige Abrede stehe; der insoweit anerkannte Ausnahmefall, dass ein kartellrechtlicher Unbedenklichkeitsnachweis von der Bietergemeinschaft erbracht worden sei, liege nicht vor. Ein Verstoß gegen das Vergaberecht liege daneben auch darin, dass der Leistungsumfang während des Vergabeverfahrens wesentlich verändert worden sei. Durch die erhebliche Reduzierung der zu erbringenden Personentage sei eine andere Leistung (€aliud€) zum Auftragsgegenstand geworden. Aufgrund des anfänglich schlechten Verhältnisses von Personentagen und vorgegebenem Budget hätten sich andere Bieter gegen eine Kooperation mit der Antragstellerin entschieden, was im Ergebnis zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt habe. Auch sie, die Antragstellerin, hätte sich wettbewerblich anders verhalten, wenn ihr die letztgültige Anzahl an Personentagen von Anbeginn bekannt gewesen wäre. Ein Vergaberechtsverstoß liege auch deshalb vor, weil die Verteilung der Leistungspunkte (20%) auf Basis der Teststellung nicht nachvollziehbar und damit intransparent sei. Das Verfahren sei aber auch deshalb fehlerhaft, weil die Landestariftreue- und Mindestlohngesetze der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz außer Acht gelassen worden seien, obwohl diese bereits vor der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft getreten gewesen seien, die zu beauftragende Leistung in beiden Ländern zu erbringen sei und der Antragsgegner auch in beiden Ländern einen Sitz habe. Schließlich seien in unzulässiger Weise Eignungs- und Zuschlagskriterien miteinander vermischt worden. Der Antragsgegner habe mehrfach dasselbe bewertet und damit unternehmensbezogene Aspekte in unzulässiger Weise nochmals bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt.

Der Nachprüfungsantrag sei auch zulässig, insbesondere habe sie die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt; sie habe die Vergaberechtswidrigkeit der Ausschreibung weder erkannt noch sei die Rechtswidrigkeit für sie aus der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Bieter erneut nach Überarbeitung der Vergabeunterlagen nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zur Angebotsabgabe aufzufordern,

hilfsweise,

das Vergabeverfahren aufzuheben und festzustellen, dass ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen wegen Verstoßes gegen das LTMG bzw. das LTTG zur Nichtigkeit des ausgeschriebenen Vertrages führen würde.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Die Behauptung, es handele sich bei der Beigeladenen um eine unzulässige Bietergemeinschaft, sei ins Blaue hinein aufgestellt worden; mit der Geltendmachung der übrigen Vergaberechtsverstöße sei die Antragstellerin mangels rechtzeitiger Rüge präkludiert. Der Nachprüfungsantrag sei aber jedenfalls unbegründet. Die Beigeladene sei zur Erbringung der Leistungen geeignet und in der Lage, insbesondere habe diese sämtliche in der europaweiten Auftragsbekanntmachung geforderten Nachweise vorgelegt. Ein Pflegevertrag sei zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung nicht erforderlich. Der bis zur Kündigung des Pflegevertrags durch die Antragstellerin von dieser erbrachte Produktsupport für die Software C€ sei nicht Gegenstand der Ausschreibung, sondern allein die personelle Unterstützung bei der Betreuung und Wartung der darauf basieren- den individuell für den Antragsgegner entwickelten CMS-Anwendung. Zwar werde für den Betrieb des Altsystems die Software C€ weiterhin benötigt. Die Verwendungsmöglichkeit sei aber dadurch sichergestellt, dass er, der Antragsgegner, für diese Software dauerhaft Nutzungsrechte erworben habe. Für die Leistungserbringung sei auch kein Zugriff auf den Quellcode (Source-Code) der Software erforderlich; ebenso wenig stünden der Leistungserbringung Patent- oder Urheberrechte der Antragstellerin entgegen. Auch die Identität des Leistungsgegenstands sei während des Vergabeverfahrens gewahrt geblieben. Der geschätzte Gesamtauftragswert in Höhe von 2.200.000,00 € netto sei zusammen mit der Angabe der Anzahl von 3.420 Personentagen in der europaweiten Auftragsbekanntmachung als Orientierung vorgegeben worden. Es sei insoweit zu keiner Reduzierung oder Erhöhung des Gesamtauftragswerts gekommen; die Änderung der Vergabeunterlagen beziehe sich allein auf die vorgesehene Mindestabnahme gemäß Nr. 4.2.4.1 der Vergabeunterlagen, die von 2.380 PT auf 2.120 PT, d.h. um 260 PT, herabgesetzt worden sei, was eine Reduzierung von rund 10 % bedeute. Demgegenüber sei weder die geplante Abnahmemenge noch die optionale Höchstmenge an Personentagen verändert worden. Auch die Wertung der Teststellung sei vergaberechtskonform erfolgt. Ein Verstoß gegen geltendes Vergaberecht liege auch nicht etwa deshalb vor, weil keine Tariftreueerklärungen der Bieter verlangt worden seien; das LTMG Baden-Württemberg sei auf das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren noch nicht anwendbar gewesen, weil es zum Zeitpunkt der Absendung der europaweiten Bekanntmachung (28.06.2013) noch nicht in Kraft getreten sei. Das LTTG Rheinland-Pfalz (rheinland-pfälzisches Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben) sei auf den verfahrensgegenständlichen Auftrag ebenfalls nicht anwendbar, weil er als Anstalt des öffentlichen Rechts seinen Sitz in S€ habe und deshalb ausschließlich baden-württembergisches Recht anwendbar sei. Auch der Einwand der Antragstellerin, die von der Beigeladenen gebildete Bietergemeinschaft sei vergaberechtswidrig, greife nicht durch. Selbst unter Zugrundelegung der zweifelhaften Rechtsauffassung des Kammergerichts liege vorliegend keine unzulässige Bietergemeinschaft vor, da der gemeinsame Marktanteil der Mitglieder der Bietergemeinschaft marginal sei und die Mitglieder der Bietergemeinschaft erst durch das Eingehen der Gemeinschaft in die Lage versetzt worden seien, ein Angebot abzugeben und am Wettbewerb teilzunehmen. Auch eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei nicht erfolgt. Zwischen den Anforderungen im Rahmen der Eignungsprüfung, den Mindestbedingungen für die Auftragsausführung (A-Kriterien) und der Wertung der Leistung im Rahmen der B-Kriterien sei vergaberechtskonform unterschieden worden. Im Rahmen der Wertungskriterien B1.1.4 bis B1.1.8 sei es ihm in Bezug auf die in den Vergabeunterlagen detailliert dargestellten Skillprofile A - E erkennbar darauf angekommen, die geforderten Basisqualifikationen bzw. Mindestbedingungen für die Auftragsausführung nicht noch einmal zu bewerten, sondern lediglich nachgewiesene Aspekte zu bewerten, die über die geforderten Basisqualifikationen bzw. Mindestbedingungen hinausgingen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Durch Beschluss vom 04.06.2014 hat die Vergabekammer den Antragsgegner bei fortbestehendem Vergabewillen verpflichtet, die Teststellung zu wiederholen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die übrigen Anträge hat die Vergabekammer abgelehnt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei nur teilweise zulässig und, soweit zulässig, nur teilweise begründet. Die Antragstellerin habe nicht sämtliche geltend gemachten - vermeintlichen - Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Insbesondere sei die angeblich fehlende Fähigkeit der Beigeladenen zur Leistungserbringung trotz Erkennbarkeit des Problems aufgrund der Bekanntmachung nicht rechtzeitig gerügt worden, weshalb der Nachprüfungsantrag insoweit nach § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB unzulässig sei. Auch den streitigen Verstoß einer unzulässigen Änderung des Leistungsumfangs während des Vergabeverfahrens habe die Antragstellerin nicht rechtzeitig gerügt, weshalb ihr diesbezüglicher Antrag unzulässig sei. Gleiches gelte für die beanstandete Verletzung des Verbots der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, weshalb der Antrag auch insoweit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig sei. Ein Problembewusstsein des Bieters hinsichtlich des Verbots der Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien sei inzwischen allgemein zu erwarten, weil diese Problematik so intensiv öffentlich thematisiert worden sei, dass sich ein durchschnittliches Unternehmen, das nicht unerfahren sei mit öffentlichen Aufträgen, vor diesem Thema nicht habe verschließen können. Ein entsprechender Verstoß sei jedenfalls dann erkennbar, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die fehlende Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien klar aus den Vergabeunterlagen ergebe. Soweit geltend gemacht werde, dass die Verteilung der Leistungspunkte auf Basis der Teststellung nicht nachvollziehbar und damit intransparent sei, habe dies allerdings erst aufgrund der gewährten Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren verifiziert werden können. Für einen rechtlichen Laien sei aus den Vergabeunterlagen auch nicht erkennbar gewesen, ob gegen Landestariftreue- und Mindestlohngesetze verstoßen werde; zu berücksichtigen sei dabei, dass es sich um eine neue rechtliche Problematik handele. Ebenso wenig sei für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass das Auftreten der Beigeladenen als Bietergemeinschaft vergaberechtlich problematisch gewesen sei. Eine Präklusion sei daher hinsichtlich der zuletzt genannten Rügen nicht eingetreten.

In der Sache sei der Nachprüfungsantrag - soweit zulässig - nur teilweise begründet. Die Antragstellerin sei in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt, weil die Teststellung, die zu 20 % in das Wertungsergebnis eingeflossen sei, nicht ausreichend dokumentiert worden sei. Um die Rechtsverletzung zu beseitigen, sei es verhältnismäßig und ausreichend, dem Antragsgegner aufzugeben, die Teststellung mit den im Verfahren verbliebenen Bietern zu wiederholen und dabei den Wertungsvorgang und die erzielten Wertungspunkte nachvollziehbar zu dokumentieren. Ein Vergaberechtsverstoß liege dagegen nicht darin, dass keine Bietererklärungen zur Einhaltung der Landestariftreuegesetze angefordert worden seien. Die Anforderung einer solchen Erklärung der Bieter nach dem Tariftreuegesetz Baden-Württemberg sei nicht erforderlich gewesen, weil das LTMG Baden-Württemberg vom 16.04.2013 erst am 01.07.2013 in Kraft getreten sei, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übersendung der Vergabebekanntmachung an das EU-Amtsblatt am 28.06.2013 überhaupt nicht gegolten habe. Das rheinland-pfälzische LTTG sei dagegen deshalb nicht anwendbar gewesen, weil der Schwerpunkt der Leistungserbringung in B€ liege und nur zu maximal 10 % in R€-P€. Der Dienstleistungsauftrag sei auch nicht sinnvoll teilbar in Aufgabenbereiche, die ausschließlich in B€einerseits und in M€ andererseits zu erbringen seien. Für eine Schwerpunktbetrachtung spreche auch die Regelung des § 2 Abs. 6 LTMG, wonach, wenn öffentliche Aufträge gemeinsam mit Auftraggebern anderer Bundesländer oder aus Nachbarländern der Bundesrepublik Deutschland vergeben werden sollen, mit diesen eine Einigung über die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes anzustreben sei und von den Bestimmungen des Gesetzes abgewichen werden könne, wenn eine solche Einigung nicht zustande komme. Unbegründet sei die Beschwerde auch, soweit beanstandet werde, dass es sich bei der Beigeladenen um eine unzulässige Bietergemeinschaft handele. Selbst wenn man die neue Rechtsprechung des Kammergerichts zugrunde lege, wäre die aus drei Bietern zusammengeschlossene Bietergemeinschaft der Beigeladenen nicht unzulässig, weil die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammen nur einen unerheblichen Marktanteil hätten und erst durch das Eingehen der Gemeinschaft in die Lage versetzt worden seien, ein Angebot abzugeben und am Wettbewerb teilzunehmen. Abgesehen davon erscheine das vom Kammergericht zugrunde gelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Bewertung der Zulässigkeit einer Bietergemeinschaft angreifbar, stehe insbesondere im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Entscheidung vom 08.01.2010 - 15 Verg 1/10 -). Auch die hilfsweise gestellten Anträge seien abzulehnen, weil nach den vorstehenden Ausführungen weder ein Grund zur Aufhebung des Verfahrens bestehe noch für eine Feststellung, dass ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen wegen Verstoßes gegen das LTMG bzw. das LTTG zur Nichtigkeit des ausgeschriebenen Vertrages führen würde.

Gegen diesen - ihr am 06.06.2014 zugestellten - Beschluss hat die Antragstellerin am 18.06.2014 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde führt die Antragstellerin aus, die von ihr beanstandeten Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners hätten zu weitergehenden Korrekturmaßnahmen führen müssen, um die zu ihren Lasten bestehenden Rechtsverletzungen zu beseitigen. Ihr Nachprüfungsantrag sei insgesamt zulässig gewesen, insbesondere habe sie alle beanstandeten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Die Vergaberechtswidrigkeit der Ausschreibung des Antragsgegners habe sie weder erkannt noch seien die gerügten Verstöße aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Sie sei zwar ein arrivierter Anbieter von Web-Content-Management-Systemen, aber kein Unternehmen, das Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen habe. Der streitgegenständliche Auftrag sei der erste, um den sie sich im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens bewerbe. Vor diesem Hintergrund habe sie insbesondere nicht erkennen müssen, dass gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien verstoßen worden sei. Der zuständige Senat habe selbst noch vor kurzem die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien um einen Vergaberechtsverstoß handele, hinsichtlich dessen es kein allgemeines Wissen in der Vergabebranche gebe. Auch die internen Wertungsvorgänge beim Antragsgegner und die fehlerhafte Bewertung der eigenen Offerte seien ihr erst aufgefallen, als ihr das Vorab-Informationsschreiben vorgelegen habe und sie daher einen Fachanwalt für Vergaberecht beauftragt habe. Die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu ihrer Rügeverpflichtung sei praxisfern und stütze sich nicht auf Tatsachen, sondern erschöpfe sich in Mutmaßungen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Insbesondere habe der Antragsgegner gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien verstoßen. Ein konkreter Auftragsbezug der Zuschlagskriterien ergebe sich aus den Vergabe- und Vertragsunterlagen des Antragsgegners nicht. Die Wortwahl der Vergabebekanntmachung bzw. der Vergabe- und Vertragsunterlagen zeige, dass eindeutig unternehmensbezogene Aspekte ohne Differenzierung auch bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden sollten. Der Antragsgegner habe mehrfach dasselbe bewertet und damit unternehmensbezogene Aspekte in unzulässiger Weise bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt. Ein Vergaberechtsverstoß liege entgegen der Auffassung der Vergabekammer aber auch deshalb vor, weil der Antragsgegner die Beigeladene vom Vergabeverfahren hätte ausschließen müssen, weil diese mangels Bestehens eines Pflegevertrags bzw. einer Zugriffsberechtigung auf das zu wartende Altsystem C€ zur Leistungserbringung überhaupt nicht in der Lage sei. Ein Zugriff auf den Source-Code während des Parallelbetriebs der Systeme sei jedenfalls im €Desaster-Fall€ notwendig. Trotz der Lizenzen des Antragsgegners am System bleibe allein sie als Herstellerin des ursprünglichen Systems zu einem Zugriff auf das System berechtigt. Durch die Vorgehensweise des Antragsgegners würden ihre Ausschließlichkeitsrechte verletzt. Die Mitarbeiter der Beigeladenen seien auch nicht befähigt, das C€-System C€ zu warten. Die Vergabekammer habe darüber hinaus weiter verkannt, dass der Leistungsumfang der Ausschreibung im Laufe des Vergabeverfahrens erheblich verändert worden sei und es sich nunmehr nach Reduzierung der Personentage um eine unzulässige Aliud-Beschaffung handele. Die wirtschaftlichen Grundlagen für eine Kalkulation hätten sich durch die Reduzierung der Personentage vollständig geändert. Auch für die Beigeladene sei ausweislich ihres Schriftsatzes vom 06.05.2014 die Anzahl der Personentage für ihre Kalkulation und die Eingehung einer Bietergemeinschaft von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Der Antragsgegner habe auch sowohl in der Bekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen eindeutig und entscheidend auf die dort angegebene Zahl von Personentagen abgestellt und diese ins Verhältnis zum Budget gesetzt. Es sei insoweit auch nicht um irgendwelche Minder- oder Mehrmengen gegangen, sondern die sich aus Tabelle 2b ergebende geplante Abnahme von 3.420 Personentagen. Die Veränderung wirke sich auch auf den Wettbewerb aus und führe letzten Endes zu einer Wettbewerbsverzerrung. Es bleibe zudem dabei, dass die von der Beigeladenen eingegangene Bietergemeinschaft nach § 1 GWB unzulässig sei. Die Beigeladene könne allenfalls auf durch den Zusammenschluss erzielte Synergieeffekte verweisen, sie behaupte aber selbst nicht, dass die in ihr zusammengeschlossenen Unternehmen nicht als einzelne Unternehmen in der Lage gewesen wären, ein Angebot zu unterbreiten. Schon aufgrund der nicht unerheblichen Mitarbeiterzahl der S€ GmbH sei davon auszugehen, dass diese auch alleine zur Abgabe eines wettbewerbsfähigen Angebots in der Lage gewesen wäre. Die S€ GmbH nehme auch selbst für sich in Anspruch, eine führende €consultancy firm€ zu sein. Die Entscheidung der Vergabekammer sei auch insoweit fehlerhaft, als diese in der Außerachtlassung der Landestariftreue- und Mindestlohngesetze der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz keinen Vergaberechtsverstoß gesehen habe. Maßgeblich sei dabei, dass der Antragsgegner seinen Sitz nicht nur in S€, sondern auch in B€ und M€ habe, wie sich aus § 1 des Rundfunkstaatsvertrags ergebe. Er sei daher sowohl den Gesetzen des Landes Rheinland-Pfalz als auch denen des Landes Baden-Württemberg unterworfen. Aus Ziffer 3.3.4 der Vergabeunterlagen ergebe sich auch, dass die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem WEB CMS an allen Standorten in B€, S€ und M€ erbracht werden sollten. Von einem Arbeitsschwerpunkt in Baden-Württemberg sei insoweit nicht die Rede. Im Übrigen komme es für die Frage der Anwendbarkeit des LTTG Rheinland-Pfalz auch nicht auf einen (örtlichen) Schwerpunkt der Leistungserbringung an. Das LTMG Baden-Württemberg sei bereits anwendbar gewesen, weil der Antragsgegner das Vergabeverfahren erst nach Inkrafttreten des LTMG am 01.07.2013 eingeleitet habe. Für den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens komme es dabei nicht auf die Absendung der Bekanntmachung an das EU-Amtsblatt an, sondern vielmehr auf die Bekanntmachung selbst, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, nämlich am 03.07.2013, erfolgt sei. Auch das Regierungspräsidium S€ sei ausweislich einer entsprechenden Auskunft dieser Auffassung. Wegen Nichtbeachtung der Landestariftreuegesetze gelte ein unumgängliches Zuschlagsverbot, weil durch die Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben einer Verzerrung des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge Vorschub geleistet werde, indem Bietern die Möglichkeit gegeben werde, ihre Arbeitnehmer untertariflich zu bezahlen. Im Falle eines Zuschlags, der eine de-facto-Vergabe bedeuten würde, wäre daher das Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer vom 04.06.2014 aufzuheben, soweit gemäß Ziffern 2, 3, und 4 des Beschlusstenors ihre übrigen Anträge einschließlich der hilfsweise gestellten Anträge abgelehnt und die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten bzw. die notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners ihr, der Antragstellerin, zur Hälfte auferlegt wurden,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren (€EU-IT 2/2013 Lieferung und Pflege eines Web CMS sowie Projektunterstützung€) in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Bieter unter Außerachtlassung der Beigeladenen erneut nach Überarbeitung der Vergabeunterlagen zur Angebotsabgabe aufzufordern,

hilfsweise:

das Vergabeverfahren aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens vor der Vergabekammer und führt hierzu aus, der Nachprüfungsantrag sei überwiegend unzulässig, jedenfalls aber insgesamt unbegründet. Das Rügevorbringen der Antragstellerin sei - bis auf die Rüge des Vorliegens einer unzulässigen Bietergemeinschaft - verspätet, weil die geltend gemachten Einwände nicht vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gerügt worden seien, obwohl die Antragstellerin von den angeblichen Verstößen Kenntnis gehabt habe, die geltend gemachten Verstöße aber jedenfalls erkennbar gewesen seien. Nach eigenen Angaben sei die Antragstellerin ein arrivierter Anbieter von WEB-CMS, also ein in Vergabeverfahren erfahrenes Unternehmen, das sich des Öfteren um öffentliche Aufträge bewerbe. Es sei auch bekannt, dass die Antragstellerin über ausgeprägte Erfahrungen mit europaweiten Vergabeverfahren verfüge. So habe sich die Antragstellerin im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens zur Beauftragung eines CMS für das gesamte Z€ in einer Bietergemeinschaft mit anderen Unternehmen selbst am Verfahren beteiligt; das Verfahren habe die Antragstellerin sogar als fachlich-technischer Berater des Z€ vorbereitet. Der Nachprüfungsantrag sei insbesondere mangels rechtzeitiger Rüge der Nichteinhaltung der Vorgaben der Tariftreue- und Mindestlohngesetze der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg unzulässig. Der Antragstellerin sei nicht nur erkennbar gewesen, dass keine Bietererklärungen zur Frage der Einhaltung dieser Gesetze gefordert worden seien; ihr sei es auch möglich gewesen, hieraus die notwendigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Auch hinsichtlich des geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes einer angeblich fehlenden Fähigkeit der Beigeladenen zur Leistungserbringung sei der Nachprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge unzulässig. Dies gelte auch für die weiteren Rügen, weil die Antragstellerin trotz Erkennbarkeit der beanstandeten angeblichen Vergaberechtsverstöße taktiert, auf den eigenen Zuschlag spekuliert, und die Vergabeunterlagen erst nachträglich - nach der Mitteilung vom 04.04.2014 - auf das Vorliegen von möglichen Vergaberechtsverstößen untersucht habe. Die Antragstellerin hätte insbesondere auch den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß einer erheblichen Veränderung des Leistungsumfangs während des Vergabeverfahrens unmittelbar nach der hierüber am 19.03.2014 ergangenen Mitteilung erkennen können und rechtzeitig rügen müssen, zumal das Thema in der Verhandlungsrunde Nr. 3 am 18.03.2014 ausdrücklich angesprochen worden sei. Auch mit ihrem Vorbringen zu der angeblichen unzulässigen Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei die Antragstellerin mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Von einer Erkennbarkeit dieses Verstoßes sei mit der Vergabekammer auszugehen, weil die Problematik der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien seit längerer Zeit öffentlich diskutiert worden sei. Da die Anforderungen an die Eignung der Bewerber vollständig in der Bekanntmachung ausgewiesen gewesen seien und sich die Maßstäbe der Wertung der Angebote vollständig aus den Vergabeunterlagen ergeben hätten, habe der Antragstellerin das Problem der angeblichen Vermischung von Eignungs- und Wertungskriterien spätestens nach dem Erhalt der Vergabeunterlagen bekannt sein müssen. Hierfür spreche auch, dass die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 27.11.2013 die Vorgaben in den Vergabeunterlagen selbst als sehr detailliert und umfassend beschrieben habe. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang weiter, dass aufgrund des gewählten Verhandlungsverfahrens die Antragstellerin in ganz besonderem Maß Gelegenheit gehabt habe, sich über die Ausgestaltung und Bedeutung der einzelnen Wertungskriterien zu erkundigen. Soweit die Antragstellerin geltend mache, dass sie sich zu den internen Wertungsvorgängen und zur fehlerhaften Bewertung der eigenen Offerte erst habe Gedanken machen können, als ihr das Vorab-Informationsschreiben vorgelegen habe, sei dies nicht nachvollziehbar, weil die Antragstellerin nichts zu dem internen Wertungsvorgang und einer angeblich fehlerhaften Bewertung des Angebots vortrage, sondern schlicht eine vermeintliche Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in Bezug auf Aspekte geltend mache, die für einen durchschnittlichen Bieter ohne Weiteres bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen seien. Dass die Eignungs- und Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen präzise und transparent bezeichnet und im Rahmen des Wertungsvorgangs diskriminierungsfrei angewendet worden seien, stelle die Antragstellerin selbst nicht in Frage.

Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet. Gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei nicht verstoßen worden. Die Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des Personals bei der Entscheidung über den Zuschlag sei möglich, wenn ein konkreter Auftragsbezug vorliege. In den Vergabeunterlagen sei in Bezug auf die fachlichen Kenntnisse der bei der Auftragsausführung zum Einsatz kommenden Mitarbeiter eindeutig und transparent unterschieden worden zwischen den Anforderungen im Hinblick auf die Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb einerseits, den Mindestbedingungen für die Auftragsausführung (A-Kriterien) andererseits und schließlich die Wertung der Leistung durch Verteilung der Leistungspunkte gemäß dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (B-Kriterien - B1.1.1 - B1.1.8). Auch in der vergaberechtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass das gleiche Kriterium jeweils unter unterschiedlichen Gesichtspunkten für die Eignung einerseits und die Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Angebotswertung andererseits von Bedeutung sein könne. Danach liege eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht vor. Im Rahmen der Eignungsprüfung sei es ihm erkennbar darauf angekommen, dass die vom künftigen Auftragnehmer eingesetzten Mitarbeiter allgemein über die notwendigen Fähigkeiten zur Ausführung des Auftrags verfügten. Im Leistungsblatt seien unter Nr. 7.1.1 in Bezug auf die Leistungserbringung entsprechend den Skill-Profilen A - E nach den Vorgaben des Kapitels 6.2 der Vergabeunterlagen von den Bietern Angaben gefordert worden, die sich transparent als A-Kriterium dargestellt hätten. Diese Aspekte seien auch nicht qualitativ gewertet worden, sondern hätten sich nur als Mindestbedingungen für die Leistungserbringung dargestellt. Demgegenüber seien die Bieter in den Bewertungskriterien B1.1.1 bis B1.1.3 darüber hinaus aufgefordert worden, den Einarbeitungsaufwand in Personentagen, ein Weiterbildungskonzept sowie den Know-How-Transfer für das neue CMS-System darzulegen, sodass erkennbar sei, ob ein Mehrwert während der Leistungserbringung abgebildet werden könne. Im Rahmen der Wertungskriterien B1.1.4 bis B1.1.8 sei es ihm dabei in Bezug auf die in den Vergabeunterlagen detailliert dargestellten Skill-Profile A - E erkennbar darauf angekommen, die geforderten Basisqualifikationen bzw. Mindestbedingungen für die Auftragsausführung nicht noch einmal zu berücksichtigen, sondern lediglich nachgewiesene Aspekte zu bewerten, die über die geforderten Basisqualifikationen bzw. Mindestbedingungen hinausgingen und daher einen Mehrwert bei der Auftragsbearbeitung erwarten ließen. Die Vergabekammer sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Beigeladenen die zu beauftragende Leistung möglich sei. An der grundsätzlichen Eignung der Beigeladenen könnten keine Zweifel bestehen, nachdem diese sämtliche in der Bekanntmachung geforderten Nachweise vorgelegt habe, diese Nachweise geprüft worden seien und die Eignung der Beigeladenen hierauf basierend positiv habe festgestellt werden können. Für die Erbringung der verfahrensgegenständlichen Leistungen in Form einer personellen Unterstützung für die Betreuung und Wartung des Altsystems sei weder ein Pflegevertrag erforderlich, noch die Befugnis, auf den Quellcode des Systems C€ zuzugreifen. Der nun von der Antragstellerin ins Feld geführte €Desaster-Fall€ sei ein so unwahrscheinliches Szenario, dass sich allein damit das Erfordernis eines Zugriffs auf den Quellcode nicht begründen lasse. Selbst wenn aber ein €Desaster-Fall€ eintreten sollte, wäre es ausschließlich sein eigenes technisches und wirtschaftliches Risiko, wenn er in der Nutzung des Altsystems eingeschränkt sein sollte. Einen rechtlichen Zwang, zur Vermeidung solcher nachteiligen Folgen einen Pflegevertrag mit der Antragstellerin abzuschließen, gebe es nicht, zumal die Antragstellerin einen solchen Pflegevertrag nach der von ihr ausgesprochenen Kündigung überhaupt nicht mehr anbiete. Auch der Vorwurf der Antragstellerin, die Identität des Leistungsgegenstands sei während des Vergabeverfahrens nicht gewahrt worden, greife nicht durch. Dem Auftraggeber sei grundsätzlich im Rahmen des Verhandlungsverfahrens erlaubt, über die ausgeschriebene Leistung zu verhandeln. Eine Veränderung der Identität des Beschaffungsvorhabens liege nicht vor, nachdem lediglich die angegebene Mindestabnahmemenge geringfügig - nämlich um ca. 10 % - reduziert, die Gesamtauftragssumme und auch die geplante Abnahme von Personentagen jedoch unverändert geblieben seien. Zu berücksichtigen sei zudem, dass vorliegend ein dynamischer Markt angesprochen sei, auf dem sich alle Bieter ohnehin darauf einstellen müssten, dass es hinsichtlich des Leistungsgegenstands und -umfangs zu gewissen Modifikationen kommen könne. Es sei daher nicht anzunehmen, dass sich bei der Bekanntgabe einer anderen Anzahl an Personentagen ein anderer Kreis an Wettbewerbern für die Ausschreibung interessiert hätte. Im Übrigen sei aber auch für eine Verletzung der subjektiven Bieterrechte der Antragstellerin nichts ersichtlich, weil sich diese am Verfahren beteiligt und ein Angebot abgegeben habe. Es treffe auch nicht zu, dass es sich bei der Beigeladenen um eine unzulässige Bietergemeinschaft handele. Bietergemeinschaften seien grundsätzlich nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A und § 7 Abs. 9 Satz 1 EG VOL/A zulässig. Die Eingehung einer Bietergemeinschaft verstoße daher grundsätzlich nicht gegen vergaberechtliche Vorschriften. Soweit die Antragstellerin die Entscheidung des Kammergerichts vom 24.10.2013 - Verg 11/13 - ins Feld führe, habe der dortigen Entscheidung eine nicht vergleichbare Fallkonstellation zugrunde gelegen. Auch nach der Rechtsprechung des Kammergerichts liege im Übrigen eine unzulässige Bietergemeinschaft nicht vor, weil die Beigeladene aus Marktteilnehmern bestehe, deren gemeinsamer Marktanteil marginal sei, und die Mitglieder der Beigeladenen erst durch die Eingehung der Bietergemeinschaft in die Lage versetzt worden seien, ein Angebot abzugeben und am Wettbewerb teilzunehmen. Die Vergabekammer habe schließlich auch zu Recht einen Vergaberechtsverstoß insoweit verneint, als die Tariftreuegesetze der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht berücksichtigt worden seien. Zutreffend sei die Vergabekammer insoweit davon ausgegangen, dass das LTMG Baden-Württemberg bei Einleitung des Verfahrens noch nicht anwendbar gewesen sei. Maßgeblicher Zeitpunkt sei dabei die Absendung der Bekanntmachung, wie sich auch aus § 10 EG VOL/A ergebe. Die Vergabekammer sei darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus einer Nichtbeachtung der Regelungen des LTMG keine Verletzung eines subjektiven Bieterrechts nach § 97 Abs. 7 GWB ergebe. Eine Ungleichbehandlung der einzelnen Bieter sei insoweit nicht denkbar, weshalb der Eintritt eines Schadens bei einzelnen Bietern von vornherein ausgeschlossen sei. Zutreffend sei die Vergabekammer auch davon ausgegangen, dass das LTTG Rheinland-Pfalz auf das vorliegende Vergabeverfahren nicht anwendbar sei, weil der Auftrag nicht in R€-P€, sondern in B€-W€ vergeben werde.

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen mit nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30.10.2014 eingegangenem Schriftsatz weiter vertieft. Sie hat angeregt, die Sache zur Klärung der Vereinbarkeit des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB mit dem europäischen Recht bzw. zur Klärung der europarechtskonformen Auslegung des dort verwendeten Begriffs €erkennbar€ dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen und/oder eine Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Kammergerichts zur Frage der Zulässigkeit des Eingehens von Bietergemeinschaften zu beschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer und die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Senat am 29.10.2014 und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 GWB statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig, soweit zulässig aber unbegründet.

a) Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

aa) Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach §§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1 sowie 108 GWB liegen vor.

bb) Der Nachprüfungsantrag ist jedoch gemäß § 107 Abs. 2 GWB bereits wegen fehlender Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig, soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Beigeladene zur Leistungserbringung ungeeignet sei und daher vom Vergabeverfahren hätte ausgeschlossen werden müssen. Denn die Antragstellerin hat insoweit nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sie durch eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften in ihren subjektiven Rechten verletzt sein könnte und dass ihr hierdurch ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass die Beigeladene nicht zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags in der Lage sei, weil hierfür ein Pflegevertrag bzw. - jedenfalls im €Desaster-Fall€ - ein Zugriff auf den Quellcode des Altsystems erforderlich sei, die Beigeladene aber zu einem Zugriff auf den Quellcode nicht berechtigt sei, weil sie - die Antragstellerin - hieran Ausschließlichkeitsrechte besitze. Eine Verletzung von Vergaberecht hat die Antragstellerin dabei nicht dargetan. Die Antragstellerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass Gegenstand des ausgeschriebenen Auftrags mit Blick auf die Betreuung und Wartung des Altsystems C€ lediglich die Überlassung von geeigneten Arbeitnehmern ist und gerade nicht die Sicherstellung des weiteren Betriebs oder sogar die Fortentwicklung des von der Antragstellerin entwickelten Altsystems, und dass daher die Leistungserbringung eine Zugriffsberechtigung des Auftragnehmers auf den Quellcode des Altsystems und/oder das Bestehen eines diesbezüglichen Pflegevertrags gerade nicht voraussetzt. Zu Recht weist insoweit der Antragsgegner darauf hin, dass die Frage der Eignung der Beigeladenen zur Ausführung des Auftrags nicht dadurch berührt wird, dass die von ihr dem Antragsgegner zu überlassenden Arbeitnehmer bei Eintritt des - unstreitig geringen

- Risikos eines €Desaster-Falls€ mangels Zugriffsberechtigung auf den Quellcode des Altsystems nicht in der Lage wären, den weiteren Betrieb des Altsystems sicherzustellen, und dass der Antragsgegner durch den konkreten Zuschnitt des ausgeschriebenen Auftrags das Risiko des Eintritts eines mangels Zugriffsmöglichkeit auf den Quellcode des Altsystems nicht beherrschbaren €Desaster-Falls€ wirtschaftlich auf sich genommen hat, ohne dass hierin ein Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen läge. Die theoretisch bestehende Möglichkeit, dass bei Auftragserteilung an die Beigeladene im Falle des unwahrscheinlichen Eintritts eines €Desaster-Falls€ ein unrechtmäßiger Eingriff in die Ausschließlichkeitsrechte der Antragstellerin erfolgen könnte, spielt für das Vergabeverfahren keine Rolle.

Nachdem der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der Rüge der fehlenden Eignung der Beigeladenen zur Auftragsausführung aus den vorstehend genannten Gründen bereits wegen Fehlens einer Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin - was zweifelhaft ist - auch mangels rechtzeitiger Rüge (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) mit ihrer Beanstandung präkludiert ist.

cc) Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Nachprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge des geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig ist, soweit die Antragstellerin eine Verletzung des Verbots der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien beanstandet.

(a) An der Vereinbarkeit der Regelung in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB mit dem zugrunde liegenden Recht der Europäischen Union bestehen dabei keine Zweifel (vgl. EuGH, Urteil vom 11.10.2007 - Rs. C-241/06 (Lämmerzahl), Rn. 56 - juris; Reidt/Stickler/Glahs-Reidt, Vergaberecht, 3. Aufl., § 107 GWB, Rn. 43 f., m.w.N.; Byok/Jaeger-Byok, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 107 Rn. 78, m.w.N.). Die Antragstellerin macht insbesondere zu Unrecht geltend, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst sei, weil der Vergabekammer und dem Vergabesenat nach der genannten Regelung ein Ermessen bei der Festlegung des Fristablaufs zukomme. Dies ist nämlich tatsächlich nicht der Fall. Ein solches Ermessen wird dem Gericht weder durch § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB eingeräumt noch nimmt der Senat bei der Beurteilung der nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB maßgeblichen Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes für den Bieter - hier: die Antragstellerin - ein entsprechendes Ermessen für sich in Anspruch. Der Fristablauf ist in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB eindeutig bestimmt und gerade nicht in das Ermessen des Richters gestellt. Die im Rahmen der Subsumtion der Präklusionsvorschriften vorzunehmende Beurteilung des Senats, ob dem jeweiligen Bieter der gerügte Vergaberechtsverstoß erkennbar war, stellt sich ebenfalls weder als Ermessensausübung dar noch kommt sie einer solchen gleich. Kommt nämlich der Senat aufgrund seiner Subsumtion zu dem Ergebnis, dass der gerügte Vergaberechtsverstoß für den Bieter erkennbar war, so folgt hieraus zwingend die Rügepräklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB.

(b) Die Vergabekammer ist hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Erkennbarkeit von Verstößen gegen Vergabevorschriften im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB ebenso wie das Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes nach Nr. 1 zwei Komponenten hat, dass nämlich die Frage der Erkennbarkeit in diesem Sinne auf die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen einerseits und deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß andererseits zu beziehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014 - Verg 26/13 -, juris Rn. 29, m.w.N.; OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2010 - 13 Verg 16/09 -, juris Rn. 29, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2012 - 15 Verg 10/12 - juris, m.w.N.). Hiernach kommt eine Rügepräklusion wegen unterbliebener Rüge trotz Erkennbarkeit des beanstandeten Vergaberechtsverstoßes in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht; der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 03.08.2011, VII-Verg 30/11, VergabeR 2011, 868, 870, und VII-Verg 16/11, VergabeR 2012, 227, 229). Maßgeblich ist daher, ob der Bieter den Vergaberechtsverstoß bei sorgfältiger Prüfung ohne besonderen Rechtsrat hätte erkennen können und müssen, wobei zu fordern ist, dass der Bieter mit den wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2011 - 15 Verg 6/11 - juris, Rn. 31, und Beschluss vom 21.12.2012 - 15 Verg 10/12 - juris; Reidt/Stickler/Glahs-Reidt, Vergaberecht, a.a.O., Rn. 61, 58, zu § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2; jurisPK-Summa, VergabeR, 4. Aufl., § 107 GWB, Rn. 252 ff., 259, m.w.N.). Auch wenn von einem Bieter keine umfassende und genaue Kenntnis der vergaberechtlichen Literatur und Rechtsprechung zu erwarten ist, ist jedenfalls dann von einer entsprechenden Erkennbarkeit auszugehen, wenn die angesprochene vergaberechtliche Problematik seit langer Zeit Gegenstand vergaberechtlicher Rechtsprechung und breit - über die juristischen Fachkreise hinaus - geführter öffentlicher Diskussionen und Hinweise ist.

Zutreffend hat die Vergabekammer daher angenommen, dass zwar noch vor einigen Jahren von einem Bieter keine Kenntnis vom Verbot der Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien erwartet werden konnte und dass daher die Rügepflicht in der Regel an der fehlenden €Erkennbarkeit€ des Vergabeverstoßes gescheitert ist (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2010 - 1 VK 23/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2012 - 15 Verg 10/12 - juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011 - VII-Verg 16/11 -, VergabeR 2012, 227, 229), dass aber diese Problematik zwischenzeitlich so intensiv und wiederholt in Rechtsprechung, Literatur und Bieterkreisen behandelt und thematisiert worden ist, dass sich ein durchschnittliches Unternehmen, das nicht völlig unerfahren auf dem maßgeblichen Markt ist und sich für einen größeren öffentlichen Auftrag interessiert, vor diesem Thema nicht verschließen kann (vgl. OLG München, VergabeR 2014, 52 ff.; a.A.: VK Bund, IBR 2014, 563). Dies gilt insbesondere im - hier eröffneten - Anwendungsbereich der EG VOL/A, weil in diesem Regelungswerk das Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien besonders deutlich zu Tage tritt (vgl. § 7 EG VOL/A EG einerseits und § 19 Abs. 8 EG VOL/A andererseits).

Zu Recht hat die Vergabekammer im Übrigen darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall wegen der unübersehbaren Hinweise auf die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen - insbesondere durch die bekanntgegebenen €Wertungskriterien und Gewichtung€ unter B1.1.4 bis B1.1.8, in denen wörtlich von €Mehrwert/Mehrleistung Skillprofil€ die Rede ist - für jeden Bieter ohne weiteres ersichtlich war, dass bei der Wertung jedenfalls teilweise dieselben Kriterien Berücksichtigung finden sollten, die bereits bei der Eignungsprüfung maßgeblich waren. Somit hätte auch die Antragstellerin die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien erkennen können und müssen, auch wenn sie zuvor keine nennenswerte Erfahrungen in europaweiten Vergabeverfahren gesammelt haben sollte.

In Anbetracht der sich aufdrängenden Hinweise auf einen Verstoß gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen spricht gegen eine Erkennbarkeit des entsprechenden Verstoßes vorliegend auch nicht, dass der Antragsgegner einen solchen Verstoß selbst in Abrede gestellt hat. Denn die Einnahme dieser Position beruht erkennbar auf dem Bestreben des Antragsgegners, keine Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen Interessen im Nachprüfungsverfahren ungenutzt zu lassen.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass sie sich zu den internen Wertungsvorgängen beim Antragsgegner und zur fehlerhaften Bewertung der eigenen Offerte erst habe Gedanken machen können, als ihr das Vorab-Informationsschreiben vorgelegen habe, ist dies tatsächlich - so die Vergabekammer zu Recht - nicht nachvollziehbar, weil die Antragstellerin insoweit selbst nicht auf eine Rechtsverletzung durch den internen Wertungsvorgang bzw. eine angeblich fehlerhafte Bewertung des Angebots abstellt, sie sich also gerade nicht auf neu gewonnene Erkenntnisse aus dem Informationsschreiben oder die hierauf in Anspruch genommene anwaltliche Beratung stützt, sondern eine vermeintliche Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien ausschließlich unter Berufung auf Aspekte geltend macht, die sich einem durchschnittlichen Bieter ohne Weiteres bereits aus der Bekanntmachung in Zusammenschau mit den Vergabeunterlagen aufdrängen mussten.

dd) Die Vergabekammer hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Nachprüfungsantrag nicht auch insoweit verfristet und damit unzulässig ist, als die Antragstellerin einen Vergaberechtsverstoß wegen Nichtbeachtung der Vorgaben der Landestariftreue- und Mindestlohngesetze der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geltend macht. Denn die Antragstellerin hätte einen etwaigen Vergaberechtsverstoß wegen Verletzung der Tariftreue- und Mindestlohngesetze der Länder Baden-Württemberg und/oder Rheinland-Pfalz nicht erkennen können und daher vor Ablauf der Frist zur Abgabe von Angeboten rügen müssen. Der Antragstellerin war schon das Fehlen einer Anforderung von Bietererklärungen nach den Landestariftreue- und Mindestlohngesetzen nicht erkennbar, weil bereits das Erkennen dieses Umstands nicht nur das Wissen um die Existenz der Landestariftreue- und Mindestlohngesetze voraussetzt, sondern auch eine Kenntnis von deren zeitlichem und räumlichem Geltungsbereich sowie den dort geregelten Vorgaben; eine solche Rechtskenntnis konnte und kann indes von einem durchschnittlichen Bieter nicht erwartet werden, da die genannten Gesetze erst kürzlich in Kraft getreten sind, die diesbezüglichen Fragestellungen also neu sind.

ee) Zu Recht ist die Vergabekammer auch davon ausgegangen, dass die Antragstellerin mit ihrem Einwand, bei der Beigeladenen handele es sich um eine unzulässige Bietergemeinschaft, nicht mangels rechtzeitiger Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert ist; dass der Antragstellerin die schwierige und zwischen den Obergerichten aktuell umstrittene rechtliche Problematik der Zulässigkeit/Unzulässigkeit von Bietergemeinschaften nicht erkennbar war, hat die Vergabekammer zutreffend angenommen.

ff) Bedenken bestehen schließlich hinsichtlich der Frage, ob der Nachprüfungsantrag auch insoweit mangels rechtzeitiger Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB unzulässig ist, als die Antragstellerin einen Vergaberechtsverstoß wegen Veränderung des Auftragsgegenstands während des Vergabeverfahrens beanstandet. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und GWB sind insoweit nicht einschlägig, weil der vermeintliche Vergaberechtsverstoß weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen erkennbar ist, sich dieser vielmehr aus einer erst nachträglich während des Verhandlungsverfahrens eingetreten Entwicklung ableiten würde. Ob die Rüge dagegen nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig ist, hängt von der zweifelhaften Frage ab, ob die genannte Regelung mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist (vgl. hierzu: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2012 - 15 Verg 10/12 - juris, m.w.N.). Diese Frage bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung - eine solche wäre dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten -, weil der Nachprüfungsantrag insoweit jedenfalls unbegründet ist. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht.

b) Begründetheit des Nachprüfungsantrags

Der Nachprüfungsantrag ist, soweit nicht bereits unzulässig, unbegründet.

aa) Unbegründet ist der Nachprüfungsantrag zunächst insoweit, als die Antragstellerin eine unzulässige Veränderung des Leistungsumfangs und damit des Auftragsgegenstands während des Vergabeverfahrens beanstandet. Denn von einer Änderung des Auftragsgegenstands, die sich zum Nachteil der Antragstellerin auf die Wertung bzw. den Wettbewerb ausgewirkt gehabt haben könnte, ist vorliegend nicht auszugehen. Gegenstand der Ausschreibung war eine Arbeitnehmerüberlassung auf unbestimmte Zeit. Aus den vorgelegten Anlagen (Bekanntmachungstext sowie Vergabe- und Vertragsunterlagen) ergibt sich dabei, dass die Angabe der Mindest-, Plan- und Höchstmenge an abzunehmenden Personentagen nur der Kalkulation diente. Entscheidend sollte insoweit ausweislich Ziffer 4.2.5 der Vergabeunterlagen die unter Ziffer 4.2.4.2 in der dort abgebildeten Tabelle 2b ausgewiesene geplante Abnahme von Personentagen sein und gerade nicht die Mindestabnahmemenge. Den Unterlagen ist weiter zu entnehmen, dass nicht die Anzahl der geplanten Personentage oder die in der Ausschreibung angegebene Höchstzahl von Personentagen geändert wurde, sondern lediglich die - für die Kalkulation nicht maßgebliche - Mindestzahl an Personentagen. Die Mindestabnahmemenge wurde - hierauf weist der Antragsgegner zu Recht hin - auch nicht erheblich reduziert, sondern lediglich in einer Größenordnung von kaum mehr als 10 %. Dass eine solche marginale Änderung einer ohnehin nicht gewichtigen Größe Auswirkung auf den Wettbewerb hatte, ist auszuschließen. Zu Recht weist der Antragsgegner auch darauf hin, dass mit einer gewissen Veränderung des Leistungsumfangs im Verhandlungsverfahren grundsätzlich zu rechnen ist, weil das Verhandlungsverfahren Raum für die konkrete Ausgestaltung des Auftrags eröffnen soll. Dem Verhandlungsverfahren ist gerade eigen, dass der genaue Leistungsgegenstand bei Bekanntgabe der Ausschreibung noch nicht abschließend festgelegt ist, die genaue Festlegung vielmehr im Rahmen der zu führen- den Verhandlungen erfolgen soll. Schließlich ist auch von vornherein nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin durch die Veränderung der Mindestabnahme von Personentagen nachteilig in ihren Rechten beeinträchtigt sein könnte. Soweit sich nämlich Bieter durch die in der Bekanntmachung angegebenen Eckdaten von einer Beteiligung am Vergabeverfahren hätten abhalten lassen, hätte sich dies allenfalls zum Vorteil der Antragstellerin auswirken können. Dass und inwiefern sich die Antragstellerin selbst im Vergabeverfahren unter Zugrundelegung der später veränderten Mindestabnahmemenge anders verhalten hätte, hat diese demgegenüber nicht nachvollziehbar dargetan. Ihre Behauptung, sie hätte sich bei Kenntnis der später festgelegten Mindestabnahmemenge wettbewerblich anders verhalten, bleibt ohne jede Substanz.

Ein zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung führender Vergaberechtsverstoß liegt auch nicht etwa darin, dass der Antragsgegner die geänderte Mindestabnahmemenge an Personentagen in das Preisblatt PB1 (SB 6) eingetragen und dieses zum Gegenstand des Vergabeverfahrens gemacht hat. Selbst wenn dies - was fraglich ist - Auswirkung auf die Wertung hätte haben können, würde sich dies nicht als Vergaberechtsverstoß zum Nachteil der Antragstellerin auswirken, weil der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verbindlich erklärt hat, dass der Wertung das ursprüngliche Preisblatt zugrunde gelegt wird. Ein etwaiger Vergaberechtsverstoß wäre hierdurch jedenfalls geheilt.

bb) Zu Recht hat die Vergabekammer einen Vergaberechtsverstoß auch insoweit verneint, als die Beigeladene nicht wegen Bildung einer unzulässigen Bietergemeinschaft vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Die Vergabekammer geht insoweit zutreffend davon aus, dass die Bildung einer Bietergemeinschaft durch die Beigeladene keine wettbewerbsbeschränkende Abrede i.S.d. § 19 Abs. 3 lit. f) EG VOL/A darstellt.

Dahin gestellt bleiben kann dabei, ob der Senat die neue Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschluss vom 24.10.2013 - Verg 11/13 - juris) für tragfähig oder gar überzeugend hält und sich dieser anschließt, oder ob er an der eigenen Rechtsprechung festhält, wonach das Eingehen einer Bietergemeinschaft eine grundsätzlich zulässige, weil vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit darstellt, sich an einem Vergabeverfahren zu beteiligen, und die Eingehung einer Bietergemeinschaft nur dann ausgeschlossen ist, wenn besondere Umstände auf eine Absicht der beteiligten Unternehmen schließen lassen, sich unberechtigte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2010 - 15 Verg 1/10 - juris Rn. 16; so auch: Overbuschmann, VergabeR 2014, 634 ff., m.w.N.). Denn die Vergabekammer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst nach der neuen Rechtsprechung des Kammergerichts nicht zu beanstanden wäre, dass sich die Beigeladene in Form einer Bietergemeinschaft an dem vorliegenden Vergabeverfahren beteiligt hat. Der Antragsgegner hat insoweit - von der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen - nachvollziehbar dargelegt, dass die Mitglieder der Bietergemeinschaft nur einen unerheblichen Marktanteil haben und dass diese erst durch das Eingehen der Gemeinschaft in die Lage versetzt wurden, ein Angebot abzugeben und am Wettbewerb teilzunehmen. Soweit die Antragstellerin mit ihren Schriftsätzen vom 02.10.2014 und 30.10.2014 (wiederholt) geltend macht, die an der Beigeladenen beteiligten Unternehmen hätten keinen kleinen Marktanteil und seien aufgrund ihrer Größe auch ohne Bildung einer Bietergemeinschaft personell zur Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags in der Lage gewesen, bleibt diese Behauptung gänzlich unsubstantiiert und stellt die Bewertung der Vergabekammer nicht in Frage. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass auch Großunternehmen und Rundfunkanstalten zu den Kunden der S€ GmbH gehören mögen, ebenso wenig den Schluss auf einen erheblichen Marktanteil und die Fähigkeit der S€ GmbH, alleine ein wettbewerbsfähiges Angebot abzugeben, wie der Umstand, dass sich die S€ GmbH als €leading consultancy firm€ bezeichnet. In Anbetracht der Vielzahl der (auch größeren und großen) Unternehmen, die am Markt entsprechende Leistungen nachfragen, lassen sich aus dem Umstand, dass auch die S€ GmbH derartige Kunden haben mag, noch keine Schlüsse auf einen nennenswerten Marktanteil ziehen; soweit sich die S€ GmbH selbst als €leading consultancy firm€ bezeichnet, ist dies demgegenüber schon deshalb ohne jede Relevanz, weil der vorliegende Auftrag nicht auf Beratungsleistungen gerichtet ist und sich aus einer möglichen Eigenschaft als führender Beratungsfirma keine Schlüsse auf den Marktanteil des Unternehmens im Bereich der Überlassung von Personal zur Unterstützung bei der Betreuung und Wartung eines CMS-Systems und die Fähigkeit zur Abgabe eines entsprechenden wettbewerbsfähigen Angebots ziehen lassen. Bereits der Umstand, dass sich - dies wurde auch von der Antragstellerin nicht bestritten - zunächst mehr als 30 Unternehmen für den Auftrag interessiert hatten, zeigt, dass es neben den an der Beigeladenen beteiligten Unternehmen diverse andere Unternehmen am Markt gibt, die sich grundsätzlich in der Lage sehen, einen entsprechenden Auftrag eines Großunternehmens zu erfüllen. Auch aus der bloßen Anzahl vorhandener Mitarbeiter ergibt sich - hierauf weist der Antragsgegner zu Recht hin - nicht ohne Weiteres die Möglichkeit eines Unternehmens, alleine einen umfangreichen, komplexen und fachlich anspruchsvollen Auftrag zu übernehmen. Zutreffend hat die Vergabekammer in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass von den zunächst mehr als 30 interessierten Unternehmen im folgenden Verfahren ein Unternehmen nach dem anderen abgesprungen ist, weil diese den hohen technischen und wirtschaftlichen Anforderungen nicht genügen konnten, sodass im letzten der drei Verhandlungsverfahren nur noch die Antragstellerin und die eine Bietergemeinschaft bildende Beigeladene im Wettbewerb verblieben sind. Weiter hat die Vergabekammer richtigerweise berücksichtigt, dass in dem vorliegenden Vergabeverfahren die Anforderungen an Technik und Innovation von Anfang an sehr hoch waren, dass aber gleichzeitig der zur Leistungserbringung erforderliche Einsatz nicht vollständig voraussehbar und planbar war, dass daher den Bietern ein hohes Maß an Flexibilität abgefordert wurde und diese gleichzeitig Gefahr liefen, im Falle des Zuschlags den Auftrag doch nicht allein bewältigen zu können und schadensersatzpflichtig zu werden. Zutreffend berücksichtigt hat die Vergabekammer insoweit auch, dass sich die Bieter bereits mit dem Teilnahmeantrag auf eine Bietergemeinschaft oder eine Einzelbewerbung festlegen sollten, dass also für die Beurteilung, ob der jeweilige Bieter alleine zur Abgabe eines Angebots in der Lage sein würde, auf das bei Einreichung des Teilnahmeantrags größtdenkbare Leistungssoll abzustellen war. Den zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer ist insoweit nichts hinzuzufügen. Insbesondere stellt auch der pauschale Einwand der Antragstellerin, die an der Beigeladenen beteiligten Unternehmen hätten sich zusammengeschlossen, um Synergieeffekte zu erzielen, die Würdigung der Vergabekammer nicht in Frage. Denn die an der Beigeladenen beteiligten Unternehmen wurden nach ihrem von der Antragstellerin nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen erst durch die durch ihren Zusammenschluss erzielten Synergieeffekte in die Lage versetzt, den ausgeschriebenen Auftrag erfüllen und am Vergabeverfahren teilzunehmen. Dass die Beigeladene erklärt hat, alle ihrer Mitglieder wiesen die zur Auftragsausführung erforderlichen €Skills€ auf, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn hiermit war erkennbar nur die fachliche Qualifikation und nicht etwa die quantitative Leistungsfähigkeit angesprochen.

Zu Unrecht macht die Antragstellerin im Übrigen geltend, dass nach der Rechtsprechung des Kammergerichts im Vergabeverfahren eine umfassende kartellrechtliche Prüfung zu erfolgen habe bzw. ein kartellrechtlicher Unbedenklichkeitsnachweis vorliegen müsse, damit von einer zulässigen Bietergemeinschaft ausgegangen werden kann. Entsprechendes lässt sich der Rechtsprechung des Kammergerichts nicht entnehmen. Das - grundsätzlich eilbedürftige - Vergabeverfahren wäre für eine solche Prüfung auch von vornherein nicht geeignet.

cc) Ein Vergaberechtsverstoß liegt schließlich auch nicht darin, dass vom Antragsgegner keine Tariftreueerklärungen der Bieter angefordert wurden.

(a) Zutreffend ist die Vergabekammer insoweit zunächst davon ausgegangen, dass es keinen Vergaberechtsverstoß begründet, dass der Antragsgegner in dem vorliegenden Vergabeverfahren unstreitig keine Bietererklärung über die Einhaltung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg (LTMG) gefordert hat, obwohl es um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch einen in Baden-Württemberg ansässigen Auftraggeber über eine in B€-W€ zu erbringende Dienstleistung (vgl. § 2 Abs. 1 LTMG) geht. Die Vergabekammer hat insoweit richtig angenommen, dass eine Anforderung und Vorlage von Bietererklärungen über die Einhaltung des LTMG Baden-Württemberg nicht erforderlich war, weil das LTMG Baden-Württemberg zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens noch nicht in Kraft getreten war. Zutreffend ist die Vergabekammer insoweit davon ausgegangen, dass das LTMG Baden-Württemberg nach dessen § 10 keine Anwendung auf öffentliche Aufträge findet, deren Vergabe vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingeleitet worden ist. Insoweit hat die Vergabekammer richtig darauf hingewiesen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Geltung des LTMG Baden-Württemberg für das hiesige Vergabeverfahren nicht die Bekanntmachung im EU-Amtsblatt ist, sondern vielmehr der Zeitpunkt des ersten nach außen erkennbaren Schritts des Vergabeverfahrens, der in der Absendung der Vergabebekanntmachung an das EU-Amtsblatt liegt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.05.2014 - 15 Verg 4/13 -). Das Argument der Antragstellerin, maßgeblich für die Einleitung des Vergabeverfahrens könne nur ein für den potentiellen Bieterkreis erkennbarer Akt sein, greift dabei nicht durch. Denn die maßgeblichen vergaberechtlichen Bestimmungen richten sich an den öffentlichen Auftraggeber und gerade nicht an die Marktteilnehmer. Maßgeblich für die an den Auftraggeber zu stellenden Verhaltensanforderungen können im Übrigen von vornherein nur diejenigen Regelungen sein, die Geltung haben, wenn das Verfahren den internen Bereich des Auftraggebers verlässt; dies aber ist der Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung an das EU-Amtsblatt. Die von der Antragstellerin zitierte - unrichtige - Auffassung des Regierungspräsidiums S€ entfaltet insoweit keine Bindungswirkung und ist für den Senat nicht maßgeblich. Zum Zeitpunkt der Absendung der Vergabeunterlagen am 28.06.2013 war das LTMG Baden-Württemberg vom 16.04.2013 noch nicht in Kraft getreten; dies war vielmehr erst am 01.07.2013 der Fall (GBl. 2013, 50).

(b) Die Vergabekammer hat weiter im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner im Hinblick auf das vorliegende Vergabeverfahren dem LTTG Rheinland-Pfalz nicht unterworfen ist. Denn nach § 2 LTTG gilt das Gesetz nur für öffentliche Aufträge, die in R€-P€ vergeben werden. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des LTTG Rheinland-Pfalz ist also die Frage, ob der vorliegende Auftrag in R€-Pf€ oder in B€-W€ vergeben werden soll. Diese Frage ist in dem zuletzt genannten Sinne zu beantworten, weil ausweislich der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen der Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfahren unter seinem Verwaltungssitz in S€ gehandelt hat und das Vergabeverfahren am Sitz in B€ geführt wurde, folglich auch der Zuschlag in B€-W€ erfolgen soll. Nicht maßgeblich ist insoweit, dass der Antragsgegner einen Sitz nach § 1 des Rundfunkstaatsvertrags auch in M€ unterhält, weil das Vergabeverfahren dort unstreitig nicht geführt wurde und auch die Auftragsvergabe nicht dort erfolgen soll. Dass nach Ziffer 3.3.4 der Vergabeunterlagen der Leistungsort auch in € liegt und unstreitig etwa 10 % der vertraglichen Leistungen dort zu erbringen sind, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für den Anwendungsbereich des Gesetzes nur auf den Ort der Vergabe an und nicht auf den Ort der Leistungserbringung, der im Übrigen vorliegend ganz überwiegend ebenfalls in B€-W€ und gerade nicht in R€-P€ liegt.

(c) Nachdem weder das LTMG Baden-Württemberg noch das LTTG Rheinland-Pfalz auf das vorliegende Vergabeverfahren anwendbar sind, kommt es auf die Frage der Vereinbarkeit dieser Gesetze mit dem Recht der Europäischen Union, an der nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 18.09.2014 - C-549/13 - mehr denn je gezweifelt werden kann, nicht an. Einer Vorlage an den Gerichtshof bedarf es daher nicht.

c) Da ein über den von der Vergabekammer hinausgehender, zulässigerweise gerügter Vergaberechtsverstoß des Antragsgegners nicht gegeben ist, bleibt auch der Hilfsantrag ohne Erfolg.

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 120 Abs. 2 in Verbindung mit § 78 Satz 1 und 2 GWB, § 50 Abs. 2 GKG. Nachdem die Beschwerde der Antragstellerin ohne Erfolg bleibt, besteht zu einer Abänderung der Kostenentscheidung der Vergabekammer keine Veranlassung.






OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 05.11.2014
Az: 15 Verg 6/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e33b3d362373/OLG-Karlsruhe_Beschluss_vom_5-November-2014_Az_15-Verg-6-14




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