Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 2. Oktober 2008
Aktenzeichen: 3 U 8/08

(OLG Hamburg: Urteil v. 02.10.2008, Az.: 3 U 8/08)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 18.09.2007 (Az. 312 O 583/07) abgeändert.

Die einstweilige Urteilsverfügung wird im Hinblick auf die Verbote gemäß Ziffern I. d) und I. e) aufgehoben und der auf den Erlass dieser Verbote gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Antragstellerin. Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

A.

Die Parteien sind Arzneimittelhersteller und vertreiben Antibiotika-Säfte, die u.a. für die Anwendung bei Kindern zugelassen sind. Die Antragstellerin bietet an u.a. die Säfte Clarithromycin Hexal ® mit dem Wirkstoff Clarithromycin und Azithromycin Hexal ® mit dem Wirkstoff Azithromycin, die Antragsgegnerin vertreibt den Saft InfectoMycin ® mit dem Wirkstoff Erythromycin-Estolat. Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten, insbesondere die zugelassenen Anwendungsgebiete, wird auf die Fachinformationen gemäß Anlagenkonvolut Ast 1 Bezug genommen. Die Antragstellerin beanstandet Werbeaussagen der Antragsgegnerin, mit denen diese gegenüber Ärzten die Ergebnisse von vergleichenden Geschmackstests wiedergibt.

Im Juni 2007 erhielt die Antragstellerin Kenntnis von dem aus der Anlage Ast 5 ersichtlichen Werbeblatt €405 niedergelassene Kinderärzte haben getestet: INFECTOMYCIN Saft € eindeutig das bestschmeckende moderne Makrolid€. Dort heißt es u.a. unter der Überschrift €Zusammenfassung€:

€INFECTOMYCIN wurde mit der Gesamtnote €sehr gut€ (1,5) beurteilt, während Azithromycin Hexal ® nur mit €ausreichend€ (4,3) und Clarithromycin Basics ® sogar nur mit €mangelhaft€ (4,8) bewertet wurden (s.Tab.1)€.

Im Juli 2007 wurde der Antragstellerin das aus der Anlage Ast 6 ersichtliche Werbeblatt der Antragsgegnerin mit der Überschrift €Niedergelassene Kinderärzte haben `blind´ getestet: INFECTOMYCIN Saft € eindeutig das bestschmeckende moderne Makrolid€ bekannt, in dem es u.a. heißt:

€In einem Geschmackstest am 6./7. Mai 2005 haben in Freiburg 305 niedergelassene Kinderärzte verschiedene Makrolid-Säfte mit vergleichbarer Wirkstärke getestet. Auf Bewertungsbögen wurden sie nach den Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Nachgeschmack und Gesamteindruck mit Schulnoten beurteilt (Publikation in Vorbereitung) ... INFECTOMYCIN wurde als einziger Saft mit der Gesamtnote 1.9 beurteilt, während Klacid mit befriedigend (3.1), Zithromax und Clarithromycin sogar nur mit ausreichend (3.5 und 4.0) bewertet wurden (s. Tab. 1). 89 % der Kinderärzte setzten INFECTOMYCIN Saft im Gesamteindruck auf Platz 1 (s. Abb. 1).€

Auf die Abmahnung der Antragstellerin vom 24.7.2007 (Ast 7), die eine Fülle von Beanstandungen auch anderer Werbungen der Antragsgegnerin enthielt, gab die Antragsgegnerin nach weiterem Schriftverkehr (Ast 8, Ast 14, Ast 15) die aus der Anlage Ast 16 ersichtliche teilweise Unterlassungsverpflichtungserklärung ab.

Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift geltend gemacht:

Mit konkret Produkte vergleichenden Geschmackstests dürfe nicht geworben werden, wie sich aus § 6 UWG, der auf objektiv nachprüfbare Kriterien bei der vergleichenden Werbung Bezug nehme, ergebe. Konkretisierende Vergleichsbetrachtungen über Geschmäcker von namentlich benannten Produkten seien unzulässig. Dementsprechend verbiete es sich auch, zu behaupten, InfectoMycin habe im Geschmackstest mit sehr gut, dagegen Azithromycin Hexal mit ausreichend und Clarithromycin Hexal mit mangelhaft abgeschnitten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.9.2007 hat die Antragstellerin weiter geltend gemacht: Die Werbung werde nicht allein aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Nachprüfbarkeit angegriffen, so dass es unerheblich sei, wenn die Antragsgegnerin ihre Bereitschaft erkläre, bei künftigen Werbeaussagen die Grundlage der mitgeteilten Ergebnisse nachprüfbar zur Verfügung zu stellen. Die Werbung werde vielmehr auch deshalb angegriffen, weil die Antragstellerin der festen Überzeugung sei, dass eine derartige Herausstellung rein subjektiver Empfindungen gem. § 6 UWG unzulässig sei. Die Antragstellerin sei im Übrigen auch der Auffassung, dass die Eigenschaft des Geschmacks bei dem hier fraglichen Präparat als zu deutlich betont herausgestellt werde, was bei den angesprochenen Ärzten zu Fehlvorstellungen hinsichtlich der Relevanz führen könne.

Die Antragstellerin hat € soweit für das Berufungsverfahren noch relevant € beantragt, der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten,

für das Präparat InfectoMycin mit dem Wirkstoff Erythromycin-Estolat dieses Präparates

e. zu werben mit der Aussage € in einem Geschmackstest am 6./7. Mai 2005 haben in Freiburg 305 niedergelassene Kinderärzte verschiedene Makrolid-Säfte mit vergleichbarer Wirkstärke getestet. Auf Bewertungsbögen wurden sie nach den Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Nachgeschmack und Gesamteindruck mit Schulnoten beurteilt€ und dabei habe im InfectoMycin mit 1,9, dagegen Clarithromycin Hexal ® mit 4.0 abgeschnitten,

und/oder

f. zu werben dass €InfectoMycin sehr gut€, dagegen €Azithromycin Hexal ausreichend€ und €Clarithromycin basics mangelhaft€ in Geschmackstest abgeschnitten hätten,

wenn die entsprechende Werbung geschieht wie in Anlagen Ast 5 und Ast 6.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht:

Der Geschmack spiele im Hinblick auf die Compliance der Antibiotika-Säfte insbesondere bei der Anwendung bei Kindern eine wichtige Rolle.

Die Eigenschaft €Geschmack€ sei auch nachprüfbar, weil sich die Ergebnisse der Geschmacksverkostung reproduzieren ließen. Die Umsetzung individueller Empfindungen bzw. individueller Eindrücke in eine numerische oder anderweitige Form sei im Übrigen ein in der Medizin gebräuchliches Verfahren, z.B. in der Schmerz- oder COPD-Therapie.

Mit Urteil vom 18.9.2007 hat das Landgericht, soweit für das Berufungsverfahren relevant, es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsmitteln verboten,

für das Präparat InfectoMycin mit dem Wirkstoff Erythromycin-Estolat mit folgenden Aussagen zu werben,

a) - c) ... (mit der Berufung nicht angegriffen)

d) €in einem Geschmackstest am 6./7. Mai 2005 haben in Freiburg 305 niedergelassene Kinderärzte verschiedene Makrolid-Säfte mit vergleichbarer Wirkstärke getestet. Auf Bewertungsbögen wurden sie nach den Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Nachgeschmack und Gesamteindruck mit Schulnoten beurteilt. ... InfectoMycin wurde als einziger Saft mit der Gesamtnote 1.9 beurteilt, während Klacid mit befriedigend (3.1), Zithromax und Clarithromycin sogar nur mit ausreichend (3.5 und 4.0) bewertet wurden.€;

und/oder

e) €INFECTOMYCIN wurde mit der Gesamtnote €sehr gut€ (1,5) beurteilt, während Azithromycin Hexal ® nur mit €ausreichend€ (4,3) und Clarithromycin Basics ® sogar nur mit €mangelhaft€ (4,8) bewertet wurden €.

wenn dies zu d) und e) geschieht wie in den Werbeblättern €405 niedergelassene Kinderärzte haben getestet: InfectoMycin Saft € eindeutig das bestschmeckende moderne Makrolid€ bzw. €Niedergelassene Kinderärzte haben `blind´ getestet: InfectoMycin Saft € eindeutig das bestschmeckende moderne Makrolid (Anlagen Ast 5, Ast 6).

Gegen diese Verbote zu I. d) und I. e) des Urteils, auf das Bezug genommen wird, wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.

Sie wiederholt und vertieft den Vortrag erster Instanz.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 18.09.2007 abzuändern und die einstweilige Urteilsverfügung des Landgerichts Hamburg vom 18.09.2007 zu Ziffer I. d) sowie zu Ziffer I. e) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend:

Die angegriffenen Werbungen gem. Anlage Ast 5 und Ast 6 enthielten irreführende Angaben, da von einer €gleichen Wirksamkeit€ nur bei gleicher Indikation die Rede sein könne, hier indes die Indikation € was unstreitig ist € jedenfalls im Hinblick auf Clarithromycin und Azithromycin abwichen. Diesen Gesichtspunkt habe die Antragstellerin auch schon zum ursprünglichen Antrag zu d) in der Antragschrift vorgetragen. Der Vergleich sei wegen der Indikations-Abweichung gar nicht zulässig und die Ärzte würden irregeführt, soweit ihnen durch den von der Antragsgegnerin vorgenommenen Vergleich die Indikationsvergleichbarkeit suggeriert werde.

Im Übrigen liege eine Irreführung € unabhängig von der mangelnden Indikationsvergleichbarkeit € auch darin begründet, dass die Antragsgegnerin die von ihr angegebenen angeblichen ärztlichen Bewertungen von angeblich einer großen Zahl von Ärzten mit keinem Wort belegt habe, jedoch insoweit allein die Glaubhaftmachungslast habe € weil die Daten nur ihr bekannt seien € und die Antragstellerin schon in der Antragschrift die Daten nicht unstreitig gestellt habe. Es werde bestritten, dass die von der Antragsgegnerin in den angegriffenen Werbungen angeführten Untersuchungen irgendwelchen allgemeinen Geschmackstest-Grundsätzen € wenn es denn solche geben sollte € genügt hätten. Die Antragsgegnerin sei glaubhaftmachungsbelastet, weil die Ergebnisse allein aus ihrem unternehmensinternen Bereich stammten.

Sie, die Antragstellerin, habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch einmal deutlich gemacht, dass sie nicht nur € aber eben auch € die mangelnde Nachprüfbarkeit der Einzel-Geschmacksdaten angreife. Da diese nicht nachprüfbar seien und der Antragstellerin auch nicht bekannt seien, würden diese mit Nichtwissen bestritten. Gleichwohl habe die Antragsgegnerin zu den Einzel-Geschmacksdaten, die in der streitgegenständlichen Werbung zusammengefasst seien, weder in der mündlichen Verhandlung noch in der Berufungsbegründung etwas Nachprüfbares vorgetragen.

Die angegriffenen Werbungen verstießen letztlich auch gegen § 6 HWG, da diese nicht die dort verlangten Mindestangaben enthielten.

Es fehle ferner an einer Eigenschaft i.S. des § 6 UWG, da es um bloßen Geschmack gehe. Stehe das bloße geschmackliche Empfinden im Vordergrund, könnten auch Ärzte nicht auf spezifische Fachkenntnisse oder besondere Kompetenz zurückgreifen. Es fehle ferner an der erforderlichen Objektivität und Nachprüfbarkeit. Denn es handele sich bei der angegriffenen Werbung um lediglich subjektive, nicht nachprüfbare Bewertungen der Geschmacksrichtung. Geschmäcker könnten nicht objektiv verglichen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.

I.

Für die in den Anträgen zu I. d) und I. e) ausgesprochenen Verbote der dort wiedergegebenen Äußerungen fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

1. Die angegriffenen Äußerungen verstoßen nicht gegen § 6 II Nr. 2 UWG. Danach handelt unlauter i.S. von § 3 UWG, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften bezogen ist.

Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, die angegriffene Werbung enthalte als Wertung über besseren oder nicht vorzugswürdigen Geschmack eine subjektive, nicht nachprüfbare Wertung.

a) Die Eigenschaft der Nachprüfbarkeit soll es ermöglichen, den Vergleich auf seine sachliche Berechtigung zu überprüfen. Da eine solche Überprüfung nur bei Tatsachenbehauptungen möglich ist, kommt es auf die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil an. Der Vergleich muss Tatsachenbehauptungen und darf nicht bloße Werturteile zum Gegenstand haben, so dass rein subjektive Werturteile nach dem Muster €A ist schöner als B€, €S ist genauso gut wie T€ oder auch €X schmeckt besser als Y€ objektiv nicht nachprüfbar und somit unzulässig sind (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 6 Rn. 59).

b) Bei den in den noch in der Berufungsinstanz streitgegenständlichen Verboten gem. Ziff. d) und e) wiedergegebenen Äußerungen handelt es sich nicht um subjektive Wertungen. Angegriffen sind insoweit nicht die ebenfalls in den Werbeblättern enthaltenen Aussagen der Antragsgegnerin wie €eindeutig das bestschmeckende moderne Makrolid€ oder €besser im Geschmack€ oder €überlegen im Geschmack€. Diese in der Tat eigenen Bewertungen der Antragsgegnerin sind bereits Gegenstand der vorprozessual abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung gemäß Anlage Ast 16 (vgl. dort Ziff. 2, 5, 6). Angegriffen sind vorliegend vielmehr werbliche Aussagen, die keine eigene Bewertung des Geschmacks der Wettbewerbsprodukte beinhalten, sondern Ergebnisse aus zuvor tatsächlich durchgeführten Geschmackstests darstellen, und zwar jeweils unter tabellarischer Angabe verschiedener Testkriterien und den insoweit von den verschiedenen getesteten Arzneimitteln im Einzelnen erreichten Wertungen. Nach dem klaren Wortsinn der angegriffenen Äußerungen sowie nach dem durch die Bezugnahme der Anträge auf den konkreten Verletzungsfall maßgebenden Äußerungskontext haben diese die Behauptung zum Inhalt, dass die durchgeführten Geschmackstests ein bestimmtes, nämlich das in den angegriffenen Äußerungen wiedergegebene Ergebnis gehabt haben. Es wird also nicht die Wertung €schmeckt besser€ angegriffen, sondern Ergebnisse von Tests referiert, bei denen Testpersonen u.a. die Wertung getroffen haben, €was besser schmeckt€. Die Frage, ob die Tests das geäußerte Ergebnis gehabt haben, ist aber eine Tatsachenbehauptung (vgl. auch Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 6 Rn. 60). Denn ihr Wahrheitsgehalt kann durch einen Blick in die Testunterlagen und € wenn erforderlich € durch Einvernahme der testenden und auswertenden Personen als Zeugen im Rahmen einer Beweisaufnahme überprüft werden.

c) Soweit sich die Antragsgegnerin in den Werbeblättern gem. Ast 5 und Ast 6 diese Testergebnisse auch werbend zu eigen gemacht hat, sind diese zu Eigen machenden Äußerungen aber € wie dargelegt € nicht Gegenstand der hier maßgebenden Anträge, sondern Gegenstand der vorprozessualen Unterlassungsverpflichtungserklärung. Die Anträge betreffen allein die Wiedergabe von Testergebnissen. Der Wahrheitsgehalt der Aussagen kann durch einen Blick in die Testergebnisse selbst festgestellt werden.

d) Auch aus teleologischen Erwägungen ist für die Frage der Nachprüfbarkeit einer Werbung mit Produkteigenschaften, die eine subjektive Bewertung erforderlich machen, zwischen der Werbung mit einer Bewertung des Werbenden selbst und der Werbung mit den Ergebnissen von Tests zu unterscheiden, welche die von Dritten vorgenommene Bewertung der Produkteigenschaft zum Gegenstand haben.

Mit dem Erfordernis, dass sich ein Vergleich auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der Ware beziehen muss, ist vor allem der Schutz vor Irreführung und die Gewährleistung nützlicher Informationen bezweckt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 26. Aufl. 2008, § 6 Rn. 56). Während die subjektive Einschätzung des Werbenden regelmäßig keinerlei nützliche Information für den Verkehr enthält, kann die Einschätzung einer Gruppe unbeteiligter Dritter, die derart ausgewählt und befragt wurden, dass sich statistisch und demoskopisch belastbare Resultate ergeben haben, durchaus eine nützliche Information für den Verkehr ergeben. Durch die Durchführung solcher Tests kann sich nämlich durch die Beachtung anerkannter demoskopischer und statistischer Standards eine Objektivierung der an sich auf einer subjektiven Bewertung jedes einzelnen Befragten beruhenden Einschätzung der Produkteigenschaft ergeben.

Nicht anders verhält es sich hier: Für die angesprochenen Ärzte ist es sicherlich keine nützliche Information, wenn die Antragsgegnerin selbst ihren Antibiotika-Saft als besser schmeckend als die Konkurrenzprodukte anpreist. Die Ergebnisse eines Geschmackstests mit 405 bzw. 305 niedergelassenen Kinderärzten können dagegen durchaus eine nützliche Information für den angesprochenen Arzt sein. Denn eine lege artis durchgeführte Befragung einer größeren Probandenmenge bietet ein statistisch und demoskopisch belastbares Ergebnis, das Relevanz für die Verordnungsentscheidung des Arztes haben kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Tests von subjektiven Befindlichkeiten von Patienten nach Art der vorliegenden Tests in der Medizinstatistik allgemein anerkannt sind, was vorliegend, wie noch dargelegt werden wird, der Fall ist. Ob ein solcher Geschmackstext oder eine Patientenbefragung demoskopisch sachgerecht durchgeführt wurde und statistisch belastbare Ergebnisse erbracht hat, ist keine Frage der Nachprüfbarkeit i.S. des § 6 II Nr. 2 UWG, sondern kann ggf. unter dem Gesichtspunkt der Irreführung über die Validität der in Bezug genommenen Testergebnisse relevant werden.

e) Der vorliegende Fall liegt anders als derjenige, welcher dem Senatsurteil vom 20.4.2006 zugrundelag (3 U 163/05, MD 2007, 478-483, Pharma Recht 2007, 201-204). Dort ging es um die Darstellung der Ergebnisse einer Patientenbefragung, und zwar auf die Frage, welches Inhalationsgerät die Patienten bevorzugen würden. Der Senat hat eine Nachprüfbarkeit insoweit mit dem Argument verneint, dass die Frage, welches Gerät ein Patient bevorzugt, das Ergebnis einer individuellen Einschätzung sei, die auf verschiedenen Ursachen beruhen könne und deshalb eine aussagekräftige Information über objektive Charakteristika der verglichenen Produkte nicht gegeben werde.

Vorliegend ist aber der Gegenstand des Tests, dessen Ergebnisse wiedergegeben werden, eine konkret definierte Produkteigenschaft, nämlich der Geschmack der Antibiotika-Säfte. Die Antragsgegnerin hat umfassend die Wichtigkeit des Geschmacks als wesentlicher Gesichtspunkt der Compliance gerade beim Einsatz von Antibiotika-Säften bei Kindern vorgetragen und glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat dies nicht substantiiert bestritten. Weiter hat die Antragsgegnerin vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass Tests von subjektiven Befindlichkeiten von Patienten nach Art der vorliegenden Tests in der Medizinstatistik allgemein anerkannt sind (z.B. in der Schmerztherapie). Auch dies hat die Antragstellerin nicht substantiiert bestritten.

f) Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass es vorliegend keiner Entscheidung bedarf, ob eine Werbung mit den Ergebnissen von demoskopisch durchgeführten Geschmackstest generell, also z.B. auch für Nahrungs- und Genussmittel, den Erfordernissen der Nachprüfbarkeit i.S. des § 6 II Nr. 2 UWG genügt. Diese Frage wird von den Umständen des Einzelfalles abhängen.

2. Auch die übrigen Voraussetzungen einer zulässigen vergleichenden Werbung sind erfüllt. Wie dargelegt handelt es sich bei dem Geschmack der Antibiotika-Säfte um eine für die Compliance insbesondere für die Anwendung bei Kindern relevante Eigenschaft. An der Objektivität und Nachprüfbarkeit der Mitteilung der Testergebnisse bestehen also auch von daher keine Zweifel.

3. Soweit die Antragstellerin in der Berufungserwiderung geltend macht, die Nachprüfbarkeit der Einzel-Geschmacksdaten, also der Testergebnisse sei ebenfalls nicht gegeben, muss dem im vorliegenden Verfügungsverfahren nicht nachgegangen werden. Denn damit wird in gem. § 533 ZPO unzulässiger Weise im Berufungsverfahren ein neuer Streitgegenstand eingeführt, es fehlt insoweit zudem die Dringlichkeit. Im Übrigen genügt insoweit ein Bestreiten mit Nichtwissen der darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Antragstellerin nicht.

4. Ebenfalls ein neuer, nicht mehr dringlicher Streitgegenstand ist die Behauptung, die angegriffenen Werbungen gemäß Anlage Ast 5 und Ast 6 enthielten irreführende Angaben, da von einer €gleichen Wirksamkeit€ nur bei gleicher Indikation die Rede sein könne, hier indes die Indikationen € was unstreitig ist € jedenfalls im Hinblick auf Clarithromycin und Azithromycin abwichen.

Diese Begründung wird in Bezug auf die hier maßgebenden Anträge erstmals in der Berufungserwiderung gebracht. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dies auch schon zum ursprünglichen Antrag zu d) in der Antragschrift vorgetragen zu haben, ist dies unerheblich. Denn sie hat den Antrag zu d) gar nicht gestellt. Zudem hat sie die hier maßgebenden Anträge zu e) und f) ausdrücklich mit einer anderen Begründung angegriffen (vgl. Bl. 8, 9 der Antragschrift) und damit den Klagegrund dieser Anträge abweichend von dem des angekündigten und dann nicht gestellten Antrags zu d) bestimmt.

5. Soweit die Antragstellerin in der Berufungsinstanz eine Irreführung € unabhängig von der mangelnden Vergleichbarkeit der Indikationen € auch darin begründet sieht, dass die Antragsgegnerin die von ihr angegebenen angeblichen ärztlichen Bewertungen von angeblich einer großen Zahl von Ärzten mit keinem Wort belegt habe, und bestreitet, dass die von der Antragsgegnerin in den angegriffenen Werbungen angeführten Untersuchungen irgendwelche allgemeinen Geschmackstest-Grundsätze € wenn es denn solche geben sollte € genügt hätten, ist dies ebenfalls verspätet, nicht dringlich und erfolgt im Übrigen ins Blaue hinein. Die im Grundsatz darlegungs- und beweisbelastete Antragstellerin kann nicht pauschal bestreiten, sondern muss jedenfalls Anhaltspunkte darlegen, die Zweifel an der Validität der Testergebnisse begründen.

Die Antragstellerin hat zudem keine konkrete Fehlvorstellung der angesprochenen Ärzte darlegt. Dies ist für den Vortrag einer Irreführung aber notwendig. Denn ein bestimmtes Vorbringen, mit dem der Vorwurf einer irreführenden Werbung begründet werden soll, ist nicht nur durch den Antrag, sondern auch durch den dazugehörigen Lebenssachverhalt bestimmt. Eine irreführende Werbung ist danach - ungeachtet der Schlüssigkeit - nur dann Gegenstand des Streits, wenn der Kläger hinsichtlich einer bestimmten Werbeaussage vorträgt, dass die angesprochenen Verkehrskreise dieser Werbung eine Tatsachenbehauptung entnehmen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2007, 161, 162 - dentalästhetika II). Daran fehlt es hier.

6. Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.9.2007 geltend gemacht hat, sie sei der Auffassung, dass die Eigenschaft des Geschmacks bei dem fraglichen Präparat als zu deutlich betont herausgestellt wird, fehlt es zum einen an der Dringlichkeit, zum anderen an einem hinreichend konkreten Vortrag einer Fehlvorstellung des angesprochenen Verkehrs.

7. Ebenfalls ein neuer € nicht dringlicher € Streitgegenstand ist schließlich der erstmals in der Berufungsinstanz gebrachte Angriff eines Verstoßes gegen § 6 HWG. Auch diesem Gesichtspunkt muss deshalb im vorliegenden Verfügungsverfahren nicht nachgegangen werden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.






OLG Hamburg:
Urteil v. 02.10.2008
Az: 3 U 8/08


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