Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 21/01

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2002, Az.: 14 W (pat) 21/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Dezember 2000 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 43 37 573 mit der Bezeichnung Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methodenwiderrufen.

Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 10 vom 11. Februar 1997 zugrunde von denen der Patentanspruch 1 wie folgt lautet:

Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methoden, wobei - ausgehend von Cryopräzipitat oder Blutplasma - gegebenenfalls gefolgt von einer Behandlung mit Aluminiumhydroxid, nach Auflösung des Cryopräzipitats mindestens eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie durchgeführt wird, wobei die Virusinaktivierung vor oder nach der chromatographischen Reinigung erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass eine Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid erfolgt, gefolgt von einer Chromatographie an Materialien, die eine hohe Affinität für Faktor VIII aufweisen, einer Anionenaustauscherchromatographie und/oder einer hydrophoben Wechselwirkungschromatographie, wobei die chromatographischen Schritte mit kompakten Disks oder Membranen aus modifizierter Cellulose oder Kunststofffaser, ausgenommen aus Nylon und Polyvinyl, durchgeführt werden, ausgenommen Affinitätsmembransysteme, die aus Hohlfasern aufgebaut sind.

Wegen der Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Akte verwiesen.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 vom 11. Februar 1997 sei gegenüber dem Dokument

(D1) EP 0 286 323 A2 nicht neu.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 4 weiter, die wie folgt lauten:

1. Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methoden, wobei - ausgehend von Cryopräzipitat oder Blutplasma - gegebenenfalls gefolgt von einer Behandlung mit Aluminiumhydroxid, nach Auflösung des Cryopräzipitats mindestens eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie durchgeführt wird, wobei die Virusinaktivierung vor der chromatographischen Reinigung erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass eine Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid erfolgt, gefolgt von einer Chromatographie an kompakten Disks oder Membranen aus porösen Polyglycidylmethacrylaten und/oder aus anderen porösen hydrophilen Polymeren mit ähnlicher Struktur, wie auch hydrophilisiertem Polystyrol, die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sind.

2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die zu reinigende Probe in einem wässrigen System geringer Ionenstärke entsprechend 0 bis 150 mM Natriumchlorid auf die Ionenaustauschermaterial enthaltende Membran aufgetragen, mit einem wässrigen System höherer Ionenstärke entsprechend 200 bis 400 mM Natriumchloridlösung gegebenenfalls gewaschen und danach mit einem wässrigen System hoher Ionenstärke entsprechend 500 bis 1500 mM Natriumchloridlösung eluiert wird, wobei ein pH-Wert von 4 bis 9 eingehalten wird.

3. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 und/oder 2, wobei die eluierte Faktor VIII enthaltende Fraktion konzentriert, abgefüllt und/oder Iyophilisiert wird.

4. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei die Virusinaktivierung durch Behandlung mit bis zu 15 Gew.-% Detergens erfolgt.

Die Patentinhaberin trägt im wesentlichen vor, dass der Gegenstand der nunmehr gültigen Patentansprüche 1 bis 4 gegenüber der Entgegenhaltung (D1) sowie gegenüber den weiteren von der Einsprechenden genannten Dokumenten

(D1a) Schreiben von Pharmacia/Biotech vom 14. August 1995 betreffend Produktinformationen zu "QAE-ZetaPrep 800 cartidge" von LKB,

(D2) WO 90/05018 A1,

(D3) CUNO Life Sciences Division, "ZetaPrep Ion Exchange Chromatography" / Produktinformationsblatt, veröffentlicht Nov 1987,

(D4) D. Josi et al., "Highperformance membrane chromatography of serum and plasma membrane proteins", J. Chrom., 590 (1992) Seiten 59 bis 76,

(D5) EP 0 173 242 A2 und den mit einer Zwischenverfügung durch den Senat in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen

(D6) EP 0 303 064 A2,

(D7) EP 0 233 620 A2,

(D8) EP 0 567 448 A1,

(D9) WO 90/05140 A1,

(D10) US 4 774 323 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften gebe allein oder in Kombination mit einer anderen Entgegenhaltung einen Hinweis, dass ein Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methoden dadurch optimiert werden könne, dass - ausgehend von Cryopräzipitat oder Blutplasma - mindestens eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie durchgeführt werde, wobei eine Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid erfolge, die gefolgt werde von einer Chromatographie an kompakten Disks oder Membranen aus porösen Polyglycidylmethacrylaten und/oder aus anderen porösen hydrophilen Polymeren mit ähnlicher Struktur, wie auch hydrophilisiertem Polystyrol, die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert seien.

Die von der Patentabteilung angezogene Druckschrift (D1) betreffe ein Verfahren zur Reinigung von Faktor VIII aus einer komplexen wässrigen Mischung, bei dem in einem Schritt (a) gemäß Patentanspruch 1 zunächst ein Antikörper gegen Faktor VIII erzeugt werde, aufgereinigt werde, auf einer Säule immobilisiert werde und anschließend eine Immunaffinitätschromatographie durchgeführt werde, bei der Faktor VIII an die Säule binde. Danach werde der gebundene Faktor VIII eluiert und in einem zweiten Chromatographieschritt nachgereinigt, wobei hydrophile Wechselwirkungen ausgenützt würden. Der zentrale Schritt dieses Verfahrens sei somit die Immunaffinitätschromatographie, die zwar ein sehr spezifisches, aber andererseits auch ein in hohem Maße aufwendiges und störanfälliges Verfahren sei. Dass das Verfahren nach (D1) kompliziert sei, könne dem Beispiel 1 von (D1) entnommen werden. Derartig störanfällige Schritte seien bei Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens nicht erforderlich. Damit habe es bei Kenntnis der Lehre von (D1) nicht nahegelegen, das bekannte Verfahren so zu modifizieren, dass die erfindungsgemäße Lehre entstehe.

Den Einsatz der aus Entgegenhaltung (D4) bekannten kompakten Disks aus porösen Polyglycidylmethacrylaten würde ein Fachmann für die Reinigung von Faktor VIII nicht in Betracht ziehen, weil in der Druckschrift (D4) nur Serum und Plasmamembranproteine aufgetrennt würden. Diese Ausgangsmaterialien seien aber mit dem patentgemäß verwendeten Cryopräzipitat oder Blutplasma nicht vergleichbar, weil einerseits Serum die gerinnbaren Bestandteile des Plasmas nicht mehr enthalte und andererseits Plasmamembranproteine grundsätzlich von Gerinnungsfaktoren verschieden seien. Damit könne der Fachmann selbst bei einer Zusammenschau der Dokumente (D1) und (D4) nicht zur nunmehr beanspruchten Abfolge der Verfahrensmaßnahmen gelangen.

Das patentgemäße Verfahren sei auch neu und erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik aus jeder der Entgegenhaltungen (D2) bis (D10) allein oder in Kombination. Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik könnten dem Vergleichsversuch vom 20. Dezember 2001 entnommen werden.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 und der Beschreibung Spalten 1 bis 4, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2002 beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende macht geltend, dass die Maßnahmen gemäß Patentanspruch 1 bereits im Hinblick auf die Dokumente (D1) und (D4) für den Fachmann naheliegend seien. Insbesondere liege es aber im Bereich des Wissens und Könnens eines Durchschnittsfachmanns, das aus Entgegenhaltung (D8) oder (D9) bekannte Verfahren zur Herstellung eines hochreinen, nichtinfektiösen Faktor VIII dahingehend zu modifizieren, dass als Anionenaustauscher die aus Dokument (D4) bekannten kompakten Disks aus porösen Polyglycidylmethacrylaten eingesetzt werden. Patentanspruch 1 beruhe daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (§ 73 PatG); sie ist jedoch unbegründet.

Formale Mängel bezüglich der gültigen Patentansprüche 1 bis 4 wurden von der Einsprechenden nicht geltend gemacht. Eine Überprüfung durch den Senat kann bei der gegebenen Sachlage dahingestellt bleiben.

Das Verfahren gemäß den geltenden Patentansprüchen ist unstreitig neu, da es in keiner der Entgegenhaltungen (D1) bis (D10) in allen Einzelheiten beschrieben wird. Das nunmehr beanspruchte Verfahren beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde (s geltende Unterlagen Sp 1 Z 50 bis 54), ein Verfahren bereitzustellen, das ausgehend vom Stand der Technik eine verbesserte Herstellung des Faktors VIII hinsichtlich der Ausbeute und biologischer Aktivität ermöglicht.

Nach dem geltenden Patentanspruch 1 wird diese Aufgabe gelöst durch ein

(a) Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methoden, wobei

(b) ausgehend von Cryopräzipitat oder Blutplasma

(c) gegebenenfalls gefolgt von einer Behandlung mit Aluminiumhydroxid,

(d) nach Auflösung des Cryopräzipitats

(e) mindestens eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie durchgeführt wird,

(f) wobei die Virusinaktivierung vor der chromatographischen Reinigung erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass

(g) eine Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid erfolgt,

(h) gefolgt von einer Chromatographie an kompakten Disks oder Membranen aus porösen Polyglycidylmethacrylaten und/oder aus anderen porösen hydrophilen Polymeren mit ähnlicher Struktur, wie auch hydrophilisiertem Polystyrol, die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sind.

Der für die Lösung dieser Aufgabe zuständige Durchschnittsfachmann ist als (Bio)-Chemiker oder Chemieingenieur ausgebildet und besitzt Erfahrungen auf dem Gebiet der industriellen Reinigung von Blutproteinen.

Entgegenhaltung (D1) stellt nach Ansicht der Patentinhaberin den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese europäische Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Aufreinigung von Polypeptiden, wie Faktor VIII, aus komplexen wässrigen Mischungen mittels chromatographischer Methoden, wobei im Zuge des Verfahrens auch Viren inaktiviert werden sollen (s zB (D1) S 3 Z 29 bis 44 iVm Patentanspruch 5 und vgl mit Merkmal (a) des gültigen Patentanspruchs 1). Gemäß Patentanspruch 6 der Druckschrift (D1) wird als Polypeptidgemisch Blutplasma eingesetzt (vgl mit Merkmal (b)). In Beispiel 2 oder Beispiel 4 der Druckschrift (D1) wird aufgelöstes Cryopräzipitat verwendet (vgl mit den Merkmalen (b) und (d) des gültigen Patentanspruchs 1). Beispiel 2 beschreibt eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie (QAE-ZetaPrep 800; siehe auch Entgegenhaltung (D1a) und vgl mit Merkmal (e) des gültigen Patentanspruchs 1). Gemäß Seite 6, Zeilen 56 bis 58 der Entgegenhaltung (D1) ist für die Reinigung an einer Affinitätsmatrix (s (D1) Patentanspruch 1 c) ua eine übliche Disk geeignet. Diese Affinitätsmatrix kann nach den Patentansprüchen 20 bis 22 zB mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sein. Eine Virusinaktivierung kann in jeder Stufe des Verfahrens, also auch vor der chromatographischen Reinigung an einer mit Ionenaustauschergruppen modifizierten Matrix, durchgeführt werden (s zB S 3, Z 49 und 50 iVm Patentanspruch 37 und vgl mit Merkmal (f) des gültigen Patentanspruchs 1). Die Virusinaktivierung erfolgt mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid (s zB S 5, Z 4 bis 24 iVm den Patentansprüchen 30 bis 36 und vgl mit Merkmal (g) des gültigen Patentanspruchs 1). Der Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid folgt nach Anspruch 37 der Druckschrift (D1) eine Immunaffinitätschromatographie oder eine Affinitätschromatographie. In dem aus Druckschrift (D1) bekannten Verfahrensablauf kann eine Anionenaustauscherchromatographie vor oder nach der Immunaffinitätschromatographie eingeschoben werden (s zB (D1) Ansprüche 38, 22 iVm Seite 8 Zeilen 15 bis 17). Entgegenhaltung (D1) erwähnt jedoch nicht, dass die Affinitätsmembranchromatographie an kompakten Disks aus porösen Polyglycidylmethacrylaten, die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sind, durchgeführt wird (Merkmal (h)). Das fakultative Merkmal (c) des gültigen Patentanspruchs 1 kann zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit keinen Beitrag leisten.

Nach Entgegenhaltung (D4) können Serum und Plasmamembranproteine mit Hilfe von porösen kompakten scheibenförmigen Membranen (HPMC) aufgetrennt werden, die aus Polyglycidylmethacrylat bestehen und die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sind (siehe Abstract). Die Vorteile der Anionenaustausch- und Affinitäts-HPMC gegenüber der üblichen HPLC (high pressure liquid chromatography) werden in dieser Entgegenhaltung aufgezeigt. Die Ergebnisse der HPMC sollen denen einer Reinigung an HPLC-Säulen vergleichbar sein. Die Auftrennung erfolgt jedoch schneller als bei den herkömmlichen HPLC-Verfahren. Nichtionische Tenside, die zB zur Virusinaktivierung zugesetzt werden, stören die Proteinreinigung an diesen Materialien nicht (s (D4) S 67 re Sp Z 2 v u bis S 68 li Sp Z 1 oder S 75 re Sp Z 4 bis 2 v u). Zusammenfassend wird im Abstract von Druckschrift (D4) festgestellt, dass die Chromatographie an kompakten Disks aus porösen Polyglycidylmethacrylaten insbesondere für die Isolation von Proteinen und anderen Biopolymeren, die in verdünnten komplexen Mischungen vorliegen, geeignet ist.

Obwohl in Entgegenhaltung (D4) die Aufreinigung von Faktor VIII nicht ausdrücklich genannt wird, erhält der hier zuständige Fachmann beim Studium dieser Druckschrift die Anregung eine Chromatographie an kompakten Disks oder Membranen aus porösen Polyglycidylmethacrylaten zumindest versuchsweise auch zur Trennung von anderen Proteinen, zB von Gerinnungsfaktoren, einzusetzen. Er konnte hierbei durchaus erwarten, dass diese Materialien eine geeignete Affinitätsmatrix für den in Entgegenhaltung (D1) auf Seite 6, Zeilen 56 bis 58 erwähnten Verfahrensschritt sind und dass durch die bei der Virusinaktivierung verwendeten Chemikalien keine Schwierigkeiten auftreten sollten. Bei einer Zusammenschau der Dokumente (D1) und (D4) ist es somit naheliegend, ein Verfahren zur Herstellung einer virusinaktivierten Faktor VIII enthaltenden Fraktion mittels chromatographischer Methoden dadurch zu modifizieren, dass - ausgehend von Cryopräzipitat oder Blutplasma - gegebenenfalls gefolgt von einer Behandlung mit Aluminiumhydroxid, nach Auflösung des Cryopräzipitats mindestens eine Trennungsoperation mittels Membranchromatographie durchgeführt wird, wobei die Virusinaktivierung mittels Behandlung mit Di- oder Trialkylphosphaten und einem nichtionischen Tensid vor der chromatographischen Reinigung erfolgt und wobei dieser Virusinaktivierung eine Chromatographie an kompakten Disks oder Membranen aus porösen Polyglycidylmethacrylaten und/oder aus anderen porösen hydrophilen Polymeren mit ähnlicher Struktur, wie auch hydrophilisiertem Polystyrol, die mit Ionenaustauschergruppen modifiziert sind, folgt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil den Verfahrensschritten nach Patentanspruch 1 durchaus noch weitere chromatographische Trennungsoperationen - zB auch eine Immunaffinitätschromatographie - vor- oder nachgeschaltet sein können. Eine die Patentfähigkeit begründende Vorgehensweise kann daher in der Aneinanderreihung der genannten Virusinaktivierung und der Anionenenaustauscherchromatographie unter Verwendung der in Rede stehenden Disks nicht gesehen werden.

Zur gleichen Beurteilung des Patentgegenstandes führt eine Zusammenschau der Entgegenhaltung (D8) oder (D9) mit der Entgegenhaltung (D4). Die europäische Patentanmeldung (D8) betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer hochgereinigten, virussicheren Faktor VIII Präparation. Bei diesem Verfahren wird vor der chromatographischen Reinigung eine Tensidbehandlung zur Virusinaktivierung vorgenommen (s (D8) Patentanspruch 2). Für die Chromatographie wird gemäß Patentanspruch 6 ein Anionenaustauscher auf Acrylatbasis verwendet. In Druckschrift (D9) wird ein Verfahren zur Herstellung eines hochreinen, nicht infektiösen Antihämophiliefaktors (Faktor VIII) aus Blutplasma beschrieben. Nach einer Virusbefreiung durch Behandlung mit Tensid und Trin-Butylphosphat wird die an Faktor VIII angereicherte Fraktion einer Gelpermeationschromatographie mit Ionenaustauschermaterialien unterworfen (vgl (D9) Patentansprüche 1 und 2 iVm S 4 Abs 1). Dass der chromatographische Reinigungsschritt an Ionenaustauschermaterialien auch mit den aus Druckschrift (D4) bekannten porösen kompakten scheibenförmigen Membranen, die aus Polyglycidylmethacrylat bestehen, durchgeführt werden kann, ist - wie oben dargelegt - für den hier zuständigen Fachmann naheliegend. Er konnte im Hinblick auf die Aussagen in Dokument (D4) davon ausgehen, dass bei einer Chromatographie an kompakten Disks aus porösen Polyglycidylmethacrylaten erheblich schneller wenigstens vergleichbare Reinigungsergebnisse erzielt werden können wie bei einer herkömmlichen Chromatographie an Ionenaustauschersäulen.

Die Ergebnisse des mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 eingereichten Vergleichsversuchs können zu keiner anderen Bewertung des Patentgegenstandes führen, weil der Fachmann im Hinblick auf den Stand der Technik durchaus die nachgewiesenen Vorteile erwarten konnte.

Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Die Patentansprüche 2 bis 4 müssen mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 1 fallen, da über den Antrag der Patentinhaberin nur insgesamt entschieden werden kann.

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BPatG:
Beschluss v. 01.03.2002
Az: 14 W (pat) 21/01


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