Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 8. Dezember 1998
Aktenzeichen: 4 U 187/98

(OLG Hamm: Urteil v. 08.12.1998, Az.: 4 U 187/98)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Juli 1998 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungs-geldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ord-nungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu voll-strecken an ihrem Vorstand, zu unterlassen, im geschäft-lichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Rundschreiben betref-fend Krankenpflegeartikel an die Versicherten zu übersen-den, die - wie das Rundschreiben vom 12.01.1998 Anlage K 1 zur Klageschrift - die folgenden Aussagen zugunsten des Angebotes eines Unternehmens enthalten:

"Im Interesse der Versichertengemeinschaft müssen wir stets darum bemüht sein, Lieferanten zu finden, die unter Beachtung der erforderlichen Qualität diese Produkte kostengünstig anbieten können. Nach Prüfung verschiedener Angebote bieten wir Ihnen an, die Versorgung von der

Firma ........

sicherzustellen, die Sie mit den notwendigen, ärztlich verordneten Krankenpflegeartikeln ausstatten wird. Sie würden die benötigten Artikel dann nach Bedarf frei Haus zugestellt bekommen.

Wenn wir die Firma ..... mit der Lieferung an Sie beauf-tragen sollten, benötigen wir aus datenschutzrechtlichen Gründen Ihr Einverständnis zur Weitergabe Ihrer Persona-lien (Name, Anschrift und Telefonnummer). Wir bitten Sie deshalb, die beigefügte Einverständniserklärung unter-schrieben an uns zurückzusenden. Die genannte Firma wird sich sodann mit Ihnen in Verbindung setzen, um Einzelhei-ten abzusprechen und den Bedarf abzufragen. Selbstver-ständlich können Sie die Krankenpflegeartikel auch bei einer Apotheke oder einem Sanitätshaus Ihres Vertrauens beziehen. In diesem Fall bitten wir Sie zu veranlassen, daß uns von diesem Lieferanten ein Angebot zugesandt wird, damit wir die Preise prüfen können."

Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auf-erlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Beklagte mit 20.000,00 DM (zugleich Streitwert für das Berufungsverfahren).

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung der Klägerin, mit der sie sich gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage wendet, die das Landgericht darin gesehen hat, daß es die beiden letzten Sätze des beanstandeten Rundschreibens der Beklagten vom 12. Januar 1998 (bewußt) aus dem begehrten Verbot ausgenommen hat, ist zulässig. Soweit auch der zweite Satz dieses Schreibens nicht in den Verbotstenor aufgenommen worden ist, handelt es sich ersichtlich um ein Versehen des Landgerichts, das diesen Satz (fehlerhaft) bereits bei der Wiedergabe der Anträge nicht aufgeführt hat. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten durch das angefochtene Urteil beschwert, selbst wenn das Landgericht in sachlicher Hinsicht ihrem Begehren entsprochen haben sollte. Maßgebend für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist nämlich die sog. formelle Beschwer (vgl. BGH NJW 1991, 703, 704), die regelmäßig darin besteht, daß das Urteil in nachteiliger Form von den gestellten Anträgen abweicht. Das ist vorliegend der Fall, wie dadurch noch verdeutlicht wird, daß das Landgericht die Klage teilweise abgewiesen hat (vgl. dazu BGH NJW 1993, 2052 ff. m.w.N.).

Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg, da das Landgericht letztlich den Umfang ihres Unterlassungsbegehrens verkannt hat. Zwar kann die Formulierung im Klageantrag - "Rundschreiben ... zu übersenden, die ... die folgenden Aussagen enthalten" - gewisse Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Klägerin das besagte Schreiben als Einheit oder jede einzelne Aussage in ihm hat beanstanden wollen. Letztlich zeigen aber die Ausführungen in der Klagebegründung, daß allein das Schreiben in seiner Gesamtheit als konkrete Verletzungsform Gegenstand des angestrebten Verbots ist, da dort nur auf das Schreiben insgesamt abgestellt wird. Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht zu Unrecht zu einer teilweisen Klageabweisung hinsichtlich der beiden letzten Sätze in dem beanstandeten Anschreiben gelangt, da sie Teil der zu Recht beanstandeten konkreten Verletzungshandlung sind.

Die Beklagte verstößt nämlich mit dem angegriffenen Rundschreiben gegen § 1 UWG, da sie mit ihm einseitig zugunsten eines Anbieters in den Wettbewerb unter den Anbietern von Inkontinenzartikeln eingegriffen hat. Somit erweist sich auch ihre (unselbständige) Anschlußberufung, mit der sie die Abweisung der Klage insgesamt anstrebt, als unbegründet.

Die Beklagte handelt zu Zwecken des Wettbewerbs, da sie zumindest auch den Wettbewerb des angeführten Anbieters fördert. Es handelt sich nämlich nicht um eine unparteiische Information über die Preis- und Leistungsgestaltung von Anbietern von Inkontinenzartikeln, sondern um einen gezielten Hinweis auf die Möglichkeit, durch einen namentlich aufgeführten Anbieter mit Hilfe der Beklagten "frei Haus" beliefert werden zu können. Ein solcher Hinweis dient aber nicht dem Herstellen von Markttransparenz (vgl. OLG Frankfurt WRP 1997, 1205 f. - Empfehlung der Krankenkasse), sondern ist nichts anderes als das Fördern fremden Wettbewerbs zum Nachteil von Mitbewerbern. Dabei braucht diese Absicht nicht der einzige Beweggrund des Handelns zu sein. Sie tritt aber wegen der Einseitigkeit des Hinweises auch nicht völlig hinter den Wunsch des Beklagten nach Kostenersparnis zurück (vgl. dazu statt aller Köhler/Piper, UWG, Einführung Rdn. 167 m.w.N.).

Das Vorgehen der Beklagten wird nicht durch § 127 Abs. 3 SGB V gerechtfertigt, wonach die Krankenkassen selbst Preisvergleiche durchführen und die Versicherten und Ärzte über preisgünstige Versorgungsmöglichkeiten informieren dürfen. Dabei soll für die Versicherten die notwendige Markttransparenz geschaffen werden. Dazu ist es aber erforderlich, die Information objektiv, sachgerecht und ohne einseitig werbende Anpreisung zu erteilen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O., 1206).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beklagte mit ihrem Rundschreiben nicht. Zu einer objektiven und sachgerechten Information gehört es nicht, daß die Beklagte sich als Vermittlerin bei dem Vertragsabschluß anbietet und dazu die Personalien des Versicherungsnehmers an den einzigen Anbieter weiterleiten will. Erst recht fällt nicht der werbende Hinweis darunter, dieser alleinige Anbieter werde die benötigten Artikel direkt "frei Haus" liefern. Insbesondere mit dem letzten Hinweis wird eine "bequeme" Versorgung des Versicherungsnehmers in den Vordergrund gerückt, die mit Fragen der Kostengünstigkeit nichts mehr zu tun hat, sondern allein werbenden Charakter im Hinblick auf den alleinigen Anbieter haben soll.

Vor dem Hintergrund dieses eindeutig werbenden Inhalts des Rundschreibens der Beklagten braucht der Senat nicht mehr der Frage nachzugehen, ob und ggf. in welchem Umfang im Rahmen von § 127 Abs. 2 SGB V Preisvergleiche mitzuteilen sind, um eine Markttransparenz in dem gebotenen Umfang herzustellen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 08.12.1998
Az: 4 U 187/98


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