Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 30. März 2009
Aktenzeichen: 8 U 206/07
(OLG Hamm: Urteil v. 30.03.2009, Az.: 8 U 206/07)
1. Die Abtretung einer Forderung an einen Aktionär kann als verbotene Rückgewähr der Einlage von § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG erfasst werden und deshalb nichtig sein.
2. Als Aktionär ist auch anzusehen, wer nicht selbst Aktien hält, sondern alleiniger Gesellschafter einer Gesellschaft ist, die die Anteile an der Aktiengesellschaft hält, und so das Handeln der formal als Aktionärin fungierenden Gesellschaft steuert.
3. Ein übliches Umsatzgeschäft, das als verbotene Rückgewähr der Einlage untauglich ist, liegt nicht vor, wenn ein objektives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht, z.B. weil eine im Rahmen des Geschäfts abgetretene Forderung nicht durchsetzbar ist oder eigenkapitalersetzenden Charakter hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Mai 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
A.
Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht der N AG (nachfolgend N) von den Beklagten die Rückzahlung von Steuerberaterhonorar.
Der Kläger war Alleingesellschafter der W.-GmbH und der E2 GmbH (zuvor C GmbH) sowie - bis Ende Oktober 2004 - Vorstand der N (Alleinaktionär: E2 GmbH). Deren Aufsichtsrats-Vorsitzender war bis zum 13. Februar 2003 der Beklagte zu 2), der mit anderen Personen Gesellschafter der Beklagten zu 1), einer Steuerberatungsgesellschaft, ist. Diese führte für die N in der Zeit von Januar 2003 bis Mai 2004 die laufende Lohn- und Finanzbuchhaltung und erhielt dafür mtl. (17 x) pauschal 2.320 €, insgesamt 39.440 €, (Rechnungen Anl.-Bd. Bl. 6-20, Überweisungen Anl.-Bd. 21-34). Die Vergütung wurde von N aufgrund einer mündlichen Vereinbarung vom Dezember 2002 zwischen dem Kläger als Vorstand von N und dem Beklagten zu 2) als Vertreter der Beklagten zu 1 gezahlt.
Mit der Klage hat der Kläger die Rückzahlung des gezahlten Steuerberaterhonorars gefordert, soweit sie an ihn abgetreten worden ist (= 29.903,20 €). In Höhe von 8.400 € sind die Ansprüche an die W GmbH und die E2 GmbH abgetreten worden, in Höhe von 1.136,80 € in dem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Duisburg (Aktenzeichen 7 S 189/06) durch Aufrechnung erloschen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Gründe, die das Landgericht zur Klagestattgabe veranlasst haben, wird auf das von den Beklagten mit der form- und fristgerechten Berufung angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Beklagten beziehen sich zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen und vertiefen ihre Ausführungen zur Unwirksamkeit der Abtretung, fehlenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Klageforderung und zur Rückdatierung des Beschlusses des Aufsichtsrats und der Abtretungserklärung vom September 2004. Ferner vertreten die Beklagten die Auffassung, die Abtretungen an den Kläger seien als unzulässige Einlagenrückgewähr unwirksam.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Ferner meint der Kläger, es liege kein Fall der unzulässigen Einlagenrückgewähr vor, weil er für die Abtretungen mit N Gegenleistungen vereinbart habe und insoweit ein normales Umsatzgeschäft vorliege. Zudem werde § 57 AktG hier durch die anzuwendenden spezielleren Vorschriften der §§ 311, 317 AktG verdrängt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf ihre in zweiter Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt abändernd zur Abweisung der Klage.
I.
Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger aus abgetretenem Recht der N (§ 398 BGB) weder als Rückgewähranspruch nach § 114 II 1 AktG zu noch als Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) oder aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812, 818 BGB).
Es liegt hier ein Fall der unzulässigen Einlagenrückgewähr nach §§ 57 I 1, 62 I 1 AktG vor mit der Folge, dass die Abtretungen der N an den Kläger unwirksam sind.
1.
Der Kläger ist als Aktionär i.S. v. § 57 I 1 AktG zu behandeln, obwohl er unstreitig nie selbst Aktien der N gehalten hat.
a)
Unter diesen Begriff fallen nicht nur Personen, die im Zeitpunkt des Leistungsempfangs rechtlich Aktionär sind. Aktionär i. S. v. § 57 I 1 AktG ist auch der faktische Aktionär, der, wirtschaftlich betrachtet, eine Aktionärsposition bekleidet und als Treugeber die Aktien durch einen anderen halten lässt (BGH, NZG 2008, 106, Tz. 13; OLG Hamburg, AG 1980, 275 [278]; Henze, in: Großkomm-AktG, 4. Aufl., § 57 Rdnr. 81 und § 62 Rdnr. 28; Lutter, in: Kölner Komm., 2. Aufl., § 57 AktG Rdnr. 40; Bayer, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 57 Rdnr. 60 und § 62 Rdnr. 15, jew. m.w. Nachw.). Auch ehemalige oder zukünftige Aktionäre können nach allgemeiner Meinung als solche i. S. v. § 57 I 1 AktG anzusehen sein, wenn z. B. zwischen der verbotswidrigen Leistung und der Aufgabe oder dem Erwerb der Aktionärsstellung ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (BGH, a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., WiB 1996, 163 [164]; Lutter, in: Kölner Komm., § 57 AktG Rdnr. 40; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 57 Rdnr. 57 und § 62 Rdnr. 13 m.w. Nachw.) und z. B. eine Leistung mit Rücksicht auf die ehemalige oder künftige Aktionärseigenschaft erfolgt (BGH, a.a.O.; Henze, in: Großkomm-AktG, § 57 Rdnr. 80 und § 62 Rdnr. 27; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 57 Rdnr. 14 und § 62 Rdnr. 5, jew. m.w. Nachw.; Habersack, in: Festschr. f. Röhricht, 2005, S. 155, 162f.; Wilken, WiB 1996, 166).
b)
Der Kläger ist zwar selbst nie Aktionär der N gewesen.
Allerdings ist insbesondere der faktische Aktionär trotz fehlender formaler Aktionärsstellung als solcher i. S. v. § 57 I 1 AktG zu behandeln, wenn er alle oder den überwiegenden Teil der Anteile des Unternehmens besitzt, das formal selbst Aktionär ist; denn er steuert das Handeln des Aktionärs-Unternehmens (hier der E2 GmbH) dann umfassend (Senat, ZIP 1995, 1263; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 62 AktG, Rn. 17 f. und § 57 AktG, Rn. 60; Henze, in: Großkomm-AktG, § 62 AktG, Rn. 82).
Auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers ist festzustellen, dass er zum Zeitpunkt der Abtretungen (zumindest noch) Alleingesellschafter der E2 GmbH gewesen ist:
Zwar sind die Abtretungsverträge vom 10.9. und 15.9.2004, mit denen der Kläger seine Geschäftsanteile an der E2 GmbH veräußert und übertragen hat, wenige Tage nach dem notariellen Vertrag vom 8.9.2004 geschlossen worden. Allerdings erfolgte diese Übertragung nach Ziffer II. (1) und (2) des letztgenannten Vertrages nur aufschiebend bedingt; die Übertragung trat daher nicht vor dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung ein (vgl. dazu Baumbach/Hueck/Fastrich, 18. Auflage, § 15 GmbHG, Rdnr. 24 m. w. N.). Der Kläger tritt dem trotz des Hinweises des Senats im Beschluss vom 22.10.2008 nicht entgegen. Damit steht fest, dass der Kläger am 10.9. und 15.9.2004 noch Alleingesellschafter der E2 GmbH war, die ihrerseits Alleinaktionärin der N war.
2.
Die Abtretungen sind gem. § 57 I 1 AktG verbotene Einlagenrückgewähr und damit unzulässige Leistungen.
a)
§ 57 I 1 AktG erfasst nicht nur die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 54 I AktG (allg. M., vgl. Hüffer, AktG, § 57 Rdnr. 2 m.w. Nachw.), sondern jede von der Gesellschaft dem Aktionär erbrachte, auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung, auf die ihm das Aktiengesetz keinen Anspruch gewährt (BGH, NZG 2008, 106, 107, Tz. 16; WM 1992, 1184, 1185 m. w. Nachw.) und die auch nicht auf Grund einer speziellen gesetzlichen Regelung, etwa §§ 71 ff. AktG, zugelassen ist (BGH, a.a.O.; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 57 Rdnrn. 7 und 117 ff.). Drittgleiche Umsatzgeschäfte, bei denen Leistungen zu marktüblichen Bedingungen ausgetauscht werden, fallen nicht unter §§ 57, 62 AktG (Henze, in: Großkomm-AktG, § 57 Rdnr. 35 m.w. Nachw.), weil Leistungen, die die Gesellschaft auf Grund solcher Geschäfte erbringt, nicht auf der Gesellschafterstellung des Aktionärs beruhen (BGH, a.a.O.).
b)
Gemessen hieran sind die Abtretungen verbotene Einlagenrückgewähr und damit unzulässige Leistungen.
aa)
Der Kläger hatte nach dem Aktiengesetz keinen Anspruch auf die abgetretenen Forderungen. Aktionäre haben nur Anspruch auf den ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn gem. § 58 IV und V AktG sowie die in §§ 59 (Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn), 61 AktG (Vergütung von Nebenleistungen i. S. v. § 55 AktG) vorgesehenen Leistungen (BGH, NZG 2008, 106; WM 1992, 1184, 1185). Um derartige Ansprüche geht es hier nicht.
bb)
Die Abtretung der Forderungen war auch nicht auf Grund einer speziellen gesetzlichen Regelung zulässig.
cc)
Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch kein drittübliches Umsatzgeschäft vor.
Die Abtretungen seien, so seine letzte Darstellung, als Abgeltung für Verbindlichkeiten der N gegenüber dem Kläger (Vorstandsvergütung 11/2003 bis 1/2004 und 3/2004 bis 9/2004: netto 36.300,48 €; Honorarverbindlichkeiten der N gegenüber ihren Anwälten aus dem Verfahren 18 O 265/04, Landgericht Essen gem. Honorarvereinbarung vom 7.7.2004, Anl. K 21: 20.870,91 €, die der Kläger übernommen haben soll) erfolgt. Mit der Abtretung von insgesamt 31.040,00 € wären - betragsmäßig wesentlich höhere - Forderungen (36.300,48 € + 20.870,91 € = 57.171,39 €) ausgeglichen worden, auch wenn das Zeithonorar von den RA’en möglicherweise nicht berechnet werden konnte (vgl. den Hinweis am Ende der Vergütungsvereinbarung vom 07.07.2004).
Demgegenüber trägt die Beklagte erheblich vor, zumindest hinsichtlich der Vorstandsvergütung sei keine wertgleiche Kompensation erfolgt, weil sie wegen der unstreitigen - Überschuldung der N nicht durchsetzbar gewesen sei und wegen der - ebenfalls unstreitigen - Stundung eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen habe, so dass deshalb ein Umsatzgeschäft nicht angenommen werden könne. Es liegt insoweit ein objektives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor, weil sich N auf Konditionen eingelassen hat, die sie einem Dritten sonst nicht gewährt hätte (vgl. dazu Hüffer, § 57 AktG, Rdnr. 8 m. w. N.; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 57, Rdnr. 37 ff. m. w. N.). Selbst wenn die Übernahme der Honorarforderung der Prozessbevollmächtigten der N durch den Kläger berücksichtigt würde (20.870,91 €), so wären die Abtretungen an den Kläger in Höhe von insgesamt 31.040,00 € um ca. 1/3 höher als diese; schon deshalb liegt ein objektives Missverhältnis vor, ohne dass es darauf ankommt, ob dieses gegenüber den gesetzlichen Gebühren höhere Honorar von den Anwälten überhaupt gefordert werden konnte. Es kommt hinzu, dass von den Honorarrechnungen, um deren Ausgleich es ging, zur Zeit der Abtretung lediglich eine, nämlich jene vom 05.08.2004 (Anlage K 23), existierte. Auch dieser Umstand hindert die Annahme, es liege ein Geschäft wie mit einem gesellschaftsfremden Dritten vor.
Es kommt dabei nur auf das objektive Missverhältnis an, nicht auf subjektive Elemente (h. M.; vgl. Hüffer, § 57 AktG, Rdnr. 10 f. mit weiteren Nachweisen; ferner BGH für die GmbH: NJW 1987, 1194, 1195 und NJW 1996, 589, 590).
dd)
Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch ein Vorrang von §§ 311, 317 AktG gegenüber §§ 57, 62 AktG jedenfalls aus, worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Es fehlt der Ausgleich der Nachteile im Sinne der erstgenannten Vorschriften.
Es bedarf deshalb keiner Entscheidung über die von den Parteien aufgeworfenen Streitfragen zur Lockerung der Vorschriften über die Vermögensbindung im faktischen Konzern (vgl. nur Hüffer, § 311 AktG, Rdnr. 49 m. w. N.).
ee)
Nach vorstehenden Ausführungen kommt es für die Entscheidung auch nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob die Gegenleistungen zwischen dem Aufsichtsrat der N und dem Kläger am 13.09.2004 tatsächlich vereinbart worden sind.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassung in der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, und der Literatur getroffen hat.
OLG Hamm:
Urteil v. 30.03.2009
Az: 8 U 206/07
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