Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 19. März 2015
Aktenzeichen: OVG 12 B 18.13
(OVG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 19.03.2015, Az.: OVG 12 B 18.13)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des Vollstreckungsbetrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente sowie die Durchführung der Nachversicherung.
Der 1970 geborene Kläger wurde erstmalig am 12. Juli 2002 im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Sachsen als Rechtsanwalt zugelassen. Er war Mitglied dieser Rechtsanwaltskammer vom 12. Juli 2002 bis zum 29. März 2004 und sodann, nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, vom 19. Oktober 2006 bis zum 27. April 2007. Im Zeitraum vom 1. November 2003 bis 30. September 2006 arbeitete er als Referatsleiter in der Oberfinanzdirektion (OFD) Chemnitz. Als Beamter auf Probe war er während dieses Zeitraums von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Unter dem 2. April 2007 verzichtete er gegenüber der Rechtsanwaltskammer Sachsen auf die Zulassung als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Dresden. Mit Schreiben vom 5. April 2007, dem Kläger zugegangen am 14. April 2007, wurde er antragsgemäß beim Amtsgericht Liebenwerda und beim Landgericht Cottbus als Rechtsanwalt zugelassen. Seitdem gehörte er der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg an. Mit Schreiben vom 1. Februar 2010 verzichtete er auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Land Brandenburg, woraufhin sie mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom folgenden Tag widerrufen wurde. Seit dem 19. November 2010 ist er erneut als Rechtsanwalt im Land Brandenburg zugelassen und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Brandenburg.
Seit seiner erstmaligen Zulassung als Rechtsanwalt in Sachsen ist der Kläger Mitglied im Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk. Er hat diese Mitgliedschaft auch nach dem zwischenzeitlichen Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und nach der Zulassung als Rechtsanwalt im Land Brandenburg fortgesetzt.
Am 19. Juli 2004 wurde der Kläger in Dresden in einen Autounfall verwickelt. Er macht geltend, infolge dieses Unfalls u. a. ein Trauma mit Deckplatteneinbruch des 3. Brustwirbelkörpers sowie ein HWS-Schleudertrauma erlitten zu haben. In der Folgezeit litt der Kläger unter Kopfschmerzen und eingeschränkter Leistungsfähigkeit und war über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Im Frühjahr 2005 absolvierte er eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Der danach unternommene Arbeitsversuch misslang und musste abgebrochen werden. Im Juli 2005 und im Herbst 2006 wurde der Kläger erneut als Führer eines Kraftfahrzeugs Opfer von Auffahrunfällen.
Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Land Brandenburg am 14. April 2007 beantragte er beim Beklagten die Festsetzung des monatlichen Beitrags auf 13/10 des Regelpflichtbeitrags und gab an, nicht berufsunfähig zu sein. Unter dem 10. Mai 2007 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Beitragsbescheid über einen ab dem 1. Mai 2007 zu zahlenden monatlichen Beitrag i. H. v. 905,45 Euro. Zugleich übersandte er ihm eine am 10. Mai 2007 ausgestellte Mitgliedsurkunde, ausweislich derer er seit dem 14. April 2007 Mitglied des beklagten Versorgungswerks sei. In der Folge zahlte der Kläger den monatlichen Beitrag insgesamt viermal.
Mit Schreiben vom 19. September 2007 beantragte er die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. September 2007. Er sei aufgrund seiner Erkrankung gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage, aus anwaltlicher Tätigkeit mehr als nur unwesentliche Einkünfte zu erzielen und habe seine anwaltliche Tätigkeit zum 31. August 2007 eingestellt. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte er auch beim Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente.
Im Oktober 2007 legte er dem Beklagten eine ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. W... vom €03 09 09€ (richtig: 3. September 2007) vor. Darin wird ihm eine Hirnleistungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode und Spannungskopfschmerz attestiert. Ausweislich der in der Folge vorgelegten ärztlichen Stellungnahme der Dres. W... und B... vom 30. Oktober 2007 litt der Kläger außer an den unmittelbaren Folgen des Verkehrsunfalls u. a. auch an einer chronifizierten mittelschweren Depression, einem chronifizierten Kopfschmerzsyndrom und einem leichten hirnorganischen Psychosyndrom. Die zuständige Amtsärztin des Landkreises Elbe-Elster sei am 17. September 2007 zu der Einschätzung gelangt, der Kläger sei €nicht in der Lage, mehr als 3 Stunden leichte körperliche Tätigkeiten auszuüben.€ In Übereinstimmung damit müsse festgestellt werden, dass bei ihm €auf Grund der Vielzahl seiner Erkrankungen (€) und des Fortbestehens der Kernsymptomatik eine dauerhafte Berufsunfähigkeit für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt vorlieg(e)€.
Mit Bescheid vom 28. November 2007, dem Kläger zugestellt am 3. Dezember 2007, hob der Beklagte den Beitragsbescheid vom 10. Mai 2007 mit sofortiger Wirkung auf und lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente ab.
Mit Telefax vom 27. Dezember 2007 erhob der Kläger gegen die €Versagung der BU Rente Verpflichtungswiderspruch (€) mit dem Ziel der Rentengewährung€. Zur Begründung führte er unter dem 22. August 2008 aus, er sei zum Zeitpunkt des Eintritts in das Versorgungswerk noch nicht berufsunfähig gewesen. Hilfsweise sei aufgrund der Nachversicherung der OFD Chemnitz für die Zeit von November 2003 bis September 2006 die Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Im Verwaltungsverfahren des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks legte der Kläger mit Schreiben vom 6. Februar 2008 eine Stellungnahme der Frau Dr. W... vom 4. Februar 2008 vor, in der diese allgemeine und berufsspezifische Fragen des Versorgungswerks zum Gesundheitszustand des Klägers beantwortete. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 81 f. des Verwaltungsvorgangs des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11. November 2008 legte der Kläger dem Beklagten eine weitere ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. W... vom 10. Oktober 2008 vor, nach der Berufsunfähigkeit des Klägers €retrospektiv frühestens ab Juni 2007€ anzunehmen sei, €da erst zu diesem Zeitpunkt das Ergebnis einer vergleichenden Hirnleistungsdiagnostik, die eine weitere Verschlechterung belegte€, vorgelegen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2009 wies der Vorstand des Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei aufgrund bestehender Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt des vermeintlichen Eintritts in das Versorgungswerk tatsächlich nicht Mitglied desselben geworden, weshalb ihm weder die Berufsunfähigkeitsrente gewährt noch die beantragte Nachversicherung vorgenommen werden könne.
Am 7. Mai 2009 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und u. a. geltend gemacht, der Beginn der Berufsunfähigkeit sei bei der gebotenen ex ante Betrachtung frühestens ab Ende August 2007 eingetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Januar 2012 abgewiesen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Eintritts in die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg am 14. April 2007 berufsunfähig gewesen und daher nicht Mitglied des Beklagten geworden, weshalb er weder die Berufsunfähigkeitsrente noch die Nachversicherung beanspruchen könne.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger aus, er sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg am 14. April 2007 zwar erkrankt gewesen, nicht aber berufsunfähig. Ausweislich der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Frau Dr. W... vom 10. Oktober 2008 habe für die Feststellung der Berufsunfähigkeit zunächst abgewartet werden müssen, ob die von den Professoren R... und V... empfohlenen Therapiemaßnahmen erfolgreich seien. Er habe sich am 29. August 2007 bei Prof. V... vorgestellt. Dieser habe mit Schreiben vom 4. September 2007 als erfolgversprechende Therapie einen Analgetikaentzug und die Umstellung auf ein aktivierendes Antidepressivum vorgeschlagen. Diese Behandlung sei im September 2007 erfolgt, habe jedoch keinen Erfolg gehabt. Das ändere jedoch nichts daran, dass sie Aussicht aus Erfolg gehabt habe und er daher im April 2007 noch nicht austherapiert gewesen sei. Berufsunfähigkeit habe daher frühestens ab September 2007 angenommen werden können. Auch der Gutachter Dr. S... sei in seinem Gutachten vom 7. März 2007 zu dem Ergebnis gelangt, dass Berufsunfähigkeit noch nicht attestiert werden könne.
Bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit eines Rechtsanwalts sei nicht allein vom forensisch tätigen Rechtsanwalt auszugehen. Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen seiner verbleibenden Leistungsmöglichkeiten nur noch schriftliche Tätigkeiten ausführen könne, sei daher nicht berufsunfähig, solange diese Arbeit noch in einer eigenverantwortlichen anwaltlichen Rechtsberatungstätigkeit bestehe. Tatsächlich sei er im Zeitraum vom 30. Mai 2007 bis zum 6. Juli 2007 im Umfang von werktäglich 4 bis 6 Stunden in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe vor allem Aktenarbeit umfasst. Insbesondere habe er ein umfangreiches Scheidungsverfahren bearbeitet.
Ungeachtet dessen sei er noch im Oktober 2006 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden, was bei Annahme der Berufsunfähigkeit nicht hätte erfolgen dürfen. Seine gescheiterten Arbeitsversuche in den Jahren 2004 bis 2006 hätten sich auf seine Dienstaufgabe als Referatsleiter bei der OFD bezogen. Diese Tätigkeit habe höhere Anforderungen gestellt als eine anwaltliche Tätigkeit im Umfang von drei bis vier Stunden. In den Monaten vor seiner Krankschreibung im Oktober 2006 sei er juristisch und unternehmensberatend tätig gewesen im Umfang von ca. 10 Stunden pro Tag.
Die Beweislast für das Vorliegen der Berufsunfähigkeit am 14. April 2007 € dem Zeitpunkt der Zulassung als Rechtsanwalt im Land Brandenburg € trage der Beklagte, weil in der Regel die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer auch zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führe. Unabhängig davon sei er bereits deshalb als Mitglied des Beklagten zu behandeln, weil ihm dieser am 10. Mai 2007 eine Mitgliedsurkunde ausgestellt habe, in der rechtsverbindlich die Mitgliedschaft im Versorgungswerk und die daraus resultierenden Leistungsansprüche festgestellt worden seien.
Vor Eintritt der Berufsunfähigkeit habe er die nach der Satzung erforderlichen drei Monatsbeiträge entrichtet. Deren Rückzahlung und die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 10. Mai 2007 seien rechtswidrig erfolgt. Die neue Beitragsveranlagung vom 28. Mai 2007 sei nicht aufgehoben worden.
Aufgrund der Mitgliedschaft beim Beklagten habe auch die Nachversicherung durchgeführt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 30. Januar 2012 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2009 zu verpflichten,
1. dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2007 bis zum 30. Oktober 2010 eine Berufsunfähigkeitsrente nach Maßgabe des § 18 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Brandenburg zu gewähren,
2. die Nachversicherung gemäß §§ 181 ff. SGB VI und § 37 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Brandenburg durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Kläger sei bereits vor dem 14. April 2007 nicht nur arbeitsunfähig, sondern berufsunfähig gewesen und daher nicht Mitglied des Versorgungswerks geworden. Dies folge aus der Stellungnahme von Frau Dr. W... vom 30. Oktober 2007 und werde durch ihre ergänzende Stellungnahme vom 10. Oktober 2008 nicht durchgreifend in Frage gestellt. Letztgenannte Äußerung lasse einen Bezug zu den konkreten Anforderungen an die anwaltliche Tätigkeit nicht erkennen und genüge nicht den Anforderungen, die an eine qualifizierte ärztliche Feststellung von Berufsunfähigkeit zu stellen seien.
Der Senat hat den Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Hefter), die über den Kläger geführte Personalakte der Rechtsanwaltskammer Brandenburg (1 Hefter) sowie die Verwaltungsvorgänge des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks (3 Hefter) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere auch wegen der ärztlichen Stellungnahmen, wird auf die Streitakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente; der ablehnende Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gesetzliche Anspruchsgrundlage für die begehrte Berufsunfähigkeitsrente ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Brandenburg (BbgRAVG). Danach erbringt das Versorgungswerk seinen Mitgliedern nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung die Leistung der Berufsunfähigkeitsrente. Pflichtmitglied des Versorgungswerks sind gemäß § 3 Abs. 1 BbgRAVG alle Mitglieder der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg. Ausgenommen von der Pflichtmitgliedschaft sind gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 BbgRAVG Rechtsanwälte, die an dem Tag, an dem die Pflichtmitgliedschaft beginnen würde, berufsunfähig sind.
Satzungsrechtliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist die Satzung des Versorgungswerks vom 7. November 2003 (Amtsblatt für Brandenburg Nr. 44 S. 838), zuletzt geändert durch die Satzung vom 9. Mai 2014 (Amtsblatt für Brandenburg Nr. 45 S. 1442 € im Folgenden: SVRBbg); die hier einschlägigen Regelungen der §§ 11 und 16 Abs. 1 bis 7 und 9 bis 10 SVRBbg sind seit der Neufassung der Satzung im November 2003 nicht geändert worden.
Gemäß § 16 Abs. 1 SVRBbg erhält ein Mitglied, das mindestens für drei Monate vor Eintritt der Berufsunfähigkeit Beiträge geleistet hat, und 1. wegen Krankheit oder eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte oder Sucht auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, aus anwaltlicher Tätigkeit mehr als nur unwesentliche Einkünfte zu erzielen und 2. seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt einstellt oder eingestellt hat, Berufsunfähigkeitsrente auf Dauer. Wer aus diesen Gründen auf absehbare Zeit nicht zur anwaltlichen Tätigkeit in der Lage ist, erhält gemäß Absatz 2 der Norm die Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen, insbesondere auch für die danach erforderliche Mitgliedschaft im Versorgungswerk, trägt der antragstellende Rechtsanwalt, weil es sich hierbei um für ihn günstige Anspruchsvoraussetzungen handelt und weil das Bestehen und € anfängliche € Fehlen von Berufsunfähigkeit seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind. Daran ändert entgegen dem Kläger nichts, dass gemäß § 9 Abs. 1 SVRBbg im Regelfall die Pflichtmitgliedschaft im beklagten Versorgungswerk mit der Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg einhergeht, zumal dies ausdrücklich nur vorbehaltlich der Regelung des § 11 SVRBbg gilt, die eine Mitgliedschaft bei bereits anfänglich bestehender Berufsunfähigkeit gerade ausschließt. Nichts anderes folgt auch aus § 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 SVRBbg. Danach ist die Berufsunfähigkeit in medizinischer Hinsicht vom Mitglied durch fachärztliches Gutachten zu belegen; das Versorgungswerk kann auf eigene Kosten eine Untersuchung anordnen und dafür Gutachter bestimmen. Um etwaigen €Gefälligkeitsgutachten€ entgegenwirken zu können, wird dem Versorgungswerk damit die Möglichkeit eingeräumt, auch dann noch eine Untersuchung anzuordnen, wenn das vom Mitglied vorgelegte fachärztliche Gutachten seine Berufsunfähigkeit belegt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass verbleibende Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente zu Lasten des antragstellenden Rechtsanwalts gehen.
1. Gemessen hieran hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass ihm ein Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente für den streitgegenständlichen Zeitraum zusteht.
a) Nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ist davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt des Eintritts in die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg am 14. April 2007 bereits berufsunfähig war und daher gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 BbgRAVG und § 11 Abs. 1 SVRBbg nicht Pflichtmitglied des Beklagten geworden ist.
aa) Das Gutachten der Dres. W... und B... vom 30. Oktober 2007 gelangt € unter Auswertung zahlreicher weiterer ärztlicher Stellungnahmen € zu dem Ergebnis, der Kläger sei aufgrund seiner langjährigen Erkrankung dauerhaft nicht mehr in der Lage, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Bei ihm sei die Informationsverarbeitung langsam und wenig effektiv. Er klage über Kopfschmerzen und permanent vorhandenen €Kopfdruck€. Seine Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit sei so beeinträchtigt, dass er rasch erschöpft und ein konzentriertes Arbeiten von etwa ein bis zwei Stunden nicht möglich sei. Die Amtsärztin des Landkreises Elbe-Elster sei am 17. September 2007 zu dem Schluss gelangt, der Kläger könne nicht mehr als drei Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten verrichten; in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Kollegin sei eine Besserung nicht festzustellen.
Zwar trifft das Gutachten keine explizite Aussage zum Zeitpunkt des Beginns der Berufsunfähigkeit; es stellt jedoch darauf ab, dass der Kläger seit Oktober 2006 durchgehend €krankgeschrieben€ gewesen und in den letzten Monaten trotz entsprechender Therapie keine entscheidende Besserung und Stabilisierung eingetreten sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im April 2007 noch nicht berufsunfähig gewesen sein könnte, lassen sich dem Gutachten nicht entnehmen. Insbesondere ist darin keine Rede davon, dass der Kläger im Zeitraum von Ende Mai bis Anfang Juli 2007 dazu in der Lage gewesen sei, anwaltliche Tätigkeit im Umfang von immerhin 4 bis 6 Stunden pro Arbeitstag auszuüben, wie er nunmehr ohne jeden Nachweis behauptet. Im Gegenteil wird die Einschätzung der Amtsärztin zur fehlenden Leistungsfähigkeit des Klägers ausdrücklich geteilt.
In ihrer Stellungnahme für das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk vom 4. Februar 2008 nimmt die Ärztin Dr. W... dezidiert auch zu den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers in Bezug auf eine anwaltliche Tätigkeit Stellung. Sie führt aus, der Kläger leide an einem chronisch depressiven Syndrom. Die Gesundheitsstörung schränke sein Leistungsvermögen um 100 % ein. Eine regelmäßige Arbeitsleistung sei nur im Umfang von 1,5 bis 2 Stunden täglich möglich. Der Kläger sei nicht in der Lage, Wege zu Gerichtsverhandlungen oder anderweitigen Terminen auch außerhalb des Kanzleiortes zurückzulegen. Er sei nur im zeitlichen Umfang von 10 bis 15 Minuten dazu in der Lage, Gerichtsverhandlungen zu folgen bzw. diese zu führen. Ihm sei nicht möglich, Schriftsätze zu fertigen, wenn diese die Beachtung einer Fülle von Unterlagen voraussetzten; vielmehr sei er lediglich dazu fähig, kurze Antwortbriefe des täglichen Lebens zu fertigen. Fachliteratur könne er nur im Umfang von ca. 2 bis 3 Seiten pro Tag erfassen. Um seine Leistungsfähigkeit zu verbessern, seien Heilbehandlungsmaßnahmen notwendig, da die bisherigen Maßnahmen erfolglos geblieben seien. Namentlich seien €Pharmakotherapie€, psycho-somatische Rehabilitation, ambulante Psychotherapie und neurologisch-psychiatrische Behandlung erforderlich.
Zum Zeitpunkt des Beginns der Einschränkung der Leistungsfähigkeit heißt es, diese habe im €November 2006 ex post, ex ante ab 07/07€ vorgelegen. Diese Differenzierung zielt offenbar auf eine rechtliche Einschätzung des Beginns der Berufsunfähigkeit ab, wie die Ärztin sie auch in ihrer Stellungnahme vom 10. Oktober 2008 für angezeigt hielt (hierzu sogleich), ändert aber nichts daran, dass danach die beschriebene Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers tatsächlich bereits ab November 2006 vorgelegen hat.
Der Senat kann diese ärztliche Auskunft verwerten, auch wenn die Mitteilung über den Eingang der Verwaltungsvorgänge des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks die Prozessbevollmächtigte des Klägers vor der mündlichen Verhandlung des Senats nicht erreicht hat, wie der Kläger geltend macht. Dass der Senat die Verwaltungsvorgänge beigezogen hat, ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Telefax vom 11. Februar 2015 mitgeteilt worden. Der Inhalt der ärztlichen Stellungnahme war dem Kläger bekannt, da er sie seinerzeit dem Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk selbst vorgelegt hatte. Im Übrigen wurde der Eingang der Verwaltungsvorgänge in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert; weder der Kläger noch seine Prozessbevollmächtigte haben eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme hierzu oder eine Vertagung beantragt.
Die ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. W... vom 10. Oktober 2008 steht der Annahme von Berufsunfähigkeit des Klägers bereits im April 2007 nicht entgegen. Zwar heißt es darin, eine Berufsunfähigkeit des Klägers könne €retrospektiv frühestens ab Juni 2007€ angenommen werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt das Ergebnis einer vergleichenden Hirnleistungsdiagnostik vorgelegen habe, die eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers belege; ferner habe zur Einschätzung der Berufsunfähigkeit des Klägers das Ergebnis der von den Prof. R... und V... empfohlenen Therapien abgewartet werden müssen; diese seien letztlich ohne Erfolg durchgeführt worden.
Dies erlaubt jedoch nicht die Annahme, der Kläger sei im April 2007 noch nicht berufsunfähig gewesen:
Dass eine maßgebliche Verschlechterung der Hirnleistung des Klägers gerade im Zeitraum zwischen April und Juni 2007 eingetreten wäre, lässt sich der Stellungnahme nicht entnehmen. Einen ärztlichen Befund hierüber hat der Kläger trotz einer entsprechenden gerichtlichen Auflage nach § 87 b VwGO nicht vorgelegt. Dagegen spricht, dass auch nach dem Attest vom 10. Oktober 2008 ein Arbeitsversuch des Klägers als €Wirtschaftsjurist€ im €September/Oktober 2006 durch Eintritt einer völligen Arbeitsunfähigkeit ab 10.10.06 scheiterte€. Diese Auskunft steht in Einklang mit einer Mitteilung des Klägers gegenüber dem Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk vom 26. März 2008. Darin führt er aus, er sei mit einer Festlegung des Beginns der Berufsunfähigkeit auf April 2005 einverstanden, teile jedoch ergänzend mit, der letzte Arbeitsversuch als Jurist sei in der Zeit vom 1. September 2006 bis zum 11. Oktober 2006 unternommen worden. Während dieses Zeitraums sei der Kläger im Rahmen eines Wiedereingliederungsversuchs werktäglich vier bis fünf Stunden tätig gewesen. Seit dem 12. Oktober 2006 liege eine dauernde Arbeitsunfähigkeit vor. Da es sich nur um eine kurzfristige Tätigkeit gehandelt habe, dürfe diese keine Auswirkungen auf das Bestehen der Berufsunfähigkeit haben (Blatt 85 des Verwaltungsvorgangs des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks).
Mit diesen Ausführungen des Klägers und der ihn behandelnden Ärztin lässt sich seine Behauptung im hiesigen Klageverfahren, er habe im Zeitraum vom 30. Mai bis zum 6. Juli 2007 werktäglich 4 bis 6 Stunden als freier Mitarbeiter in der Rechtsanwaltskanzlei seiner Prozessbevollmächtigten gearbeitet und hierbei ein kompliziertes Scheidungsverfahren bearbeitet, nicht in Einklang bringen. Einen Nachweis über diese Tätigkeit hat der Kläger trotz gerichtlicher Aufforderung vom 29. Januar 2015 nicht vorgelegt. Seine in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung dafür, warum dieser Arbeitsversuch weder in der ärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. W... vom 30. Oktober 2007 noch in derjenigen vom 10. Oktober 2008 erwähnt wird, ist unglaubhaft. Der Kläger hat hierzu angegeben, dieser Arbeitsversuch sei während seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit als Wiedereingliederungsmaßnahme durchgeführt worden (sog. €Hamburger Modell€) und deshalb nicht von der Ärztin erwähnt worden. Auch wenn diese Maßnahme im Rahmen des €Hamburger Modells€ erfolgt wäre, hätte indes keinerlei Grund für die Ärztin bestanden, diesen Arbeitsversuch nicht zu erwähnen, sondern als letzten durchgeführten Arbeitsversuch denjenigen von September/Oktober 2006 anzugeben. Mit seinen Ausführungen im Schreiben vom 26. März 2008, nach denen auch der Arbeitsversuch im September/Oktober 2006 €im Rahmen eines Wiedereingliederungsversuchs€ erfolgt sei, lässt sich seine hiesige Behauptung einer Tätigkeit von Ende Mai bis Anfang Juli 2007 nicht in Einklang bringen. Davon abgesehen ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass selbst eine vorübergehende Tätigkeit von Ende Mai bis Anfang Juli 2007 aufgrund ihrer nur kurzen Dauer der Annahme von Berufsunfähigkeit bereits im April 2007 nicht entgegenstünde.
Auch aus dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S... vom 7. März 2007 lässt sich entgegen dem Kläger nicht folgern, er sei im April 2007 noch nicht berufsunfähig gewesen. Das Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, der Kläger sei hinsichtlich seiner €psychophysischen Leistungsfähigkeit für den bisher ausgeübten Beruf als Rechtsanwalt und Unternehmensberater auch weiterhin 100%ig arbeitsunfähig€. Die vorliegenden Befunde erlaubten es aber nicht, den Krankheitsverlauf des Klägers abschließend zu prognostizieren, weshalb seine Berufsunfähigkeit im Sinne der allgemeinen Versicherungsbedingungen der DKV AG noch nicht festgestellt werden könne. Fest steht danach allein, dass der Kläger auch im März 2007 gesundheitlich nicht in der Lage gewesen ist, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Auch dies widerspricht im Übrigen seiner Behauptung, er habe von Ende Mai bis Anfang Juli 2007 als Rechtsanwalt zu arbeiten vermocht. Denn für eine signifikante Verbesserung seines Gesundheitszustandes zwischen März 2007 und Mai 2007 ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
bb) Auch die ärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. V... vom 4. September 2007 rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger sei im April 2007 noch nicht berufsunfähig gewesen.
Darin empfiehlt der Arzt einen Analgetikaentzug und die Umstellung auf ein mehr aktivierendes Antidepressivum unter stationären Bedingungen sowie die Fortführung der verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im April 2007 gesundheitlich dazu in der Lage war, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, enthält das Gutachten nicht. Der Umstand, dass darin eine weitere Therapiemaßnahme aufgezeigt wird, erlaubt nicht die rechtliche Schlussfolgerung, Berufsunfähigkeit des Klägers könne erst nach Misslingen auch dieses Therapieversuchs angenommen werden.
Zwar ist dem Kläger darin beizupflichten, dass von einer voraussichtlich auf Dauer bestehenden Berufsunfähigkeit des Rechtsanwalts i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 SVRBbg noch nicht ausgegangen werden kann, solange in einem überschaubaren Zeitraum begründete Heilungschancen bestehen und ihm zumutbare und hinreichend erfolgversprechende Therapieansätze noch offen stehen (vgl. für das dortige Landesrecht OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2011 € OVG 17 A 129.09 € juris Rn. 6, auch zum Folgenden). Dieser rechtliche Ansatz beruht darauf, dass das Prinzip gemeinschaftlicher Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos für den Einzelnen die Obliegenheit mit sich bringt, alle ihm möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um durch baldmögliche Wiederherstellung seiner Berufsfähigkeit die Belastung der Versichertengemeinschaft gering zu halten. Er lässt sich nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft dahingehend umkehren, dass verbleibende zumutbare Therapien, mögen sie auch nur eine geringe Aussicht auf Heilung oder Besserung versprechen, dem Einzelnen ermöglichen, durch den Zeitpunkt der Inanspruchnahme dieser Therapien die Karenzzeit zwischen Eintritt ins Versorgungswerk und Inanspruchnahme der Berufsunfähigkeitsrente zu überbrücken. Bereits im Gutachten des Dr. S... vom 7. März 2007 wird erwähnt, €in Kürze sei die stationäre Aufnahme zu einer multimodalen Schmerztherapie (€) geplant€. Der Kläger kann nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente erst dadurch schaffen, dass er € seinem unsubstantiierten und im Übrigen nicht durch einen Klinikbericht belegten Vortrag nach € diese stationäre Behandlung erst im September 2007 erfolglos hat durchführen lassen.
Die Gesamtheit der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen lassen nach Allem bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung nur den Schluss zu, dass der Kläger bereits im April 2007 voraussichtlich auf unabsehbare Zeit nicht dazu in der Lage gewesen ist, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, so dass er nicht Mitglied des Beklagten geworden ist.
Wollte man demgegenüber jeglichen weiteren denkbaren Therapieansatz für ausreichend halten, eine Berufsunfähigkeit des Klägers auszuschließen, ließe sich im Übrigen nicht feststellen, dass überhaupt bei ihm Berufsunfähigkeit vorgelegen hat. Auch in der ärztlichen Stellungnahme der Dres. W... und B... vom 30. Oktober 2007 wird ausgeführt, dass der Kläger weiterhin in fachärztlicher Behandlung verbleiben werde. In ihrer Stellungnahme für das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk vom 4. Februar 2008 zeigt Frau Dr. W... (zu Frage Nr. 11) verschiedene weiterhin für erforderlich gehaltene Therapieansätze auf. Auch Prof. Dr. V... schlägt in seiner Stellungnahme vom 4. September 2007 neben einer stationären Behandlung die Fortführung der verhaltenstherapeutischen Maßnahmen vor. Seit November 2010 ist der Kläger im Übrigen wieder in der Lage, als Rechtsanwalt zu arbeiten. Stünde jede Möglichkeit einer Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit der Annahme von Berufsunfähigkeit entgegen, hätte beim Kläger mithin zu keinem Zeitpunkt Berufsunfähigkeit vorgelegen.
b) Seine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass ihm mit Datum vom 10. Mai 2007 eine Mitgliedsurkunde ausgestellt und diese nicht widerrufen oder zurückgenommen worden ist. Zwar ist der Kläger nach dem Wortlaut der Urkunde seit dem 14. April 2007 Mitglied des Beklagten und hat Anspruch auf Leistungen des Versorgungswerks nach Maßgabe der Satzung und der gezahlten Beiträge. Die Urkunde hat jedoch € anders als die Aushändigung der Urkunde über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 12 Abs. 1 BRAO) € weder konstitutive Wirkung noch handelt es sich hierbei um einen feststellenden Verwaltungsakt, der die Mitgliedschaft des Inhabers deklaratorisch rechtsverbindlich feststellt.
Gegen die Annahme eines solchen Rechtsbindungswillens auch aus der Sicht ihres Empfängers spricht bereits, dass die Urkunde allein aufgrund der schriftlichen Angaben des Klägers im €Formblatt zur Erstaufnahme als Pflichtmitglied (€)€ ausgestellt wurde, worin der Kläger u. a. € nach den obigen Ausführungen unzutreffend € angegeben hatte, nicht berufsunfähig zu sein. Dass der Beklagte mit der Urkunde rechtsverbindlich eine dem BbgRAVG wie der Satzung widersprechende Mitgliedschaft des Klägers feststellen wollte, konnte er bei verständiger Würdigung nicht annehmen.
Aus dem Beitragsbescheid des Beklagten vom 10. Mai 2007 lässt sich schon deshalb nichts für den Kläger herleiten, weil dieser mit Bescheid vom 28. November 2007 aufgehoben worden ist. Der gegen diesen Bescheid vom Kläger erhobene €Verpflichtungswiderspruch€ bezieht sich allein auf die Versagung der Berufsunfähigkeitsrente.
Auch aus der vom Kläger angeführten Beitragsveranlagung vom 28. Mai 2007 lässt sich eine konkludente rechtsverbindliche Feststellung der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk nicht ableiten. Dass eine solche Voraussetzung für den Erlass eines rechtmäßigen Beitragsbescheides gewesen wäre, bedeutet nicht, dass die Mitgliedschaft von der Bindungswirkung des Bescheides umfasst wäre (vgl. Gaentzsch, Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungen, NJW 1986, 2787, 2790).
Selbst wenn man jedoch € anders als der Senat € annehmen wollte, die Mitgliedsurkunde oder gar der Beitragsbescheid führten kraft rechtsverbindlicher Feststellung mittels Verwaltungsaktes zur Mitgliedschaft des Klägers beim Beklagten, könnte er die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente nicht beanspruchen. Wer entgegen § 11 Abs. 1 SVRBbg Mitglied im Versorgungswerk geworden ist, ist gemäß Absatz 3 der Regelung zu Beitragszahlungen weder berechtigt noch verpflichtet und hat keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Versorgungswerk, solange die Berufsunfähigkeit andauert. Da eine Mitgliedschaft bei bestehender Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt des vermeintlichen Eintritts in das Versorgungswerk bereits kraft Gesetzes nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 BbgRAVG ausgeschlossen ist, dient die Regelung des § 11 Abs. 3 SVRBbg gerade dazu, auch in Fällen einer trotz bestehender Berufsunfähigkeit irrtümlich rechtsverbindlich angenommenen Mitgliedschaft einen Leistungsanspruch auszuschließen.
c) Die Mitgliedschaft des Klägers im beklagten Versorgungswerk lässt sich entgegen seiner Auffassung auch nicht über die Rückwirkungsfiktion des § 37 Abs. 4 Satz 1 SVRBbg fingieren. Danach gilt der Nachversicherte rückwirkend zum Zeitpunkt des Beginnes der Nachversicherungszeit auch dann als Mitglied kraft Gesetzes beim Versorgungswerk, wenn die Mitgliedschaft beim Versorgungswerk erst innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der für die Nachversicherung maßgebenden Beschäftigung begründet wird.
Bei verständiger Würdigung dieser Regelung tritt die Rückwirkungsfiktion nur ein, wenn die Mitgliedschaft besteht, vermag aber eine fehlende Mitgliedschaft nicht zu ersetzen; nur der Beginn einer bestehenden Mitgliedschaft wird zurückverlegt. Jedes andere Verständnis der Satzungsregelung würde, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, gegen die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 BbgRAVG verstoßen und zur Nichtigkeit der Satzungsbestimmung führen.
Davon abgesehen setzt § 186 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI eine gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk voraus, vermag sie aber nicht zu begründen.
2. Der Kläger könnte ungeachtet dessen die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente auch dann nicht vom Beklagten verlangen, wenn man € entgegen dem Senat € annehmen wollte, dass er am 14. April 2007 Mitglied des Versorgungswerks geworden ist.
Gemäß § 16 Abs. 1 SVRBbg erhält nur das berufsunfähige Mitglied des Versorgungswerks die Berufsunfähigkeitsrente, das mindestens für drei Monate vor Eintritt der Berufsunfähigkeit Beiträge geleistet hat. Wäre der Kläger im April 2007 Mitglied des Beklagten geworden, hätte seine Beitragspflicht mit dem 1. Mai 2007 begonnen, § 36 Abs. 1 Satz 3 SVRBbg. Auch die ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. W... vom 10. Oktober 2008 geht jedoch davon aus, dass eine Berufsunfähigkeit des Klägers €retrospektiv frühestens ab Juni 2007 vorlag€. Nach der ärztlichen Stellungnahme, die Frau Dr. W... unter dem 4. Februar 2008 zur Vorlage beim Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk abgegeben hat, ist Berufsunfähigkeit beim Kläger im €November 2006 ex post€ bzw. €ex ante ab 07/07€ eingetreten. In beiden Fällen hätte der Kläger nicht für drei Monate vor Eintritt der Berufsunfähigkeit Beiträge an den Beklagten geleistet.
Insbesondere die letztgenannte Stellungnahme der Ärztin ist eindeutig. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung tatsächliche Anknüpfungspunkte für eine abweichende Beurteilung nicht aufgezeigt, sodass der Senat von der beantragten Vernehmung der Frau Dr. W... oder der Einholung einer weiteren schriftlichen Stellungnahme absehen konnte.
Wie dargelegt wurde, erlaubt der von Prof. Dr. V... unter dem 4. September 2007 in Aussicht gestellte weitere Therapieansatz bereits aus Rechtsgründen nicht, von einer Berufsunfähigkeit erst ab Oktober 2007 auszugehen. Das Gutachten von Dr. S... vom 7. März 2007 gibt nichts dafür her, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers erst nach Juli 2007 eingetreten wäre. Da Frau Dr. W... ihrer Feststellung auch zahlreiche weitere € zeitnah erhobene € Befunde weiterer Ärzte zugrunde gelegt hat (vgl. ihr Attest vom 30. Oktober 2007), und nichts dafür ersichtlich ist, dass sie hierbei maßgebliche Umstände nicht beachtet hat, bestand für den Senat auch kein Anlass, von Amts wegen weitere ärztliche Stellungnahmen einzuholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015 € BVerwG 4 B 53.14 € juris Rn. 19).
II.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch, beim Beklagten nachversichert zu werden.
a) Gemäß § 186 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI setzt die Nachversicherung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung voraus, dass die Nachzuversichernden innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied dieser Einrichtung werden. Eingetreten sind die Voraussetzungen für die Nachversicherung mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst bei der Oberfinanzdirektion Chemnitz mit Ablauf des 30. September 2006. Der Kläger ist jedoch nicht am 14. April 2007 Pflichtmitglied des Beklagten geworden und hat die Jahresfrist daher nicht gewahrt. Auch § 37 Abs. 4 SVRBbg ersetzt die Mitgliedschaft im Versorgungswerk nicht, wie bereits ausgeführt wurde.
b) Selbst wenn man annehmen wollte, der Kläger sei im April 2007 noch nicht berufsunfähig gewesen und daher Mitglied des Beklagten geworden, könnte er die Nachversicherung nicht mehr beanspruchen. Sowohl nach § 186 Abs. 3 SGB VI als auch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SVRBbg kann der Antrag auf Nachversicherung nur innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gestellt werden. Die Nachversicherung beim Beklagten hat der Kläger erst mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28. Oktober 2008 beantragt. Damit hat er die seit dem 1. Oktober 2006 laufende Jahresfrist nicht gewahrt.
Zu Unrecht meint er, die Voraussetzungen der Nachversicherung beim Beklagten seien erst zum 21. August 2008 gegeben gewesen, weil erst zu diesem Zeitpunkt festgestanden habe, dass die Nachversicherung nicht, wie im Oktober 2006 beantragt, vom Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk angenommen werde. Das trifft nicht zu, denn der Kläger hätte anstelle einer Nachversicherung im Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk im April 2007 die Nachversicherung beim Beklagten beantragen können, wäre er zu diesem Zeitpunkt nicht bereits berufsunfähig gewesen.
Davon abgesehen wurde der Antrag auf Durchführung der Nachversicherung vom Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk abgelehnt, weil der Kläger aufgrund seiner nach Auffassung des Versorgungswerks bereits im Herbst 2006 bestehenden Berufsunfähigkeit nicht Pflichtmitglied des Versorgungswerks geworden, sondern weiterhin lediglich freiwilliges Mitglied geblieben sei. Träfe das zu, wäre der Kläger auch im April 2007 nicht Mitglied des Beklagten geworden. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das sächsische Recht strengere Anforderungen an das Vorliegen von Berufsunfähigkeit stellt als das für den Beklagten geltende Recht.
Der Kläger macht jedoch geltend, nicht bereits im Herbst 2006, sondern erst im Herbst 2007 berufsunfähig geworden zu sein. In diesem Fall wäre er 2006 Pflichtmitglied des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks geworden. Dass dieses dann zu Unrecht die Durchführung der Nachversicherung abgelehnt hätte, würde nicht die Annahme rechtfertigen, die Jahresfrist des § 186 Abs. 3 SGB VI beginne erneut zu laufen oder dem Kläger sei Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren. Der Kläger wäre vielmehr gehalten gewesen, seinen Anspruch auf Nachversicherung beim Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk notfalls gerichtlich weiter zu verfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
OVG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 19.03.2015
Az: OVG 12 B 18.13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e3d0de68243c/OVG-Berlin-Brandenburg_Urteil_vom_19-Maerz-2015_Az_OVG-12-B-1813