Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 18. März 2004
Aktenzeichen: L 2 KN 166/03 KR

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 18.03.2004, Az.: L 2 KN 166/03 KR)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.10.2003 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 215,20 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 25.04.2000 zu zahlen. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf (Rest-) Vergütung für einen Tag stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist verbandliches Einzelmitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (NRW). Sie betreibt das Knappschaftskrankenhaus E, das in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen ist. Dort wurde die 1915 geborene, bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte I T1 (im Folgenden: Versicherte) vom 10. bis 30.12.1999 unter der Diagnose Schenkelhalsfraktur (Implantation einer Hüftgelenksendoprothese) stationär behandelt. Die Operation erfolgte am 14.12.1999, als "Tag der Wundheilung" wurde vom Krankenhausarzt Dr. T der 27.12.1999 angegeben.

Am 19.01.2000 stellte die Klägerin der Beklagten für erbrachte Krankenhausleistungen insgesamt DM 11.691,68 in Rechnung. Davon entfielen DM 10.667,04 auf die Fallpauschale 17.011, der Rest auf jeweils 3 Basis- und Fachabteilungspflegesätze Chirurgie (27. bis 29.12.1999).

Die Beklagte zahlte hierauf zunächst 10.849,92 DM. Mit der Fallpauschale werde bereits der Zeitraum vom 10.12. bis zum 28.12.1999 abgegolten, weil der 29.12.1999 der letzte Tag der Grenz-Verweildauer sei. Nur dieser sei mit tagesgleichen Pflegesätzen zu vergüten (Stellungnahme vom 01.02.2000). Die Klägerin erwiderte, nach den einschlägigen Vorschriften ende die Vergütung des mit der Fallpauschale abgegoltenen Behandlungsfalls mit dem Tag vor Abschluss der Wundheilung. Ab diesem Tage seien tagesgleiche Pflegesätze abzurechnen, sofern die Mindestverweildauer für die Abrechnung einer B-Pauschale nicht erreicht werde (Stellungnahme vom 09.03.2000). Die Beklagte meinte hingegen, die A-Pauschale vergüte die Behandlung bis zum Ende der Grenz-Verweildauer, wenn eine B-Pauschale nicht abgerechnet werden könne. Der Tag der Wundheilung sei nur ein Kriterium für die Abrechenbarkeit der B-Pauschale. Ansonsten sei dieses Ereignis für die Abrechnung ohne Relevanz (Schreiben vom 09.03.2000).

Die Klägerin hat am 25.04.2000 Klage auf Zahlung von 841,76 DM (Behandlungstage 27. und 28.12.1999) nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit erhoben. Für den Zeitraum nach Ablauf der durch die A-Pauschale geregelten Vergütung bestehe ein Anspruch auf Vergütung durch tagesgleiche Basis- und Abteilungspflegesätze. Die A-Pauschale ende nicht mit der Grenz- Verweildauer, sondern einen Tag vor dem Abschluss der Wundheilung. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 26.04.2001 entschieden. Nachdem die Beklagte sich bereit erklärt hatte, auch für den 28.12.1999 je einen tagesgleichen Basis- und Abteilungspflegesatz zu zahlen,hat die Klägerin nur noch beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 215,20 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 25.04.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, die Behandlung am 27.12.1999 (Tag der Wundheilung) sei bereits mit der A-Pauschale abgegolten, so dass für diesen Tag eine Abrechnung nach tagesgleichen Pflegesätzen nicht mehr in Betracht komme, und sich mit dieser Auffassung durch ein Urteil des Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen (LSG NRW) vom 07.03.2002 (Aktenzeichen (Az) L 16 KR 192/00) bestätigt gesehen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf das genannte Urteil des LSG NRW bezogen (Urteil vom 28.10.2003).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.10.2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 215,20 Euro zuzüglich 2% Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz ab dem 25.04.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, auch die Urteile des 5. Senats des LSG NRW vom 27.05.2002 (L 5 KR 46/01) und vom 15.10.2002 (L 5 KR 99/01) sprächen für ihre Auffassung.

Wegen der Darstellung der Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beteiligten sowie die in Ablichtung beigezogenen Krankenakten des streitigen Behandlungsfalls Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung ist kraft Zulassung statthaft und in der Sache begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung weiterer 215,20 Euro nebst Zinsen beanspruchen.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 5 SGG). Weder war ein Vorverfahren durchzuführen noch die Einhaltung einer Klagefrist geboten. Bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage des Trägers eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 86, 166, 167f=SozR 3-2500 § 112 Nr 1, zuletzt BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1).

Die Klägerin kann die Bezahlung je eines tagesgleichen Abteilungs- und Basispflegesatzes für die Leistungen vom 27.12.1999 verlangen. Die Voraussetzungen des Anspruchs sind erfüllt.

Die Klägerin ist verbandliches Einzelmitglied der Krankenhausgesellschaft NRW. Bei dem von ihr betriebenen Knappschaftskrankenhaus E handelt es sich um ein Plankrankenhaus. Da landesrechtliche Sondervereinbarungen nicht bestehen (§16 Abs 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung), richtet sich der mit der Leistungsklage geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch in Höhe von 215,20 Euro nach den nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 109 Abs 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266)). Danach erwächst aus der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser (im Sinne von § 109 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V) als Korrelat unmittelbar ein Vergütungsanspruch, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der BPflV in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 90,1=SozR 3-2500 § 112 Nr 3; 89,104=SozR 3-2500 § 112 Nr 2; 86, 166, 168=SozR 3-2500 § 112 Nr 1; Peters/Hencke. Handbuch der Krankenversicherung. SGB V. Bd 3. Stand 1. Juli 2003, § 109 RdNr 10).

Nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV- Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1996 (BGBl I S 1520) erlässt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Pflegesätze der Krankenhäuser, die grundsätzlich die Vergütung nach der Anzahl der Behandlungstage bemessen und für alle Benutzer einheitlich zu berechnen sind (§ 17 Abs 1 Satz 1, Abs 2 KHG). Nach § 17 Abs 2a KHG waren für die Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen schrittweise Fallpauschalen und Sonderentgelte mit Vorgabe bundeseinheitlicher Bewertungsrelationen einzuführen und spätestens vom 1. Januar 1996 der Abrechnung von Krankenhausleistungen zu Grunde zu legen. Die Entgelte wurden bis zum 31. Dezember 1997 durch die Rechtsverordnung bestimmt, jedoch sollten erstmals für den Pflegesatzzeitraum 1998 die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung vereinbaren. Die in der Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte galten ab dem 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart. Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet. Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen und Sonderentgelte abgegolten werden, sind Abteilungspflegesätze als Entgelt für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher Basispflegesatz als Entgelt für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeit veranlasste Leistungen vorzusehen.

Die auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung erlassene BPflV vom 26. September 1994 (BGBl I S 2750) hat diese Vorgaben präzisiert. Danach werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Pflegesätze nach § 11 (Fallpauschalen und Sonderentgelte) bzw einen Gesamtbetrag nach § 12 (Budget) sowie tagesgleiche Pflegesätze nach § 13, in die das Budget aufgeteilt wird, vergütet (§ 10 Abs 1 Nr 1 und 2 BPflV idF der 5. Änderungsverordnung (5. ÄndVO) vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874)). Nach § 11 Abs 1 BPflV idF der 5. ÄndVO werden mit den Fallpauschalen die allgemeinen Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, für den ein Entgelt in den Entgeltkatalogen nach §§ 15 Abs 1 Nr 1 oder 16 Abs 2 BPflV bestimmt ist. Werden Fallpauschalen nicht berechnet, sind tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze zu berechnen (§ 14 Abs 5 Satz 3 BPflV). Wird eine Fallpauschale zwar berechnet, übersteigt aber die Verweildauer des Patienten eine in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs 1 Nr 1 und § 16 Abs 2 BPflV bestimmte Grenz-Verweildauer, sind ab dem ausgewiesenen Tag ebenfalls tagesgleiche Pflegesätze zu berechnen (§ 14 Abs 7 Satz 1 BPflV).

Der als Anlage zur BPflV bekannt gemachte "Bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" in der ab dem 01.01.1999 maßgeblichen Fassung, Anhang 1.1, Anlage 1.1, zu § 11 Abs 1 BPflV enthält zu den Fallpauschalen 17.011 und 17.012 folgende Leistungsbeschreibungen: Nr 17.011 (Spalte 1) - Schenkelhalsfraktur, geschlossen; Einbau einer Hüftgelenks-Totalendoprothese bei geschlossener Schenkelhalsfraktur, Versorgung bis Abschluss Wundheilung (z.B. Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluss der Behandlung indikationsspezifischer Komplikationen, jedoch nicht bei anschließender Weiterbehandlung in einer geriatrischen Abteilung (Spalte 2). Die Fallpauschale betrifft Diagnosen mit dem Schlüssel S72.00, S72.10 (Spalte 3a) bzw. 820.0,.2,.8 (Spalte 3b) und Operationen mit dem Schlüssel 5-820.0 bis.2 (Spalte 4); die Grenz-Verweildauer beträgt 20 (Spalte 11) und die der Bewertungsrelation zu Grunde gelegte durchschnittliche Verweildauer 12,00 Tage (Spalte 16). Nr 17.012 (Spalte 1) - Schenkelhalsfraktur geschlossen. Weiterbehandlung im Anschluss an die FP 17.011 bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit, jedoch nicht bei Behandlung in einer geriatrischen Abteilung; Mindestaufenthalt 5 Belegungstage (Spalte 2). Bei dieser Fallpauschale wird auf die Zuordnung eines Operationenschlüssels verzichtet (Spalte 4); wie Fallpauschale 17.011 betrifft sie Diagnosen mit dem Schlüssel S72.00 und S72.10 (Spalte 3) allerdings jeweils kombiniert mit Z 48.8 (Sonstige näher bezeichnete Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff) oder Z 96.6 (Vorhandensein von orthopädischen Gelenkimplantaten [ ...] Hüftgelenkersatz (partiell) (total) ), Spalte 3a, bzw. 820.0,.2,.8, jeweils kombiniert mit V 43.6 (Organ- oder Gewebsersatz durch sonstige Mittel. Gelenk), Spalte 3b; die Grenzverweildauer beträgt 16 (Spalte 11) und die der Bewertungsrelation zu Grunde gelegte durchschnittliche Verweildauer 8,91 Tage (Spalte 16).

Die mit Anlage 1 zu § 11 Abs 1 BPflV in der Fassung der 5. ÄndVO in den "Bundesweiten Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" übernommenen und den Fallpauschalen vorangestellten "Abrechnungs-Bestimmungen" regeln unter Nummer 1, dass Fallpauschalen für die im Entgeltkatalog bestimmten Behandlungsfälle berechnet werden. Nach Nummer 2 Satz 1 der "Abrechnungs-Bestimmungen" ist für die Zuordnung eines Patienten zu einer Fallpauschale und damit für deren Abrechenbarkeit die im Entgeltkatalog ausgewiesene Leistung in Verbindung mit der Hauptdiagnose für den Krankenhausaufenthalt oder einer entsprechenden Diagnose maßgeblich. Dabei gilt nach Nummer 2 Satz 2 für die Bestimmung der maßgebenden Fallpauschale folgende Rangfolge der Definitionen: a) der Operationenschlüssel nach dem OPS-301 (Spalte 4); b) der Diagnosenschlüssel nach der ICD (Spalte 3); c) die Textdefinition (Spalte 2); diese ist maßgeblich, soweit eine nähere Definition der Fallpauschalen mit den Schlüsseln nach Spalten 4 und 3 nicht dargestellt werden kann und somit nur aus der Textfassung hervorgeht. In Nummer 7 ist ausgeführt: "7. Erbringt ein Krankenhaus die Leistung einer Fallpauschale zur Weiterbehandlung (B-Pauschale) in den Gruppen 9 und 17 zusätzlich zu der Operationsleistung (A-Pauschale), beginnt die B-Pauschale am Tag der Wundheilung. Die Grenz-Verweildauer der A-Pauschale wird in diesem Fall zur Grenz-Verweildauer der B-Pauschale hinzugerechnet. Als erster Belegungstag der Mindestverweildauer der B-Pauschale ist das Kalenderdatum der Wundheilung in der Rechnung anzugeben. Erfolgt die Weiterbehandlung (B-Pauschale) in einem anderen Krankenhaus, so ist der Aufnahmetag in diesem Krankenhaus der erste Belegungstag der Mindestverweildauer der B-Pauschale. Der Entlassungstag wird in bezug auf die Mindestbelegung der B-Pauschale nicht mitgezählt."

Die genannten Fallpauschalen und Abrechnungsbestimmungen waren im streitigen Leistungszeitraum verbindlich, denn mit der Fiktion in § 17 Abs 2a Satz 7 KHG, wonach die in der BPflV bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte ab dem 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart zu gelten haben, ist deren Fortgeltung bis zu einer vertraglichen Änderung - die für den streitigen Zeitraum nicht erfolgt ist - angeordnet. Die Beteiligten der Selbstverwaltung haben mit Wirkung ab 1. Januar 1999 zwar einen "Aktualisierten bundesweit geltenden Fallpauschalen- und Sonderentgeltkatalog" vereinbart (veröffentlicht in: Das Krankenhaus, Redaktionsbeilage zur Oktoberausgabe 1998), jedoch ohne Änderung der streitbefangenen Fallpauschalen 17.011 und 17.012 und unter Übernahme der bisher unter Nummer 5 geregelten Abrechnungsmodalitäten in die Sätze 1 bis 3 der Nummer 7 unter Anfügung der - neuen - Sätze 4 und 5.

Unter Beachtung dieser Rechtslage hat die Klägerin die für die Behandlung der Versicherten in der Zeit vom 10. bis 30. Dezember 1999 erbrachten vollstationären Krankenhausleistungen korrekt abgerechnet. Insbesondere hat sie zu Recht für am 27.12.1999 im Rahmen der Weiterbehandlung erbrachte Krankenhausleistungen je einen tagesgleichen Abteilungs- und Basispflegesatz (und nicht die Fallpauschale 17.012) in Ansatz gebracht.

Durch Art 1 Nr 20 c) iVm dem Anhang 1 der 5. ÄndVO zur BPflV ist ua die frühere Fallpauschale 17.01 in die Fallpauschalen 17.011 (A-Pauschale) und 17.012 (B-Pauschale) geteilt worden, "um unterschiedlichen Versorgungsstrukturen gerecht zu werden" (Bundesrats-Drucksache (BR-Drucks) 802/97 zu Nr 20. S 60). Für die Zuordnung zu den einzelnen (Teil-)Pauschalen und damit für die Abgrenzung der jeweils vergüteten Behandlungskomplexe ist nach Nr 2 Satz 2 c) der "Abrechnungs-Bestimmungen" immer dann auf die Textdefinition der Spalte 2 abzustellen, wenn - wie im Falle der Versicherten - eine nähere Definition der Fallpauschalen mit dem angegebenen Operationenschlüssel und dem Diagnosenschlüssel nicht dargestellt werden kann und somit nur aus der Textfassung hervorgeht (vgl Scheinert ua. Handbuch zur Abrechnung von Krankenhausleistungen. Dezember 2001. 1. Band Teil II. Fallpauschalengruppe 17, S 3 uund aaO. Fallpauschalen 17.011 und 17.012, Seite 8f). Unterfällt ein Leistungsgeschehen sowohl der A- als auch der B-Pauschale, ist ergänzend Nr 7 der "Abrechnungs-Bestimmungen" heranzuziehen.

Der vorliegend durchgeführte Einbau einer Hüftgelenks-Totalendoprothese bei geschlossener Schenkelhalsfraktur wird mit der A-Pauschale 17.011 für die operative Phase der Akutbehandlung abgegolten (vgl BR-Drucks 802/97 aaO). Die Fallpauschale 17.011 vergütet nach ihrer Definition die Behandlung während dieser Phase bis zu dem Tage, an dem die Wundheilung abgeschlossen (zB Entfernung von Fäden/Klammern) und, falls eine indikationsspezifische Komplikation auftritt, diese wieder beseitigt ist. Sofern nach diesem Zeitpunkt eine weitere stationäre Behandlung erforderlich ist, wird diese zusätzlich entweder durch die B-Pauschale oder durch tagesgleiche Pflegesätze vergütet (vgl BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 1 zu den insoweit vergleichbaren Fallpauschalen 17.061 und 17.071).

In dem hier zu beurteilenden Sachverhalt kommt die Abrechnung der B-Pauschale 17.012, welche die Weiterbehandlung etwa bei fehlender Rehabilitationsfähigkeit abgelten soll (vgl BR-Drucks 802/97 aaO), nicht in Betracht, weil der geforderte Mindestaufenthalt von 5 Belegungstagen nicht erreicht wurde. Weil danach für diese Zeit die Voraussetzungen der B-Pauschale 17.012 nicht erfüllt sind, ist die Abrechnung durch tagesgleiche Pflegesätze eröffnet (BSG aaO). Dieser Abrechnung stehen damit auch nicht die Regelungen des § 17 Abs 2a Sätze 10 und 12 KHG in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV- Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1996 und des § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV in der hier maßgeblichen Fassung der 5. ÄndVO entgegen, wonach die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze unzulässig ist, wenn die Abrechnung einer Fallpauschale möglich ist. Diese Voraussetzung liegt nicht schon dann vor, wenn im Rahmen der gesamten Krankenhausbehandlung die Abrechnung überhaupt irgend einer Fallpauschale oder für die in Frage stehende Leistung die Abrechnung einer Fallpauschale im Prinzip, nicht aber im konkreten Fall möglich ist (BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 1; Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht. Kommentar. Stand Oktober 2003. § 14 Anm V 2). Das räumt letztlich auch die Beklagte ein, indem sie für den 28. und 29.12.1999 tagesgleiche Pflegesätze gezahlt hat.

Aber auch für den - allein streitig gebliebenen - 27.12.1999 (Tag des Abschlusses der Wundheilung) steht der Klägerin je ein tagesgleicher Pflegesatz zu.

Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass am 27.12.1999 der Abschluss der Wundheilung eingetreten ist und darüber hinaus zur Mobilisierung der betagten Versicherten weiter stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war (§ 39 Abs. 1 SGB V). Ersteres entnimmt der Senat aus den Eintragungen in der Krankenkartei. Danach sind am 27.12.1999 die Klammern entfernt worden, so dass entsprechend der Angabe des Krankenhausarztes Dr. T dieser Tag den Abschluss der Wundheilung kennzeichnet (vgl. dazu BSG SozR 4 - 5565 § 14 Nr. 2 und Urteile des 8. Senats vom 24. September 2003, Az.: B 8 KN 3/02 KR R und B 8 KN 7/02 KR R). Die Erforderlichkeit der stationären Weiterbehandlung folgt bereits aus der entsprechenden Entscheidung des zuständigen Krankenhausarztes, sofern diese nicht aus der ex ante-Sicht unvertretbar erscheint (BSGE 89, 104 = SozR 3 - 2500 § 112 Nr. 2; BSG SozR 4 - 2500 § 109 Nr. 1), wofür hier nichts ersichtlich ist. Auch aus den Pflegeberichten für den Zeitraum vom 27. bis 30.12.1999 lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass zur weiteren Mobilisierung der Versicherten (insbesondere am Rollator) vom 27. bis 30.12.1999 stationäre Weiterbehandlung erforderlich war. Deshalb kann die Klägerin auch für den 27.12.1999 tagesgleiche Pflegesätze beanspruchen.

Dies folgt aus der Doppelnatur dieses Tages, an dem zum einen der Abschluss der Wundheilung eingetreten ist, und damit der durch die Fallpauschale 17.011 zu vergütende Behandlungskomplex endete, und zum anderen die unmittelbar anschließende Weiterbehandlung begonnen hat. Mag dieser Tag auch bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wundbehandlung - nach außen dokumentiert durch das Ziehen der Fäden bzw. das Entfernen der Klammern (vgl dazu BSG SozR 4 - 5565 § 14 Nr 2, Urteile des 8. Senats vom 24. September 2003, Az B 8 KN 3/02 KR und B 8 KN 7/02 KR R) - durch die Fallpauschale 17.011 abgedeckt werden (so LSG NRW, Urteil vom 07.03.2002, Az.: L 16 KR 192/00, und Urteil vom 27.05.2002, Az.: L 5 KR 46/01; anders wohl BSG SozR 4 - 5565 § 14 Nr 1), so gilt das nicht für die anschließende Weiterbehandlung. Der Zeitpunkt des Abschlusses der Wundheilung kennzeichnet damit die Zäsur, die ein äußerlich einheitliches Behandlungsgeschehen in zwei unterschiedliche Abrechnungsabschnitte aufteilt (vgl dazu BSG SozR 4 - 5565 § 14 Nr. 1). Während der entsprechende Tag als Endzeitpunkt des ersten Behandlungsabschnittes nicht gesondert vergütet wird, erfolgt aber eine Vergütung wegen des Beginns eines neuen Behandlungsabschnittes. Das entspricht der Gesamtsystematik des Gesetzes, wonach der erste (Kalender-)Tag einer Behandlungsperiode voll, der letzte dafür aber nicht berechnet wird, § 14 Abs 2 Satz 1 BPflV. Danach ist, sofern nach Behandlungstagen abzurechnen ist, der erste Tag (Aufnahmetag) voll, der letzte Tag nicht zu vergüten. Damit gelten unabhängig von dem exakten Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt am jeweiligen Tag beide Tage zusammen als ein Abrechnungstag. Das gleiche Prinzip gilt im Falle der - internen - Verlegung: Der Verlegungstag wird nicht dem verlegenden, sondern ausschließlich dem aufnehmenden Krankenhaus vergütet. Er wird hier wie ein Aufnahme- und dort wie ein Entlassungstag behandelt. Das gilt in Fällen wie dem vorliegenden gleichermaßen bei Verlegung in eine geriatrische Abteilung bereits vor dem Abschluss der Wundheilung (vgl die Leistungsbeschreibung zur Fallpauschale 17.013). Die übernehmende geriatrische Abteilung rechnet dann ab dem Aufnahmetag über tagesgleiche Pflegesätze ab (Scheinert ua. aaO. S.8). Dieses Prinzip gilt gleichermaßen für zwei jeweils durch Fallpauschalen zu vergütende aufeinander folgende Behandlungsabschnitte. Auch dort ist ausdrücklich angeordnet, dass der Tag vor dem Tag des Abschlusses der Wundheilung als letzter Tag des durch die A-Pauschale abgedeckten Behandlungskomplexes gilt. Auch hier wird also - streng genommen - der letzte Tag mit grundsätzlich der A-Pauschale zuzurechnenden Behandlungsleistungen nicht durch die A-Pauschale, sondern gesondert vergütet. Gleichzeitig ist dieser letzte Tag aber der erste Tag des durch die B-Pauschale zu vergütenden neuen Behandlungsabschnitts, vgl Nr 7 Satz 3 der "Abrechnungs-Bestimmungen". Nichts anderes gilt, wenn beide Behandlungsabschnitte - wie hier - nach unterschiedlichen Systemen vergütet werden, sich also an einen durch eine Fallpauschale vergüteten Behandlungskomplex ein Behandlungsabschnitt anschließt, der durch tagesgleiche Pflegesätze zu vergüten ist: Der erste Tag dieser Weiterbehandlung (hier der 27.12.1999 = Tag des Abschlusses der Wundheilung) wird voll, der letzte (hier 30.12.1999 = Entlassungstag) wird nicht vergütet. Der durch die Fallpauschale vergütete Behandlungskomplex endet am Tag vor dem letzten Tag (hier also am 26.12.1999), der letzte Tag (27.12.1999), ob er nun bis zur Zäsur "Abschluss der Wundheilung" dem vorangehenden Vergütungskomplex zugerechnet wird oder nicht, ist gleichzeitig der erste Tag des neuen, mit tagesgleichen Pflegesätzen zu vergütenden Behandlungsabschnitts und dementsprechend zu vergüten.

Soweit sich die Beklagte für ihre abweichende Auffassung auf das Urteil des LSG NRW vom 15.02.2002 (Az L 5 KR 99/01) beruft, ist dies schon deshalb nicht stichhaltig, weil der 5. Senat darin die hier streitige Frage ausdrücklich offen gelassen hat. Die abweichenden Urteile des LSG NRW vom 07.03.2002 (Az L 16 KR 192/00) und vom 27.05.2002 (Az L 5 KR 46/01) vermögen nicht zu überzeugen, weil sie sich mit der aufgezeigten Systematik der gesetzlichen Regelungen nicht hinreichend auseinandersetzen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass dort die Regelung in Nr 7 der "Abrechnungs-Bestimmungen" zum Verhältnis A- und B-Pauschale als Ausnahmeregelung angesehen wird und von der - nicht gewollten - Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges die Rede ist. Eine solche Aufspaltung steht aber nicht zu befürchten: Ist der Tag des Abschlusses der Wundheilung gleichzeitig der Entlassungstag, ist er nicht - auch nicht durch tagesgleiche Pflegesätze - zu vergüten (so auch LSG NRW, Urteil vom 07.03.2002, Az L16 KR 192/00). Kennzeichnet er aber gleichzeitig den Beginn eines neuen stationären Behandlungsabschnittes, der frühestens am folgenden Tag endet, fällt für diesen Zeitraum die Abrechnung durch tagesgleiche Pflegesätze an, sofern nicht die Voraussetzungen der B-Pauschale gegeben sind. Das BSG hat bereits entschieden, dass auch dann, wenn es sich aus Sicht des Versicherten und des Krankenhauses zweifellos nur um eine stationäre Behandlung und damit um einen "Behandlungsfall" handelt, nicht ausgeschlossen ist, dass abrechnungstechnisch zwei ineinander übergehende, aber tatsächlich und rechtlich voneinander zu trennende Behandlungsabschnitte als zwei "Behandlungsfälle" angesehen werden können (BSG SozR 4 - 5565 § 14 Nr 1).

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt - für den hier allein streitigen Zeitraum ab Rechtshängigkeit - aus § 15 Abs 1 des zwischen der Krankenhausgesellschaft NRW und - ua - der Beklagten am 06.12.1996 geschlossenen Sicherstellungsvertrags nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - (im Folgenden: SiV). Nach § 15 Abs 1 Satz 1 SiV sind Rechnungen innerhalb von 15 Tagen nach Rechnungslegung zu begleichen. Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches Verzugszinsen in Höhe von 2% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen (§ 15 Abs 1 Satz 4). Ab 1. Januar 1999 ist diese Vertragsbestimmung aufgrund der geänderten währungsrechtlichen Rechtslage in modifizierter Weise anzuwenden. Seit dem 1. Januar 1999 gibt es keinen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank mehr. Der Diskontsatz ist durch § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (DÜG = Art 1 Euro-Einführungsgesetz (EuroEG) vom 9. Juni 1998, vgl BGBl 1998 I S 1242 und BGBl 2000 I S 901) zum 1. Januar 1999 durch den sog Basiszinssatz ersetzt worden, der von der Deutschen Bundesbank - ebenso wie bis dahin der Diskontsatz - jeweils im Bundesanzeiger veröffentlicht wird (§ 1 Abs 1 Satz 6 DÜG). Jede Bezugnahme auf den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank im Rahmen von Regelungen über Zinsen oder andere Leistungen wird ab 1. Januar 1999 von Gesetzes wegen (§ 1 Abs 1 Satz 1 DÜG) durch eine Bezugnahme auf den Basiszinssatz ersetzt. Bezugsgröße für den Basiszinssatz ist nach der Basiszinssatz-Bezugsgrößen-Verordnung vom 10. Februar 1999 (BGBl I 139) der Zinssatz für längerfristige Refinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank (LRG-Satz); vgl hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl 2000, § 245 RdNr 9; BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 1).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs 1, 4 Satz 2 SGG iVm 116 Abs 2 Nr 1 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG Änderungsgesetzes (6. SGGÄndG vom 17.07.2001, BGBl I S. 2144) am 02.01.2002 maßgeblichen alten Fassung. Diese ist anzuwenden, da es sich um ein Verfahren nach § 197 a SGG nF handelt, das vor dem Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden ist (Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGGÄndG; BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115ff). Diese Normen regeln die Geltung des alten, bis zum Ablauf des 01.01.2002 maßgeblichen Rechts nicht nur hinsichtlich der Gerichtskosten, sondern auch hinsichtlich der Kostentragungspflicht der Beteiligten (vgl. BSG, ebenda; Zeihe, Das SGG und seine Anwendung, § 197 a SGG Nr 1 c, mwN).

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, da der Senat sich mit seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 18.03.2004
Az: L 2 KN 166/03 KR


Link zum Urteil:
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