Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 26. Juni 1995
Aktenzeichen: 17 W 174/95
(OLG Köln: Beschluss v. 26.06.1995, Az.: 17 W 174/95)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Unter Zurückweisung des Kostenfestsetzungsbegehrens der Antragsgegnerin im übrigen werden die von der Antragstellerin an sie aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 18. August 1994 - 31 0 457/94 - zu erstattenden Kosten auf 5.105,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. September 1994 festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens wird der Antragsgegnerin auferlegt. Von den übrigen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 4/11, die Antragsgegnerin 7/11.
Gründe
G R Ó N D E
Das zulässige Rechtsmittel der
Antragsgegnerin hat teilweise Erfolg. Der im angefochtenen Beschluß
zu ihren Gunsten gegen die Antragstellerin festgesetzte
Erstattungsbetrag von 4.340,-- DM ist um 765,-- DM auf 5.105,-- DM
zu erhöhen. Das weitergehende Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist
unbegründet.
Der Senat vermag die Auffassung des
Rechtspflegers nicht zu teilen, die von der Antragsgegnerin
angemeldeten Kosten ihrer F.er Verkehrsanwälte seien nur in Höhe
von 50,-- DM erstattungsfähig. Dem Rechtspfleger ist allerdings
darin zuzustimmen, daß die Antragsgegnerin nicht der Mitwirkung
ihrer F.er Anwälte bei der Informationserteilung an ihre K.er
Verfahrensbevollmächtigten bedurfte. Die Voraussetzungen, unter
denen der Senat die Zuziehung eines Verkehrsanwalts zur
Vermittlung des Verkehrs zwischen der Partei und ihrem
Prozeßbevollmächtigten ausnahmsweise als zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung gemäß § 91 ZPO für
notwendig erachtet (vgl. beispielsweise die in JurBüro 1981, 1025
und JurBüro 1992, 104 veröffentlichten Entscheidungen des Senats),
sind nicht erfüllt. Von einem Unternehmen, das - wie die
Antragsgegnerin - am Geschäftsverkehr teilnimmt, kann und muß im
allgemeinen die Fähigkeit erwartet werden, in Rechtsstreitigkeiten,
die betriebliche Belange betreffen, die erforderlichen
Informationen selbst an ihren Prozeßbevollmächtigten zu erteilen.
Es mag für eine solche Partei organisatorisch zweckmäßig und
arbeitserleichternd sein, Anwälten, die sie regelmäßig mit ihren
Rechtsangelegenheiten betraut und die in der betreffenden Sache
bereits über Vorkenntnisse verfügen, die Korrespondenzführung mit
dem Prozeßbevollmächtigten zu überlassen. Notwendig im Sinne von §
91 ZPO ist dies jedoch nicht. Dies gilt auch in einer
Wettbewerbssache der vorliegenden Art. Grundsätzlich ist es jeder
Partei, auch in Rechtsstreitigkeiten aus Sonderrechtsgebieten,
verwehrt, sich allein deshalb zu Lasten des Prozeßgegners der
zusätzlichen Mitwirkung einer Haus- und/oder Verkehrsanwalts zu
bedienen, weil dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit
der Materie bereits vertraut ist.
Die Antragsgegnerin kann auch nicht mit
Erfolg geltend machen, sie habe ohne die Zuziehung ihrer F.er
Anwälte als Verkehrsanwälte anderweitige notwendige Kosten in der
Größenordnung der Verkehrsanwaltsvergütung
(10/10-Korrespondenzanwaltsgebühr gemäß § 52 zum Betrage von
2.125,-- DM zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO in
Höhe von 40,-- DM, insgesamt 2.165,-- DM) zu erwarten gehabt. Die
Höhe der anderweitig notwendigen Kosten, mit denen die
Antragsgegnerin zur Zeit der Beauftragung ihrer Verkehrsanwälte zu
rechnen hatte, lagen erheblich niedriger als das Entgelt, das sie
vorausschauend für die betreffende Verkehrsanwaltstätigkeit in
Betracht zu ziehen hatte. Hierbei handelt es sich nicht nur um die
Aufwendungen für die unmittelbare Unterrichtung ihrer
Verfahrensbevollmächtigten, vielmehr hatte sie auch die Kosten
einer Beratung durch einen an ihrem Sitz oder in dessen Nähe
praktizierenden Anwalt über die Erfolgsaussichten der Einlegung
eines Widerspruchs gegen die ihr zugestellte einstweilige
Verfügung sowie über die von ihr zu treffenden
verfahrensrechtlichen Maßnahmen in Betracht zu ziehen.
Zwar wird eine Partei, der eine im
Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung zugestellt wird,
diese regelmäßig nicht widerspruchslos hinnehmen. Auch wird
Unternehmen, die - wie die Antragsgegnerin - rege am Geschäftsleben
teilnehmen und erfahrungesgemäß nicht ganz selten sich hieraus
ergebende Prozesse führen müssen, im allgemeinen nicht unbekannt
sein, daß sie sich nur unter Einschaltung eines bei dem
Landgericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat,
zugelassenen Anwalts zur Wehr setzen können. Im hier zu
entscheidenden Fall kann indessen nicht davon ausgegangen werden,
daß die Antragsgegnerin unter allen Umständen die Aufhebung der
einstweiligen Verfügung anstreben wollte. Dies macht das von ihren
F.er Anwälten verfaß-te, an die anwaltlichen Vertreter der
Antragstellerin gerichtete letzte vorprozessuale Schreiben vom 29.
Juli 1994 deutlich, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird,
daß vor einer abschließenden Stellungnahme zu dem Verlangen der
Antragstellerin auf Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung noch ein Gespräch zwischen der
Antragsgegnerin und dem die Sache bearbeitenden F.er Anwalt
stattfinden müsse. Da die Antragstellerin die einstweilige
Verfügung bereits am 4. August 1994 erwirkt hat, bevor diese
Stellungnahme abgegeben worden war, kann angenommen werden, daß
sich die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht
abschließend schlüssig darüber geworden war, ob das Begehren der
Antragstellerin gerechtfertigt sei. Es bestand somit bei ihr nach
Zustellung der einstweiligen Verfügung das Bedürfnis für eine
anwaltliche Beratung darüber, wie sie auf die Eilentscheidung
reagieren solle.
Bei der Antragsgegnerin können keine
juristischen Kenntnisse vorausgesetzt werden, die eine derartige
anwaltliche Beratung entbehrlich gemacht haben würden. Es sind
keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß es sich für die
Antragsgegnerin bei der Wettbewerbsstreitigkeit um eine
Routinesache handelte, die sie so oder ähnlich schon früher in
einer größeren Zahl von Fällen bearbeitet hat, oder daß sie eine
Rechtsabteilung unterhält oder sie nach Art und Umfang ihres
Geschäftsbetriebes aus erstattlungsrechtlicher Sicht einschlägig
rechtskundiges Personal haben müßte (vgl. die in Jur-Büro 1987,
1090 und JurBüro 1988, 357 veröffentlichen Entscheidungen des
Senats).
Die fiktiven Beratungskosten sind mit
insgesamt 390,-- DM anzusetzen. Im Rahmen der Ermittlung der einer
Partei durch die Zuziehung eines Verkehrsanwalts ersparten
anwaltlichen Beratungskosten ist von der Vergütung auszugehen, die
ein erstmalig mit der Angelegenheit befaßter Anwalt durch eine
prozeßbedingte Beratung verdient hätte. Zuvor in derselben
Angelegenheit geleistete, nicht unmittelbar auf die Vorbereitung
des Rechtsstreits gerichtete Tätigkeiten des Anwalts können bei der
Bemessung der fiktiven Ratgebühr keinen Berücksichtigung finden,
weil es sich hierbei nicht um prozeßbezogene Umstände handelt.
Ebenso wie die nicht prozeßbezogene Vorbefassung des Anwalts mit
der Sache bei der Beurteilung der Frage der Notwendigkeit seiner
Zuziehung als Verkehrsanwalt außer Betracht zu bleiben hat (vgl.
die in JurBüro 1981, 1025 und JurBüro 1987, 1090 veröffentlichten
Beschlüsse des Senats), so hat sie auch bei der Bemessung der durch
die Verkehrsanwaltstätigkeit ersparten anderweitigen notwendigen
Kosten, so auch bei der Bemessung der fiktiven Ratsgebühr,
unberücksichtigt zu bleiben. Dies bedeutet für den vorliegenden
Fall, in dem das am 1. Juli 1994 in Kraft getretene Gebührenrecht
zur Anwendung kommt, daß für die gedachte anwaltliche Beratung die
in der Neufassung des § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO geregelte
Erstberatungsgebühr anzusetzen ist. Der Senat ist der Auffassung,
daß die anwaltliche Beratung in der dem Rechtsstreit
zugrundeliegenden Wettbewerbsstreitigkeit nach Umfang und
Schwierigkeit überdurchschnittlich gelagert gewesen wäre und - auch
unter Berücksichtigung aller übrigen für die Bemessung einer
Rahmengebühr nach § 12 BRAGO maßgeblichen Umstände - den
Höchstbetrag der Erstberatungsgebühr von 350,-- DM, außerdem eine
Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) von 40,-- DM, insgesamt 390,-- DM
zur Entstehung gebracht hätte.
Darüber hinaus hätte die
Antragsgegnerin ohne die Einschaltung eines Verkehrsanwalts damit
rechnen müssen, daß sie eine Informationsreise von F. nach K. werde
unternehmen müssen. Da die Angelegenheit für sie keine
Routineangelegenheit darstellte und bei ihr auch sonst keine
hinreichenden Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden können, muß
sich die Antragsgegnerin nicht auf die in solchen Fällen
ausreichende und zumutbare Möglichkeit verweisen lassen, ihren am
Ort des Prozeßgerichts praktizierenden, zum Prozeßbevollmächtigten
bestellten Rechtsanwalt schriftlich - ergänzend fernmündlich - zu
unterrichten. Die Informationsreise wäre für die Antragsgegnerin
mit folgenden erstattungsfähigen Aufwendungen (§ 91 Abs. 1 Satz 2
ZPO i.V.m. §§ 9, 10 ZSEG, §§ 8, 9 BRKG) verbunden gewesen:
Eisenbahnfahrt von F. nach K.
und zurück in der ersten
Wagenklasse
einschließlich IC-Zuschlägen: 342,-- DM
Zu- und Abgang: 25,-- DM Aufwand: 28,-- DM 395,-- DM.
Eine Entschädigung für
Zeitversäumnis/Verdienstausfall scheidet nach der Rechtsprechung
des Senats (z.B. JurBüro 1986, 1708 und JurBüro 1987, 1090) bei
juristischen Personen aus. Die Bereitstellung von Organen oder
anderen natürlichen Vertretungspersonen gehört unabhängig von den
konkreten Aufgaben während eines Prozesses zur gesetzlichen
Voraussetzung für die Teilnahme juristischer Personen am Rechts-
und Geschäftsverkehr. Der Einsatz solcher Vertretungspersonen für
ihre bestimmungsgemäßen Aufgaben, zu denen auch die Information
des Prozeßanwalts in Rechtsstreitigkeiten gehört, begründet somit
keinen entschädigungsfähigen Nachteil im Sinne von § 2 Abs. 3 ZSEG,
sondern ist ebenso wie sonstiger eigener Prozeßbearbeitungsaufwand
der allgemeinen Aufgaben- und Belastungssphäre der Partei
zuzurechnen.
Die Kosten für ergänzende schriftliche
und/oder telefonische Kontakte der Antragsgegnerin mit ihren
Kölner Prozeßbevollmächtigten schätzt der Senat auf 30,-- DM, so
daß der fiktive Informationsaufwand mit insgesamt 425,-- DM in
Ansatz zu bringen ist.
Somit hatte die Antragsgegnerin bei
Beauftragung ihrer F.er Anwälte als Verkehrsanwälte mit
anderweitigen notwendigen Kosten in einer Gesamthöhe von 815,-- DM
zu rechnen. Dieser Aufwand liegt weit unter der
Verkehrsanwaltsvergütung.
Der Betrag von 815,-- DM ist zugleich
der tatsächlich durch die Verkehrsanwaltstätigkeit der F.er Anwälte
ersparte Aufwand, in dessen Höhe die Verkehrsanwaltsvergütung
gemäß § 91 ZPO erstattungsfähig ist. Da der Rechtspfleger im
angefochtenen Beschluß bereits 50,-- DM als erstattungsfähigen Teil
der Verkehrsanwaltsvergütung berücksichtigt hat, sind gegen die
Antragstellerin weitere 765,-- DM festzusetzen. Dies führt zu einer
Erhöhung des im angefochtenen Beschlusses festgesetzten
Erstattungsbetrages von 4.340,-- DM auf 5.105,-- DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf den
§§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwert für das Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahren: 2.115,-- DM Wert für die Gerichtsgebühr des
Beschwerdeverfahrens: 1.350,-- DM
OLG Köln:
Beschluss v. 26.06.1995
Az: 17 W 174/95
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