Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 12. Februar 2014
Aktenzeichen: 31 K 3347/13.O
(VG Düsseldorf: Urteil v. 12.02.2014, Az.: 31 K 3347/13.O)
1. Auch nach nordrheinwestfälischem Recht (§ 17 Abs. 1 LGG NRW) ist die Gleichstellungsbeauftragte im Disziplinarverfahren nur zu beteiligen, wenn durch das konkrete Disziplinarverfahren Gleichstellungsbelange betroffen sind. Zudem setzt die Beteiligung stets den Antrag des betroffenen Beamten voraus.
2. Die Beteiligung eines beamteten Lehrers an einem Internet-Chat, in dem bezogen auf Schülerinnen, die zum Teil durch den Lehrer selbst unterrichtet wurden, sexuelle und sadistische Phantasien ausgelebt werden, kann trotz nicht gegebener Strafbarkeit ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen darstellen, das zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt.
Tenor
Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der 1975 geborene Beklagte legte im Jahre 2003 nach dem Studium der Geschichte und der Katholischen Theologie die Erste Staatsprüfung für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II mit "gut" ab. 2006 bestand er die Zweite Staatsprüfung ebenfalls mit "gut". 2007 erhielt er die Missio canonica für den katholischen Religionsunterricht der Sekundarstufen I und II und wurde im gleichen Jahr - nachdem er zuvor schon im Angestelltenverhältnis als Lehrer tätig gewesen war - mit Wirkung vom 6. August unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat z.A. ernannt. Er wurde dem F-Gymnasium in E, wo er bereits während seines Referendariats tätig gewesen war, zur Dienstleistung zugewiesen. Mit dem Inkrafttreten des BeamtStG am 1. April 2009 erhielt er die Amtsbezeichnung Studienrat; er wurde in eine Planstelle der BesGr A13 eingewiesen. Am 2. November 2009 wurde er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt.
Der Beklagte, der von August 2000 bis August 2005 als Frater G der Ordensgemeinschaft der P... angehörte, ist ledig und kinderlos.
Disziplinar- und strafrechtlich ist er nicht vorbelastet. Mehrere gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Dabei handelt es sich um die Verfahren 70 Js 2135/10 StA Düsseldorf sowie 591 Js 46/05, 182 Js 307/05, 182 Js 247/08, 182 Js 97/11 und 507 Js 246/12 StA Duisburg (Beiakten H. 9-10 und 19-20), wobei das zuletzt genannte die Fortsetzung des bei der StA Düsseldorf geführten Verfahrens war. Gegenstand der Verfahren waren Aktivitäten im Internet sowie Dateifunde auf Computern, die jeweils mit dem Beklagten in Verbindung gebracht worden waren.
Mit Verfügung vom 9. November 2011 leitete die Bezirksregierung E1 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein. Dabei nahm sie Bezug auf das damals noch laufende Ermittlungsverfahren 182 Js 97/11 StA Duisburg sowie deren abgeschlossenes Verfahren 182 Js 247/08. Dem Beklagten wurden sittliche Verfehlungen gegenüber Kindern durch Teilnahme an einem Internet-Chat sowie der Besitz und die Verbreitung kinderpornographischer Bilddateien zur Last gelegt.
Das Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung vom 29. Dezember 2011 ausgedehnt und gleichzeitig im Hinblick auf die noch anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt. Zugleich wurden die Vorwürfe konkretisiert.
Mit Verfügung vom 17. Januar 2012 wurde die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens angeordnet. Zugleich wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 25% seiner Dienstbezüge angeordnet.
Unter dem 21. September 2012 legte die Ermittlungsführerin ein "Zwischenermittlungsergebnis nach § 21 LDG NRW" vor.
Mit Beschlüssen vom 28. September 2012 setzte die Disziplinarkammer die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen aus - 31 L 1205/12.O - und setzte dem Kläger eine sechsmonatige Frist zum Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens - 31 K 5139/12.O -.
Nach Anhörung des Beklagten zum Ermittlungsergebnis (vom 4. Januar 2013) hat der Kläger am 25. März 2013 Disziplinarklage erhoben.
Mit Beschluss vom 28. August 2013 - 3d B 1251/12.O - änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen den Beschluss der Disziplinarkammer vom 28. September 2012 - 31 L 1205/12.O - und wies den Antrag des Beklagten auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen zurück.
Der Kläger legt dem Beklagten die Teilnahme an mehreren Internet-Chats mit im einzelnen aufgeführten anstößigen Inhalten sowie den Besitz von kinderpornographischen Bild- und Filmdateien zur Last. Er ist der Auffassung, dass der Beklagte hierdurch das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe und daher aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei.
Im Einzelnen wirft der Kläger dem Beklagten vor:
1. Einen am 23. Mai 2011 geführten Dialog im Chatsystem www.l.de unter dem Nicknamen "F". Darin soll sich der Beklagte als "mehrere Jungs" ausgegeben und angegeben haben, diese Gruppe wolle "ein Mädel in echt foltern".
2. Die Teilnahme in demselben Chatsystem zu 10 im einzelnen aufgeführten Zeitpunkten zwischen dem 31. März 2011 und dem 23. Mai 2011, wobei sein jeweiliger Beitrag zu einem "Notruf" der zwischen 14 und 20 Jahre alten Gesprächspartner geführt haben soll.
3. Einen von der Polizei auf 236 (im Beweismittelordner: 188) kleingedruckten Seiten protokollierten Chat mit dem anderweitig (nämlich im Verfahren 70 Js 7733/10 StA Düsseldorf) strafrechtlich verfolgten N M in der Zeit 28. Dezember 2008 bis 19. Februar 2009, wobei er die e-Mailadresse g@web.de benutzt haben soll.
4. Die Verwendung mehrerer Nicknamen (von 78 dort von ihm verwendeten) in dem Chatraum "L", die Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit am F-Gymnasium (F) aufweisen sollen. Zum Teil sollen diese Nicknamen die Buchstabenkombination "f", zum Teil die Namen von Schülerinnen der Schule enthalten haben.
5. Der Besitz kinderpornographischer Bild- und Filmdateien, die zum Teil auf einem Computer gewesen sein sollen, den der Beklagte der Kirchengemeinde St. O zur Verfügung gestellt hat, zum Teil auf einem bei ihm sichergestellten Notebook der Marke Hewlett-Packard.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen,
hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme zu erkennen.
Er rügt in mehreren Punkten eine Unvollständigkeit der Klageschrift sowie die fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten. Zudem sei er im Disziplinarverfahren zu wesentlichen Punkten nicht gehört worden.
In der Sache macht der Beklagte geltend: Es beständen mehrere Beweiserhebungs- und Verwertungsverbote. Das Landeskriminalamt NRW habe sich illegal die IP-Adresse des bei "L" chattenden Teilnehmers mit dem Nicknamen "F" verschafft. Am 24. Mai 2011 sei ihm eine sog. Spontanäußerung entlockt worden, ohne ihn über seine Beschuldigteneigenschaft zu belehren. Weder sei erwiesen, dass er die Chats bei "L" geführt habe, noch dass die Chatpartner Minderjährige gewesen seien. 84% der Nutzer dieser Chatplattform seien über 18 Jahre alt. Auch bei dem Chat mit M sei seine Beteiligung nicht erwiesen. Dass er dessen Chatpartner, der das Pseudonym "U X" verwendet habe, gewesen sein soll, sei eine reine Mutmaßung. Bei dem Vorwurf zu 5. stehe schon nach den Beschlüssen im vorläufigen Rechtsschutz nur noch eine angebliche kinderpornographische Datei in Rede. Diese Datei sei ein Bild von schlechter Qualität; es lasse nicht zwangsläufig darauf schließen, dass die abgebildete Person unter 14 Jahre oder auch nur unter 18 Jahre alt sei. Zudem handele es sich um eine temporäre Internetdatei, wie aus dem Speicherpfad hervorgehe. Solche Dateien könnten ohne aktives Tun des Betrachters im Hintergrund in den Cache-Speicher gelangen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, auch der Verfahren 31 K 5139/12.O, 31 L 1205/12.O, 31 L 2339/12.O und 31 M 113/12, die Strafakten 70 Js 2135/10 und 70 Js 7733/10 StA Düsseldorf sowie 591 Js 46/05, 182 Js 307/05, 182 Js 247/08, 182 Js 97/11 und 507 Js 246/12 StA Duisburg und die beigezogenen Personalakten und Disziplinarvorgänge des Klägers Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat Erfolg.
I. Sie ist zulässig. Zwar bestehen wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens (§ 54 LDG NRW). Diese führen aber nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Wesentliche Mängel in dem bezeichneten Sinn liegen allein in der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Verfahrensgestaltung und den Zeitpunkt der Klageerhebung; diese Mängel bleiben im Ergebnis ohne Folgen. Im Übrigen liegen keine Mängel vor.
Im Einzelnen:
1. Die dem Beklagten mit der Einleitungs- sowie der Ausdehnungsverfügung gemachten Vorwürfe sind hinreichend bestimmt. Der Umfang der disziplinaren Vorwürfe in der Klage geht inhaltlich nicht über diese Verfügungen hinaus. Soweit der Beklagte geltend macht, in der Klageschrift seien neue Vorwürfe erhoben worden, handelt es sich in Wahrheit um neue Ausführungen zur Würdigung der bereits gemachten Vorwürfe, insbesondere zum Chat mit M (S. 28 f. der Klageschrift). Dies ist auch den in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich erhobenen Rügen, die Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte 70 Js 7733/10 StA Düsseldorf sowie den letzten Schriftsatz des Klägers (vom 10. Februar 2014) betreffend, entgegen zu halten.
2. Die Klageschrift ist auch nicht in wesentlicher Hinsicht unvollständig. Sie genügt den Anforderungen des § 52 Abs. 2 LDG NRW. Die von dem Beklagten vermissten Angaben (Schriftsatz vom 9. Mai 2013, S. 2-5 oben) betreffen Einzelheiten, die ohnehin aktenkundig sind und deshalb nicht eigens in der Klageschrift ausgebreitet werden mussten. Eine Unvollständigkeit besteht allerdings insofern, als die auf S. 22 oben der Klageschrift aufgeführten drei Accounts "J" entgegen der dortigen Angabe nicht beigefügt sind. Die betreffenden Anlagen sind aber ebenfalls aktenkundig (L-Sache Bl. 620 ff.).
3. Die Bezirksregierung E1 hat keinen Beweisantrag des Beklagten übergangen (§ 24 Abs. 3 LDG NRW). In seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2013 ist ein solcher Beweisantrag nicht enthalten. Soweit dort im Anschluss an längere Ausführungen zu der sog. U1-Gruppe die Angabe
"Beweis: Zeugenaussagen der o.g. einzuvernehmenden Personen"
enthalten ist, wird nicht deutlich, welche Tatsache unter Beweis gestellt werden soll. Im Übrigen würde selbst eine fehlende Beweiserhebung nicht zur Unzulässigkeit der Klage führen, sondern dazu, dass die Disziplinarkammer den Beweis, soweit erforderlich, selbst zu erheben hätte (§ 57 Abs. 1 LDG NRW).
4. Der Beteiligung des Personalrats bedurfte es nicht. Sie findet nur auf Antrag statt. Diesen hat der Beklagte nicht gestellt, nachdem er rechtzeitig vorher von der beabsichtigten Disziplinarklage in Kenntnis gesetzt worden ist (§ 73 Nr. 6 LPVG NRW), nämlich mit der Übersendung des Ermittlungsergebnisses am 14. Januar 2013 (Beiakte H. 5 Bl. 89 u. 92).
5. Auch die Gleichstellungsbeauftragte (GleiB) war nicht zu beteiligen.
a) Für Bundesbeamte ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Disziplinarverfahren eine Mitwirkung der GleiB nur dann stattfindet, wenn durch das konkrete Disziplinarverfahren die in § 19 Abs. 1 Satz 2 BGleiG genannten Gleichstellungsbelange betroffen sind, also die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 -, NVwZ-RR 2013, 693; OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2011 - 1 A 634/09 -, PersR 2011, 338; für das Wehrdisziplinarverfahren noch weitergehend BVerwG, Beschluss vom 30. November 2011 - 2 WRB 1.11 -: in keinem Fall Beteiligung, da ein solcher Grundrechtseingriff einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedurft hätte.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für Landesbeamte. Auch hier ist die Mitwirkung bei Maßnahmen nur vorgesehen, wenn diese "Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann haben oder haben können" (§ 17 Abs. 1 LGG NRW). Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Formulierung "Auswirkungen haben können" weiter geht als die Formulierung "betreffen": Wenn schon die bloße Möglichkeit der beschriebenen Auswirkungen genügt, werden mehr Fälle erfasst, als wenn ein Betroffensein gefordert wird. Dieser nach dem Wortlaut bestehende Unterschied wird allerdings dadurch weitgehend aufgehoben, das nach dem BVerwG ein Betroffensein der Gleichstellungsbelange schon dann anzunehmen ist, wenn "Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Aufklärung und Ahndung von Dienstpflichtverletzungen, die unmittelbar nichts mit dem Zweck des BGleiG zu tun haben, die Ermittlungsmethoden oder die Sanktionen je nach Geschlecht oder nach anderen individuellen Verhältnissen, die die Aufgabentrias des § 19 Abs. 1 Satz 2 BGleiG berühren, wie zum Beispiel Familienstand oder Unterhaltspflichten, differieren".
So BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. (juris Rdnr. 20).
Nur wenn derartige Anhaltspunkte bestehen, ergibt sich auch die Möglichkeit der Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann. Denn ein Disziplinarverfahren, das weder in seinem Gegenstand (dem in Rede stehenden Dienstvergehen) einen Bezug zu Gleichstellungsbelangen aufweist noch in seiner konkreten Handhabung Anhaltspunkte für die von dem BVerwG beschriebene Differenzierung bietet, kann solche Auswirkungen nicht haben.
Zu weitgehend daher Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Urteile vom 5. April 2011 - DG - 4/2009 - und vom 24. Januar 2012 - DG - 1/2011 -, nach dem bei einer Disziplinarmaßnahme solche Auswirkungen immer eintreten können.
Bei einer punktuellen Individualmaßnahme reicht es insbesondere nicht, dass andere derartige Maßnahmen in ihrer Vorbereitung gleichstellungsrelevante Aspekte berühren können. Abzustellen ist immer auf den konkreten Fall.
Vgl. für eine Abmahnung: OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2012 - 1 A 2043/11 -, juris.
Im Fall des Beklagten besteht keine Möglichkeit, dass sich das Disziplinarverfahren in dem beschriebenen Sinn auf die Gleichstellung von Frau und Mann auswirkt.
Die ihm vorgeworfenen Handlungen - anstößige Beiträge zu Internet-Chats sowie Besitz von kinderpornographischen Bild- und Filmdateien - betreffen weder die Gleichstellung von Frau und Mann noch die (in § 17 Abs. 1 LGG NRW ohnehin, anders als im Bundesgesetz, nicht genannten) Gleichstellungsbelange der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie des Schutzes vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Ein Bezug zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz besteht nicht vor dem Hintergrund, dass dem Beklagten vorgeworfen wird, er habe in seine (in den Internet-Chats ausgelebten) Phantasien Schüler seiner Schule einbezogen. Schüler haben keinen "Arbeitsplatz" im Sinne des LGG NRW. Sie besuchen die Schule nicht zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, sondern zur Erlangung von Bildung und um ihrer Schulpflicht zu genügen.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirksregierung E1 das Disziplinarverfahren anders geführt hätte, wenn eine Frau oder aber ein Mann mit einem anderen Familienstand oder anderen Unterhaltspflichten als der Beklagte betroffen gewesen wäre. Der Umstand allein, dass Täter von Kinderpornographie-Delikten und möglicherweise auch Teilnehmer an Internet-Chats mit sexuell anstößigem Inhalt typischerweise Männer sind, gibt derartige Anhaltspunkte nicht her.
b) Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen annehmen würde, dass der Mitwirkungstatbestand der GleiB erfüllt ist, war diese nicht zu beteiligen. Denn eine solche Beteiligung setzt stets den Antrag des betroffenen Beamten voraus. Anderenfalls müsste er im Disziplinarverfahren ungefragt die Mitwirkung einer weiteren den Interessen der Dienststelle verpflichteten Person (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 LGG NRW) hinnehmen, die Einblick in seine möglichen Dienstverfehlungen bekommt. Zu Recht hat das BVerwG darin einen Grundrechtseingriff gesehen, der ohne ausdrückliche Regelung nicht stattfinden darf.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 2011 a.a.O.
Dieser Grundrechtseingriff wäre im Falle eines männlichen Beamten wie dem Beklagten besonders gravierend, da die GleiB zwingend eine Frau ist (§ 15 Abs. 3 LGG NRW) und zu ihren Aufgaben die Frauenförderung gehört (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 LGG NRW). Wird sie an einem gegen einen männlichen Beamten wegen vorgeworfener sexueller Verfehlungen geführten Disziplinarverfahren beteiligt, so besteht vorderhand nicht die Erwartung, sie werde sich ausgerechnet für die Belange des beschuldigten Beamten einsetzen. Es wäre nachvollziehbar, wenn der betroffene Beamte eine solche Beteiligung nicht wünschen, sondern abwehren wollte.
Danach darf die GleiB ohne ausdrücklichen Antrag des Beamten, mit dem sich dieser mit dem Grundrechtseingriff einverstanden zeigt, nicht tätig werden.
Vgl. für den Vertrauensmann im Wehrdisziplinarverfahren: BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1992- 2 WDB 20/91 -, NZWehrr 1992, 167 (juris Rdnr. 6).
Der Beklagte hat aber einen solchen Antrag nicht gestellt.
6. Obwohl dem Beklagten alle Vorwürfe rechtzeitig eröffnet wurden und er Gelegenheit hatte, zu ihnen Stellung zu nehmen (oben 1.), ist doch in Einzelpunkten eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs erfolgt. Hierzu macht er zu Recht geltend, dass die Klageschrift über die abschließende Anhörung zum Ermittlungsergebnis (§ 31 LDG NRW) hinaus geht.
a) Dies betrifft zum einen die Punkte, in denen der Kläger noch im Jahre 2013, also nach Erstellung des abschließenden Ermittlungsergebnisses vom 4. Januar 2013, Ermittlungen geführt hat.
Das Ermittlungsergebnis ist dem Beklagten am 14. Januar 2013 bekannt gegeben worden (Beiakte H. 5 Bl. 92). Gleichwohl hat die Bezirksregierung E1 noch im Februar und März 2013 weitere Ermittlungen durchgeführt, wie sie selbst in der Klageschrift (S. 6) angibt. Für diese weiteren Ermittlungen ist ein Grund nicht ersichtlich, insbesondere hatte der Beklagte keinen dahingehenden Beweisantrag gestellt; seine Einwände gegen das Ermittlungsergebnis hat die Bezirksregierung E1 als unerheblich zurückgewiesen (Verfügung vom 21. März 2013). Wenn sie die weiteren Ermittlungen gleichwohl für geboten hielt und vornahm, hätte das Ergebnis dieser Ermittlungen dem Beklagten nochmals mit der Gelegenheit zur Anhörung mitgeteilt werden müssen.
Vgl. für das Bundesrecht: Urban/Wittkowski, BDG, 2011, § 30 Rdnr. 5.
Dies ist aber unterblieben. Vielmehr teilte die Bezirksregierung E1 die Ergebnisse der weiteren Ermittlungen dem Beklagten mit ihrer Verfügung vom 21. März 2013 lediglich formlos mit und wies ihn gleichzeitig darauf hin, dass sie "nunmehr Disziplinarklage erhoben habe". Die Disziplinarklage wurde also erhoben, bevor der Beklagte zu dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen Stellung nehmen konnte. Die weiteren Ermittlungen sind unter diesen Umständen nicht Bestandteil des Ermittlungsergebnisses nach § 31 LDG NRW geworden und durften folgerichtig in der Klageschrift nicht verwertet werden.
Dies betrifft insbesondere die Beiziehung der Strafakte 10 Js 7733/10 StA Duisburg, die nach der Darstellung des Klägers erst nach Mitteilung des Ermittlungsergebnisses erfolgt ist (Klageschrift S. 6). Der Inhalt dieser Strafakte hätte für die Klageschrift (S. 28 f.) davon ausgehend nicht ausgewertet werden dürfen.
b) Zum anderen sind bei dem Vorwurf zu 3. mehrere Ausführungen enthalten, die über das Ermittlungsergebnis hinaus gehen.
Im Ermittlungsergebnis heißt es: Am 19. Februar 2009 "soll" L... dem Beklagten ein Foto Janina-2.jpg gesandt haben (Beiakte H. 5 Bl. 74). Demgegenüber wird in der Klageschrift (S. 17) angegeben, an diesem Tag "hat er dem Beklagten ein Foto K-1.jpg und K-2.jpg gesandt". Aus dem Verdacht ist eine Tatsache, aus einem Foto sind zwei geworden.
In der Klageschrift ist weiter eine Würdigung auf der Grundlage der Strafakte 182 Js 97/11 StA Duisburg enthalten (S. 18 f.), die keinen Eingang in das Ermittlungsergebnis gefunden hatte.
Schließlich heißt es, die Identität dreier namentlich bezeichneter Schülerinnen sei durch das Polizeipräsidium Duisburg ermittelt worden, wobei auf das Aufsuchen der Schule durch PHK T am 22. Februar 2010 Bezug genommen wird (S. 20). Auch diese Passage ist in dem Ermittlungsergebnis nicht enthalten.
c) Bei den aufgezeigten Mängeln handelt es sich um solche des behördlichen Disziplinarverfahrens, indem versäumt wurde, den Beklagten zu den nach Vorlage des Ermittlungsergebnisses durchgeführten Ermittlungen rechtzeitig vor Einreichung der Klage anzuhören. Folge der Mängel ist die Befugnis des Gerichts, nach seinem Ermessen dem Kläger eine Frist zur Beseitigung zu setzen (§ 54 Abs. 3 LDG NRW). Von dieser Befugnis macht die Disziplinarkammer keinen Gebrauch.
Sie lässt sich dabei von dem Beschleunigungsgedanken leiten (§ 4 Abs. 1 LDG NRW). Würde die Sache an den Kläger zum Zwecke der Beseitigung der Gehörsverstöße zurückgereicht, müsste die Bezirksregierung Düsseldorf ein neues Ermittlungsergebnis erarbeiten - das vermutlich im Wesentlichen mit der bereits vorliegenden Klageschrift identisch wäre -, dem Beklagten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme geben und dann eine neue, möglicherweise überarbeitete Klageschrift einreichen. Mit einer solchen Vorgehensweise ginge viel Zeit verloren und wäre in der Sache nichts gewonnen, da der Beklagte im gerichtlichen Verfahren auch unmittelbar Stellung nehmen kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die aufgezeigten Punkte, in denen die Klageschrift über das Ermittlungsergebnis hinausgeht, nicht den Kern der disziplinaren Vorwürfe betreffen, sondern Fragen der Bewertung oder ein Detail des Sachverhalts (ein oder zwei Fotos "Janina"), das sich im Ergebnis nicht auswirkt.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte ist wegen eines einheitlichen Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 59 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 10 LDG NRW).
1. Der Beklagte hat durch Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen (für die Zeit vor dem 1. April 2009: §§ 57 Satz 3, 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F., ab dann: §§ 34 Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
1.1. In seinem außerdienstlichen Pflichtenkreis hat der Beamte im Rahmen seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten Vorschriften zu beachten, die, wie z.B. die Strafgesetze, wichtigen Gemeinschaftsinteressen dienen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 21d A 497/07.BDG - m.w.Nachw.
Hiergegen hat der Beklagte verstoßen; er hat eine Straftat begangen. Allerdings hat er sich allein nach § 185 StGB strafbar gemacht. Im Übrigen ist er straffrei.
a) Die Strafbarkeit nach § 185 StGB begründet sich durch die Teilnahme des Beklagten an den Chats im Chatraum "L" (Vorwurf zu 2.).
In tatsächlicher Hinsicht hat die Disziplinarkammer keinen Zweifel, dass er die zehn ihm vorgeworfenen Chatbeiträge verfasst hat. Dies ergibt sich aus den dabei verwendeten Nicknamen, die sich auf den Beklagten zurückverfolgen ließen. Auch der Beklagte selbst hat die Teilnahme an den Chats lediglich für die Daten 3. April, 3. Mai und 8. Mai 2011 in Abrede gestellt (Einlassung in der Strafsache 182 Js 97/11 Bl. 126); diese werden ihm nicht (mehr) vorgeworfen. Zu den übrigen Beiträgen hat er darauf verwiesen, "dass diese stets hypothetische Fragen an die Chatpartner enthielten, welche zu keinem Zeitpunkt zur Ausführung gelangen sollten". Er "wollte dabei sehen, wie weit die jeweiligen Chatpartner gehen würden" (a.a.O.). Darin liegt das Geständnis, dass diese Chatbeiträge von ihm stammen.
Die Disziplinarkammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abfrage zur IP-Adresse bei der Firma "L" (Strafsache a.a.O. Bl. 6) gegen strafprozessuale Bestimmungen verstoßen haben könnte. Auf die Voraussetzungen des § 100g Abs. 1 StPO kommt es nicht an, da die Erhebung von Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 TKG) nicht beim Telekommunikationsdiensteanbieter (§ 3 Nr. 6 TKG) und erst nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs erfolgt ist, § 100g Abs. 3 StPO. Infolgedessen war eine richterliche Anordnung gemäß § 100g Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 100b Abs. 1 StPO nicht erforderlich.
Die zehn Äußerungen, die jeweils einen "Notruf" des jeweiligen Chatpartners auslösten, sind zum Teil als Beleidigung auf sexueller Grundlage strafbar (§ 185 StGB).
Zwar bildet § 185 StGB keinen "Auffangtatbestand" für Fälle sexualbezogener Handlungen. Solche Handlungen können nicht allein schon deshalb als Beleidigung bestraft werden, weil sie der Tatbestandsverwirklichung eines Sittlichkeitsdelikts nahe kommen. Gleichwohl kann das Ansinnen eines unsittlichen Verhaltens eine nach der Vorschrift strafbare Ehrverletzung darstellen, wenn in ihm nach den gesamten Umständen eine herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen ist. Dies ist der Fall, wenn der Täter zu erkennen gibt, dass er die Betroffene als Person einschätzt, "mit der man so etwas ohne weiteres machen kann".
Vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1991 - 1 StR 509/91 -, NStZ 1992, 33; zusammenfassend auch LG Freiburg, Beschluss vom 3. September 2002 - 5 Qs 69/02 -, NJW 2002, 3645; ferner Hilgendorf, in: LK, 11. Aufl. (Stand: März 2005), § 185 Rdnrn. 28 ff.; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 185 Rdnr. 4.
Diese Umstände liegen bei dem Beklagten vor, wenn er nach abwehrender Antwort seines Chatpartners insistierte und sein Ansinnen erneut und zwar ausdrücklich als "ernstgemeint" vortrug. Von den in der Disziplinarklage aufgeführten Fällen trifft dies auf den Fall 2.9 zu. Dort gab die als 16jährig angegebene Chatpartnerin mit dem Nicknahmen "M K1 xD" durch die Antwort "jaa ne is klah" zu erkennen, dass sie auf das (vermeintliche) Angebot (nämlich "für son paar Sachen ziemlich gut" bezahlt zu werden) nicht eingehen wolle. Daraufhin schrieb der Beklagte ihr, dass er es ernst meine. Die Chatpartnerin sah sich daraufhin zu dem Hinweis veranlasst, dass sie keine Schlampe sei. Mit dem zweimal und zwar beim zweiten Mal nach ablehnender Antwort geäußerten Angebot des "Kaufs" sexueller Dienste hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er die Chatpartnerin als Person einschätzte, "mit der man so etwas ohne weiteres machen kann", und damit ihre Beleidigung zumindest billigend in Kauf genommen. Die Antwort des Mädchens, das sich als "Schlampe" behandelt sah, zeigt, dass der tatbestandliche Erfolg auch eingetreten ist.
Die neun anderen Fälle weisen die für eine Strafbarkeit nach § 185 StGB erforderlichen Umstände demgegenüber nicht auf. In den Fällen 2.1, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 und 2.8 hat der Beklagte keine Antwort der jeweiligen Chatpartnerin erhalten. Das geäußerte Ansinnen erlaubt unter diesen Umständen nicht den Schluss, dass der Beklagte die ihm offenbar unbekannten Gesprächspartnerinnen überhaupt in irgend einer Weise bewertete. Die Einlassung, er habe nur einmal sehen wollen, wie weit er gehen könne, kann ihm nicht widerlegt werden. In dem Fall 2.2 war der Chatpartner, dem vorgeschlagen wurde, "ein teenie girl leiden zu lassen", offenbar einverstanden, sich über dieses Ansinnen auszutauschen ("na klar wirst du es auch real machen", "cool wie sieht sie denn aus") oder gab dies zumindest vor. In dem Fall 2.3 wies die als 20jährig angegebene Nutzerin das Ansinnen entrüstet von sich ("boah halt deine fresse"), ohne dass der Beklagte darauf "nachgefasst" hätte. Schließlich weist auch der zu Fall 2.10 wiedergegebene Chatverkehr nach seinen Umständen nicht die herabsetzende Tendenz auf. Die Antwort der Nutzerin ("Versuch es doch selber bei ihm") konnte als schlagfertige, ironischhumorvolle Erwiderung verstanden werden; in der gleichen Weise ("brauch ... ne vertretung") hat der Beklagte geantwortet, ohne dass darin eine negative, ehrverletzende Bewertung seiner Chatpartnerin gesehen werden müsste.
Die Bedenken, die die Staatsanwaltschaft Duisburg davon abhielten, wegen Beleidigung Anklage zu erheben (182 Js 97/11 StA Duisburg Bl. 163), sieht die Disziplinarkammer durch die Zeugenaussage des L-Geschäftsführers (Disziplinarvorgang Bl. 616 ff.) als überholt an. Entgegen der damaligen Einschätzung der Staatsanwaltschaft kann dem Beklagten nicht zugute gehalten werden, dass er "jedenfalls unwiderlegbar davon ausgehen musste, dass der Personenkreis, der sich im Cybersexchannel aufhält, durchaus mit entsprechenden Anfragen rechnen konnte und ggf. auch wollte" und dass er "von der Minderjährigeneigenschaft der sich im Chat aufhaltenden Personen" nicht ausgehen musste. Schon die Charakterisierung des Chatraums "L", der nach der Zeugenaussage ausdrücklich auch für Kinder und Jugendliche eröffnet ist und umfangreiche Jugendschutzvorkehrungen hat, als "Cybersexchannel" lässt sich nicht aufrecht erhalten. Es ist auch nicht richtig, dass der Beklagte das Alter seiner Chatpartner nicht einschätzen konnte; denn nach der Zeugenaussage steht fest, dass dieses erstens während des Chats deutlich sichtbar angezeigt wird und zweitens jederzeit im Nutzerprofil abgerufen werden kann. Zwar ist einzuräumen, dass Überprüfungen des Nutzeralters nicht stattfinden, so dass die Altersangabe auch ein Phantasieprodukt des jeweiligen Nutzers sein kann. Der Beklagte musste aber naturgemäß jedenfalls mit der Möglichkeit rechnen, dass das Alter zutreffend angegeben war. Er hat dies nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern sich durch die Ausgestaltung des Chats sogar geradezu auf die Altersangabe eingelassen, indem er gezielt als junge Frauen oder Mädchen ausgewiesene Nutzer mit dem Anliegen eines Geschlechtsverkehrs gegen Bezahlung ansprach.
Zweifel an der Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) des Beklagten hat die Disziplinarkammer nicht (mehr), zumal dieser selbst nicht geltend gemacht hat, schuldunfähig zu sein. Insoweit kann auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Beschluss vom 28. August 2013 (EA S. 21 f.) Bezug genommen werden.
Ihre (vorläufige) Beurteilung in dem Beschluss vom 28. September 2012, dem Beklagten werde voraussichtlich kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sein, hält die Disziplinarkammer daher nach nochmaliger Überprüfung nicht aufrecht.
b) Eine Strafbarkeit durch die virtuelle Verbrechensverabredung in demselben Chatraum (Vorwurf zu 1.) ist dagegen nicht eingetreten.
Eine Beleidigung (§ 185 StGB) scheidet insoweit aus, da der Gesprächspartner mit dem Nicknamen "a444" mit dem Gesprächsinhalt einverstanden war oder jedenfalls vorgab es zu sein ("Ich mag es usw.").
Eine Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung (§§ 211, 212, 30 StGB) scheitert daran, dass die in Aussicht genommene Folter eines "Mädels" "in echt" offenbar nicht wirklich beabsichtigt war und zugunsten des Beklagten jedenfalls angenommen werden muss, dass sie es nicht war.
c) Auch durch den "M-Chat" (Vorwurf zu 3.) hat sich der Beklagte nicht strafbar gemacht.
Er stellt ebenfalls keine Beleidigung dar. L... war mit dem Inhalt des Chats einverstanden und hat sich aus freien Stücken gleichrangig mit dem Beklagten beteiligt. Seine Beleidigung war weder beabsichtigt noch ist sie eingetreten. Hinsichtlich der Verbrechensverabredung gilt Entsprechendes wie beim Vorwurf zu 2.
Der Beklagte ist auch nicht wegen des Chats als kinderpornographischer Schrift strafbar (§ 184b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 4 StGB).
Allerdings hält die Disziplinarkammer ihre Ansicht (Beschluss vom 28. September 2012), dass bei nur einem Adressaten mangels Verbreitungsabsicht keine "Schrift" vorliegen könne, nicht aufrecht. Diese Bedenken sind durch einen neueren Beschluss des Bundesgerichtshofs überholt.
Vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - 1 StR 8/13 -, BGHSt 58, 197 (juris Rdnr. 13).
Aus dem Beschluss ergibt sich indessen zugleich, dass es deshalb an einer Verwirklichung des Tatbestandes (im Sinne der Absätze 2 und 4) fehlt, da eine Schrift, die kinderpornographische Sachverhalte allein mit Worten beschreibt, kein "tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen" wiedergibt.
Vgl. BGH a.a.O. (juris Rdnrn. 15-28).
Eine Strafbarkeit nach Abs. 1 Nr. 3 wegen des Herstellens solcher Schriften (oder Beihilfe hierzu, § 27 StGB) scheidet aus, weil es an dem mit den Worten "um zu" bezeichneten subjektiven Merkmal (Absicht der Verwendung usw.) fehlt.
Im Übrigen steht der Strafbarkeit zusätzlich entgegen, dass dem Beklagten nicht nachgewiesen werden kann, dass er den erforderlichen (§ 15 StGB) Vorsatz hinsichtlich des Merkmales "Schrift" hatte. Denn zur (kinderpornographischen) "Schrift" wurde der Chat erst durch die Zusammenstellung der einzelnen Chatbeiträge in dem von M auf seinem Rechner hergestellten Protokoll des Chatdialogs. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte mit einer solchen Protokollierung rechnete und diese (mindestens) billigend in Kauf nahm.
d) Auch der Besitz kinderpornographischen Bildmaterials (Vorwurf zu 5.) kann dem Beklagten nicht als Straftat (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB) zur Last gelegt werden.
Bei dem der Kirchengemeinde St. O überlassenen Computer steht nicht fest, dass der Beklagte die darauf befindlichen Dateien zu einem Zeitpunkt wissentlich (§ 15 StGB) in Besitz hatte, zu dem er bereits Beamter war. Dies hat die Disziplinarkammer bereits in ihrem Beschluss in der Sache 31 L 1205/12.O ausgeführt; das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich diesen Ausführungen angeschlossen (Beschluss vom 28. August 2013 - 3d B 1251/12.O -, EA S. 8). Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten zweiten Beweisantrag, demzufolge sich aus dem seinerzeit geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 182 Js 247/08 StA Duisburg kein dienstlicher Bezug zu dem Disziplinarverfahren herstellen lässt, war daher nicht weiter nachzugehen. Die unter Beweis gestellten Tatsachen konnten als wahr unterstellt werden (vgl. § 244 Abs. 3 StPO).
Hinsichtlich der auf seinem Notebook HP vorhandenen Bild- und Videodateien kommt allein das sog. "Bild 1" in Betracht, da zu "Bild 2" das Speicherdatum nicht bekannt ist und die Filmdateien nicht mehr rekonstruierbar waren. Auch insoweit kann auf die im vorläufigen Rechtsschutz ergangenen Beschlüsse verwiesen werden.
Zu dem "Bild 1" teilt die Disziplinarkammer nicht die - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohnehin nur im Sinne einer "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" geäußerte - Ansicht des OVG NRW, durch dessen Besitz habe sich der Beklagte gemäß § 184b StGB strafbar gemacht.
Schon objektiv ist die auf dem sehr kleinen Bild dargestellte Person nicht ohne weiteres als Kind, also Person unter vierzehn Jahren (§ 176 Abs. 1 StGB), einzustufen. Die insoweit von dem Kläger sowie dem OVG NRW ins Feld geführten Gesichtspunkte - gänzlich fehlende Schambehaarung, Gestalt des Geschlechtsteils, "Babyspeck" auf den Oberschenkeln, Größenverhältnis des linken Oberschenkels zu dem in der Kniekehle abgebildeten Daumen - mögen zwar dafür sprechen, dass es sich um eine sehr junge Person handelt, lassen es aber nicht ausgeschlossen erscheinen, dass diese das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat. Indessen kann dies letztlich auf sich beruhen.
Die Strafbarkeit des Beklagten würde nämlich voraussetzen, dass dieser Vorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes hatte (§ 15 StGB), also auch hinsichtlich des Alters der abgebildeten Person. Da sich eine Vorstellung bezüglich des Alters, wie die Ausführungen des OVG NRW zeigen, nur bei sehr eingehender Betrachtung des Bildes einstellen kann und nicht bekannt ist, ob und ggf. wann der Beklagte sich einer solchen Betrachtung hingegeben hat, ist ihm ein Vorsatz in diesem Punkt nicht nachzuweisen. Nach dem Dafürhalten der Disziplinarkammer müssen hier vielmehr dieselben Überlegungen Platz greifen, die schon das Amtsgericht Duisburg-Hamborn davon abgehalten haben, in der Sache 182 Js 97/11 den von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl zu erlassen. Das Amtsgericht hat angesichts der geringen Auflösung der dort in Rede stehenden fünf sog. Thumbnails sogar verneint, dass sich sicher feststellen lasse, die abgebildeten Personen seien Jugendliche, also noch nicht 18 Jahre alt; zumindest seien sie ohne Einholung eines Altersbestimmungsgutachtens nicht sicher als solche erkennbar. Unter diesen Umständen lasse sich ein Vorsatz des Beklagten hinsichtlich des Alters nicht beweisen (Beschluss vom 5. April 2012, bestätigt durch Beschluss des LG Duisburg vom 11. Juli 2012).
Legt die Disziplinarkammer dem Beklagten (jedenfalls) keinen Vorsatz hinsichtlich des Besitzes der (möglicherweise) kinderpornographischen Bilddatei zur Last, so brauchte dem in der mündlichen Verhandlung gestellten fünften (und letzten) Beweisantrag, der darauf abzielt, diese Datei sei als temporäre Datei (sog. "thumbnail") ohne gezieltes Herunterladen auf dessen Rechner gelangt, nicht entsprochen werden. Die unter Beweis gestellte Tatsache konnte als wahr unterstellt werden.
1.2. Der Beklagte hat zudem durch den Internet-Chat mit dem strafrechtlich gesondert verfolgten N M (Vorwurf zu 3.) trotz fehlender Strafbarkeit (oben 1.1.c) eine weitere Dienstpflichtverletzung begangen.
Ein nicht strafbares und auch zivilrechtlich nicht sittenwidriges außerdienstliches Verhalten eines Beamten kann disziplinarrechtlich relevant sein, wenn es trotz der eingetretenen Liberalisierung der Anschauungen auf sittlichem Gebiet in weiten Teilen der Bevölkerung weiterhin als anstößig und nicht ehrenhaft angesehen wird.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 21d 4658/06.O - (zur Prostitution).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Disziplinarkammer hat keinen Zweifel daran, dass das Protokoll dieses Chats (Beweismittelordner, Beiakte H. 8, Vorwurf 3 unter Punkt 9) echt und der dort mit der Mailadresse g@web.de geführte Chatpartner der Beklagte ist. Zur Begründung kann auf die eingehenden Ausführungen des OVG NRW im Beschluss vom 28. August 2013 (EA S. 9-14) Bezug genommen werden, denen die Disziplinarkammer folgt. Das OVG hat die Identität des Beklagten mit dem Nutzer "g@web.de" in erster Linie aus den in dem Chat übersandten Bilddateien "K-1.jpg" und "K-2.jpg" geschlossen und ergänzend weitere Indizien benannt. Diese Gesichtspunkte hat der Beklagte im Klageverfahren nicht auszuräumen vermocht. Soweit er auf widersprüchliche Datumsangaben im Chatprotokoll und bei den versandten Bildern abstellt, entlastet ihn dies nicht. Es ist gerichtsbekannt, dass Datumszuschreibungen oft automatisiert von den beteiligten Geräten vorgenommen werden und sich nicht notwendig auf das Datum beziehen müssen, an dem der Dateiaustausch oder der Chat stattfindet. Zudem stimmt die in dem jeweiligen Gerät vorgenommene Datumseinstellung nicht notwendig mit dem wirklichen Datum überein.
Aus dem Beschluss des OVG ergibt sich zudem, dass es auf die Frage, wann der Beklagte auf "facebook" Freundschaft mit der Zeugin H geschlossen hat, nicht entscheidend ankommt. Die insoweit in der mündlichen Verhandlung mit dem dritten und vierten Beweisantrag unter Beweis gestellten Tatsachen konnten als wahr unterstellt werden. Anzumerken ist hierzu lediglich noch, dass sich aus diesen Tatsachen mitnichten die in den Beweisanträgen nahegelegte Folgerung ergibt, der Beklagte könne nicht schon im Jahre 2008 Fotos der Zeugin besessen haben. Da die Zeugin H unstreitig bereits im Schuljahr 2006/2007 seine Schülerin war, kann er diese Fotos beispielsweise auch schon damals unmittelbar von ihr ausgehändigt oder (etwa per e-Mail) zugesandt bekommen haben.
Da die Beteiligung des Beklagten an dem Chat zur Überzeugung der Kammer bereits aufgrund der angeführten sachlichen Beweismittel feststeht, kann dahinstehen, ob wegen der Aussage des Beklagten am 24. Mai 2011 ein Beweisverwertungsverbot besteht. Insoweit ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es zwar Anhaltspunkte dafür gibt, dass KHK S1 bereits zum Zeitpunkt der Befragung des Beklagten gewusst haben könnte, dass dieser als Beschuldigter in Frage kam, und ihn daher als Beschuldigten mit entsprechender Belehrung (§§ 163a Abs. 4 Satz 2, 136 Abs. 1 StPO) hätte vernehmen müssen. Denn die sog. utrace-Auskunft, nach der die Benutzerkennung dem Beklagten zuzuordnen war, lag beim PP E bereits am Morgen des 24. Mai 2011 vor, während der Beklagte erst um die Mittagszeit angetroffen wurde. Ein etwaiges Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der an dem Tag gemachten Aussage würde aber keine "Fernwirkung" in dem Sinn nach sich ziehen, dass außer der Aussage selbst auch die ausgehend von der Aussage erlangten Beweismittel nicht verwertet werden könnten. Eine derart weitgehende Fernwirkung, die zur Lahmlegung des Ermittlungsverfahrens führen würde, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht anerkannt.
Vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 24. August 1983 - 3 StR 136/83 -, BGHSt 32, 68.
Hinsichtlich des Inhalts des Chats kann auf die Zusammenfassung in der Klageschrift verwiesen werden, die sich nach eingehender Sichtung des vollständigen Chatprotokolls (188 Seiten im Beweismittelordner) durch die Disziplinarkammer als zutreffend darstellt. In dem Chat werden verschiedene sexuelle sowie sadistische Handlungen an Mädchen geschildert, deren Ausführung sich die beiden Teilnehmer - der Beklagte und M - berühmen. Auszugehen ist dabei davon, dass es sich durchweg um Phantasieprodukte dieser beiden Teilnehmer, also um "virtuelle" Handlungen, handelte, die in der Wirklichkeit nicht stattgefunden haben. Virtuell in diesem Sinne wurden Mädchen zum Zwecke der Folter ausgesucht, in das Vereinsheim eines Sportvereins gelockt, dort gefoltert - z.B. durch Einführung einer Sektflasche in die Scheide oder Fixierung einer solchen Flasche zwischen den Beinen mit anschließender Auslösung des Korkens - oder vergewaltigt und in zwei Fällen ("K1", "T1") auch getötet. Dabei bekundeten die beiden Chatpartner wiederholt ihre Freude an den Geschehnissen ("geil", "grins", "hehe", "LOL" usw. oder durch den Gebrauch von sog. Emoticons wie :) usw.). Zum Objekt dieser Phantasien gemacht wurden Schülerinnen der Schule des Beklagten, des F-Gymnasiums (F), die zum Teil auch von ihm unterrichtet worden waren. Der Beklagte schlug sie M - ohne dass er sich diesem ausdrücklich als Lehrer der Schule zu erkennen gab - anhand des Webauftritts seiner Schule sowie in seinem Besitz befindlicher weiterer Bilder vor und machte sie auch namhaft, wobei er M etliche Bilder während des Chats übersandte. In gleicher Weise betroffen waren von ihm im Schuljahr 2006/2007 unterrichtete Schülerinnen der N-Realschule in C ("W", "J1"). Zu der virtuellen Folter kam es nur, wenn sich der Beklagte und M jeweils darauf verständigt hatten, dass es sich um ein nach ihren Maßstäben ("süß", "Titten" usw.) lohnendes Opfer handelte. Die zu dem Beklagten in das "Vereinsheim" gelockten virtuellen Opfer setzten zum Teil auch "eigene" Chatbeiträge an M ab, die naturgemäß in Wahrheit ebenfalls von dem Beklagten verfasst sind.
Ergänzend zu der Zusammenfassung in der Klageschrift ist noch hervorzuheben, dass nach dem Chatprotokoll ein Mädchen ("W") gezwungen wird, der Prostitution nachzugehen, um innerhalb von sechs Monaten einen Betrag von 10.000,- Euro (evtl. abzüglich bereits auf dem Sparbuch vorhandener 5.000,- Euro) zu verdienen; nur so dürfe sie ihre "klit" (= Klitoris) behalten (Abdruck S. 84-91).
Das Führen eines derartigen Internet-Chats ist in hohem Maße sittlich anstößig, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob mit einem solchen Chat die Gefahr heraufbeschworen wird, dass ein Teilnehmer - etwa M - derartige Handlungen in der Wirklichkeit vornimmt. Schon dass Mädchen überhaupt zum Gegenstand von schriftlich ausformulierten Gewalt- und Sexphantasien gemacht werden, ist zu missbilligen. Dies gilt ganz besonders, wenn es sich um wirklich existierende, konkret mit Namen bezeichnete und durch Betrachtung oder Übersendung von Bildmaterial anschaulich gemachte Personen handelt. Es ist nach dem Dafürhalten der Disziplinarkammer eindeutig, dass ein solcher Chat auch bei aller Liberalisierung der Anschauungen auf sittlichem Gebiet in weiten Teilen der Bevölkerung weiterhin auf entschiedene, moralisch begründete Ablehnung stoßen wird, und zwar auch dann, wenn die durch die weitgehende Anonymität des Internet bewirkte Enthemmung und die Begrenzung des Chats auf lediglich zwei Teilnehmer in Rechnung gestellt wird. Insoweit befindet sich die Disziplinarkammer in Übereinstimmung mit dem Beschluss des OVG NRW vom 28. August 2013, auf den verwiesen wird (EA S. 14-15).
Zutreffend hebt das OVG NRW in diesem Zusammenhang hervor, dass das sittlich anstößige Verhalten des Beklagten gerade seinen Dienstpflichten als Lehrer in hohem Maße zuwiderläuft. Denn zu diesen gehört die Sorge um das geistige und körperliche Wohl seiner Schüler. Der Beklagte hätte sich vergegenwärtigen müssen, dass sein Chatpartner, über dessen Person er keinerlei Kenntnisse hatte, möglicherweise die von ihm bezeichneten Schülerinnen auch real aufsuchen und drangsalieren könnte. Selbst nur eine geringfügige Wahrscheinlichkeit eines solchen Handelns hätte für ihn unter allen Umständen Grund genug sein müssen, von dem Chat Abstand zu nehmen (EA S. 15-16).
Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beklagten hat die Disziplinarkammer auch insoweit nicht.
1.3. Demgegenüber hat die Teilnahme des Beklagten an dem Chatraum "L" (Vorwürfe zu 1., 2. und 4.), soweit sie über die strafbare Beleidigung (oben 1.1.a) hinausgeht, nur geringes oder gar kein disziplinares Gewicht, so dass dem nicht weiter nachzugehen ist. Dies gilt auch für die Verwendung von Nicknamen mit der Abkürzung "F" oder Namen von Schülerinnen. Dem Beklagten kann nicht nachgewiesen werden, dass er damit rechnete oder auch nur rechnen musste, dass die Nutzer eine Verbindung zu dem F-Gymnasium in E herstellen würden.
1.4. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (vor dem 1. April 2009: § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F.) sind bei den beiden aufgezeigten Dienstpflichtverletzungen gegeben. Für den vorliegenden Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG; vor dem 1. April 2009: § 57 Satz 3 LBG NRW a.F.) ist ausschlaggebend, ob die Beeinträchtigung des berufserforderlichen Vertrauens konkret möglich ist. Das wiederum ist der Fall, wenn das vorgeworfene Verhalten Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Beamte die ihm im Rahmen seines konkretfunktionellen Amtes obliegenden Dienstpflichten nicht oder unzureichend erfüllen wird. Je näher der Bezug seines außerdienstlichen Fehlverhaltens zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, die Achtung und/oder das Vertrauen zu beeinträchtigen, die sein Beruf erfordert. Besteht zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den mit dem konkretfunktionellen Amt einhergehenden Aufgaben kein oder nur ein loser Zusammenhang, ist dieses nicht zur Beeinträchtigung geeignet. Besteht dagegen eine enge Verbindung, z.B. indem ein mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten betrauter Polizeibeamter selbst eine Straftat begeht, ist von einer solchen Beeinträchtigung auszugehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2001 - 1 D 20.00 -, BVerwGE 114, 212.
Bei dem Beklagten ist ein Zusammenhang mit seinem konkretfunktionellen Amt als Lehrer gegeben. Dies liegt angesichts des Bezuges der Verstöße auf Kinder und Jugendliche (Gewaltphantasien im Internet-Chat bezogen auf Schüler, sexuelle Beleidigung eines als 16jähriges Mädchen ausgewiesenen Chatraum-Nutzers), auf der Hand.
2. Das Dienstvergehen des Beklagten führt zur Verhängung der Höchstmaßnahme.
2.1. Die Disziplinarkammer lässt es offen, ob sie dem rechtlichen Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts für die disziplinare Ahndung außerdienstlicher Verfehlungen folgt.
So schon Urteile vom 25. Mai 2011 - 31 K 7448/04.O -, und vom 27. Juni 2012 - 31 K 1391/12.O -.
Nach diesem Ansatz ist die disziplinare Maßnahme an der Höhe der gesetzlichen Strafandrohung auszurichten.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 und 13.10 -, NVwZ 2011, 299 ff.
Im Einzelnen hat das BVerwG für den Besitz kinderpornographischer Schriften danach folgende Leitlinien aufgestellt:
Bei dem Strafrahmen des § 184 Abs. 5 StGB a.F. (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) soll Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme gegen Lehrer die Zurückstufung sein.
BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 -, Rdnr. 23 (juris).
Gleiches soll bei dem Strafrahmen der Neufassung dieses Delikts in § 184b Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe) gelten, wenn es sich nicht um einen Lehrer handelt.
BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 -, Rdnr. 26 (juris).
Demgegenüber hat das BVerwG "klargestellt", dass bei einem Lehrer unter Geltung der erhöhten Strafdrohung angesichts seiner Dienstpflichten der Orientierungsrahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.
BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 -, Rdnr. 24 (juris).
Der Strafrahmen des § 185 StGB, wenn die Beleidigung nicht mittels einer Tätlichkeit begangen wird (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe), stimmt mit der alten Fassung des Delikts Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184 Abs. 5 StGB a.F.) überein. Demnach wäre also bei dem Beklagten für die Maßnahmebemessung - unabhängig von der Lehrereigenschaft - im Ausgangspunkt von der Zurückstufung auszugehen.
Die Disziplinarkammer lässt es offen, ob sie dem aufgezeigten rechtlichen Ansatz des BVerwG folgt. Gegen diesen Ansatz ließe sich einwenden, dass Strafrecht und Disziplinarrecht verschiedene Zielrichtungen haben. Während die Kriminalstrafe dazu dient, der Begehung weiterer Straftaten entgegen zu wirken sowie dem Täter die Fähigkeit und den Willen zu verantwortlicher Lebensführung zu vermitteln und zu helfen, etwaige soziale Anpassungsschwierigkeiten, die mit der Tat zusammenhängen, zu überwinden, ist die disziplinarrechtliche Ahndung darauf ausgerichtet, einen geordneten und integeren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Vgl. BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - 16a D 05.981 -, juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2004 - 2 WD 15.03 -, DokBer B 2004, 278.
Davon ausgehend erscheint es denkbar, dass disziplinarrechtlich auch dann einschneidende Sanktionen - bis hin zur Höchstmaßnahme - geboten sein könnten, wenn es strafrechtlich bei einer vergleichsweise geringen Strafe sein Bewenden hat. Speziell bei der Strafandrohung für den Besitz von Kinderpornographie ist zu bedenken, dass sie sich nicht etwa wegen des Ranges der betroffenen Rechtsgüter in einen unteren Rahmen bewegt. Die Würde der misshandelten Kinder ist als erstrangiges Rechtsgut anzusehen. Die niedrige Strafandrohung ist vielmehr Folge der rechtlichen Konstruktion als abstraktes Gefährdungsdelikt, die eine Bestrafung auch dann vorsieht, wenn es durch die Tat nicht konkret zu einer (weiteren) Rechtsgutverletzung kommt.
Auch das Bundesverwaltungsgericht selbst hat in einer jüngeren Entscheidung betont, die Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei wegen der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht nicht "schematisch" nach der strafrechtlichen Würdigung der Pflichtverletzung vorzunehmen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2013 - 2 WD 28.12 -, juris.
Nach dem Dafürhalten der Disziplinarkammer kann der gesetzliche Strafrahmen jedenfalls dann nicht Richtschnur für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme sein, wenn das Verhalten des Beamten, obwohl es außerdienstlich stattgefunden hat, doch einen engen Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit aufweist. Denn in einem solchen Fall wird der Unwertgehalt seines Dienstvergehens mit der Strafandrohung des StGB nicht ausreichend erfasst. Die angesprochene "Klarstellung" zeigt, dass das BVerwG in solchen Fällen selbst von seinem rechtlichen Ansatz ein Stück weit abrückt, um der Besonderheit der dienstlichen Stellung des Beamten Rechnung zu tragen.
2.2. Ausgehend hiervon sieht sich die Disziplinarkammer nicht gehindert, zum Ausgangspunkt ihrer disziplinaren Würdigung die Teilnahme des Beklagten an dem sog. M-Chat zu machen, obwohl diese nicht unter Strafe steht und somit dem Strafgesetz keine Anhaltspunkte für die disziplinare Maßnahmebemessung entnommen werden können.
Setzt sich das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Maßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. September 2004 - 1 D 18.03 - und 23. Februar 2005 - 1 D 1.04 -, NVwZ-RR 2006, 45 ff.
Das ist hier der Chat des Beklagten mit Lehning. Die punktuelle Beleidigung eines 16jährigen Mädchens durch das (trotz gegenteiligen Bekundens wohl nicht ernstgemeinte) Angebot der Bezahlung sexueller Handlungen hat nämlich ein vergleichsweise geringes Gewicht und würde für sich genommen nicht einmal die nach dem rechtlichen Ansatz des BVerwG in Aussicht zu nehmende Zurückstufung, sondern nur eine geringere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Der Chat mit M, in dem auf breiten Raum (188 Seiten) übelste sexuelle und sadistische Phantasien ausgelebt wurden - wenn auch nur virtuell -, stellt sich trotz nicht gegebener Strafbarkeit als weitaus gravierendere Dienstpflichtverletzung dar und hat daher den Schwerpunkt der Zumessungserwägungen zu bilden.
2.3. Die Disziplinarkammer sieht die Beiträge des Beklagten zu dem Chat mit M von ihrem Unwertgehalt auf einer Stufe mit dem Besitz kinderpornographischer Schriften.
Bei beiden Handlungen besteht Übereinstimmung darin, dass sie sich auf die Misshandlung Minderjähriger beziehen. Objektiv geht die Herstellung kinderpornographischer Schriften allerdings über einen Internet-Chat wie den von dem Beklagten geführten hinaus, da es bei dieser Produktion tatsächlich zu Misshandlungen kommt, während diese bei dem Chat nur imaginiert werden. Demgegenüber besteht subjektiv ein deutlicher Überschuss bei der Teilnahme an dem Chat, bei dem der Beklagte sich selbst in allen Einzelheiten die Misshandlungen ausdachte und virtuell vornahm, während der Besitzer von Kinderpornographie die fertigen "Schriften" (§ 11 Abs. 3 StGB) lediglich konsumiert. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch der Kinderpornographie-Besitzer die Misshandlungen nicht etwa selbst vornimmt. Die Strafandrohung und die Verhängung der Höchstmaßnahme bei Lehrern rechtfertigen sich aus dem Charakter des Delikts als abstraktem Gefährdungsdelikt. Eine ähnliche Ausrichtung der Zumessung hat auch hier zu gelten: Die Produktion von Internet-Chats wie die von dem Beklagten geführten muss im Interesse des Schutzes der Kinder und Jugendlichen, die bei einer Verbreitung derartiger Praktiken durchaus auch realen Gefahren ausgesetzt werden können, unterbunden werden.
2.4. Ist demnach Ausgangspunkt der disziplinaren Zumessungserwägungen auch für den hier in Frage stehenden Chat die Höchstmaßnahme, so besteht im Falle des Beklagten nach dessen Persönlichkeitsbild und den weiteren zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles (§ 13 Abs. 2 LDG NRW) kein Anlass, diese Maßnahme nicht zu verhängen. Der Beklagte hat durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn nach dem gebotenen objektiven Maßstab endgültig verloren (§ 13 Abs. 3 LDG NRW). Wer in der Weise, wie es der Beklagte getan hat, Gefallen an der - wenn auch nur vorgestellten - sexuellen Drangsalierung, Vergewaltigung, Folter und Tötung von Schülerinnen findet, ist als Lehrer schlechterdings untragbar. Bei dem Beklagten kommt die strafbare Beleidigung in dem sog. L-Chat noch erschwerend hinzu. Die weiteren im Vorstehenden nicht als Dienstvergehen gewürdigten Vorwürfe (insbesondere zu 1.) runden sein Persönlichkeitsbild zusätzlich zu seinen Lasten ab. Das in der mündlichen Verhandlung nochmals unter Vorlage von Unterlagen dokumentierte dienstliche Engagement des Beklagten - das für jeden Beamten ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein sollte - und die im Dienst gezeigten Leistungen können unter diesen Umständen nicht zu einer anderen Bewertung führen. Nicht ausschlaggebend ist auch, dass es - wie in der mündlichen Verhandlung von den Prozessbevollmächtigten des Beklagten herausgestellt - bisher anscheinend keine elterlichen Initiativen gegeben hat, mit denen im Hinblick auf die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfen dessen Fernhaltung aus dem Schuldienst verlangt worden wäre. Das Ausbleiben derartiger Anliegen erklärt sich ohne weiteres daraus, dass der Beklagte aufgrund seiner vorläufigen Dienstenthebung derzeit nicht an einer Schule tätig ist und daher den betroffenen Schülern und ihren Eltern nicht präsent ist.
2.5. Mit der Forderung der Höchstmaßnahme hat sich der Kläger nicht in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten begeben.
Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme kann von Bedeutung sein, dass der Dienstvorgesetzte trotz des ihm bekannten Verdachts eines Dienstvergehens entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW längere Zeit untätig bleibt, obwohl der Beamte weitere Pflichtenverstöße begeht. Ein solches Untätigbleiben verkennt die Zielsetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens. Dieses dient für sich genommen der Wahrung des Übermaßverbots gegenüber dem Beamten sowie der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Seine Einleitung soll weiteren Pflichtenverstößen vorbeugen, wenn aufgrund des ersten Pflichtenverstoßes des Beamten nur eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in Betracht kommt. Der Beamte soll so früh als möglich an seine Dienstpflichten erinnert und zu deren Erfüllung angehalten werden. Der Dienstvorgesetzte darf nicht zuwarten, bis die Pflichtenverstöße ein gravierendes Ausmaß angenommen haben, das die Erhebung einer Disziplinarklage gemäß § 35 LDG NRW rechtfertigen kann. Danach kann sich eine erhebliche Verzögerung der Verfahrenseinleitung vor allem dann mildernd auf die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme auswirken, wenn der Beamte das beanstandete dienstliche Verhalten bei rechtzeitiger Pflichtenmahnung durch den Dienstvorgesetzten, etwa durch die Verfahrenseinleitung mit dem Ziel des Erlasses einer Disziplinarverfügung, voraussichtlich geändert oder unterlassen hätte. Insbesondere darf ihn der Dienstvorgesetzte nicht längere Zeit darüber im Unklaren lassen, dass er eine bestimmte Verhaltensweise als disziplinarrechtlich relevant ansieht.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 -, NVwZ 2009, 399, 402 (zum Bundesrecht); Urteil der Disziplinarkammer vom 3. April 2013 - 31 K 2995/12.O -.
Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Es mag sein - wie mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Beweisantrag unter Beweis gestellt -, dass bei der Ernennung des Beklagten auf Lebenszeit bei der Bezirksregierung E1 bereits Erkenntnisse zu dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 182 Js 247/08 StA Duisburg vorlagen. Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens war aber allein der Verdacht des Besitzes und der Verbreitung kinderpornographischer Bild- und Filmdateien. Insoweit ist dem Beklagten kein oder allenfalls ein ganz marginaler Vorwurf zu machen (oben 1.1.d), so dass dieses Verfahren - das am 13. August 2010 dann auch mangels öffentlichen Interesses eingestellt wurde - seiner Ernennung auf Lebenszeit nicht entgegen stand. Die erst später bekanntgewordenen Vorgänge, vor allem der sog. M-Chat, hatten ein gänzlich anderes Gewicht. Die unter Beweis gestellten Tatsachen konnten daher auch insoweit als wahr unterstellt werden.
Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages hat es mit der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Düsseldorf:
Urteil v. 12.02.2014
Az: 31 K 3347/13.O
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e46f5fcd27c5/VG-Duesseldorf_Urteil_vom_12-Februar-2014_Az_31-K-3347-13O