Landgericht Paderborn:
Urteil vom 16. März 2010
Aktenzeichen: 6 O 17/10
(LG Paderborn: Urteil v. 16.03.2010, Az.: 6 O 17/10)
Tenor
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 29.01.2010 wird bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Parteien handeln gewerblich mit Kraftfahrzeugen und unterhalten beide einen Händlerauftritt bei der Internetverkaufsplattform ……...
Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.01.2010 hat die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte wegen Wettbewerbsverstoßes abgemahnt, weil sie auf der Internetplattform ein Fahrzeug der Marke ……. zum Preis von 11.990,00 € mit der Beschreibung angeboten hatte: "Jahreswagen - 1 Vorbesitzer / 1. Hand", ohne darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem angebotenen Fahrzeug um ein Mietfahrzeug handelte, und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt.
Nachdem die Verfügungsbeklagte diese nicht abgegeben hat, hat die Verfügungsklägerin bei der Kammer den Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Ordnungsgeldandrohung des Inhalts beantragt:
der Verfügungsbeklagten zu untersagen, im geschäftlichen Internetverkehr, insbesondere auf der Internetplattform ……., Personenkraftwagen, welche zuvor als Mietwagen genutzt wurden, gegenüber Endverbrauchern mit einer Fahrzeugbeschreibung "Jahreswagen - 1 Vorbesitzer/ 1. Hand", wie beispielhaft im Inserat vom 18.01.2010 unter der Angebots-Nr. …… auf der Internetplattform ….. geschehen, anzubieten und nicht darauf hinzuweisen, dass eine gewerbliche Vornutzung des jeweiligen Fahrzeuges als Mietwagen stattgefunden hat.
Die Kammer hat die beantragte einstweilige Verfügung am 29.01.2010 im schriftlichen Verfahren erlassen.
Gegen die ihr am 29.02.2010 von Amts wegen durch die Verfügungsklägerin zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 11.02.2010.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 29.01.2010 aufzuheben und den Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.
Sie bestreitet ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Nach ihrer Kenntnis betreibe die Verfügungsklägerin gerade keinen Handel mit Jahreswagen sondern größtenteils mit älteren Gebrauchtfahrzeugen.
Des Weiteren liege eine unzulässige Massenabmahnung vor rein mit dem Ziel, Abmahngebühren zu kassieren. Die Verfügungsklägerin habe im Januar 2010 über ihre Prozessbevollmächtigten in einer Fülle von Fällen Abmahnungen gleichen Inhalts verschickt.
Im Übrigen stelle die Tatsache, dass sie das genannte Fahrzeug wie beschrieben auf der Internetplattform ….. eingestellt habe, ohne bereits hier auf die Vorbenutzung als Mietwagen hinzuweisen, keinen Wettbewerbsverstoß dar, und zwar deshalb nicht, weil nach der aktuellen, geänderten berechtigten Käufererwartung ein verständiger durchschnittlicher Käufer nicht mehr davon ausgehe, dass ein gewerblich angebotener Halbjahres- oder Jahreswagen bislang privat genutzt worden sei.
Bei dem von der Internetplattform …. vorgegebenen Kodex für gewerbliche Anbieter, nach dem eine Vorbenutzung als Mietwagen u.ä. im Angebot anzugeben sei, handele es sich nicht um eine Marktregelung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UWG zwischen den Parteien. Auch habe sie sich diesem Kodex nicht unterworfen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 29.01.2010 unter Zurückweisung des Widerspruchs zu bestätigen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig, §§ 935, 940 ZPO, 12 Abs. 2, 8 Abs. 1 UWG.
Eine unzulässige, rechtsmissbräuchliche sog. Massenabmahnung hat die Kammer betreffend die Verfügungsklägerin auch bei Recherchen in einschlägigen Internetforen nicht feststellen können. Die Verfügungsbeklagte trägt hierzu auch nicht hinreichend substantiiert vor.
Der Verfügungsantrag ist auch begründet.
Die Parteien sind Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Dazu genügt ihre unstreitige Eigenschaft als gewerbliche Kraftfahrzeughändler und die Tatsache, dass sie ihre Fahrzeuge über das Internet auf demselben Markt anbieten.
§ 3 Abs. 1 UWG verbietet unlautere geschäftliche Handlungen, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Gem. § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Gem. § 5a UWG kann die Irreführung auch durch Unterlassen erfolgen. Gem. § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit des durchschnittlichen Verbrauchers i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Dieser Sachverhalt liegt vor, wenn - wie hier - ein Fahrzeughändler auf einer Internetverkaufsplattform ein Gebrauchtfahrzeug mit einer Fahrzeugbeschreibung "Jahreswagen - 1 Vorbesitzer/ 1. Hand" anbietet, ohne gegebenenfalls anzugeben, dass das Fahrzeug zuvor als Mietwagen, Taxi o.ä. genutzt worden ist. Denn damit verschweigt er eine für den durchschnittlichen Verbraucher im konkreten Fall wesentliche Information.
Die Frage, ob die verschwiegene Mietwageneigenschaft eines verkauften Kraftfahrzeuges einen Sachmangel gem. § 434 BGB darstellt, ist in der Rechtsprechung und Literatur gerade in jüngster Zeit umstritten. Das OLG Stuttgart (Urt. v. 31.07.2008, NJW-RR 2009, 551) hatte über die Anfechtung eines Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung aufgrund Verschweigens der Mietwageneigenschaft zu entscheiden. Es hat eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über die Vorbenutzung jedenfalls beim Kauf aus 1. Hand angenommen. Denn jedenfalls die ausschließliche Vorbenutzung eines PKW als Mietfahrzeug stelle für einen durchschnittlichen Verbraucher (immer noch) eine atypische Vorbenutzung dar und sei ein die Wertbildung negativ beeinflussender Faktor, der in der Regel einen merkantilen Minderwert des Fahrzeuges auslöse und üblicherweise zu einem Abschlag auf den "Normalpreis" des Fahrzeugs führe. Soweit demgegenüber in der Literatur (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1261 - 1264) die Rechtsauffassung vertreten werde, die Nutzung eines Fahrzeugs vom Ersteigentümer als Mietwagen stelle heute keine atypische Vorbenutzung mehr dar, sei dem nicht zu folgen. Das Marktgeschehen könne nicht allein durch statistische Betrachtungsweisen erfasst werden, sondern werde maßgeblich durch die Käuferseite, deren Kenntnisse und deren Wertvorstellungen geprägt.
Demgegenüber hat z.B. das LG Kaiserslautern (Urt. v. 25.03.2009, VRR 2009, 305) für einen vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass die Mietwageneigenschaft des Fahrzeugs nicht (mehr) offenbarungspflichtig sei und deshalb keinen Sachmangel i.S.d. § 434 BGB darstelle. Auch dort handelte es sich um einen Jahreswagen aus 1. Hand. Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart stelle die Mietwageneigenschaft keine atypische Nutzung mehr dar, da ein immer größerer Anteil an fabrikneuen Fahrzeugen zunächst als Mietfahrzeug genutzt werde, bevor er an Privatpersonen verkauft werde. Dass ein Fahrzeug früher als Mietfahrzeug genutzt worden ist, verschlechtere dessen Wert auch nicht dergestalt, dass von einem Sachmangel auszugehen sei. Auch wenn die Vorstellung des Käufers eines vorher als Mietwagen genutzten Fahrzeugs noch dahin gehe, dass dieses deswegen weniger wert sei, da die Gefahr von Schäden durch sorglose Nutzung und Fahr- und Bedienungsfehler erhöht sei, entspreche diese Vorstellung nicht mehr der Realität. Mietwagenfirmen hätten heute ein eigenes Interesse daran, Fahrzeuge in einem guten Zustand wieder auf den Markt zu bringen, um einen möglichst hohen Verkaufspreis erzielen zu können. Zu diesem Zweck würden Mietfahrzeuge genauso regelmäßig gewartet wie privat genutzte Fahrzeuge. Auch das Risiko der unsachgemäßen Nutzung sei nicht höher einzuschätzen als das bei einem vormals privat genutzten Fahrzeug, da auch dieses von einem ungeübten oder sorglosen Fahrer gefahren worden sein könne, was der Käufer ebenfalls nicht feststellen könne. Entscheidendes Kriterium für die Wertbildung eines Kraftfahrzeuges sei für diesen vielmehr die Anzahl der gefahrenen Kilometer, die ihm bei Kaufabschluss auch bei Mietfahrzeugen allerdings regelmäßig bekannt sei.
Reinking/Eggert (Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1594 - 1601) weisen darauf hin, dass nur noch ca. 40 Prozent aller fabrikneuen PKW/Kombis derzeit auf Privatpersonen zugelassen würden. Etwa 12 Prozent der Neuzulassungen mache allein der jährliche Anteil der Autovermieter aus. Durch Buyback-Vereinbarungen mit den Herstellern und Importeuren kämen die Mietwagen nach einer Nutzungsdauer von 4, 6 bzw. 12 Monaten zurück und würden vom Handel vermarktet. Dieser biete junge Ex-Mietwagen allerdings nicht immer ausdrücklich als solche an. Eine Zulassungszeit von nur 6 Monaten signalisiere dem Kundigen aber auch, dass es sich um einen ehemaligen Mietwagen handele. Sei die Mietwageneigenschaft aber beiden Seiten bekannt, könne sie einen Sachmangel nicht begründen. Reinking/Eggert stellen gleichzeitig aber auch fest, dass PKW mit gewerblicher Vorbenutzung in den Augen der Verbraucher allgemein als nicht empfehlenswert gelten. Diese Einschätzung beruhe allerdings vorwiegend auf einer gefühlsmäßigen Abneigung. Aus technischer Sicht seien die Vorbehalte kaum zu erklären. Abschläge vom Normalpreis seien bei Taxis, Miet- und Fahrschulwagen indes allgemein üblich und wohl als merkantiler Minderwert zu diskutieren. Die Preise in den Listen von DAT und Schwacke bezögen sich auf überwiegend privat genutzte Fahrzeuge. Reinking/Eggert verweisen aber auch darauf, dass die Rechtsprechung zum früheren Kaufrecht in der vorbehaltlosen Angabe "aus 1. Hand" die Zusicherung einer Eigenschaft des Inhalts gesehen habe, dass dem eine Vorbenutzung als Mietfahrzeug widerspreche (so ausdrücklich OLG Düsseldorf NZV 1999, 514). Und auch sie stellen ausdrücklich fest, dass auf ein Fahrzeug, das vorher als Mietwagen gelaufen sei, die Bezeichnung "aus 1. Hand" nicht zutrifft (Rn. 1597).
Dem schließt sich die Kammer für die Bewertung der Irreführung durch Verschweigen der Mietwageneigenschaft bei der Bewerbung eines Kraftfahrzeuges durch einen Fahrzeughändler als "Jahreswagen aus 1. Hand" an. Dieser kommt auch weiterhin wesentliche Bedeutung zu, auch wenn sich der Anteil der Mietwagen auf dem Jahreswagenmarkt erhöht haben mag. Die Kammer teilt die Einschätzung des OLG Stuttgart (a.a.O.), dass das Marktgeschehen nicht allein durch statistische Betrachtungsweisen erfasst werden kann, sondern maßgeblich durch die Käuferseite, deren Kenntnisse und deren Wertvorstellungen geprägt wird. Insoweit weisen aber auch Reinking/Eggert (Rn. 1595) darauf hin, dass PKW mit gewerblicher Vorbenutzung in den Augen der Verbraucher immer noch allgemein als nicht empfehlenswert gelten und diese Einschätzung Abschläge vom Normalpreis entsprechend den Listen von DAT und Schwacke unter dem Gesichtspunkt des merkantilen Minderwertes rechtfertigt.
Dieses Argument ist auch deshalb zutreffend, weil auch der durchschnittliche Kunde weiß, dass die Hersteller ihre Fahrzeuge an die Mietwagenfirmen mit teilweise erheblichen Rabatten verkaufen. Hinzu kommen oftmals noch Werbekostenzuschüsse. Diese Fahrzeuge muss der Hersteller oder der eingeschaltete Händler auf Grund der genannten Buyback-Verträge zurücknehmen und bekommt somit ein als Mietwagen vorgenutztes Fahrzeug regelmäßig mit erheblichen Abschlägen zurück mit der Möglichkeit, es deshalb auch unter den Listenverkaufspreisen nach DAT und Schwacke anbieten zu können. Auch dieses Wissen um die Handelsspanne des Verkäufers beeinflusst maßgeblich die Käuferentscheidung.
Die Annahme einer geänderten Verbrauchervorstellung rechtfertigt sich auch nicht auf Grund der Förderrichtlinien des Bundeswirtschaftsministeriums zur Umweltprämie im Jahre 2009 (Abwrackprämie). Ziffer 3 der Förderrichtlinien schließen Mietwagen in den Begriff der geförderten Jahreswagen ein. Diese Definition erfolgte ersichtlich unter einem anderen Hintergrund, nämlich die durch die "Krise" belasteten Fahrzeughersteller und -händler durch staatliche Mittel zu entlasten. Dazu war es auf Grund des hohen Anteils von Mietfahrzeugen bei den Neuzulassungen notwendig, diese in die Förderung einzubeziehen. Das hat auch der an der Inanspruchnahme der Abwrackprämie interessierte Verbraucher durchaus so verstanden, besagt jedoch nichts dazu, dass ihm die Mietwageneigenschaft gegebenenfalls nicht zu offenbaren war.
Der sich aufgrund der Erwartungshaltung bei einem Miet-Jahreswagen gegenüber einem "echten" Jahreswagen aus 1. Hand ergebende Preisvorteil führt bei der Einstellung solcher Fahrzeuge auf eine Internetverkaufsplattform zusätzlich dazu, dass sich dieses Fahrzeug preislich oben, also an attraktiver Stelle einordnet, der Verbraucher deshalb eher auf dieses Fahrzeug aufmerksam wird und eher bei diesem Fahrzeug "hängen" bleibt, selbst wenn der Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrages die Vorbenutzung als Mietwagen offenbart, der Kunde zunächst ein Mietfahrzeug aber nicht in Betracht gezogen hätte. Diese planmäßige Ausnutzung seiner hierin zunächst liegenden Irreführung ist unlauter gem. § 5a Abs. 1 UWG.
Es kommt hinzu, dass die Internetverkaufsplattform ….. den sie zum Fahrzeugverkauf nutzenden Händlern ein Kodex vorgibt, wonach in der Beschreibung zu kennzeichnen ist, ob das Fahrzeug gewerblich genutzt wurde, wozu ausdrücklich z.B. Mietwagen, Taxi- und Fahrschulfahrzeuge zählen. Auf diesem Kodex wird in der Unterzeile jedes Angebots, auch des streitgegenständlichen, hingewiesen. Der aufmerksame durchschnittliche Verbraucher kann dieser Kennzeichnung demgemäß entnehmen, dass ein ohne die Kennzeichnung "Mietwagen" gewerblich angebotenes Fahrzeug nicht gewerblich vorbenutzt wurde. Es mag letztlich dahinstehen, ob es sich bei diesem Kodex um einen Verhaltenskodex i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 UWG handelt, was die Verfügungsbeklagte verneint. Jedenfalls stellt das gewerbliche Einstellen eines Fahrzeuges auf der Internetplattform ….. jedenfalls dann eine Irreführung durch Unterlassen i.S.d. § 5a Abs. 1 UWG dar, wenn der Händler weder auf die gegebene gewerbliche Vornutzung noch darauf hinweist, dass er sich an den Kodex der Internetplattform nicht gebunden sehe.
Nach alledem war die einstweilige Verfügung vom 29.01.2010 zu bestätigen, §§ 936, 925 Abs. 2 ZPO.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 890 Abs. 2, 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
………………
LG Paderborn:
Urteil v. 16.03.2010
Az: 6 O 17/10
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