Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2011
Aktenzeichen: 28 W (pat) 589/10

(BPatG: Beschluss v. 31.03.2011, Az.: 28 W (pat) 589/10)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 vom 18. Oktober 2010 durch einen Bediensteten des gehobenen Dienstes die Anmeldung der BezeichnunggreenLINE als Wortmarke für die Waren Bauten und deren Teile, jeweils nicht aus Metall, nämlich Einund Mehrfamilienhäusernach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf den Zwischenbescheid vom 11. August 2010, zu welchem sich der Anmelder nicht geäußert hatte, ist zur Begründung ausgeführt, dass die Anmeldemarke, die dem Verkehr in der Bedeutung "grüne Linie" verständlich sei, hinsichtlich der beanspruchten Waren nur darauf hinweise, dass diese ein unter ökologischen ("green") Gesichtspunkten sich ergänzendes, aufeinander abgestimmtes System ("LINE") seien. Damit fehle ihr aber die erforderliche Unterscheidungskraft, und sei sie freihaltungsbedürftig.

Mit seiner Beschwerde macht der Anmelder im Wesentlichen geltend, die Anmeldemarke sei schutzfähig, weil sie trotz der ihm bekannten Rechtsprechung des Bundespatentgerichts zu vergleichbaren Bezeichnungen einen facettenreichen Bedeutungsgehalt habe, der für eine Schutzfähigkeit ausreiche. Der Verbraucher werde mit ihr vorrangig eine Transportoder Schiffslinie oder eine Demarkationslinie oder sie in politischer Hinsicht als Handlungsmaxime im Sinne von "auf der grünen Linie sein" verstehen. Produktlinien spielten demgegenüber nur am Rande eine Rolle und seien nicht vordergründig auf Häuser bezogen. Im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere der "Vorsprung durch Technik"-Entscheidung, komme auch bei einfachen Sachaussagen eine Schutzfähigkeit in Betracht. Die frühere Rechtsprechung, nach der die Unterscheidungskraft bereits bei einem die beanspruchten Waren beschreibenden Bedeutung entfalle, sei nur noch sehr eingeschränkt anwendbar.

Der Anmelder beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 vom 18. Oktober 2010 aufzuheben.

II.

Da der Anmelder keinen (Hilfs-) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und der Senat eine solche auch nicht für sachdienlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden.

Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1 MarkenG versagt, da ihr jedenfalls die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlt; ob sie daneben auch freihaltungsbedürftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist, kann bei dieser Sachlage dahinstehen. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche nach Art. 267 AEUV, Art. 101 GG für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem Europäischen Gerichtshof als insoweit allein zuständigem gesetzlichen Richter vorbehalten ist (vgl. BVerfG 75, 223; 82, 159; zuletzt BVerfG 1 BvR 2065/10, Beschluss vom 10.11.2010, veröffentlicht auf www.juris.de), ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen. Danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] - Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] -BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] -SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] - SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] -Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] -Das Prinzip der Bequemlichkeit).

Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung der Fall, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] -Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] -DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] -BIOMILD). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen infolge einer ungewöhnlichen Veränderung -etwa syntaktischer oder semantischer Art -nicht hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 98] -POST-KANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 39 f.] - BIOMILD; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 28] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 29] -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 [Rz. 77 f.] -CELLTECH).

Wie auch der Anmelder nicht bestreitet, besteht die angemeldete Bezeichnung aus zwei dem Verkehr bekannten Wörtern des englischen Grundwortschatzes, welche er für sich genommen bereits ohne Mühe in der Bedeutung "grüne Linie" erkennt und versteht.

Soweit der Anmelder meint, in dieser Bedeutung könne der Verkehr der angemeldeten Bezeichnung keinen die beanspruchten Waren beschreibenden Sachbezug erkennen, kann dem nicht gefolgt werden. Welche konkrete Bedeutung der Verkehr einem Zeichen, welches Waren oder Dienstleistungen kennzeichnet, entnimmt, hängt nicht allein von den möglichen Bedeutungen ab, welche das Zeichen in verschiedenen Satzzusammenhängen haben kann, sondern von der konkreten Sprachsituation, in der es auftritt. Sprachzeichen, die wie vorliegend in Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, wird der Verkehr daher nur unter Berücksichtigung dieser Situation eine Bedeutung zuweisen, so dass mögliche andere Bedeutungen, welche das verwendete Zeichen in anderen Zusammenhängen haben kann, von vornherein nicht zu berücksichtigen sind.

Vor diesem Hintergrund geht daher die Ansicht des Anmelders fehl, dass der Markenbestandteil "LINE" auch im Sinne einer Transport-, Schiffsoder Demarkationslinie oder als politisches Sprichwort verstanden werden kann. Denn in Zusammenhang mit Einund Mehrfamilienhäusern, in welchem die Anmeldemarke allein verwendet werden wird, ist ein solches Verständnis schon deshalb auszuschließen, weil diese Waren weder dem Transport dienen noch Schiffe oder geografische oder politische Grenzen sind noch der politischen Meinungsäusserung dienen.

Damit wird der Verkehr den Begriff "LINE" nur in dem ihm allgemein zur Kennzeichnung einer Produktlinie verwendeten Sinn verstehen (vgl. BPatG MarkenR 2007, 351 -Topline m. w. N.; BPatG, Beschluss vom 19.05.2010, 28 W (pat) 103/09 -dentalline orthodontic products, veröffentlicht auf https://www.pavisproma.de und www.juris.de). Solche Produktlinien sind dabei entgegen der Ansicht des Anmelders auch auf dem hier maßgeblichen Warensektor durchaus üblich. Denn unter das Warenverzeichnis fallen insbesondere auch Fertighäuser, die nach vorgefertigten Mustern erstellt und angeboten werden.

Das Adjektiv "green" wird vom Verkehr allgemein als Hinweis auf umweltfreundliche, -verträgliche bzw. -schonende Produkte verstanden (vgl. BPatG GRUR 2000, 803 -GREEN LABEL; 33 W (pat) 122/97, Beschluss vom 17.10.1999 -Green-Line; 33 W (pat) 144/99, Beschluss vom 5.11.1999 -GREENLINE, vorgenannte Entscheidungen veröffentlicht auf https://www.pavisproma.de und www.juris.de). Die Umweltfreundlichkeit ist für die vorliegend beanspruchten Waren der Einund Mehrfamilienhäuser insbesondere wegen der verschärften Bauvorschriften, die der Energieersparnis und damit auch der Umweltverträglichkeit dienen, von großer Bedeutung. Daher handelt es sich bei dem in der Anmeldemarke enthaltenen Hinweis auf die Umweltverträglichkeit um eine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende Sachangabe, da er für die Verbraucher wichtige Merkmale dieser Waren -wie die bei ihrer Fertigung verwendeten Materialien oder die hierbei beachtete Bauweise -beschreibt. Insoweit geht die angemeldete Bezeichnung deutlich über die bloße Angabe eines allgemeinen werbeüblichen Qualitätshinweises (auch als "Qualitätsberühmung" oder "Qualitätsanpreisung" bezeichnet) hinaus.

Der Verkehr wird die Anmeldemarke nicht in einem über den jeweiligen beschreibenden Sinngehalt ihrer Einzelbestandteile hinausgehenden Bedeutung verstehen, die ihm Veranlassung geben könnte, ihr einen über den Sachhinweis ihrer Bestandteile hinausgehenden Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen zu entnehmen; damit ist sie auch unter diesem Gesichtspunkt nicht schutzfähig (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 98] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 39 f.] - BIOMILD; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 28] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 29] -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 [Rz. 77 f.] -CELLTECH).

Entgegen der Ansicht des Anmelders wird die vorstehende, auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beruhende Beurteilung nicht durch dessen "Vorsprung durch Technik"-Entscheidung (vgl. EuGH GRUR 2010, 228) in Frage gestellt. Soweit der Anmelder insoweit um eine "Klarstellung" des Bundespatentgerichts nachsucht, ist allerdings zunächst darauf hinzuweisen, dass die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nach Art. 267 AEUV, Art. 101 GG allein dem Europäische Gerichtshof vorbehalten ist, so dass bei Zweifelsfragen das nationale Gericht nicht selbst entscheidungsbefugt ist, sondern den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV nachzusuchen hat. Dies gilt auch für Fragen, die das Verständnis von vorangegangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs betreffen. Von einer Vorabentscheidung durch den Europäische Gerichtshof, der insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alleiniger Richter i. S. d. Art. 101 GG ist (vgl. BVerfG 75, 223; 82, 159; zuletzt BVerfG 1 BvR 2065/10, Beschluss vom 10.11.2010, veröffentlicht auf www.juris.de), kann nur abgesehen werden, wenn die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist oder die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 -Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T." -, Slg. 1982, S. 03415, Rn. 21).

Vorliegend bedarf es zu der Frage, ob durch die vorgenannte neuere Rechtsprechung die frühere Rechtsprechung insbesondere dazu, dass die Unterscheidungskraft bereits zu verneinen ist, wenn die als Marke angemeldete Bezeichnung bereits in einer möglichen Bedeutung beschreibend ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] -Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] -DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] -BIOMILD), in Frage gestellt wird, aber keiner Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs, da er diese Frage in der vom Anmelder genannten Entscheidung "Vorsprung durch Technik") bereits beantwortet hat. Wie aus Rn. 57 dieser Entscheidung (vgl. GRUR 2010, 228, 231) hervorgeht, gilt die von ihm in Rn. 35 und 36 (vgl. GRUR 2010, 228, 229) aufgestellte Regel, dass Angaben, die sonst als Webeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf verwendet werden, nicht allein aus diesem Grund die Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann, nur für solche Angaben, die nicht für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreibend sind. Damit kommt die Bejahung der Unterscheidungskraft von Werbeslogans oder allgemeinen Qualitätshinweisen oder Kaufaufforderungen nur für solche Angaben in Betracht, bei denen die in ihnen enthaltene Sachaussage keine die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibende Sachaussage enthält. Hierzu gehört aber, wie oben bereits ausgeführt wurde, die vorliegende Anmeldemarke, da sie wichtige Merkmale der beanspruchten Waren unmittelbar beschreibt. Ob sie darüber hinaus, wie der Anmelder meint, vom Verkehr auch als Werbeslogan aufgefasst wird, kann daher dahinstehen, da dieser Umstand wegen des unmittelbar beschreibenden Inhalts der Marke ihr auch auf der Grundlage der vom Anmelder genannten neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht die für den Markenschutz erforderliche Unterscheidungskraft zu geben vermag.

Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung zumindest wegen des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

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BPatG:
Beschluss v. 31.03.2011
Az: 28 W (pat) 589/10


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