Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. November 2002
Aktenzeichen: 6 U 128/02
(OLG Köln: Urteil v. 15.11.2002, Az.: 6 U 128/02)
Tenor
1.
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das 20.06.2002 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 60/02 - abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihr Geschäftslokal in K./P.-L. wie nachfolgend wiedergegeben als eines der größten Möbelhäuser in Deutschland zu bezeichnen
2.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gründe
Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg und führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Abänderung der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung.
Zu Unrecht hat das Landgericht die zunächst im Beschlussweg erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den ihr zugrundeliegenden Antrag zurückgewiesen. Diese Entscheidung hält den mit der Berufung vorgebrachten Einwänden der Antragstellerin nicht stand; der Antragstellerin stand und steht vielmehr der mit dem Verfügungsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 3 UWG gegen die Antragsgegnerin zu. Die in dem Werbeschreiben gemäß Anlage ASt 4 in bezug auf das Möbelhaus der Antragsgegnerin enthaltene Aussage "...eines der größten Möbelhäuser Deutschlands..." ist geeignet, einen mehr als nur unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise über die tatsächliche Größe des Geschäftslokals der Antragsgegnerin in die Irre zu führen. Soweit der Senat bei der Fassung des Verbotsausspruchs von der Formulierung des durch die Antragstellerin in der Berufung weiterverfolgten Unterlassungsantrags abgewichen ist und das streitbefangene Werbeschreiben der Antragsgegnerin in das tenorierte Unterlassungsgebot aufgenommen hat, beruht das auf einer innerhalb des Spielraums des § 938 Abs. 1 ZPO sich bewegenden redaktionellen Anpassung an die konkret beanstandete Verletzungshandlung. Eine sachliche Reduktion bzw. die teilweise Zurückweisung des Unterlassungspetitums ist damit nicht verbunden. Die Antragstellerin hat sich von Anfang an nur gegen die Verwendung der Aussage, so wie sie in dem konkreten Schreiben enthalten ist, gewandt, das daher die angegriffene und zur Unterlassung begehrte Verletzungshandlung, mithin die sachliche Reichweite des von der Antragstellerin erstrebten Verbots definiert.
I.
Das Unterlassungsbegehren, dessen Dringlichkeit gemäß § 25 UWG zu vermuten ist, ist aus § 3 UWG begründet.
1.
Die in Frage stehende, in dem o. g. Schreiben enthaltene Aussage stellt eine Angabe dar, die im Sinne des Unterlassungstatbestandes des § 3 UWG geeignet ist, einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats als (zumindest potentielle) Erwerber von Möbeln angehören, über die Größe des Möbelhauses der Antragsgegnerin im Verhältnis zur Größe der in Deutschland verkaufsflächenmäßig an der Spitze liegenden Möbelhäuser in die Irre zu führen.
a)
Angaben i. S. des § 3 UWG sind Tatsachenbehauptungen, d. h. inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse. Reklamehafte Übertreibungen, die der Verkehr als solche erkennt und daher als nicht ernst zu nehmende Aussagen über geschäftliche Verhältnisse auffasst, sowie reine Werturteile fallen dagegen nicht unter den Irreführungstatbestand des § 3 UWG (vgl. BGH GRUR 2002, 182/183 -"Das Beste jeden Morgen"- m. w. N.). Die zu beurteilende Aussage, dass es sich bei dem Möbelhaus der Antragsgegnerin um eines der größten in Deutschland handele, ist danach als "Angabe" einzuordnen. Werbebehauptungen über die "Größe" eines Unternehmens werden in der Regel ernst genommen; denn sie suggerieren eine Stellung des beworbenen Unternehmens im Wettbewerb, die in bezug auf messbare Kriterien erreicht ist und daher objektiv nachprüfbar ist. Sie sind überdies geeignet, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, weil das angesprochene Publikum die erreichte Größe eines Unternehmens speziell der Möbelbranche u. a. mit der Reichhaltigkeit und Vielfalt sowie der Preiswürdigkeit des Angebots in Verbindung zu bringen pflegt (vgl. BGH GRUR 1969, 415/416 -"Kaffeerösterei"-; ders. GRUR 1985, 140 -"Größtes Teppichhaus der Welt"-; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, § 3 UWG Rdn. 78 m. w. N.). Dies spricht dafür, dass der Verkehr (auch heute noch) der Aussage eines Unternehmens, zu den größten der Branche in Deutschland zu gehören, einen reellen Aussagegehalt beimisst und diese ernst nimmt.
b)
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die in Frage stehende Werbeangabe jedenfalls bei einem mehr als nur unbeachtlichen Teil der angesprochenen Adressaten Fehlvorstellungen hervorzurufen geeignet ist.
Eine Werbebehauptung ist schon dann als i. S. von § 3 UWG täuschend einzuordnen, wenn sie von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei unbefangener Betrachtung in einem Sinne verstanden wird, der mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang steht. Bei einer unbestimmten oder mehrdeutigen Angabe muss der Werbende jede, auch die sich nach dem Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers ergebende ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Das Risiko, dass ein erheblicher Teil des werblich angesprochenen Verkehrs die Aussage in einem mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang stehenden Sinne versteht, geht daher zu Lasten des Werbenden. So liegt der Fall hier.
Die mit der in Frage stehenden Angabe ausgesagte Spitzengruppenzugehörigkeit wird ein erheblicher Teil, wenn nicht sogar die ganz überwiegende Anzahl der angeschriebenen Adressaten dahin verstehen, dass das Möbelhaus der Antragsgegnerin von der Verkaufsfläche her - und davon gehen die Parteien auch übereinstimmend aus - zur Gruppe der größten Möbelhäuser Deutschlands zählt. Dazu, wie diese Gruppe der ihrer Verkaufsfläche nach an der Spitze stehenden Möbelhäuser im einzelnen zu definieren ist, werden im Verkehr eher diffuse und unterschiedliche Vorstellungen bestehen. Das Vorstellungsbild einer erheblichen Gruppe der werblich Angeschriebenen mag vor dem Erfahrungshintergrund, dass der Gesamtmarkt von insgesamt 12.000 Möbelhäusern in Deutschland eine Spannbreite flächenmäßig kleinster und kleiner Geschäftslokale bis hin zu solchen größter und riesiger Verkaufsflächen umfasst, davon bestimmt sein, dass es sich bei der "Spitzengruppe" der ihrer Verkaufsfläche nach zu den größten in Deutschland zählenden Möbelhäusern undifferenziert um solche handelt, die nach der brancheninternen Sprachregelung als "Möbelpaläste" zu bezeichnen sind. Dieser Teil des Publikums mag das innerhalb der Gruppe der sog. "Möbelpaläste" an 25. Stelle hinter dem Möbelpalast mit der größten Verkaufsfläche Deutschlands stehende Möbelhaus der Antragsgegnerin tatsächlich noch als zur Spitzengruppe der Möbelhäuser Deutschlands zugehörig ansehen und daher in der durch die Werbeaussage hervorgerufenen Erwartung nicht enttäuscht sein. Ein wesentlicher Teil des angesprochenen Werbepublikums wird die behauptete Zugehörigkeit zu der Spitzengruppe der ihrer Verkaufsfläche nach größten Möbelhäuser Deutschlands indessen differenzierter verstehen. Denn ihm ist bekannt, dass auch in der Gruppe größerer und größter Möbelhäuser bzw. innerhalb der Gruppe der "Möbelpaläste" mehrere konkurrierende Unternehmen aufeinandertreffen. Dieser Teil des werblich angesprochenen Publikums wird daher erwarten, dass das Möbelhaus der Antragsgegnerin innerhalb der Gruppe der größeren und größten Möbelhäuser einen Rang einnimmt, der sie dem Kreis der "Größten" zurechnen lässt, die verkaufsflächenmäßig einen deutlichen Abstand zu der nächstfolgenden Gruppe aufweisen, selbst wenn diese nachfolgende Gruppe noch deutlich das Mittelmaß überragt. Dieser durch die Werbeaussage geweckten Erwartung hält das Möbelhaus der Antragsgegnerin tatsächlich jedoch nicht stand. Denn selbst wenn es - wofür vieles spricht - unter Einbezug der Flächen der "B.-" und "H.-P."-Märkte mit einer Verkaufsfläche von 39.500 qm zu veranschlagen sein sollte, weist es von der in sich geschlossenen Gruppe der mit "ab 60.000 qm" Verkaufsfläche an der Spitze der Gruppe der "Möbelpaläste" stehenden Möbelhäuser einen solchen deutlichen Abstand auf, dass es nicht mehr als hierzu gehörig eingeordnet werden kann. Dem dargestellten differenzierenden Verständnis der Werbeaussage steht es dabei auch nicht entgegen, dass sich das Schreiben regional begrenzt an einen im K./B.-Raum ansässigen Adressatenkreis wendet, die an der Spitze der größeren und größten Möbelmärkte ("Möbelpaläste") stehenden Möbelhäuser indessen überwiegend im süddeutschen Raum angesiedelt sind. Maßgeblich ist allein, dass in Deutschland eine Spitzengruppe von Möbelpalästen ab 60.000 qm Verkaufsfläche existiert, zu der das Möbelhaus der Antragsgegnerin aber einen ganz erheblichen Abstand aufweist und daher aus der Sicht eines erheblichen Teils des angesprochenen Verkehrs objektiv nicht zugehörig ist. Der an Hitlisten und Sporttabellen gewöhnte Verbraucher spricht auch in diesem Zusammenhang nicht von den größten und erfolgreichsten Musikern oder Sportlern in Deutschland, wenn sie in ihrer Branche den 25. Platz einnehmen.
2.
Die wettbewerbliche Relevanz der sich objektiv als Fehlvorstellung erweisenden Erwartung, dass das Möbelhaus der Antragsgegnerin innerhalb des Segments der größeren und größten Möbelhäuser zur Spitzengruppe der Möbelmärkte mit den größten Verkaufsflächen gehört, ist schließlich ebenfalls zu bejahen. Denn der dargestellten Erwartung korrespondiert die Vorstellung einer ebenso an der Spitze stehenden Reichhaltigkeit des Angebots, die geeignet ist, die Adressaten zum Aufsuchen gerade dieses Möbelmarktes zu bewegen.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
Gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist das Urteil mit seiner Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 15.11.2002
Az: 6 U 128/02
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