Finanzgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 26. März 2008
Aktenzeichen: 2 K 172/05
(FG Baden-Württemberg: Urteil v. 26.03.2008, Az.: 2 K 172/05)
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einbringung von Aktien in eine GmbH als Veräußerung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der gemäß § 52 Abs. 34 a EStG für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I Seite 2601, (EStG 1999) zu werten ist.
Am 4. Februar 1998 schenkte der Sohn der Klägerin, der zuvor wesentlich mit 90 % am Stammkapital der GmbH (S GmbH) in Höhe von 100.000 DM beteiligt war, der Klägerin und seiner Schwester jeweils einen Geschäftsanteil in Höhe von 5 %, d. h. im Nennbetrag von 5.000 DM. Die S GmbH hielt einen eigenen Anteil im Nennbetrag von 10.000 DM. Dieser wurde am 23. Dezember 1998 eingezogen, wovon auf die Klägerin entsprechend ihrer Beteiligung nach Abstockung von 56 DM ein Anteil von 500 DM entfiel. Sie war damit am Stammkapital der S GmbH mit 5,5 % beteiligt.
Durch die Umwandlung der S GmbH in die heutige AG (S AG), die durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 26. Februar 1999 erfolgte, erhielt die Klägerin 1.100 Stückaktien für ihre bis dahin gehaltenen Geschäftsanteile. Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 28. Mai 1999 wurde die Anzahl der Stückaktien von 20.000 auf 50.000 erhöht und die neuen Aktien den bisherigen Aktionären entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis ausgegeben. Danach hielt die Klägerin 2.750 Aktien. Durch eine am selben Tag beschlossene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um 760.000 Euro auf 810.000 Euro erhielt sie 41.800 zusätzliche Aktien, so dass sie nunmehr 44.550 Stückaktien besaß. Durch eine weitere am 1. Oktober 1999 beschlossene Kapitalerhöhung auf 7.452.256,00 Euro wurden an sie weitere 311.850 Stückaktien ausgegeben, so dass sie insgesamt 356.400 Stückaktien hielt.
Nach dem Verkauf von Aktien im Rahmen des Börsengangs der S AG verblieben der Klägerin 168.222 Stückaktien. Sie verpflichtete sich mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 2000, das Stammkapital der GmbH (B GmbH) in Form einer Sacheinlage durch Einbringung von 168.220 Aktien an der S AG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu erbringen. Diese Einlage erbrachte sie mit Effekten-Eingang auf dem Depot der B GmbH bei der X Bank M zum 25. Januar 2001. Versehentlich wurden 2 zusätzliche Aktien übertragen, so dass insgesamt 168.222 Aktien eingebracht wurden.
Die Einbringung der Aktien behandelte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2001 als Veräußerung im Sinne von § 17 EStG und erklärte einen Gewinn in Höhe von 4.269.425,27 DM. Ferner erklärte sie im Veranlagungszeitraum ausländische Zinseinahmen als Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 120.503 DM.
Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehenden Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 5. Mai 2003 folgte der Beklagte (das Finanzamt - FA) dieser Behandlung.
Mit Vertrag vom 2. Dezember 2002 verkaufte die B GmbH die 168.222 Aktien der S AG zu einem Kurswert von 0,75 EUR an die Klägerin (Gesamtkaufpreis 126.166,50 Euro).
Am 3. Dezember 2002 veräußerte die Klägerin ihre Geschäftsanteile an der B GmbH zum Kaufpreis von 126.166,50 EUR an die R Vermögensverwaltungs Management GmbH. Da die Einbringung der Aktien zu einem Kurswert von 13,05 EUR je Aktie erfolgt war, entstand der Klägerin hierdurch ein Veräußerungsverlust in Höhe von 2.069.141,60 EUR, den das FA mit Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2003 gemäß § 10 d Abs. 1 Satz 5 EStG mit dem Höchstbetrag von 1.000.407 DM (511.500 EUR) auf den Veranlagungszeitraum 2001 zurücktrug.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 8. Januar 2004 Einspruch. Mit Schreiben vom 24. November 2004 machte sie geltend, dass die Einbringung der 168.222 Aktien der S AG in die B GmbH keine Veräußerung im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG 1999 darstelle. § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 stelle auf den Anteil ab, der unentgeltlich erworben und später veräußert werde. Anders verhalte es sich mit den Anteilen, die durch Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln entstanden seien. Bei ihnen handele es sich um neue Anteile im Sinne des § 207 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 182 Abs. 1 Satz 4 des Aktiengesetzes (AktG). Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94 (BStBl II 1997,727) gestützt. Es mache keinen Unterscheid, ob die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder gegen Einlage erfolgt sei. Für die neuen Anteile fehle es an der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999, wonach diese unentgeltlich erworbenen Anteile fünf Jahre lang vor Erwerb Teil einer wesentlichen Beteiligung gewesen sein müssten. Denn sie seien neu entstanden. Im Übrigen habe auch die Finanzverwaltung zu § 21 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) zwischen der Gewährung neuer Anteile und der Erhöhung der bestehenden Anteile im Rahmen von Kapitalerhöhungen (vgl. BMF-Schreiben vom 17. August 1982, vom 08. März 1984, BStBl I 1984, 223, und vom 20. Oktober 1986, BStBl I 1986, 505) unterschieden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2005 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einbringung der 168.222 Stückaktien in die B GmbH stelle in vollem Umfang einen Veräußerungsvorgang im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG 1999 dar, weil die durch Kapitalerhöhung entstandenen Aktien unentgeltlich erworben worden seien. Die durch Umwandlung in eine Aktiengesellschaft entstandenen Anteile seien zwar neu im Sinne des § 207 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 182 Abs. 1 Satz 4 AktG, sie seien jedoch auf einen unentgeltlichen Erwerb zurückzuführen, weil die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgt sei und dabei keine stillen Reserven aufgedeckt worden seien.
Mit der am 29. Juli 2005 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sie die jungen Aktien zwar unentgeltlich aber nicht von einem wesentlich beteiligten Rechtsvorgänger erworben habe. Eine andere Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 sei sinnwidrig und mit dem Wortlaut der Vorschrift, die als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen sei, nicht vereinbar. Aus den strukturellen Unterschieden zwischen § 17 Abs. 1 EStG 1999 und den §§ 20 ff. UmwStG ergebe sich, dass die von der Rechtsprechung zu § 21 UmwStG aufgestellten und von der Finanzverwaltung übernommenen Grundsätze zur Frage der Steuerverstrickung der durch eine nominelle Kapitalerhöhung entstandenen jungen Anteile nicht auf § 17 Abs. 1 EStG 1999 zu übertragen seien. Mit den Regelungen der §§ 20, 21 UmwStG erfahre der Steuerpflichtige eine Begünstigung (Aufschub der Besteuerung). Deshalb sei es sachgerecht, die Besteuerung der stillen Reserven dadurch sicher zu stellen, dass auch die aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammenden neuen Aktien als einbringungsgeborene Aktien gelten. Mit der in § 17 Abs. 1 EStG 1999 getroffenen Regelung erfahre der Steuerpflichtige keine Begünstigung, sondern eine Benachteiligung, weshalb sich eine extensive Auslegung verbiete.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2007 ließ die Klägerin ergänzend vortragen, dass § 17 Abs. 1 EStG 1999 anteilsquotenmäßig formuliert (von Anteilen) sei. Demgegenüber sei § 17 Abs. 5 EStG 1999, indem von dem veräußerten Anteil gesprochen werde, eindeutig anteilsbezogen formuliert. Sehe man in der Einbringung der S-AG Aktien in die in die B GmbH in vollem Umfang einen Veräußerungsvorgang im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG 1999, entferne man sich in unzulässiger Weise von dem Wortlaut der Vorschrift, der den eindeutigen Willen des Gesetzgebers wiedergebe. Besondere Zurückhaltung bei der Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes sei im Streitfall auch deshalb geboten, da sich ansonsten eine Verschärfung der Besteuerung ergeben würde. Denn nach wie vor gelte die Grundregel, wonach Wertsteigerungen im Bereich des Privatvermögens nicht steuerpflichtig seien. Auf den Streitfall seien die Grundsätze des BFH-Urteils vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94 (BStBl II 1997, 727) zu übertragen, denn nach Auffassung des BFH sei allein darauf abzustellen, ob die Anteile unentgeltlich von einem wesentlich Beteiligten erworben worden seien. Im Streitfall habe die Klägerin die durch Kapitalerhöhung hinzuerworbenen Anteile zwar unentgeltlich (durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) aber nicht von einem wesentlich beteiligten Rechtsvorgänger erworben. Denn § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 setze einen tatsächlichen Erwerbsvorgang nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen durch eine Schenkung bzw. durch Erbschaft oder Vermächtnis voraus, weshalb das BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 27/97 (BStBl II 1999, 638) zur Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 nicht anwendbar sei. Hinsichtlich der durch Kapitalerhöhung hinzuerworbenen Aktien sei der Sohn der Klägerin nicht als Rechtsvorgänger anzusehen, von dem sie die Aktien erworben habe.
Die Klägerin beantragt (vgl. Schriftsatz vom 12. Januar 2007, AS. 44):
1. Den Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2005 insoweit abzuändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung von aus zwei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln entstandenen Aktien der S AG nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 der Besteuerung unterworfen wird.
2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die dem Senat vorliegenden Steuerakten verwiesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündlicher Verhandlung zugestimmt (vgl. Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19. März 2008 sowie des Finanzamts vom 20. März 2008).
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Einkommensteuer-Änderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das FA hat die die Einbringung der 168.222 Stückaktien in die B GmbH zu Recht in vollem Umfang als Veräußerungsvorgang im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 angesehen.
§ 17 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000, BGBl. I Seite 1433, (EStG 2000) ist, soweit Anteile an unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften veräußert werden, erstmals auf Veräußerungen anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, vorgenommen werden, für das das Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I Seite 1433) erstmals anzuwenden ist; für Veräußerungen, die vor diesem Zeitpunkt vorgenommen werden, ist § 17 in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I Seite 2601, (EStG 1999) anzuwenden (vgl. § 52 Abs. 34 a EStG 2000).
Nach § 34 Abs. 1 KStG ist das Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I Seite 1433) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden. Da die Einbringung der Aktien noch im Laufe des Wirtschaftsjahres 2001 erfolgt ist, ist § 17 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I Seite 2601, (EStG 1999) anzuwenden (vgl. Blümich/Ebling, EStG Stand Dezember 2007, § 17 RdNr. 36b).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre unentgeltlich erworben hat und der Rechtsvorgänger wesentlich im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligt war.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handelt es sich auch bei den Anteilen, die sie durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erworben hat, um Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 1999. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass es insoweit nicht alleine darauf ankommen kann, dass sie diese Anteile ebenfalls unentgeltlich erworben hat. Denn § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 setzt neben dem unentgeltlichen Erwerb der Anteile voraus, dass der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war. Der Tatbestand erfasst somit - anders als § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999 - nicht alle Anteile einer Beteiligung, sondern nur die in besonders qualifizierter Weise erlangten Anteile. Der Veräußerer muss sich lediglich die Verhältnisse seines Rechtsvorgängers bezüglich der Anteile zurechnen lassen, die er von diesem unentgeltlich erworben hat. Dagegen fallen Anteile, die der Veräußerer auf andere Weise erworben hat, nicht unter den Anwendungsbereich von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999.
Erwirbt der Steuerpflichtige, der zunächst einen Geschäftsanteil unentgeltlich erworben hat, einen weiteren Geschäftsanteil (entgeltlich oder unentgeltlich), so findet bei einer Veräußerung § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 lediglich auf den Anteil Anwendung, der von einem wesentlich beteiligten Rechtsvorgänger unentgeltlich erworben worden ist, nicht hingegen auf den weiteren entgeltlich oder unentgeltlich erworbenen Anteil (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727). Die später erworbenen Anteile bleiben von der erweiterten Steuerverhaftung unberührt (keine Infizierung). Eine derartige Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor.
Im Streitfall ist der Sohn der Klägerin auch hinsichtlich der jungen Aktien als ihr Rechtsvorgänger anzusehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie die in ihnen verkörperten Rechte nicht durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln neu erworben, denn diese waren bereits in den Altaktien enthalten und mithin auch ein Teil von deren Anschaffungskosten.
Der in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 verwendete Begriff der Anschaffungskosten ist im Sinne des § 6 EStG 1999 und des § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszulegen. Danach muss es sich um Aufwendungen handeln, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Die so verstandenen Anschaffungskosten schließen es jedoch nicht aus, dass ein ursprünglich angeschaffter Vermögensgegenstand durch einen oder mehrere andere ersetzt wird (Surrogation, Auf- und Abspaltung) und dass sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten in dem Ersatzvermögensgegenstand fortsetzen. Dies gilt auch für den Fall der Ausgabe neuer Gesellschaftsrechte aufgrund einer Kapitalerhöhung (BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BStBl II 1999, 638).
Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (vgl. § 207 AktG sowie § 57 j des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) besteht die Besonderheit, dass das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre - anders als bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen (vgl. § 186 Abs. 3 AktG) - nicht ausgeschlossen werden kann. Gemäß § 212 AktG stehen die jungen Aktien den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile zu. Ein entgegenstehender Beschluss der Hauptversammlung ist nichtig.
Die Regelung des § 207 AktG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Mitgliedschaft der Aktionäre die umgewandelten Kapital- und Gewinnrücklagen bereits zuvor anteilig umfasste, so dass deren Beteiligung vor und nach der Kapitalerhöhung letztlich denselben Wert repräsentiert. Nach der Kapitalerhöhung verteilen sich die in den Altaktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte (insbesondere der Umfang der stillen Reserven) auf eine größere Anzahl von Anteilsrechten. Die Gleichwertigkeit aller Aktien derselben Ausstattung hat zur Folge, dass die in den Altaktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte durch die Ausgabe neuer Aktien im Verhältnis der Anzahl der neuen zur Anzahl der alten Aktien abnehmen. Denn insbesondere der Umfang der stillen Reserven wird durch die Kapitalerhöhung nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - beeinflusst; der Erhöhung des Nennkapitals steht keine entsprechende Vermehrung des Umfangs der stillen Reserven gegenüber. Diese durch die Kapitalerhöhung bewirkte Wert- bzw. Rechtsminderung der Altaktien wird durch das gesetzlich eingeräumte Bezugsrecht gewissermaßen kompensiert. Wirtschaftlich betrachtet war die Klägerin somit vor und nach der Kapitalerhöhung in demselben Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt.
Steuerrechtlich werden aus der Kapitalerhöhung daher keine unmittelbaren Folgerungen gezogen. Die Zuteilung der jungen Aktien führt nach § 1 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (KapErhStG) nicht zu Einkünften des Aktionärs aus Kapitalvermögen, sondern sie ist steuerneutral. Gemäß § 3 KapErhStG gelten als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte und der auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte die Beträge, die sich für die einzelnen Anteilsrechte ergeben, wenn die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte auf diese und auf die auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte nach dem Verhältnis der Anteile am Nennkapital verteilt werden.
Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Klägerin zugleich mit dem Geschäftsanteil am Stammkapital der S GmbH auch das nach der Umwandlung in die S AG in den Altaktien enthaltene Bezugsrecht auf die ihr aus der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zustehenden Aktien an der S AG von ihrem Sohn unentgeltlich erworben hat. Die anlässlich der beiden Kapitalerhöhungen ausgegebenen jungen Aktien waren zuvor Teil der Substanz der Altaktien und konnten folglich auch bei ihrer Verselbstständigung im Rahmen der Kapitalerhöhung nicht von der Klägerin neu erworben werden. Die Gewinnrealisierung nach § 17 EStG 1999 ist hierbei nicht schon bei dem Übergang der stillen Reserven von den alten auf die jungen Anteile, sondern erst bei der Veräußerung der Aktien eingetreten.
Dieses Ergebnis ist entgegen der Auffassung der Klägerin mit Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar. Zweck der Vorschrift ist es, die Realisierung des in der Gesellschaft erzielten Substanzzuwachses zu besteuern (BFH-Urteil vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BStBl II 1975, 505, 509). Es soll der durch die Veräußerung des Anteils an einer Kapitalgesellschaft eingetretene Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfasst werden (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Urteile vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BStBl II 1995, 870, 872; vom 13. Juli 1999 VIII R 72/98, BStBl II 1999, 820; vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05 , BStBl II 2006, 171, m. w. N.). Der an einer Kapitalgesellschaft maßgeblich beteiligte Gesellschafter soll auf der Vermögensebene so behandelt werden, als gehörte seine Beteiligung zu einem Betriebsvermögen, vergleichbar der Besteuerung bei einem Mitunternehmer.
Die Rechtsnachfolgeklausel in § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 verdeutlicht dabei die Absicht des Gesetzgebers, Besteuerungslücken zu schließen: Der unentgeltlich erwerbende Rechtsnachfolger hat die Steuerverstrickung der erhaltenen Anteile allein deswegen hinzunehmen, weil sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre den Status eines wesentlich Beteiligten aufgewiesen hat.
Auch bei der Kapitalerhöhung wird dem gesetzgeberischen Plan einer lückenlosen Erfassung der Wertzuwächse von Anteilen im Sinne des § 17 EStG 1999 Rechnung getragen. So wird nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG1999 auch eine Anwartschaft auf eine Beteiligung als Anteil an einer Kapitalgesellschaft gewertet. Danach wird eine Besteuerung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, 2 EStG 1999 ausgelöst, wenn ein Altgesellschafter anlässlich einer Kapitalerhöhung, die nicht aus Gesellschaftsmitteln erfolgt, dadurch entgeltlich über seine Anwartschaft verfügt, dass er sein Bezugsrecht nicht ausübt und dafür eine Gegenleistung von dem Neugesellschafter erhält, der an seiner Stelle zur Übernahme der neuen Stammanteile zugelassen wird (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BStBl II 1993, 477).
Der Senat sieht insbesondere vor dem Hintergrund des Normzwecks keinen Grund, den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 1999 im Fall einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln einschränkend auszulegen. Die durch die von dem Senat vorgenommene Auslegung ausgelöste steuerrechtliche Folge entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der im Wortlaut des Gesetzes seinen Niederschlag gefunden hat.
Die sich aus der Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergebenden rechnerischen Auswirkungen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.
FG Baden-Württemberg:
Urteil v. 26.03.2008
Az: 2 K 172/05
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