Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 60/06

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2007, Az.: 27 W (pat) 60/06)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Dezember 2005 wird teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke DD 653 393 hinsichtlich der Waren "Garne und Fäden für textile Zwecke; Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)" zurückgewiesen wurde. Die Marke 304 30 377 ist auch hinsichtlich der vorgenannten Waren zu löschen.

2. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Widersprechende hat gegen die am 11. Februar 2005 veröffentlichte Eintragung der am 14. Mai 2004 angemeldeten, für

"Garne und Fäden für textile Zwecke; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier); T-Shirts, Schuhe, Sportschuhe (soweit in Klasse 25 enthalten), Hüte, Kappen, Hosen"

in den Farben rot und blau geschützten Marke Nr. 30430377 Grafik der Marke 30430377.1 Widerspruch eingelegt aus ihren Marken 1. Nr. DD 653 393 Grafik der Marke DD653393 angemeldet am 25. September 1990 und seit 05. Juli 1993 eingetragen für

"Leder und Lederimitationen; Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

2. der Gemeinschaftsmarke Nr. 277632 Vergrößernangemeldet am 8. Juli 1996 und seit 19. November 1998 eingetragen für

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Handtaschen, Geldbörsen, Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck" sowie 3. der Gemeinschaftsmarke Nr. 2791499 Vergrößernangemeldet am 29. Juli 2002 und seit 24. März 2004 eingetragen für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, u. a. für

"Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken; einschließlich Stoffetiketten; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bett- und Tischdecken; einschließlich Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Stoffetiketten; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke DD 653 393 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; T-Shirts, Schuhe, Sportschuhe (soweit in Klasse 25 enthalten), Hüte, Kappen, Hosen" angeordnet; den weitergehenden Widerspruch aus der vorgenannten nationalen Marke sowie die Widersprüche aus den beiden Gemeinschaftsmarken hat sie zurückgewiesen. Die Zurückweisung ist damit begründet, dass eine markenrechtliche Ähnlichkeit der für die angegriffene Marke weiter geschützten Waren "Garne und Fäden für textile Zwecke; Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)" zu den Waren der Widerspruchsmarken nicht bestehe und die widersprechenden Gemeinschaftsmarken zu der angegriffenen Marke nicht ähnlich seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Verwechslungsgefahr auch hinsichtlich der übrigen Waren der angegriffenen Marke für gegeben. Hierzu beruft sie sich zum einen darauf, dass es sich bei ihren Marken um bekannte Marken handele, der sog. "Swoosh" in ihren Marken, der auch für die widersprechende Wortbildmarke prägend sei, sich in der angegriffenen Marke wiederfinde und die angegriffenen weiteren Waren der jüngeren Marke zu den für die Widerspruchsmarken geschützten Waren hinreichend ähnlich seien.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Marke Nr. 30430377 wegen der Widersprüche aus den Marken Nr. DD 653 393, EU 277 632 und EU 2 791 499 zu löschen.

Die Markeninhaberin hat keine Stellung zur Beschwerde genommen.

An der auf den Hilfsantrag der Widersprechenden anberaumten mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten entsprechend voriger Ankündigung nicht teilgenommen.

II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Während die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Widersprüche aus den beiden Gemeinschaftsmarken mangels hinreichender Markenähnlichkeit zurückgewiesen hat, kann eine Gefahr von Verwechslungen nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der älteren nationalen Marke der Widersprechenden und der angegriffenen Marke auch hinsichtlich der von letzterer noch beanspruchten Waren "Garne und Fäden für textile Zwecke; Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)" nicht verneint werden, so dass unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs aus der nationalen Marke DD 653 393 insgesamt zu löschen und die Beschwerde wegen der weiteren Widersprüche aus den Gemeinschaftsmarken zurückzuweisen ist.

1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).

2. Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr über die bereits bestandskräftige Löschungsanordnung der Markenstelle hinaus wegen des Widerspruchs aus der nationalen Marke auch hinsichtlich der verbliebenen Waren im Warenverzeichnis der jüngeren Marke nicht verneint werden, während der Grad an Zeichenähnlichkeit hinsichtlich der beiden widersprechenden Gemeinschaftsmarken selbst auf dem Gebiet identisch beanspruchter Waren angesichts der ihnen allenfalls zuzubilligenden normalen Kennzeichnungskraft zu gering ist, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

a) Die Kennzeichnungskraft der nationalen Widerspruchsmarke, die von Haus aus als normal anzusetzen ist, ist infolge ihrer gerichtsbekannten intensiver Benutzung für Sportschuhe und Sportbekleidung deutlich erhöht; insoweit handelt es sich bei ihr um eine bekannte Marke i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

Demgegenüber stellen die Gemeinschaftsmarken einen allseits üblichen Haken dar, der als solcher von Haus aus nur über geringstmögliche Kennzeichnungskraft verfügt; da aber auch diese Zeichen - was ebenfalls gerichtsbekannt ist - auf Sportschuhen und -bekleidung nicht nur in Verbindung mit der Firma der Widersprechenden, sondern auch in Alleinstellung intensiv benutzt werden und dem Verkehr auch ohne die Unternehmensbezeichnung der Widersprechenden als allgemeiner Hinweis auf diese geläufig ist, liegt bei diesen beiden Marken eine Steigerung ihrer von Haus aus geringen Kennzeichnungskraft infolge ihrer Bekanntheit vor, so dass ihnen trotz der originären Kennzeichnungsschwäche insgesamt eine normale Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist.

b) Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, besteht in Bezug auf die von der Löschungsanordnung betroffenen Waren der angegriffenen Marke im Bereich der Klasse 25 Warenidentität zu den für alle drei Widerspruchsmarke geschützten Waren und eine enge Ähnlichkeit zu den für die angegriffene Marke darüber hinaus geschützten Waren "Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten".

Soweit die Markenstelle demgegenüber eine Warenähnlichkeit hinsichtlich der weiteren Waren "Garne und Fäden für textile Zwecke; Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)" verneint hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Insoweit liegt eine zumindest mittlere Warenähnlichkeit zu den für die Widerspruchsmarken geschützten Bekleidungsstücken vor. Dies gilt nicht nur für "Garne und Fäden für textile Zwecke" (vgl. hierzu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 32 Stichwort "Bekleidungsstücke", S. 87 Stichwort "Fäden" und S. 111 Stichwort "Garne" m. w. N.; BPatG 27 W (pat) 180/97; HABM R 52/02-4, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM), sondern auch für "Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)". Letztere können nämlich nicht nur aus denselben Ausgangsmaterialien wie Bekleidungsstücke hergestellt sein, sondern sind auch an denselben Vertriebsorten zu finden, da selbst Bettenfachgeschäfte häufig beispielsweise Unterwäsche und Bade- und Schwimmbekleidung führen, so dass es für den Verkehr nahe liegt, bei unter derselben Bezeichnung angebotenen Bett- und Tischdecken auf der einen Seite und Bekleidungsstücken, insbesondere Unter- und Sportwäsche, auf der anderen Seite selbst dann, wenn er diese Produkte verschiedenen Anbietern zuordnen sollte, zumindest enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen diesen anzunehmen.

c) Angesichts der gesteigerten Kennzeichnungskraft der widersprechenden nationalen Marke ist auf der Grundlage der oben genannten Wechselwirkungstheorie der zumindest durchschnittliche Grad an Zeichenähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke auch hinsichtlich der in einem mittleren Grad ähnlichen Waren "Garne und Fäden für textile Zwecke; Bett- und Tischdecken (nicht aus Papier)" zu groß, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Demgegenüber kann bei den lediglich normal kennzeichnungskräftigen Gemeinschaftsmarken selbst auf dem Gebiet identisch beanspruchter Waren der für eine Verwechslungsgefahr mindestens erforderliche mittlere Grad an Markenähnlichkeit nicht festgestellt werden.

aa) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] - Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] - SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/-Elfi Rauch); hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] - SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] - SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] - SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 - LILA; GRUR 1990, 367, 368 - alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 - acpharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] - SIR/Zirh). Daneben kommt eine Markenähnlichkeit auch in Betracht, wenn Bestandteile einer komplexen Marke, die Bestandteilen der gegenüberstehenden Marke entsprechen, den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck dominieren (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] - Malteserkreuz) oder prägen (vgl. BGH GRUR 2006, 60 Tz. 17 - coccodrillo).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt in Bezug auf die nationale Marke eine zumindest mittlere Zeichenähnlichkeit vor, während ein solcher Grad hinsichtlich der widersprechenden Gemeinschaftsmarken nicht erreicht wird.

Auch wenn die angegriffene Marke und die widersprechende nationale Marke erkennbar wegen unterschiedlicher Bedeutungsinhalte ihrer jeweiligen Wortbestandteile keine semantischen Ähnlichkeiten aufweisen, kommen sie sich in schriftbildlicher Hinsicht zunächst schon darin nahe, dass sie jeweils ein aus vier Buchstaben bestehendes Wort enthalten, wobei sich die beiden Wörter lediglich in ihrem Anfangsbuchstaben unterscheiden. Auch wenn Abweichungen am Wortanfang insbesondere bei kurzen Wörtern in der Regel zur Unterscheidung ausreichen, kommt diesem Unterschied im vorliegenden Fall aber wegen der Bekanntheit der Unternehmensbezeichnung der Widersprechenden keine die Zeichenähnlichkeit reduzierende Bedeutung zu; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem in der angegriffenen Marke enthaltenen Wort um einen weiten Teilen des inländischen Verkehrs völlig unbekanntes Wort handelt, was ein Überlesen des unterschiedlichen Wortanfangs und damit eine irrtümliche Identifizierung mit der bekannten Unternehmensbezeichnung der Widersprechenden begünstigt.

Die sich bereits aus der Nähe der jeweiligen Wortbestandteile ergebende durchschnittliche optische Ähnlichkeit beider Zeichen wird durch die unterschiedliche grafische Ausgestaltung nicht reduziert oder gar ausgeschlossen. Zwar handelt es sich bei dem grafischen Element in der nationalen Widerspruchsmarke ohne weiteres um einen unter ihrem Wortbestandteil angeordneten Haken, während die jüngere Marke als Grafik die stilisierte Wiedergabe eines Segelbootes enthält, die bei isolierter Betrachtung des grafischen Bestandteils der angegriffenen Marke trotz der unterschiedlichen Farbgebung von Rumpf und Segel ohne Mühe erkennbar bleibt. Meint der Verkehr aber bereits aufgrund des ähnlichen Wortelements, die angegriffene Marke irrtümlich der Widersprechenden zuordnen zu können, wird er ihrem grafischen Element keine hiervon wieder wegführende Bedeutung beimessen, zumal er in einem solchen Fall auf den ersten Blick dazu neigen kann, den in gleicher Farbe wie das auf die Widersprechende hindeutende Wortelement gehaltenen stilisierten Rumpf des Segelbootes gerade nicht als solchen zu erkennen, sondern diesen irrtümlich dem Wortelement zuzuordnen; dann ist aber in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen, dass er den Rumpf des Segelbootes und das Wortelement als grafische Einheit ansieht und deshalb meint, hierin die ähnlich gestaltete Widerspruchsmarke wiederzuerkennen.

Daneben besteht zwischen der nationalen Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke auch eine klangliche Ähnlichkeit, deren Grad allerdings nicht als allzu eng anzusehen ist. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass erhebliche Teile des Verkehrs die bei einer klanglichen Wiedergabe beider Marken allein zu berücksichtigenden Wortbestandteile in "deutscher Aussprache" wiedergeben. Eine solche Aussprache entspräche bei der Widerspruchsmarke, deren Wortelement den Namen der griechischen Siegesgöttin enthält, der griechischen Originalaussprache. Bei einer solchen Aussprache prägen die hellen Vokale zusammen mit dem beiderseits vorhandenen Konsonanten "K" aber so stark das Gesamtklangbild, dass die einzige Abweichung, nämlich der Anlaut "N" in der Widerspruchsmarke, leicht überhört werden kann. Ein deutlich wahrnehmbarer klanglicher Unterschied besteht allerdings bei einer beiderseits amerikanischen bzw. englischen Aussprache der gegenüberstehenden Marken; eine solche Aussprache entspricht der üblichen Wiedergabe der Widerspruchsmarke der aus den USA stammenden Widersprechenden, deren Wortbestandteil meist amerikanisch wie [naiki:] ausgesprochen wird. Dies hebt sich aber noch hinreichend von einer englischen, wie [naik] klingenden Aussprache des Wortbestandteils der angegriffenen Marke ab.

Insgesamt liegt somit eine schriftbildliche wie klangliche Ähnlichkeit zwischen der nationalen Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke vor, aufgrund derer beide Marken als zumindest durchschnittlich ähnlich anzusehen sind, was wiederum angesichts der gesteigerten Kennzeichnungskraft der nationalen Widerspruchsmarke nicht nur im Bereich der identisch beanspruchten, sondern auch bei den lediglich als durchschnittlich ähnlich anzusehenden Waren für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr ausreicht.

Anders verhält es sich bei den beiden Gemeinschaftsmarken, aus denen die Widersprechende ebenfalls Widerspruch eingelegt hat. Diese bloßen Bildzeichen, die mit der angegriffenen Marke nur in semantischer oder visueller Hinsicht verglichen werden können (vgl. BGH, GRUR 2006, 60, 63 [Rz. 24] - coccodrillo), könnte der Verkehr in der angegriffenen komplexen Marke nur dann wiederzuerkennen glauben, sofern er diese als aus drei selbständig kennzeichnenden Teilen bestehend ansähe und in dem mittleren grafischen Teil, bei dem es sich in Wahrheit um den (roten) Rumpf eines stilisierten Segelbootes handelt, mit dem Haken, den die beiden Gemeinschaftsmarken allein wiedergeben, identifizieren würde. Anders als bei der nationalen Widerspruchsmarke, bei der eine solche Fehlinterpretation wegen der ähnlichen Wortelemente nicht auszuschließen ist, hat der Verkehr aber bei dem Vergleich der beiden widersprechenden Gemeinschaftsmarken mit der angegriffenen Marke keinerlei Veranlassung, gerade diesen grafischen Bestandteil aus der Gesamtmarke herauszulösen und mit der Grafik der beiden Gemeinschaftsmarken zu identifizieren; vielmehr liegt es in diesem Fall für ihn auf den ersten Blick nahe, die oberhalb des Wortes befindliche Grafik in der angegriffenen Marke als Einheit und damit (zutreffend) als stilisiertes Segelboot anzusehen, welches mit den beiden Widerspruchsmarken eine - wenn überhaupt - allenfalls sehr entfernte Ähnlichkeit aufweist. Insgesamt kann damit kein mindestens mittlerer Grad an Zeichenähnlichkeit zwischen den widersprechenden Gemeinschaftsmarken und der angegriffenen Marke festgestellt werden, der vorliegen müsste, um angesichts der normalen Kennzeichnungskraft der beiden Widerspruchsmarken selbst im Bereich identisch beanspruchter Waren eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinn zu begründen.

3. Da somit eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich sämtlicher Waren der angegriffenen Marke nur aufgrund des Widerspruchs aus der Marke DD 653 393 feststellbar ist, war auf die Beschwerde der Widersprechenden der angefochtene Beschluss der Markenstelle nur teilweise wegen der von der Löschungsanordnung nicht betroffenen Waren der angegriffenen Marke aufzuheben, während der weitergehenden, auf den Widerspruch aus den beiden Gemeinschaftsmarken gestützten Beschwerde der Erfolg zu versagen war.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz Pr/Ju






BPatG:
Beschluss v. 04.12.2007
Az: 27 W (pat) 60/06


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