Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2000
Aktenzeichen: 34 W (pat) 31/00
(BPatG: Beschluss v. 12.12.2000, Az.: 34 W (pat) 31/00)
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patentamts vom 17. August 1998 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patentamts hat das am 11. Juli 1992 angemeldete Zusatzpatent 42 22 830 zum Patent 42 09 987 nach Prüfung eines Einspruchs durch Beschluss vom 17. August 1998 gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1 PatG in vollem Umfang aufrechterhalten. Das Zusatzpatent betrifft ein Verfahren zum Erstellen von Versatz- und/oder Füllbaustoffen für den untertägigen vorzugsweise Kali- und/oder Salzbergbau.
Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 und 2 in der erteilten Fassung zugrunde. Der Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Erstellen von Versatz- und/oder Baustoffen beispielsweise für den untertägigen Bergbau, bei dem schmutzbehaftete Reststoffe aus industriellen Recyclingprozessen mit freie, alkalisch wirkende Verbindungen enthaltenden Reststoffen zusammengebracht werden, und den schmutzbehafteten Reststoffen aus industriellen Recyclingprozessen und den freie, alkalisch wirkende Verbindungen enthaltenden Reststoffen Abraumsalze aus dem Salzbergbau, ähnliche salzhaltige Rückstände oder ähnliche Abraumrückstände aus anderen Bergbaubereichen hinzugefügt werden, wobei die schmutzbehafteten Reststoffe aus industriellen Recyclingprozessen noch Schwermetalle und glasförmige Stoffe enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass Kunststoffabfälle, bevorzugt aber dochtfähige Abfälle, wie z.B. Umhüllungsprodukte von Kabeln und dgl., soweit aufgeschreddert werden, dass sie Salzlösungen aus der Aufbereitungstechnik der Kali- und Salzbergwerke aufnehmen, undmit dieser Flüssigkeit und weiteren Zuschlagstoffen, bevorzugt Bindemitteln aus der Rauchgasreinigung, zusammengebracht werdenund die entsprechenden Füll- und/oder Versatzstoffe erstellen."
Zum Wortlaut des hierauf rückbezogenen Anspruchs 2 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Der Beschluss ist im wesentlichen damit begründet, dass zum einen die Lehre des Patents so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und dass zum anderen der Gegenstand des Patents gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig sei.
Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Zur Begründung hat sie daran festgehalten, dass es dem Patent an einer deutlichen und vollständigen Offenbarung mangele. Überdies sei das Patent insbesondere gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Literaturstelle
[1] Lange J.; "Industrielle Abfallstoffe als Versatzkomponente, eine zusätzliche Erlösquelle für Bergwerke" in DE-Z: Erzmetall 37 (1984) Nr. 2, S 84 bis 89 nicht patentfähig.
Die Einsprechende beantragtden angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber, der zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen ist, hat dem Vorbringen der Einsprechenden schriftsätzlich widersprochen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er begründet seinen Antrag im wesentlichen mit den im angefochtenen Beschluss dargelegten Argumenten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt nicht zum Erfolg.
1. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs 1 Nr 2 PatG).
Als der mit dem Inhalt des Streitpatents befasste Fachmann ist ein Diplomingenieur der Fachrichtung Bergbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des hydraulischen Grubenversatzes anzusehen.
Dieser entnimmt der Streitpatentschrift die Lehre, das Verfahren nach dem Hauptpatent in der Weise weiterzubilden, wie es im Kennzeichen des angefochtenen Anspruchs 1 angegeben ist. Hiernach sind die Kunststoffabfälle, die als schmutzbehaftete Reststoffe aus industriellen Recyclingprozessen anfallen, zum einen soweit aufzuschreddern, dass sie Salzlösungen aus der Aufbereitungstechnik der Kali- und Salzbergwerke aufnehmen, und zum anderen mit weiteren Zuschlagstoffen zusammenzubringen, um - mit der Gesamtheit der im Oberbegriff angegebenen weiteren Maßnahmen für die Komponentenmischung - die entsprechenden Füll- und/oder Versatzstoffe zu erstellen.
Es bedarf auch nach Auffassung des Senats keiner unzumutbaren, über das übliche Maß hinausgehender Versuche, um einerseits zu bestimmen, wie weit die Kunststoffabfälle zu zerkleinern sind, damit sie eine zur Aufnahme der genannten Salzlösungen genügende Saugfähigkeit entwickeln, und um andererseits - im Rahmen einer gewünschten Pumpfähigkeit und Versatzfestigkeit - die Menge der weiteren Komponenten geeignet zu bemessen, für die jeweils entsprechende Beispiele offenbart sind (vgl. Patentschrift Sp 1, Z 24 bis 29; 33 bis 35; Z 51 bis 53 und Sp 2, Z 15 bis 16 iVm Hauptpatent DE 42 09 987 C2, Sp 1, Z 63 bis Sp 2, Z 3 und Sp 2, Z 11 bis 12). Eine genaue Rezeptur der Einzelkomponenten ist daher keine zwingende Voraussetzung. Es ist somit vom Fachmann keine Leistung gefordert, die den Rahmen üblicher Versuchsreihen übersteigt, um mit den Angaben des Streitpatents das angefochtene Verfahren durchzuführen.
Ob der mit dem patentgemäßen Verfahren hergestellte Versatz- und/oder Baustoff die vorgeschriebene Festigkeit aufweist und ob dieser auch ansonsten den derzeit geltenden Bestimmungen entspricht, ist nicht Gegenstand des patentgemäßen Verfahrens.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist unstreitig neu, da dem vorliegenden Stand der Technik kein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs als bekannt zu entnehmen ist. Insbesondere wird im Stand der Technik nicht gelehrt, Kunststoffabfälle gezielt soweit aufzuschreddern, dass sie Salzlösungen aus der Aufbereitungstechnik der Kali- und Salzbergwerke aufnehmen können.
Dies gilt auch gegenüber dem Inhalt des nachveröffentlichten Hauptpatents DE 42 09 987 C2.
3. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das Patent betrifft gemäß seiner Beschreibungseinleitung (Sp 1, Z 5 bis 11) ein Verfahren zur Entsorgung und wirtschaftlichen Nutzung von Reststoffen aus industriellen Recyclingprozessen, wie es die Anmeldung des Hauptpatents 42 09 987 zum Gegenstand hatte. Unter diesen Reststoffen versteht man auch Kunststoffe, geschredderten Automobilschrott usw.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Reststoffe, die bevorzugte Dochtwirkungseigenschaften haben, mit Abraumsalzlaugen zusammenzubringen, um sie dann mit anderen Reststoffen so zusammenzubringen, dass sie eine pumpfähige Masse und einen Baustoff ergeben, der als Füll- und/oder Versatzstoff genutzt werden kann.
Es mag dahinstehen, ob in der Aufgabenstellung bereits Lösungsansätze enthalten sind, da dem Stand der Technik die Gesamtheit der im Anspruch 1 angegebenen Verfahrensmaßnahmen nicht zu entnehmen ist.
Der Inhalt der Literaturstelle [1] vermag das angefochtene Verfahren nicht nahezulegen. In diesem Aufsatz wird aufgezeigt, dass industrielle Abfallstoffe als Versatzkomponente eine zusätzliche Erlösquelle für Bergwerke darstellen können. Es werden die Möglichkeiten zur Unterbringung von Industrieabfällen an drei Beispielen erörtert, von denen auch die Beimischung von Kunststoffabfällen einer Kaltzerlegungsanlage für Kabelschrott innerhalb einer pumpfähigen Versatzmischung untersucht wird (vgl. insb. S 87, re Sp, 3. Abs v.u.). Im darauffolgenden Abschnitt 2.1 wird vorgeschlagen, das in Shredderanlagen aufbereitete Abfallgranulat aus Kunststoff- und Gummikabeln im Pumpversatz zusammen mit Bindemitteln und feuchten Aufbereitungsrückständen aus der Erzgewinnung einzubringen, anstatt es Rückgewinnungsanlagen für Polyäthylen, PVC u.ä. zuzuführen und die verbleibenden, nicht aufbereitbaren oder nicht vermarktbaren Reste zu kompaktieren und zu deponieren.
Es handelt sich demgemäß nach [1] um ein Abfallgranulat aus Kunststoff- und Gummikabeln. Eine weitere patentgemäß geforderte Versatzkomponente aus schmutzbehafteten Reststoffen mit Schwermetallanteilen und glasförmigen Stoffen ist nach [1] nicht vorgesehen. Ebensowenig ist vorgesehen, diese Reststoffe mit weiteren Reststoffen zusammenzubringen, die freie alkalisch wirkende Verbindungen enthalten; das Einbringen von Kesselaschen und Flugstäuben kleinerer Kraftwerke in den Pumpversatz ist nämlich im Abschnitt 2.2 nur alternativ zu den Kunststoffabfällen erwähnt.
Desweiteren ist bei diesem für die Erzgewinnung konzipierten Verfahren der Einsatz von Salzlösungen aus der Aufbereitungstechnik von Kali- und Salzbergwerken weder beschrieben noch beabsichtigt. Somit ist auch nicht der streitpatentgemäße Verfahrensschritt nahegelegt, wonach die Kunststoffabfälle soweit aufgeshreddert werden sollen, dass sie diese Salzlösungen aufnehmen können. Dass dieser Schritt nach Auffassung der Einsprechenden alleine durch das Vorliegen von kunststoffhaltigem Abfallgranulat zwangsläufig oder zumindest naheliegend sei, trifft schon deshalb nicht zu, da abweichend vom Offenbarungsgehalt nach [1] streitpatentgemäss der Kunststoffanteil allein im Hinblick auf die Saugfähigkeit (Dochtfähigkeit) der Salzlösung gezielt aufgeshreddert werden soll. Ebensowenig gibt die Druckschrift [1] Anregungen, als Komponente des Füll- und/oder Versatzstoffes Abraumsalze aus dem Salzbergbau, ähnliche salzhaltige Rückstände oder ähnliche Abraumrückstände aus anderen Bergbaubereichen zu verwenden.
Somit vermag der Inhalt dieser Druckschrift die erfinderische Leistung nicht in Frage zu stellen.
Auch die Zusammenschau mit den anderen aus dem Einspruchs- und Prüfungsverfahren genannten Druckschriften
[2] DD 297 206 A5
[3] DE 39 32 046 C2
[4] DE 38 11 325 A1 führt nicht zu der Gesamtheit der im angefochtenen Anspruch 1 angeführten Verfahrensschritte.
Dies gilt insbesondere für die Druckschrift [2], wonach ein Versatz- und Deponiegemisch für die Salzindustrie offenbart ist, das als Transportflüssigkeit gesättigte oder nahezu gesättigte Salzlauge (Salzlösung), als Füllstoff Kraftwerksasche und als Versatzmaterial einen zu deponierenden Feststoff enthält (vgl. dort insb. Anspruch 1). Bei dem zu deponierenden Feststoff kann es sich um Müll, Abfallstoffe aus Müllaufbereitungsanlagen, toxische Stoffe oder anderes handeln (aaO S2, letzter Abs). Kunststoffabfälle und deren Aufbereitung sind in dieser Schrift nicht genannt. Es geht folglich auch kein Hinweis daraus hervor, diese so aufzuschreddern, dass sie diese Salzlauge aufnehmen können. Ebensowenig ist das Hinzufügen von weiteren Versatzkomponenten offenbart, die aus Abraumsalzen aus dem Salzbergbau, ähnlichen salzhaltigen Rückständen oder ähnlichen Abraumrückständen aus anderen Bergbaubereichen bestehen.
Es kann dahinstehen, ob eine Zusammenschau der Lehren dieser beiden Druckschriften [1] und [2], die verschiedene Bergbaubereiche betreffen, für den Fachmann überhaupt naheliegend war, jedenfalls würde eine solche nicht zu der Gesamtheit der im angefochtenen Anspruch 1 angegebenen Verfahrensschritte führen und zwar insbesondere nicht zu der Maßnahme, innerhalb der schmutzbehafteten Reststoffe, die noch Schwermetalle und glasförmige Stoffe enthalten, gezielt die Kunststoffabfälle soweit aufzuschreddern, dass sie die genannten Salzlösungen aufnehmen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn der Inhalt der weiteren Druckschriften [3] und [4] mit einbezogen wird, da dieser noch weiter ab liegt als die Lehre des vorher abgehandelten Standes der Technik.
Somit beruht das Verfahren nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit.
3. Da auch die gewerbliche Anwendbarkeit des angefochtenen Verfahrens unbestritten vorliegt, hat der Anspruch 1 Bestand.
4. Mit dem Hauptanspruch hat auch der hierauf rückbezogene Anspruch 2 Bestand, der mit bevorzugten, nicht platt selbstverständlichen Maßnahmen das Verfahren nach Anspruch 1 weiterbildet.
Ulrich Hövelmann Dr. Frowein Dr. W. Maier Bb
BPatG:
Beschluss v. 12.12.2000
Az: 34 W (pat) 31/00
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