Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. Oktober 2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 67/04
(BGH: Beschluss v. 20.10.2004, Az.: AnwZ (B) 67/04)
Tenor
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt vom 25. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1990 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei wechselnden Gerichten -zuletzt beim Amtsgericht W. , dem Landgericht M. und Oberlandesgericht N. -zugelassen.
Mit Bescheid vom 29. April 2004 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen und zugleich die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet (§ 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacheantrags zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung beider Anträge richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Der Senat entscheidet vorab über die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Dieses Rechtsmittel ist unstatthaft (§ 16 Abs. 6 Satz 6, § 42 Abs. 1 BRAO). Indes gilt auch im Verfahrensrecht in entsprechender Anwendung des § 140 BGB der Grundsatz, daß eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige und wirksame umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1986 -IVb ZB 83/86, BGHR BGB § 140 -Verfahrensrecht 1; Urt. v. 20. November 1996 -XII ZR 70/95, BGHR BGB § 140 -Verfahrensrecht 2; v. 6. Dezember 2000 -XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217, 1218). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Wird gegen die Hauptsacheentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, kann auf Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden (§ 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO). Die Umdeutung der unstatthaften sofortigen Beschwerde in einen solchen statthaften Antrag entspricht dem mutmaßlichen Willen des Antragstellers, zumal dieser gegen die Ankündigung des Senats, daß er diese Umdeutung in Betracht ziehe, nichts erinnert hat. Auch die Antragsgegnerin hat sich nicht dagegen gewandt.
III.
Der -statthafte und zulässige -Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde, den der Antragsteller nicht begründet hat, ist nicht gerechtfertigt.
1.
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung scheidet aus, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Widerrufsbescheid aufrechterhalten wird und die Anordnung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege geboten ist (BGH, Beschl. v. 16. Juli 2001 -AnwZ (B) 61/00, BRAK-Mitt. 2002, 36 f ; v. 9. Mai 2003 -AnwZ (B) 21/03, NJW-RR 2003, 1642, 1643; v. 21. Juli 2003 -AnwZ (B) 37/03, ZInsO 2003, 992).
2.
Im Zeitpunkt der Anordnung der sofortigen Vollziehung lagen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO vor; daran hat sich bis heute nichts geändert.
a) Es liegen hinreichende Beweisanzeichen dafür vor, daß sich der Antragsteller in Vermögensverfall befindet. So hat Rechtsanwalt Z. gegen den Antragsteller einen Mahnbescheid über eine Forderung von 72.965 € aus einem Schuldanerkenntnis erwirkt. Der Antragsteller hat hierzu lediglich mitgeteilt, daß er mit Rechtsanwalt Z. über einen Vergleich verhandele. Über ein Ergebnis dieser Verhandlungen hat er nichts berichtet, so daß von deren Erfolglosigkeit ausgegangen werden muß. Außerdem ist der Antragsteller mit der Miete für die Kanzleiräume 4 Monate im Rückstand. Ein Mandant des Antragstellers, Roland W. , hat am 28. Mai 2004 gegen den Antragsteller ein Teil-Versäumnisurteil wegen nicht ausgekehrter Fremdgelder erwirkt (LG M.
5 O 985/04). Beim Amtsgericht -Insolvenzgericht -Magdeburg ist ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers eingegangen (361 IN 124/04).
b) Der Antragsteller hat in mindestens fünf Fällen bei ihm eingegangene Fremdgelder nicht unverzüglich -und selbst nach Mahnung nicht -an seine Mandanten weitergeleitet. Auf den bereits erwähnten Fall W. (oben a) wird verwiesen. Diese Vorgänge zeigen, daß der Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege geboten ist.
Deppert Basdorf Ganter Ernemann Salditt Kieserling Kappelhoff
BGH:
Beschluss v. 20.10.2004
Az: AnwZ (B) 67/04
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