Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2005
Aktenzeichen: 10 W (pat) 708/02
(BPatG: Beschluss v. 16.06.2005, Az.: 10 W (pat) 708/02)
Tenor
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Musterregister - vom 28. November 2001 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Anmelderin stellte mit der am 24. März 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Geschmacksmustersammelanmeldung "Kaminofen" Antrag auf Eintragung in das Musterregister. Der Antrag wurde unter Verwendung des amtlichen Antragsvordrucks gestellt. Auf diesem ist das Kästchen für die Eintragung als Sammelanmeldung angekreuzt und als Anzahl der Muster "28" angegeben. Im beigefügten amtlichen Anlagenblatt (R5703.1) sind 28 laufende Nummern mit jeweils verschiedener Zuordnungsangabe vergeben ("Mini SL", "Smarty 45", usw). Eingereicht wurden Abbildungen aber zu insgesamt 29 Mustern, wobei die zu einem Muster gehörenden zwei Abbildungen jeweils mit einer laufenden Nummer und einer Zuordnungsangabe versehen sind: "Lfd. Nr. 1 Kamineinsatz Fabrik Nr. 'Mini 2L', Lfd. Nr. 2 Kamineinsatz Fabrik Nr. 'Smarty 45'", usw durchgehend bis zur "Lfd. Nr. 29 Kamineinsatz Fabrik Nr. 'Arte AR'". Bis zum Muster mit der Nummer 22 stimmen die Zuordnungsangaben im Anlagenblatt und die Zuordnungsangaben auf der Musterdarstellung überein, ab dann gibt es eine Abweichung: die Nummer 23 auf dem Anlagenblatt enthält die Zuordnungsangabe der Musterdarstellung mit der Nummer 24, die Nummer 24 auf dem Anlagenblatt enthält die Zuordnungsangabe der Musterdarstellung mit der Nummer 25 usw.. Die Musterdarstellung mit der laufenden Nummer 23 "Varia 3 RLR" ist nicht im Anlagenblatt aufgeführt.
Auf den Zwischenbescheid des Patentamts, wonach das mit "Varia 3 RLR" bezeichnete Muster nicht im Antrag aufgeführt und demzufolge der Antrag auf die Eintragung von 28 Mustern gerichtet sei, erklärte die Anmelderin am 16. August 2001, dass das Muster "Varia 3 RLR" Teil der vorliegenden Anmeldung sein solle, wie sich dies auch aus den Anmeldungsunterlagen ergeben habe.
Auf den weiteren patentamtlichen Zwischenbescheid, wonach für das Muster "Varia 3 RLR" der Anmeldetag auf den Eingangstag der Erklärung (16. August 2001) zu verschieben sei, da erst mit dieser Erklärung insoweit die Eintragung beantragt worden sei, hat die Anmelderin am 11. Oktober 2001 die Teilung der Geschmacksmusteranmeldung erklärt und beantragt, das Muster "Varia 3 RLR" in einer abgeteilten Geschmacksmusteranmeldung fortzuführen und der abgeteilten Geschmacksmusteranmeldung den Anmeldetag vom 24. März 2001 zuzubilligen. Es sei mit den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen deutlich erkennbar gewesen, dass auch das 29. Muster Gegenstand der Geschmacksmusteranmeldung sein sollte.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Musterregister - hat durch Beschluss festgestellt, dass für das Muster mit der Bezeichnung "Varia 3 RLR" der 16. August 2001 der Tag der Anmeldung sei. Zur Begründung ist ausgeführt, der Anmeldetag dieses Musters sei gemäß § 10 Abs 3 Satz 2 und 3 iVm § 7 Abs 3 Nr 1 GeschmMG auf diesen Tag zu verschieben, weil erst zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich dieses Musters ein wirksamer Antrag auf Eintragung in das Musterregister vorgelegen habe. Neben der Darstellung müsse gleichzeitig der Antrag für das Muster vorliegen, um einen prioritätsbegründenden Anmeldetag festzulegen. In dem am 24. März 2001 eingegangenen Antrag sei die Beantragung von Musterschutz für das Muster mit der Bezeichnung "Varia 3 RLR" noch nicht enthalten gewesen. Nach den insoweit eindeutigen Erklärungen im Antragsformular und im Anlagenblatt sei nur ein Antrag auf Eintragung einer Sammelanmeldung von 28 Mustern gestellt worden. Nachdem dieser Antrag eindeutig gewesen sei, könne auch nicht im Wege der Auslegung nach §§ 133, 145 BGB ein Wille auf Schutzerlangung für 29 Muster entnommen werden. Auch aus dem Widerspruch zwischen 28 angegebenen und 29 eingereichten Musterdarstellungen könne nichts hergeleitet werden, denn dies ergebe unausräumbare Zweifel daran, ob das Muster mit der Bezeichnung "Varia 3 RLR" ebenfalls Gegenstand dieser Geschmacksmusteranmeldung sein sollte; diese Zweifel gingen zu Lasten der Anmelderin. Erst mit der Erklärung am 16. August 2001 seien diese Zweifel ausgeräumt worden.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie führt zur Begründung im wesentlichen aus, aus dem Gesamtpaket der Anmeldungsunterunterlagen sei ersichtlich gewesen, dass es sich nur um eine unkorrekte Ausfüllung des Anlagenblattes gehandelt habe, so dass insofern der mit einem Schreibfehler behaftete, aber ansonsten deutlich ersichtliche Sinn dieser Willenserklärung durch einfache Auslegung zu ermitteln gewesen sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Anmeldetag für das Muster "Varia 3 RLR" ist nicht auf den 16. August 2001 zu verschieben, auch bei diesem Muster bleibt es beim Anmeldetag 24. März 2001.
1. Der Senat hat von einer Zurückverweisung gemäß § 79 Abs 3 Nr 2 PatG iVm § 23 Abs 2 Satz 3 GeschmMG nF abgesehen und in der Sache selbst entschieden, obwohl das Verfahren vor dem Patentamt wegen der Nichtberücksichtigung der am 11. Oktober 2001 erklärten Teilung der Anmeldung an einem wesentlichen Mangel leidet. Die Teilung erfolgte ersichtlich zu dem legitimen Zweck, die unbeanstandeten Muster schneller eintragen lassen zu können (vgl Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl § 7 Rdn 68), das Patentamt hat aber den Beschluss über die Verschiebung des Anmeldetags in der ungeteilten Stammanmeldung vollzogen. Die Sache ist aber entscheidungsreif und eine weitere Verzögerung zu vermeiden.
2. Die Verschiebung des Anmeldetags setzt gemäß § 10 Abs 3 GeschmMG in der hier maßgeblichen bis 31. Mai 2004 geltenden Fassung (iF: aF) das Fehlen eines zwingend vorgeschriebenen Anmeldeerfordernisses voraus, wobei es hier um das Fehlen des gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 GeschmMG aF vorgeschriebenen Eintragungsantrags geht. Bezüglich des streitgegenständlichen Musters "Varia 3 RLR" kann nicht davon ausgegangen werden, dass es am Anmeldetag an einem solchen gefehlt hat, vielmehr ergibt die gebotene Auslegung der Anmeldungsunterlagen, dass auch insoweit ein Antrag auf Eintragung in das Musterregister gestellt worden ist.
Bei der Auslegung einer Verfahrenshandlung wie hier der Einreichung eines Antrags auf Eintragung in das Musterregister gelten die Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechts gemäß § 133 BGB. Eine Auslegung darf danach nicht am Wortlaut haften bleiben, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende wirkliche Wille des Erklärenden ist zu erforschen, wie ihn das Patentamt als Erklärungsempfänger nach den objektiv erkennbaren Umständen des Falles und der Interessenlage des Erklärenden vernünftigerweise verstehen musste (vgl die Senatsentscheidungen BPatGE 45, 4, 6 - Neuronales Netz; BPatGE 45, 149, 152 - Valaciclovir; Senatsbeschluss 10 W (pat) 705/03 vom 11. November 2004; Schulte, PatG, 7. Aufl, Einleitung Rdn 108).
Die Angabe der Gesamtzahl der Muster mit "28" auf dem Antragsvordruck, ebenso die nur 28 laufenden Nummern auf dem Anlagenblatt stehen ersichtlich im Widerspruch zu den eingereichten Musterdarstellungen, aus denen insgesamt 29 Muster ersichtlich sind, wobei jedes Muster mit einer laufenden Nummer von 1 bis 29 versehen ist. Die Anmeldung ist daher unklar und bedarf der Auslegung. Dabei kann nicht allein auf die Angaben im Antragsvordruck und Anlagenblatt abgestellt werden, vielmehr sind für die Auslegung des Antrags auf Eintragung in das Musterregister die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen heranzuziehen (vgl Senatsbeschluss 10 W (pat) 705/03 vom 11. November 2004). Hier ist die ausdrücklich angegebene Musteranzahl "28" ohne weiteres als offenbare Unrichtigkeit zu erkennen. Das Anlagenblatt ist nicht korrekt ausgefüllt worden, indem auf dem Anlagenblatt das Muster mit der laufenden Nummer 23 "Varia 3 RLR" nicht auftaucht, sondern im Anlagenblatt unter der Nummer 23 das Muster mit der Nummer 24 erscheint. Trotz der fehlerhaften Übertragung der Muster in das Anlagenblatt besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass der wirkliche Wille der Anmelderin erkennbar auf die Eintragung aller 29 Muster, so wie sie am 24. März 2001 eingereicht worden sind, gerichtet gewesen ist. Für eine Verschiebung des Anmeldetags ist daher kein Raum.
Schülke Rauch Püschel Pr
BPatG:
Beschluss v. 16.06.2005
Az: 10 W (pat) 708/02
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